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An Silvie von Ziegesar

CarlsBad d. 5. Aug. 1808.

Da beykommendes Blat bis heute liegen geblieben füge ich noch einige Worte hinzu. Die Herzoginn [129] von Curland ist abgereist und ich habe Ihrem Herzog die Aufwartung gemacht, er war gnädig und vertraulich, ja ich muß gestehen daß eine Schilderung verschiedner Characktere mit etwas scharfem, aber auch sehr genauem und richtigem Werckzeug, mich in Erstaunen gesetzt hat. Und so geht mir's Epochen weis, bis die schöne Epoche wieder kommt auf die ich mich so sehr freue.

Gestern Abend habe ich bey herrlichem Mondschein, die große Tour um die Promenaden gemacht, durch das Tempelchen und so weiter; daß eine schlancke weiße Gestalt neben mir herging können Sie dencken.

Wie viel hätte ich nicht zu sagen; aber ich will enden und fleißig seyn; die Tage rauschen vorbey und mein Ende ist vor der Thür, um drüben wieder von vorn schon um so vieles näher!

Dem Herrn Vater sagen Sie zum Troste daß Serenissimus in Kaufen und Schencken sich mäßig verhalten, daß von dem äußeren Seltsamen nur noch die Kutschermäntelchen übrig sind. Daß der Fürst gegen manche seine ganze Liebenswürdigkeit entfaltet, wenn er auch gegen andre den Quälgeist spielen mag, daß er einige gute weibliche Gemüther durch sein Betragen eingenommen, deren Umgang ihm wohlthätig, gewiß nicht schädlich ist. Seine beyden Begleiter haben sich Achtung und Neigung zu erwerben gewußt. Herrn von Hardenbergs kluges Benehmen [130] ist bekannt. Frl. Dalwig hab ich nicht näher gesehen. Übrigens scheint der Medicus wie ein wahrer Dorl an jedermann anzuschnurren.

Adieu nun, liebste Silvie; von der Herzoginn von Curland und ihren Umgebungen mündlich. Haben Sie Frl. Knabenau gesehen, oder von ihr gehört. Es ist ein wundersames Wesen. Sie besitzt eine Art von allgemeiner Liebenswürdigkeit, so daß man sich betrüben könnte wenn sie nur Einem angehörte und wenn man der Eine selbst wäre. Zunächst hat sie mich an unsre Wolfskeel, jetzige Fritsch erinnert. Mit einem Gefühl das dieser Betrachtung sich ganz entgegen stellt sage ich Ihnen liebste Silvie das beste Lebewohl.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1808. An Silvie von Ziegesar. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-73CF-D