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An August Claus von Preen

Ew. Hochwohlgeboren

können mich für sehr nachlässig, wo nicht gar für undankbar halten, daß ich die Ankunft einer so werthen Sendung nicht gemeldet, meine Freude darüber nicht ausgedruckt. Lassen Sie mich zu meiner Entschuldigung sagen: daß ich manche Brief- und Autorschulden aus dem vorigen Jahre in das neue mit herüber nehmen müssen, welches denn neuen Zudrang auch nicht fehlen läßt. Sodann auch läßt sich bemerken, daß man Jugendfehler, bewußt oder unbewußt, auch mit in das Alter herübernimmt, wie denn bey mir der Fall ist, daß ich mehr als billig unternehme, da denn vieles, was man als Nebensache angesehen, doch auch wieder einmal an die Reihe kommt und seine Rechte fordert.

Indessen bin ich meinen entfernten Freunden doch nicht entfremdet gewesen, indem ich sie, zusammen und einzeln, gar oft vor Augen gehabt bey Druckschriften, denen ich zu Ostern eine gute Aufnahme[180] wünsche. Mögen meine Rostocker Lieben auch manches für sich darin gewahr werden.

Und nun lassen Sie mich der erfreulichen Zeichnung gedenken, wodurch Sie mich so geneigt in Ihre Nähe versetzten; es freute gar sehr zu sehen, wie ruhig und reinlich unser thätiger Held hingestellt ist; die nahen Gebäude sind sehr anständig, die lichten Baumreihen und mäßigen Buschgruppen lassen wohlgeordnetes Natürliche mit Anstand und Zierlichkeit gewahr werden. Die Zeichnung selbst ist so genau, fleißig und rein, als man es in dieser Art nur wünschen kann. Danken Sie dem wackern Künstler auch in meinem Namen auf das schönste.

Sodann gratulire zu der glücklichen Acquisition fürtrefflicher Gemählde! Da ich selbst in meinem Leben erfahren habe, was ein würdiger Kunstbesitz zu jeder Zeit unterhält, anfrischt, belehrt, fördert, erquickt und tröstet, so freue ich mich, an werthen Freunden die gleiche Neigung zu entdecken, die uns drängt, bey jeder Gelegenheit, unsern Kräften und Zuständen gemäß, etwas Gutes und dauerhaft Erfreuliches um uns zu versammeln.

Mögen Sie, bis ich Herrn Director von Both für das Übersendete meinen schuldigen Dank selbst entrichten kann, es in meinem Namen thun. Über die sogenannten Naturdichter hoffe nächstens, mehrere unter einander vergleichend, mich auszusprechen.

Schließlich wiederhole meinen Glückwunsch zur nunmehr [181] völlig beendigten, so bedeutenden Unternehmung. Möge das in diesem Frühjahr neu hervorbrechende Grün der Anlage, so wie der dießjährige Wuchs Ihre Freude daran immer wieder erneuern und vermehren.

gehorsamst

Weimar den 4. April 1821.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1821. An August Claus von Preen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-727D-B