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An Friedrich Schiller

[27. December.]

Durch Zufall ist diese erste Seite leer geblieben.

Ihr Packet erhalte ich zu einer Zeit, da ich so äußerst zerstreut bin daß ich weder die Sache, wie sie verdient, überdenken, noch darüber etwas Beschließen kann. Lassen Sie mich also nur vorläufig eine ohngefähre Meynung sagen und übereilen Sie nichts. Der Gegner hat sich zu seiner Replik alle Zeit genommen, lassen Sie uns ja, da uns kein Termin zwingt, den Vortheil der reifsten Überlegung nicht leidenschaftlich aus der Hand geben. Sie ist um desto nöthiger als die Sache prosaisch verhandelt werden soll und das erste Wort ist von der größten Bedeutung. Meo voto müßte unsere Prosa so ästhetisch als möglich seyn, ein rednerischer, juristischer, sophistischer Spaß, der durch seine Freyheit und Übersicht der Sache wieder an die Xenien selbst erinnerte. Ihr Aufsatz scheint mir zu ernsthaft und zu gutmüthig. Sie steigen freywillig auf den Kampfplatz der dem Gegner bequem ist, Sie contestiren litem und lassen sich ein, ohne von den Exceptionen Gebrauch zu machen, die so schön bey der Hand liegen. Flüchtig betrachtet sehe ich die Sache so an:

[299] Ein ungenannter Herausgeber von zwey Journalen greift einen genannten Herausgeber von einem Journal und einem Almanach deßhalb an, daß er in einigen Gedichten verläumdet und als Mensch angegriffen worden sey.

Nach meiner Meynung muß man ihn bey dieser Gelegenheit aus seinem bequemen Halbincognito heraustreiben und zuerst von ihm verlangen, daß er sich auf seinen Journalen nenne, damit man doch auch seinen Gegner kennen lerne, zweytens, daß er die Gedichte wieder abdrucken lasse, die er auf sich zieht, damit man wisse wovon die Rede sey und worüber gestritten wird. Diese beyden Präliminarfragen müssen erst erörtert seyn, ehe man sich einläßt, sie incommodiren den Gegner aufs äußerste und er mag sich benehmen wie er will, so tat man Gelegenheit ihn zu persiffliren, die Sache wird lustig, die Zeit wird gewonnen, es erscheinen gelegentlich noch mehrere Gegner denen man immer beyher etwas abgeben kann, das Publikum wird gleichgültig und wir sind in jedem Sinne im Vortheil.

Ich finde auf der Reise gewiß so viel Humor und Zeit um einen solchen Aufsatz zu versuchen. Da wir Freunde haben die sich für uns interessiren so lassen Sie uns nicht unberathen zu Werke gehen. Seitdem ich Ihnen jene Bemerkungen über die Elegie danke, habe ich manches erfahren und gedacht, und ich wünsche Ihnen bey der gegenwärtigen

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1796. An Friedrich Schiller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-96BE-E