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An Christian Gottlob Voigt

Unterzeichnetem war längst bekannt, daß in Blankenhayn sich alte Schnitzwerke befänden, Heiligenbilder und andere kirchliche Gegenstände vorstellend. Er war begierig, nach vollbrachter Besitznehmung der Grafschaft, das Nähere zu erfahren und gab daher dem Badeinspector Schütz zu Berka den Auftrag sich gelegentlich nach jenen Alterthümern zu erkundigen. Dieser bringt nunmehr die Nachricht, daß in dem herrschaftlichen Schlosse, in dem großen Saale, der nun als Stroh- und Heu-Magazin gebraucht wird, ein Flügelschrank sich vorfinde, worin drey große Figuren, an denen Verguldung und Farbe sich noch ziemlich erhalten, unter dem Geströhde im Wust auf der Erde liegen, wovon er durch Wegräumung gedachter Hindernisse Kenntniß genommen.

Im Thurm des Schlosses sey abermals ein altes Schnitzwerk befindlich, welches in einem von zwey[160] Thüren verschlossenen Kasten enthalten sey und viele geschnitzte Köpfe vorstelle.

In der katholischen Kirche seyen ebenfalls ähnliche Schnitzwerke vorhanden, die sonst gleichfalls im Schloß aufbewahrt worden; andere seyen, wie er gehört habe, abhanden gekommen.

Da nun die ersten in Kasten verwahrten, mehr als halberhobenen Bilder offenbar zu den ältesten Kunstwerken gehören, welche sich vielleicht in Thüringen befinden, so ist es Pflicht darauf aufmerksam zu machen. Sie müßten vor allen Dingen aus ihrem gegenwärtigen Zustande sorgfältig gezogen und ihre Beschaffenheit näher untersucht werden.

Die eine Figur hat sich vom Grunde losgemacht, eine andere ist an der Hand beschädigt, die Kasten selbst nicht in dem besten Zustande, welches denn an Ort und Stelle zu erwägen wäre, so wie diese Dinge denn sorgfältig eingepackt hierher geschafft werden könnten.

Mein Sohn, der Cammerjunker und Cammerassessor, erbietet sich zu diesem Geschäft; er würde nach erhaltenem Auftrag sich mit dem Badeinspector Schütz nach Blankenhayn begeben, die beyden ersten obgenannten Gegenstände untersuchen, ihre Erhaltung sichern und allenfalls solche sogleich hereintransporitren, welches gegenwärtig auf dem Schlitten gar leicht geschehen könnte.

Diese Gegenstände wären um desto erwünschter, als man sie zu Auszierung der Capelle auf der Wartburg [161] brauchen und jenem Ritterschloß abermals eine analoge Zierde geben könnte.

Bey der gegenwärtigen Liebe und Leidenschaft zu den Resten der alten deutschen Kunst ist diese Acquisition von Bedeutung und die Wartburg wird künftig noch manchen Pilger mehr zählen.

Ein Schreiben Ew. Excellenz an den Canzley-RathHercher wird diese ganz vernachlässigten und mißgeachteten Dinge ohne Anstoß in unsere Hände bringen.

An die in der Kirche aufgestellten Bilder machte man vorerst keinen Anspruch; der Beauftragte, der nicht ohne Kunstkenntniß ist, würde von ihrem Werth das Nähere referiren können.

Weimar d. 27. Nov. 1815.

J. W. v. Gothe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1815. An Christian Gottlob Voigt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9F44-1