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An Sulpiz Boisserée

Meiner gestrigen Sendung schicke ich alsobald Gegenwärtiges nach, jedoch nicht mit eben der Geistesfreyheit; denn ich kann nur wiederholen: daß mich eine innere Stimme warnt und andeutet es sey nicht wohlgethan die Personen zu nennen welche sich in diesem wichtigen Geschäft vertraulich und wohlwollend an mich gewendet und nach und nach zu höchst bedeutenden Anträgen sich gesteigert haben.

Eine solche, auch gegen einen Freund gethane Eröffnung könnte Mißverhältnisse hervorbringen die mir zu Vedruß und Vorwurf gereichen dürften.

Wäre aber auch ein solches warnendes Gefühl, durch Verstandes-Argument und durch eine Neigung einem Freunde zu willfahren, überwindlich; so tritt ein Fall ein der mir eine solche Mittheilung unmöglich macht. Es ward mir nämlich von einem vieljährig geprüften Freund und Geschäftsmanne ein völlig ausgefertigter, mit allen Sicherheiten versehener und mit hohen Empfehlungen begleiteter Contract vorgelegt, der in Rücksicht meiner Jahre für mich [289] höchst vortheilhaft war. Eine starke Summe, gleich zu Ostern zahlbar, sollte mich den Stand setzen gewisse ökonomische Plane auszuführen und ihnen durch unmittelbar nachfolgende Zahlungen Gewicht zu geben; worauf ich gegenwärtig verzichten muß.

Bin ich nun aber gewiß daß Herr v. Cotta in wahrer Neigung für meine Person und in Betracht eines alten geprüften Verhältnisses so viel gethan, als er gegen sich und die Seinigen verantworten konnte; so geht aus dem Gesagten und aus dem Erfolg hervor daß ich, in gleicher Gesinnung, jene lockenden Anträge standhaft abwies und das aus dem ganzen Geschäft sich entwickelnde Gute meinen Nachkommen zuwendete.

Ich darf also kaum wiederholen daß ich die Urheber besonders dieses letzten Antrags zu nennen nicht wagen darf; denn was sollten edle, schon durch Ablehnung ihrer wohlwollenden Vermittlung gekränkte Freunde wohl empfinden, wenn auf irgend eine Weise auch nur eine Andeutung transpiriren könnte daß ich das, im größten Vertrauen Behandelte nicht vollkommen bey mir verschlossen und versiegelt hätte.

Über dieses und Verwandtes mehr erlauben Sie noch ein und das andere Wort. Die Hauptsache ist so glücklich gestellt daß ich nun auch in dem ganzen Verhältniß nur Klarheit und Zufriedenheit wünschen kann.

treu ergeben

Weimar den 6. Februar 1826.

J. W. v. Goethe. [290]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1826. An Sulpiz Boisserée. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-901A-A