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An Hetzler sen.

am 28. Sept.

Anfangen zu bemercken, und bemerckt zu werden, ist ein kurioser Punckt unsers Lebens, geliebter Freund. Der erste moralische Blick in die Welt so wenig als der erste phisikalische bringt unserm Kopf oder unserm Herzen eine deutliche Empfindung; man sieht, eh man weiß, daß das gesehen ist, und nur sehr lange hernach lernt man erkennen was man sieht. Freuen Sie Sich Sie haben noch lange zu leben, biss Ihnen der Gedancke kommt es sey in der Welt nichts mehr zu sehen.

Die Zeit wird Ihnen lang. Das vermuthete ich. Wenn man nichts anders thut, als sie sich vertrieben, so muß sie einem nothwendig offt zur Last werden; Und Sie sind so ein böser Mann daß Sie sich gern eine Mühe spaaren, wenigstens weiß ich nicht, ob Sie[248] die schönen Gaben die Sie in Sichfühlen, bisher nicht haben brauchen wollen, oder ob Sie nicht Gelegenheit genung gefunden haben, wollen zu können.

Die Akademischen Jahre die ietzt auf Sie warten, sollten von rechtswegen Ihren ganzen Geist beschäfftigen. Es ist diejenige Zeit, deren guten oder schlimmen Gebrauch, man sein ganzes Leben nachempfindet. Nun, wir sehn einander wieder, und dann wollen wir vom Vergangenen reden, das ietzo noch Zukunft ist.

Sie werden in vielen Sachen Ihre Gesinnungen ändern, nur bitte ich, behalten Sie Ihre Liebe für mich beständig, und lassen Sie Entfernung nur Entfernung seyn, einen Nebel der sich zwischen Gegenstände zieht und ohne sie zu ändern, ihre Gestalt unkenntlich macht. pp

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1770. An Hetzler sen.. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9F30-D