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An Marianne von Eybenberg

Es ziemt sich, theure Freundin, nun keine weitere Saumniß, und Sie müssen sogleich den lebhaftesten Dank empfangen. Die zierlichen, nickenden, bückenden und salutirenden kleinen Geschöpfe sind glücklich angekommen, und haben nicht allein mir, sondern ganzen Gesellschaften, in denen ich sie producirt, viel Vergnügen gemacht. Ihnen folgten die Fasanen, durch die starke Kälte wohl erhalten und mit Freuden sogleich vergnüglich verzehrt. Seyn Sie für alles das Gute und Artige zum allerschönsten gegrüßt und fügen Sie die Gefälligkeit hinzu, Ihren hohen schönen Freundinnen für das unschätzbare Andenken den besten Dank zu sagen. Gedenken Sie meiner, wenn Sie zusammen sind und glauben Sie, wenn ich mich wieder nach Carlsbad sehne, so ist es nicht zum kleinsten Theil, weil ich hoffen kann, Ihnen wieder näher zu kommen.

[280] Hoffentlich wird Ihre Gegenwart mich wieder zu manchem Guten befeuern: denn leider hab ich seit meinem Hierseyn doch auch gar nichts hervorgebracht. Ja ich kann fast sagen, seit den letzten Kapiteln jenes Romans, die ich so geschwind zusammen schrieb, um Ihnen keinen fragmentarischen Eindruck zu hinterlassen, ist mir fast gar nichts gelungen, was denn auch wohl sehr natürlich ist, weil ich fast gar nichts unternommen habe.

Von meinem Thun und Lassen kann ich daher wenig melden; es verdrießt mich zu sagen, daß dabey nichts geschieht, was sich jemals auf Sie beziehen, Ihnen einiges Vergnügen machen könnte. Wenn sich das Frühjahr nähert, so sagen Sie mir doch etwas von Ihren Planen; da Sie in Prag überwintern, so werden Sie wohl von Töplitz und Carlsbad im Sommer nicht entfernt bleiben. Ich für meine Person kann den May kaum erwarten, um mich zu den Füßen der vielen Kreuzfelsen zu begeben und daselbst mein altes Sommerleben fortzusetzen. Mögen sich Alles so fügen, daß wir uns dort wiedersehen.

Daß Ihre angenehme Societät mitunter tyranisiert wird, bedaure ich von Herzen; doch sind die Frauen immer ein wenig selbst Schuld, wenn die Männer sich zu viel herausnehmen. Man muß dem Männergeschlecht wohl Recht geben, aber nicht Recht lassen. Doch will ich mit solchen machiavellischen [281] Maximen mir nicht selbst das Spiel verderben, um so weniger, als ich jedes Mal, wenn wir uns wieder sehen, auf Ihre Nachsicht allzu sehr rechnen muß. Leben Sie recht wohl, beste Freundin! So oft ich die artigen Figürchen nicken lasse, so oft gedenk' ich Ihrer Anmuth. Gedenken Sie meiner und lassen Sie mich auf ein diesjähriges frohes Wiedersehen hoffen.

Weimar den 16. Januar 1809.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1809. An Marianne von Eybenberg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9AC9-1