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An Charlotte von Stein

Meiningen d. 12ten May 82.

Meine Sachen gehen ordentlich und gut, es ist freylich nichts wichtiges noch schweeres indessen da ich, wie du weisst, alles als Übung behandle; so hat auch dies Reiz genug für mich. Ich habe als Gesandter eine förmliche Audienz bey beyden Herzogen gehabt, die Livree auf dem Saal, der Hof im Vorzimmer, an den Thürflügeln zwey Pagen und die gnädigsten Herrn im Audienz Gemach, Morgen geh ich nach Coburg dieselbe Comödie zu spielen, will in Hildburghausen mich auch an Hof stellen, und gegen Ende der Woche nach Rudolstadt gehn da ich einmal auf dem Weege bin und hiermit alle Thüringische Höfe absolviren. Von Rudolstadt schick ich einen Boten auf Kochberg zu hören ob du da bist.

Da ich einmal im Gewinnst sitze; so fällt mir alles zu, da ich aufmercksam bin des Glücks zu gebrauchen; so vermehrt sichs täglich, und ich verschleudre nichts. Wäre das was ich gewinne Geld; so wollt ich bald eine Million beysammen haben. Verschiedne sind auf verschiednes in der Welt angewiesen. Goldreich werd ich nie, desto reicher an Vertrauen gutem Nahmen und Einfluss auf die Gemüther.

Und was ich erlange bring ich zu deinen Füssen. Es ist gewiss meine Liebste, meine Sinne gehören dir [326] so zu eigen, daß nichts bey mir ein kann ohne dir Zoll und Akzise zu bezahlen.

Du hast in meinen Augen und meinen Ohren kleine Geister angestellt, die von allem was ich sehe und höre den Tribut der Verehrung für dich fodern.

Ich wohne gegen der Kirche über, das ist eine schröckliche Situation für einen der weder auf diesem noch auf ienem Berge betet, noch vorgeschriebne Stunden hat Gott zu ehren. Sie läuten schon seit früh um viere und orgeln daß ich aufhören muß denn ich kann keinen Gedancken zusammenbringen. Adieu liebe liebe Lotte.


Coburg d. 13. May 82 Abends.

So weit wäre mein Feldzug vorgerückt und ganz glücklich und püncktlich. Wenn der Kopf weis was er will und das Herz nicht nötig hat ausheimisch zu seyn daß es ihm wohl werde so gehts ia wohl. Das danck ich dir Liebste alle Tage daß ich dein geworden bin und daß du mich aufs rechte gebracht hast. Ich verlange nicht mehr von den Menschen als sie geben können, und ich bringe ihnen wenigstens nicht mehr auf als sie haben wollen, wenn ich ihnen gleich nicht alles geben kann was sie gerne mögten.

In Meiningen hat man mich auf das allerartigste behandelt, es ist ohnmöglich, mehr Attention Freundschafft und Gefälligkeit zu haben. Ich trete demohngeachtet sehr leise auf und nehme nichts an als was sie mir, iedes einzeln und alle zusammen gewiß nicht [327] zurücknehmen. Die Seele aber wird immer tiefer in sich selbst zurückgeführt iemehr man die Menschen nach ihrer und nicht nach seiner Art behandelt, man verhält sich zu ihnen wie der Musikus zum Instrument, und ich könnte es nicht Acht Tage treiben wenn mein Geist nicht in der glückseeligen Gemeinschafft mit dem deinigen lebte.

Dürckheim ist noch gar nicht wohl. Die famose Kranckheit überfällt auch unversehens in diesen Gegenden viele Menschen. Wenn ich nur hören könnte daß du wohl bist. In Meinungen hat mich kein Brief getroffen ich habe deswegen Bibra Commission gegeben.

Heut Mittage hab ich in Hildburghausen bey dem Alten gegessen. Er war sehr munter und freundlich, gab mir Audienz im Bette, und war nachher gleich angekleidet zu Tafel.


Coburg d. 14. früh.

Eben erhalte ich deinen lieben Brief vom 9ten und 10ten, du hast mir damit eine unbeschreibliche Freude gemacht. Ich wünschte recht sehnlich von dir etwas zu sehen als er ankam.

Nun rücke ich nicht weiter, und übermorgen näher zu dir. Ich lasse mich nirgends halten und gehe zur gesetzten Stunde weg. Es ist gar artig eine Reihe Phisiognomien von Städten und Höfen zu sehn, ieder Hof hat einen dezidirten eignen Charackter der sich von oben herein bildet. Ich verspreche dir eine Reihe Schilderungen die dir gefallen sollen.


[328] Coburg d. 15ten früh.

Nun wäre ich auch hier so weit fertig, will mich heute nach Gegenden und Menschen umsehen und morgen in die Gebürge reiten.

Gestern war es ein schöner Anblick als ich mit der Herrschafft ausfuhr auf einmal die ganze Gegend grün zu sehen. Es hatte in Einer Nacht sehr starck getrieben. Es fehlt nichts als daß du nicht da bist, die Landschafft ist auserordentlich schön.

Heute früh werde ich auf die Feste fahren, es ist auch ein schöner Morgen. Ihr werdet auch solches Wetter haben, und ich hoffe du besuchst meinen Garten.

Lebe wohl liebste Lotte Dieser Brief sucht dich in Kochberg auf. Findet er dich nicht so geht er traurig auf Weimar. Bist du in Kochberg so komm ich Sonnabend Abend hin. Wärst du nicht da so gehe ich über Jena. Adieu vielgeliebte. Wer dich gefunden hat weis warum er in der Welt ist.


d. 15ten Nach Mittags.

Die Aussicht von der Vestung ist sehr schön und ich habe einen angenehmen Morgen gehabt, es wird mit Gewalt grün, und des armen Menschen Freude, wenn wieder einmal etwas iung wird, ist gar gros, weil er doch selbst immer altert.

Heute fahren wir noch auf eine Marmel Mühle [329] von Thümmeln, was das sey erfährst du weitläufig wenn ich komme.

Adieu, ich muss schliesen. Morgen frühe geh ich von hier weg.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1782. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6DD6-0