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An Wilhelm von Wolzogen

Ew. Hochwohlgeb.

hätten mir keinen lebhaftern Beweis Ihrer Freundschaft geben können, als daß Sie den Wunsch zeigen den Genuß des mancherley Interessanten, was Sie umgibt, mit mir zu theilen. Wär ich etwas jünger, so würde ich wahrscheinlich dem Rufe folgen; allein [109] in meiner gegenwärtigen Lage halten mich gar mancherley Betrachtungen zurück und ich muß mich begnügen von den Rückkehrenden über die dortigen Gegenstände belehrt zu werden.

In einem zweyten Briefe gedenken Sie der schönen Abgüsse, welche gegenwärtig in Paris zu haben sind. Wie sehr wünschte ich, daß bey uns eine entschiedene Neigung zu solchen Kunstschätzen sich fände; nach unserer gegenwärtigen Lage aber glaube ich kaum, daß man sich zu einer solchen Anschaffung entschließen dürfte. Möchten Sie mir indessen den Kopf derVenus von Arles gelegentlich überschicken, so würden Sie mir auch schon dadurch eine besondere Freude machen. Vielleicht geschieht es mit einem Transport Spiegel, damit die Fracht nicht zu theuer kommt.

Es war mir sehr angenehm zu hören daß Sie an dem Mahler Kolbe eine erfreuliche Bekanntschaft gemacht haben, auch ihm ist, wie mir sein letzter Brief versichert, Ihre gütige Aufnahme sehr ermunternd und ich wünsche nur daß Sie Ihre Güte gegen ihn fortsetzen möchten.

Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin, die Sie jetzt das Vergnügen haben bey sich zu sehen, möge das gute Glück Gesundheit und frohe Laune schenken, um sich so vieler bedeutenden Gegenstände recht lebhaft freuen zu können. Unser guter Prinz, dem ich mich zu empfehlen bitte, wird, als der jüngste der Gesellschaft, [110] wohl auch den meisten Genuß von diesem Aufenthalte haben.

Mögen Sie wohl auch Herrn von Pappenheim meinen besten Gruß ausrichten.

Von hiesigen Ereignissen hören Sie ja wohl manchmal dieses und jenes. Ich wüßte nicht viel zu sagen, denn ich bin beynahe selbst ein Fremder. Seit sechs Wochen habe ich die sehr complicirten Abentheuer des Lauchstädter Theaterbaues, der Eröffnung desselben und der übrigen Einleitung dieser neuen Epoche, nicht ohne manche Unannehmlichkeit, überstanden. Indessen ist die Sache in Gang, und die Entreprise scheint zu gelingen.

Indeß wir also, mit unsern kleinen Mitteln, nothdürftige Erscheinungen hervorbringen, an denen wir selbst wenig Vergnügen haben, bleibt Ihnen jeden Abend die Wahl, was für ein Schauspiel Sie sehen mögen, ein Zustand über welchen ich Sie oft beneide.

Leben Sie recht wohl. Empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemahlin, gedenken unserer und lassen von Zeit zu Zeit von sich hören.

Weimar am 2. August 1802.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1802. An Wilhelm von Wolzogen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-77AB-1