Zwischen 1796 und 1816.


Bei Bühnenproben

In einer Probe des ›Titus‹ geschah es einst, daß die Jagemann zur Unzeit in einer Coulisse sichtbar wurde. Goethe rief – wie er den Regisseur zu nennen pflegte: – »G'nast! Sorgen Sie dafür, daß das Theater frei bleibt.« – Genast that, wie ihm befohlen worden. Die Jagemann, muthwillig wie sie war, schlüpfte kurz darauf aus der Coulisse in die nebenan befindliche. Da verließ Goethen die Geduld und er sprach mit gewaltiger Stimme: »Tausend Donnerwetter! Das ist ja wie in einem Taubenschlage! Ich will, daß niemand das Theater betrete, wer nicht dahin gehört.« ....

Einandermal sollte ›Egmont‹ nach Schiller's Einrichtung für die Bühne gegeben werden [1796]. Der Meister war behindert den ersten Proben beizuwohnen; dem Regisseur Genast blieb die Leitung derselben überlassen. Die Schauspieler beklagten sich imstillen, daß sie noch nicht wüßten, wie sie die Volksscene, wodurch die Tragödie eingeleitet wird, im Sinne des Dichters darstellen sollten. Endlich erscheint Goethe in der [167] Probe. Als er das Gewirre sah, worin die Schauspieler sich nothdürftig bewegten, rief er: »Halt!« ging auf die Bühne und ordnete die Stellung der zunächst Beschäftigten. Damit die Scene an Abwechselung gewinne, ließ er den Seifensieder von der linken Seite her auftreten und sich an einen Tisch setzen, der besonders für ihn servirt wurde. Vansen hingegen erhielt die Weisung aus dem Hintergrunde aufzutreten. Da merkte man es deutlich, wie durch diese kunstgemäße Gruppirung den Schauspielern das Verständniß aufging und nun Sicherheit in ihre Leistungen kam.

In der Scene zwischen Herzog Alba (Graff) und Egmont (Oels) bemerkte Goethe: »Lieber Graff! Ihre Gesticulationen wären ganz gut, wenn sie dabei nicht das Gesicht verdeckten, das man nur in besonderen Fällen dem Zuschauer verbergen soll. Spielen Sie statt mit dem rechten Arme, mit dem linken, so bleibt Ihr Gesicht frei und Ihre Mimik geht dem Publicum nicht verloren. Auch ist es angemessener, die Worte, welche Alba an Egmont, der zu seiner Linken steht, richtet, mit der linken Hand vorzugsweise zu unterstützen.« Graff verneigte sich und sagte: »Sehr wohl, Excellenz!«

– – – – – – – – – – – – – – – –

Eines Tages bemerkte der Meister sarkastisch: »Herr Oels! Ihre hintere Partie haben wir genug gesehen; zeigen Sie uns doch wieder Ihr Gesicht!« Im Nu stand der beschämte Künstler en face seinem Chef gegenüber.

[168]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. Zeitlich ungewiß. Zwischen 1796 und 1816. Bei Bühnenproben. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A860-B