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An Friedrich Schiller

Der erste Act wäre überstanden! ein Aufzug, den ich zur gestrigen Redoute arrangiren half, es ging alles gut ab, obgleich der Saal übermäßig voll war. Da man jetzt bloß in Distichen spricht, so mußte der türkische Hof selbst sein Compliment an die Herzogin in dieser Versart darbringen, wie Sie aus der Beylage sehen werden. Eine andere Gesellschaft hatte einen Zug von gemischten Masten aufgeführt, unter welchen sich ein paar Irrlichter sehr zu ihrem Vortheil ausnahmen, sie waren sehr artig gemacht und streuten, indem sie sich drehten und schüttelten, Goldblättchen und Gedichte aus.

Die Disticha nehmen täglich zu, sie steigen nun mehr gegen zweyhundert. Ich lege das neuste Modenjournal bey wegen der Abhandlung pag. 18 über die Xenien. Der Verfasser denkt wohl nicht daß ihm auch eins fürs nächste Jahr zubereitet werde. Wie arm und ungeschickt doch im Grund diese Menschen sind! nur zwey solcher Gedichtchen, und noch dazu so schlecht übersetzt, zur Probe zu geben! Es ist aber als wenn alles geistreiche diesen feuerfarbenen Einband flöhe.

Ich habe die Abhandlung Cellini's über die Gold schmiedts- und Bildhauerarbeit von Göttingen erhalten. Da ich ihn nun doch geschwind lesen und [16] ausziehen muß; so wird die kleine Biographie wahrscheinlich dadurch befördert werden. Leben Sie recht wohl und grüßen Sie Ihre liebe Frau.

Fast hätte ich das beste vergessen. Ich habe einen gar schönen und guten Brief von Meyer erhalten der seinen Zustand recht deutlich darstellt. Seine unwiderstehliche Neigung gründlich zu seyn und etwas ausführliches zu arbeiten, kommt bey der ungeheuern Menge von Gegenstände die er beschreibt und beurtheilt und bey dem Reize anderer die er nachbilden möchte sehr ins Gedränge. Er fragt mich um Rath und ich werde ihn an seinen Genius zurückweisen.

In einem Brief an die Herzogin Mutter steht eine lustige Stelle über die Künstler, welche jetzt Kantische Ideen in allegorischen Bildern darstellen. Wenn es nicht bloß Persiflage ist, so haben wir da die tollste Erscheinung die vor dem jüngsten Tage der Kunst vorhergehen kann.

Aus Ihrem Briefe seh ich erst daß die Monatschriften Deutschland und Frankreich Einen Verfasser haben. Hat er sich emancipiret, so soll er dagegen mit Karneval-Gips-Drageen aus seinen Büffelrock begrüßt werden, daß man ihn für einen Perückenmacher halten soll. Wir kennen diesen falschen Freund schon lange und haben ihm bloß seine allgemeine Unarten nachgesehen, weil er seinen besondern Tribut regelmäßig abtrug, sobald er aber Miene macht diesen zu versagen so wollen wir ihm gleich einen Bassa [17] von drey brennenden Fuchsschwänzen zuschicken. Ein Dutzend Disticha sind ihm schon gewidmet, welche künftigen Mittewoch, geliebt es Gott, anlangen werden. Indessen nochmals ein Lebewohl.

Weimar den 30. Januar 1796.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1796. An Friedrich Schiller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8DC6-E