7/2336.

An Charlotte von Stein

Ich wünschte du konntest sehen wie du mir überall fehlst. Wem soll ich sagen was ich dencke? Wem soll ich meine Bemerckungen vertrauen. Der Erbprinz von Braunschweig ist nun hier, gleicht sehr seiner Mutter und ist ein offnes, fröhliches, redliches Wesen. Der alte Herzog Ludwig ist auch angekommen, von dem mündlich. Noch lässt die regierende [236] Hezoginn uns harren, übrigens ist alles munter. Der Herzog macht Plane mit seiner Gemahlinn nach den Wochen nach Eisenach zu gehen u.s.w.

Und ich habe nun den nächsten Plan dich wieder zu sehen.

Mit Göschen bin ich wegen meiner Schrifften einig, in Einem Punckte hab ich nachgegeben, übrigens hat er zu allem ja gesagt, er wird auf einer Reise nach Wien durch Karlsbald kommen.

So mag denn das auch gehn. Herder hat den Werther recht sentirt und genau herausgefunden wo es mit der Composition nicht just ist. Wir hatten eine gute Scene, seine Frau wollte nichts auf das Buch kommen lassen und vertheidigte es aufs beste.

Wieland geht die Sachen auch fleisig durch und so wird es mir sehr leicht, wenigstens die vier ersten Bande in Ordnung zu bringen, die vier letzten werden mehr Mühe machen.

Du hast mir die Epigramme nicht abgeschrieben noch den Brief, vielleicht hast du sie mitgenommen.

Tina wird nicht liebenswürdiger, sie fängt an sich gehn zu lassen, und das will sie gar nicht kleiden, sie kennt weder Maas noch Ziel und wird gelegentlich höchst gemein und abgeschmackt. Mit Ernsten geht es nicht besser, Fritz dagegen ist lustig und wohl, hier ein Brief von ihm, er hat sich schon in meine Stube einquartirt.

Ich selbst bin schon nicht mehr hier, ich mag fast[237] nichts mehr thun, ob ich gleich noch zu thun habe und sehne mich fort. Der Herzog ist noch unruhiger, und wenn die Fremden nicht wären, er verginge daß er so lang aushalten muß.

Lebe wohl, liebe mich! Ich komme bald.

Weimar d. 6. Jul. 86.

G.


Da Fritz den Brief wieder aufgebrochen hat, kann ich dir auch noch ein Wort sagen. Wegen Carlen freut es mich sehr, er kommt dadurch in den Gang des Lebens und da er leicht ist wird er auch leicht durchkommen.

Ich habe mit Schwester und Schwägerinn zu Nacht gegessen, wir waren ganz allein und sie sehr freundlich und gut. Knebel mit den Engländern ist hier, sie thun ihm wohl.

Die Blumen haben mir wieder gar schöne Eigenschafften zu bemercken gegeben, bald wird es mir gar hell und licht über alles Lebendige. Ich habe Herdern neulich mit der Pflanze, deren Blume zuletzt fortfliegt, bey Tafel regalirt, und sie hat ihm viel Vergnügen gemacht.

Lebe nun wohl meine Geliebteste. Da dieser Brief langsam geht, komm ich ihm wohl balde nach, ich freue mich herzlich dich wieder zu sehen.

Leider werdet ihr übel Wetter haben, bey uns regnets täglich.

Grüse Franckenbergs und Ziegesarn aufs beste.

[238]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1786. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9534-C