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An Carl Franz Anton von Schreibers

[Concept.]

[Jena, 16. April 1818.]

Nicht leicht erlebt man einen so wunderbaren Ausgang eines unangenehmen Geschäftes! Denn ob er gleich nicht erwünschter hätte seyn können, so erregt er doch bey Ew. Hochwohlgeboren das verdriesliche Gefühl einem unzuverlässigen, widerwärtigen Menschen auch nur einen Augenblick getraut, und sich irgend zu einer billigen Vermittelung entschlossen zu haben. Glücklicher Weise verschlimmerte sich die Sache dadurch keineswegs, die Entdeckung seiner unzulänglichen Mittel gereicht uns zum Besten, indem sie uns Freyheit läßt nach wohl zu überlegenden Zwecken eine ansehnliche Summe zu verwenden.

Ueber die Fortsetzung der Flora Austriaca werde, nach erfolgter nächsten Sendung, mit unsern Pflanzenfreunden Rath pflegen, und Ew. Hochwohlgeboren Winke bestens benutzen.

Die angekündigten Skelette erwarten wir mit Verlangen, da nächsten Sommer zum erstenmal bey uns recht gründlich und eigentlich vergleichende Anatomie gelesen wird. Man hat gerade in dem Augenblick alle Ursache diesem herrlichen Wissen mehr Freunde und Schüler zu berufen, da des Herrn Professor Doctor Carus in Dresden Lehrbuch der Zootomie, mit beygefügten Tafeln, uns höchst wünschenswerthe [145] methodische Uebersicht zu Theil werden läßt. Dürfte ich daher Dieselben ersuchen auch künftig für uns in diesem Fache Sorge zu tragen, weshalb ich mir eine kurze Schilderung unserer Bedürfnisse wohl erlauben darf.

Vor allem also vom Osteologischen! da dergleichen Präparate sich am besten transportiren und erhalten lassen; wobey ich bemerke daß wir eigentlich nur zu didacktischen Zwecken sammeln, wo die Repräsentanten von Thiergeschlechtern und Arten schon befriedigen.

Von Hausthieren besitzen wir alles; an schönen Pferden, die unser Marstall nach und nach verlor, ist leider kein Mangel, die nächsten Geschöpfe des Feldes und Waldes an harmlosen und wilden Thieren sind auch vorhanden. Mehrere Affen, Tiger, Phoken und ein sehr schöner Elephantenschädel, ferner Geweihe, Hörner und dergleichen gehen nicht ab; dasselbe gilt von Vögeln von denen, wenn auch nicht ganze Skelette, doch die bedeutenden Häupter vorhanden sind.

Die von Ew. Hochwohlgeb. angekündigten Geschöpfe erwarten wir mit Begierde, sie füllen bedeutende Lücken unserer Sammlung; könnten wir nun nach und nach diejenigen Gegenstände erhalten die auf anliegendem Blatte verzeichnet sind so würden unsere ferneren Wünsche befriedigt seyn: doch gebe Folgendes zu bedenken: um einen Künstler, wie derjenige ist von dem wir durch Ew. Hochwohlgeboren Vorsorge so manches besitzen, sammelt sich gar vieles was besonders [146] zu didacktischen Zwecken nützlich seyn kann. So würden zum Exempel einzelne Theile bedeutender Geschöpfe, es sey nun vom Schädel, Rumpf oder Extremitäten sehr angenehm seyn: denn wenn man dergleichen im Ganzen auch schon besitzt, so mag man doch dergleichen Exemplare schonen und würde sie um gewisser Speculationen willen nicht gerne sprengen, zerschneiden oder zerstückeln. Auch giebt es lehrreiche Zusammenstellungen, wo man einen Theil des Körpers, nach den Stufen seiner Metamorphose, durch viele Thierarten nebeneinander stellt; ich will nur des Vorderarms erwähnen der aus der Function einer blos tragenden und sich allenfalls bewegenden, gegliederten Säule, sich zu der gewandtesten Supination und Pronation heraufbildet.

Verzeihen Ew. Hochwohlgeb. daß ich ausspreche was Ihnen längst bekannt ist, es geschieht nur um anzudeuten wie wir uns mit den Brosamen, die von einem Kaiserlichen Tische fielen, gar gerne begnügten.

Noch eine kleine gefälligst leicht zu erfüllende Bitte füge hinzu.

Von dem grau und meist klein gesprenkelten Wiener Pflastersteine besitze wohl einige geschliffene wohlgearbeitete Gefäße, aber es fehlt meiner Sammlung ein geschliffenes Blättchen, das ich von beygezeichneter Größe wünschte.

Noch mehr aber interessirt mich ein rohes Stück zu besitzen mit vielseitigem frischen Bruch. Mögen [147] Ew. Hochwohlgeb. mir zugleich Kenntniß geben, wo dieser Stein eigentlich vorkommt und in welcher geologischen Verbindung, so werden Sie mir etwas besonders Angenehmes erzeigen.


[Beilage.]

Zum Behuf der Zootomie wird gewünscht:

1) Skelettirter Büffelskopf, womöglich mit den Halswirbeln. (Könnte man mit mäßigen Kosten das ganze Skelett erhalten, so würde es angenehm seyn.)

2) Skelett vom Wolf,

3) vom Biber,

4) vom Känguruh,

5) vom Singschwan,

6) von der Rohrdommel,

(wenigstens wünscht man die Brustknochen dieser beiden Vögel, merkwürdig, weil die Luftröhre darin eingeschlossen ist).

7) Ein Skelett von Charadrius Himantopus.

Ferner wenn es möglich wäre:

8) Ein Exemplar Proteus anguinus,

9) Ein Exemplar Rana pipa,

(Beide jedoch in ihrer Integrität, weil man sie hier zu seciren denkt).

10) Theile von Skeletten, als Extremitäten von bedeutenden Geschöpfen, Wirbelknochen, Schädelfragmente und sonstiges würde nicht unangenehm seyn.

Jena den 8. April 1818.


[148] Nachschrift.

Indem ich kurz vor meiner Abreise von Jena siegeln willkommt die Sendung von Wien, zwar angekündigt aber doch unvermuthet an, und ich kann sagen, da sie gleich in meiner Gegenwart ausgepackt wurde, sehr glücklich, welches freylich kein Wunder ist, da alles Zerbrechliche und Verbiegliche so vortrefflich gepackt war.

Die Aufstellung des Strauß-Skeletts soll gleich nach meiner Rückkunft erfolgen. Ich gehe morgen nach Weimar, weil Serenissimus den 20. Dieses Sich nach Ems verfügen.

Die Samen, Edelsteine und brasilianischen Nachrichten nehme mit hinüber und bin gewiß viel Vergnügen dadurch zu erwecken. Gönnen Ew. Hochwohlgeboren mir stets ein gewogenes Andenken.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1818. An Carl Franz Anton von Schreibers. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-81F3-A