1780, 8. und 14. August.


Mit Johann Anton Leisewitz

Daß Leisewitz vor allen Goethen zu sehen und zu sprechen wünschte, ist selbstverständlich. Sein Bericht über die zweimalige Begegnung mit dem Dichter des »Götz« ist um so schätzbarer, als Goethe derselben nur einmal und da sehr flüchtig gedenkt. Lassen wir Leisewitz selbst reden: (8. August) »Zu Goethen, der auf einem sehr simpeln Gartenhause in der Gegend des Sternes wohnte. Er gefiel mir doch sehr – schon seine Physiognomie nahm mich sehr ein. Von Jacobi. Goethe sagte, er hätte schon von der Natur ein kleines Vulkanchen bekommen, durch Wein Schwefel zugegossen, und durch Leidenschaften fleißig zugeschürt. – Von meiner Gesundheit. – Bode hatte mir gerathen, nach Ilmenau zu gehen und Goethe rieth mir auch dazu, weil er die harzigen Ausdünstungen der Fichten für sehr gesund hielt. – Ich habe keine Lust dazu. Wir waren nur kurze Zeit da, weil wir später hinkamen, als er uns bestellt hatte. Er bat mich aber doch, ihn mehr zu besuchen. Auf dem Hin- und Herwege sprachen Bode und ich viel [63] Gescheutes, besonders über Goethens Stolz und Wielands Eitelkeit.«

Die zweite Begegnung fand erst am 14. August statt und währte längere Zeit, als die erste. »Zu Goethen, der mir doch ungemein gefiel. Ich hatte heute Gelegenheit, seine Physiognomie noch genauer zu betrachten: schöne braune Augen und ein hübsches Obergesicht, nur um den Mund einige unangenehme Züge. Wir speisten in einem Zimmer, das mit einigen antiken Statuen und mit Naturalien-Schränken besetzt war; eine Statue des Apollo schien mir nur für das Zimmer zu groß.

Goethe zeigte in seinem Betragen die größte Simplicität, die ich ebenso erwiederte. Ich schien ihm doch sehr zu gefallen; er versicherte mich zu verschiedenen Malen, es sei ihm sehr lieb, mich zu kennen und das letzte Mal vor dem Marstalle mit einem zärtlichen Händedruck. – Die Conversation war meistens sehr ernsthaft und es dauerte lange, ehe ein Wort von Literatur vorfiel; er wiederholte, was ich sagte, oft mit Beifall. Von den Gegenden um Weimar – von einer Untersuchung der Mineralien im Lande – von Armen-Anstalten – Goethe hat auf seine Kosten im Weimarischen Versuche gemacht, mit denen er zufrieden war – von Schliestedt – von Herder – von dem Alter der Welt und der Narrheit, dieses Alter auf 6000 Jahr zu schätzen – von einigen Steinarten im Weimarschen – von Gärten und vom Landleben. – Goethe schätzte sich sehr glücklich, daß er außer der Stadt[64] lebe. Er sagte, es beruhigte ihn ungemein, wenn er noch so verdrieslich zu Hause käme und sähe, daß Alles noch auf seiner Stelle stände – von dem immer Neuen in der Natur; – ich meinte, daß es gewisse Partien gäbe, die sich nur einen Tag im Jahre ausnehmen, wie man vordem Berceaux angelegt hätte, worin die Sonne alle Jahre nur einmal schiene – von meiner Bedienung – von Voltaire, den er ebenso sehr, als ich, als ein Individuum abstrahirt und den Einfluß auf sein Zeitalter bewundert; – er billigte meinen Gedanken sehr, daß Voltaire nichts versalzen und nichts verzuckert habe – von Lessing, mit der größten Achtung, insbesondere wegen seines Nathan und seiner theologischen Controversen – von der Unfähigkeit der deutschen Nation, Laune zu empfinden – er sagte, ›wenn man ihnen eine Blume zeigt fragen sie gleich: Riecht sie? Kann man Thee davon trinken? dürfen wir es nachmachen?‹ Goethe hatte einen Brief zu schreiben, ließ mich deswegen einige Zeit allein und begleitete mich dann nach dem Marstalle, weil er zu einer Komödien-Probe nach Ettersburg will.«

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1780. 1780, 8. und 14. August. Mit Johann Anton Leisewitz. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A64D-B