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An Christian Gottlob Voigt

[Jena, 27. Januar 1818?]

Und was soll ich denn abermals Ew. Exzell. auf alle die unerfreulichen Nachrichten erwiedern? Für deren schnelle Mittheilung ich jedoch höchlich danckbar bin. Jederzeit weis ich vier und zwanzig Stunden voraus was für schlechtes Wetter von Osten in Westen anlangen wird, ohne auch nur im mindesten wehren oder helfen zu können und so beunruhigt mich wieder die Wirckung dieser Meteore die von dort herüber schallt und trifft. Durch dieses Unwesen ist auch hier die Gesellschafft in stumme Apprehension gerathen, niemand traut dem andern, und wäre man nicht genöthigt zu lehren und zu lernen, von Morgens bis in die Nacht würde durchgeklatscht, was mit wenig vernünftigen Worten abzuthun ist.

Wes Brodt ich esse des Lied ich sing. Die Herren essen das Brot der Presfreyheit, kein Wunder daß sie ihr zu Ehren die heftigsten Hymnen singen.

Das Publicum verhält sich wie Beylage sub [*Mars] besagt; doch ist ein merckwürdiges Phänomen daß niemand mehr an die allgemeinen Angelegenheiten denckt; sondern ein gränzenloser Haß gegen Kotzebue sich hervorthut, der denn seinen Feinden gut Spiel macht. Alles was gegen ihn geschieht wird gebilligt, jede Maasregel für ihn getadelt. Barth mit der [29] eisernen Stirn wird an's Licht gezogen und als das willkommenste Document betrachtet. Man droht mit neuem Abdruck desselben, und freylich würde dieser Scandal gutes Geld eintragen.

Bürger wie Studenten wüthen öffentlich gegen den Erbfeind, wie sie ihn betrachten. Alle frühern Geschichten: wie K. der Academie und Stadt zu schaden gesucht werden hervorgehoben, Historien die denn nur allzuwahr sind und jener Zeit uns beyden nicht wenig zu schaffen machten. Es entstehen gewiß noch die unangenehmsten Folgen aus diesem seinen Aufenthalt in W. Daß es schlecht ablaufen würde konnte jeder voraussagen, Wie? ist leider schon offenbar.

ad Seria!

Der Januar geht zu Ende, wie steht es mit dem Depositum das der Bibl. Casse zu Gute gehen sollte? Möchten Ew. Exzell. mir deshalb nähere Nachricht geben! Ich wünschte daß es uns förmlich zugesprochen und vergönnt würde davon zu erheben. Jetzt bedürfen wir's nicht, vielleicht aber verwendete man einen Theil auf die Grunerische Aucktion. Ich lasse gleich die Aushängebogen des Catalogs durchgehen, damit man Zeit hat sich zu berathen. Von 425 Büchern die man nachgesehen hat sind nur 74 auf der academischen Bibliotheck. Einen solchen Fall müssen wir nothwendig zur Sprache bringen.

Prof. Güldenapfel ist sehr kranck, ich erschrack als[30] ich ihn seit vier Wochen zum erstenmal wiedersah. Das Verhältniß zur Literatur Zeitung ist ihm drückender als jemals. Und doch seh ich nicht wie der Sache zu helfen wäre. Die Arbeit kann er nicht thun und das Geld nicht entbehren.

So viel für den Augenblick, mit dringender Bitte um Fortsetzung der Staats Nachrichten.

Verbundenst

Goethe.


[*Mars]

In Holland 1615

ging es mit Verbietung der allzugemeinen pasquillischen Bücher und Schmähkarten, wie in Deutschland mit der Münz, daß es immer verboten, und doch immer fortgetrieben wurde. Ist also das unnütze Bücher-Schreiben eins von denen Dingen, die jedermann tadelt und jedermann gern hat, kauft und lieset, sonst würde es des Druckens nicht verlohnen.

Renovatum Jena 1818.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1818. An Christian Gottlob Voigt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7B02-C