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An Carl Friedrich Zelter

Ob dir gleich, mein Theuerster, in deinem stund-stündlichen, sündlichen Berliner Musicanten-Leben, wie ich gar wohl begreife, zu einer Wirkung in die Ferne keine Zeit übrig bleibt; so wünscht ich doch, daß du manchmal, was dir so wohl gelingt, mit einigen Federstrichen den Augenblick festhieltest und ihn einige dreyßig Meilen weiter schicktest. Ich dächte doch, meine Bemühungen um euch, o ihr Athenienser! wenn sie auch nicht jedem Einzelnen, sondern der lieben Gesammtheit gesendet werden, verdienten einige Erwiderung.

Meinen Sommer hab ich glücklich und curhaft zugebracht; das Unglück von Carlsbad gab eine schlechte Nachcur, denn ich bin zu sehr mit diesem Orte verwachsen, als daß ich ihn mir zerstört denken dürfte. Von den Höhen über Franzenbrunnen sah ich, gerade [118] am 9., jenes Unheil in die mir gar wohl bekannte Töpelregion hinunterstürzen, und ohne wunderliche Zufälligkeiten wäre ich in das Unglück mit verwickelt worden; ich hatte sodann weder Muth noch Beruf, in den folgenden Tagen hinzugehen, und die zu einer Fahrt dorthin bestellten Pferde brachten mich nach Hause.

Hier find ich nun deine lieben Zuschriften und Sendungen, wofür der beste Dank gesagt sey; ich habe nun einen vieloctavigen Streicherischen Flügel angeschafft, man sagt, er sey glücklich ausgefallen, und ich hoffe, daß mein Winter dadurch etwas musicalischer werden soll.

Wollten Ew. Liebden also zum Besuch, Urtheil und Genuß sich selbst an Ort und Stelle verfügen, so bitte, daß es in der zweyten Hälfte des Octobers geschehe, und zwar auf Anmeldung, nicht mit Überraschung.

Noch gute vierzehn Tage hab ich hier zu thun, wo dich zu empfangen weder Ort noch Zeit, weder Gesellschaft noch Gelegenheit sey möchte. Laß mich nächstens wissen, wie du darüber denkst, was du vorhast und ausführen kannst, denn ich darf in meinen Jahren und Tagen nicht mehr aus dem Stegreife leben.

Die Musik wirkt nur gegenwärtig und unmittelbar, und so wirke denn auch wieder einmal als ein ächter, zuverlässiger musicalischer Freund.

[119] So weit war geschrieben, als ich erst deine erwünschten Blätter vom 20. August bis 20. September erhielt und, wie du leicht denken kannst, ganz zufrieden gestellt bin. Gegenwärtiges erhältst du durch einen Clavierspieler Hartknoch, einen Schüler unseres Hummels, der sich dir am Flügel selbst empfehlen möge; und so den schönsten Dank für das Mitgetheilte!

treulichst

Jena den 28. September 1821.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1821. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8E83-D