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An Friedrich Schiller

Es ist gegenwärtig hier gerade eine lustige und gesellige Epoche und ich bin meist Mittag, oder Abends auswärts. Dagegen kann ich noch keine productiven Momente rühmen, die sich überhaupt immer seltener machen.

[48] Ich bin über des Soulavie memoires historiques et politiques du regne de Louis XVI gerathen, ein Werk das einen nicht los läßt und das durch seine Vielseitigkeit einnimmt, wenn gleich der Verfasser mitunter verdächtig erscheint. Im Ganzen ist es der ungeheure Anblick von Bächen und Strömen, die sich, nach Naturnothwendigkeit, von vielen Höhen und aus vielen Thälern, gegen einander stürzen und endlich das Übersteigen eines großen Flusses und eine Überschwemmung veranlassen, in der zu Grunde geht wer sie vorgesehen hat so gut als der sie nicht ahndete. Man sieht in dieser ungeheuern Empirie nichts als Natur und nichts von dem was wir Philosophen so gern Freyheit nennen möchten. Wir wollen erwarten ob uns Bonapartes Persönlichkeit noch ferner mit dieser herrlichen und herrschenden Erscheinung erfreuen wird.

Da ich in den wenigen Tagen schon vier Bände dieses Werks durchgelesen habe, so weiß ich freylich sonst nicht viel zu sagen. Das schöne Wetter hat mich einigemal hinaus in das Freye gelockt, wo es auch noch sehr feucht ist.

Leben Sie recht wohl und sagen mir gelegentlich etwas von den weimarischen Zuständen und in wie fern Ihnen einige Arbeit glückt.

Jena den 9. März 1802.

G. [49]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1802. An Friedrich Schiller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8BD6-B