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An Marianne von Eybenberg

Carlsbad den 12. August 1808.

Ihren lieben erstern Brief von Töplitz erhalte ich heute den 12. Und damit mit der umgehenden Post wieder etwas fortgehe, soll nur kürzlich Einiges diktirt werden. Kurz nach Ihrer Abreise traf ich mit den Hoffräuleins der Herzogin von Curland auf der Wiese zusammen, besuchte sie einigemal und ließ mich sodann ihrer Gebieterin vorstellen. Den Abend vor ihrer Abreise war ich noch dort, las Einiges vor und war so artig als ich seyn konnte; dafür man mich denn auch recht gut behandelt und nach Löbichau eingeladen hat. Fräulein von Knabenau ist wirklich ein merkwürdiges Wesen, von großer Anmuth und Lebensleichtigkeit.

Dem Herzoge von Gotha, den ich dort angetroffen hatte, wartete ich gleichfalls auf, wurde gut aufgenommen, nachher zur Tafel geladen und auch über ihn habe ich mich nicht zu beklagen. Beynahe scheinenKapp und ich die einzigen, die sich nicht über ihn [137] zu beschweren haben. Sonst bin ich selbst Zeuge von ganz schonungslosen Späßen geworden, mit denen er Fremde so gut als seine eigenen Leute geschoren und geschunden hat. Übrigens habe ich ihn einige Mal wegen sehr treffender Charakterschilderungen, geistreicher Bemerkungen und Repartien bewundern müssen. Der Eigensinn seines Arztes, der Gebrauch des Sprudels beym heißesten Wetter, Diätfehler haben in den letzten Tagen ihm die wunderlichen Paroxysmen, geistig und leiblich, verursacht, von denen ich mich enthalte weiter zu sprechen.

Madame Eskeles habe ich nur im Konzert gesehen, den Fürsten Clary auf meiner Hausbank empfangen und wie ich fürchte an beyden Ihrer Empfehlung nicht genug gethan. Entschuldigen Sie mich bey dem letzten; die erste hoffe ich noch in Franzenbrunn zu finden, oder bey ihrer Rückreise zu sehen.

Übrigens leben wir in vollkommener Einsamkeit, Gestein liegt um uns her, physikalische Erscheinungen werden beachtet, unter Anleitung eines Dresdner Malers werden Landschaften colorirt, und so geht ein Tag nach dem andern hin. Ich wollte, es stünden uns noch mehr Sommermonate bevor und die Bewohner des Fasans kehrten wieder zurück. Leider daß alles Wünschenswerthe, wie das tausendjährige Reich, sich in Zwischenräumen wiederholt!

An Ihren vertraulichen Relationen kann ich mir den Töplitzer Zustand recht gut vorstellen. Er scheint[138] doch etwas kleinstädtischer zu seyn als der Carlsbader. Empfehlen Sie mich Ihren artigen kurländischen Kindern und gedenken Sie mein im Stillen; denn es ist mir schon zu Ohren gekommen, daß man es nicht ganz gut aufnimmt, wenn Sie meiner in der Welt allzu vortheilhaft erwähnen. Wenn wir selbst nur wissen, was wir an uns und einander haben, ist es völlig hinreichend. Peppinen grüßen Sie schönstens von mir. Auch Riemer empfiehlt sich zu freundlichem Andenken. Wir besuchen Sie beyde noch oft in Gedanken und Worten, da es in Werken nicht mehr angehen will. Seckendorfen will ich schreiben. Er und Stoll machen ein schlechtes Zugpaar aus. Ich fürchte, der Prometheus'sche Karren bleibt darüber stecken.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1808. An Marianne von Eybenberg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8DE0-1