Poetische Grillen bey Müßigen Stunden von Le Pansiv
[Auswahl]

[149] XVII.
Streit der fünff Sinnen.

Die Sinnen hatten einen Streit
Von nicht geringer Wichtigkeit;
Denn sie wolten gerne wissen:
Welchen Venus könte missen?
Das Sehen trat zuerst herfür,
Und sprach: Der Rang gabühret mir!
Wer mich nicht hat, siehet nimmer
Engel-schönes Frauen-Zimmer.
Das Schmecken sprach: Was hilft das Sehn,
Wenn gar kein Küßgen darf geschehn?
Ohne mich wird niemand wissen:
Wie so süsse schmeckt das Küssen.
Das Riechen sagte darauf gleich:
Ich setze mich noch über euch!
Wenn man will zum Mägdgen kriechen,
Muß man sie zuvor beriechen..
Das Hören sagte: Das ist Tand!
Wer riecht, obs Mägdgen angebrant?
Was hilfft schmecken? Was hilfft sehen?
Wenn sie taub bey unserm Flehen.
[149]
Das Fühlen lachte überlaut,
Und sagte: Was nützt eine Braut,
Mit der wir im Bette spielen,
Wenn wir nicht den Kützel fühlen?

[150] [109]XXIV.

Auf die Gassaten-gehende Begerine und ihren possirlichen Galan, welcher allemahl, wenn er ein Nächtliches Rendesvous mit ihr halten will,

unter ihrem Kammer-Fenster wie eine Ente qväcket.


[109]
UNter allem Frauen-Zimmer
In dem keuschen Elb-Athen
Wird des Nachts bey Sternen-Schimmer
Keine nicht gassaten gehn,
Als die geile Begerine,
Die Studenten-Violine.
Wenn diß Nacht-Licht nun erscheinet,
Stellt sich bald die Licht-Putz ein,
Die das Licht zu putzen meynet,
Ob es gleich von Fleisch und Bein;
Und da hält die arme Nille,
Wie ein Lamm, gedultig stille.
Fügt sich nun ihr Liebes-Glücke;
Fragt sie nicht: Wer? Wie? und Wo?
Sie ist zwar vom Mittel-Stücke
Weit beschrien; doch ists nicht so.
Ihre Jungfernschafft ist enge,
In die Queer und in die Länge.
Possen! Ihre Liebes-Tasche
Ist mit nichten ausgedehnt;
Allenfalls hat sie die Flasche
Von Louisen 1 schon gelehnt,
Deren Tropffen (helff mir lachen!)
Weite Jungfern enge machen.
[110]
Darum bleibet sie doch schöne,
Ob ihr gleich zum Zeit-Vertreib
Dann und wann die Musen-Söhne
Höckern auf den geilen Leib.
Sie lacht nur zu solchen Possen;
Weil die meisten fehl geschossen.
Tausendmahl hat sie probiret,
Wie der Liebes-Hempelmann
Mit den Jungfern courtisiret:
Daß sie mehr erzehlen kan
Von verliebten Nectar-Flüssen,
Als wol manche Weiber wissen.
Dennoch bleib ich ihr gewogen,
Weil ich ihren Liebes-Seim
Und sie meinen eingesogen,
Welcher, als wie Vogel-Leim,
Mein Hertz an ihr Hertze klebet,
Das ihr gantz zu eigen lebet.
Nimmermehr kan unser Kater
Seiner Kietze günstger seyn;
Uad ich glaube: Mein Herr Vater
Kan nicht so ein Gläßgen Wein,
Kein alt Weib die welcke Rüben,
Als ich Begerinen, lieben.
[111]
Denck ich ihrer Liebes-Chosen,
Hüpfft mir der Hopheisasa
In den ertz-verliebten Hosen,
Die ich von der Groß-Mama
Ihrem rothen Scharlach-Rocke
Machen ließ beym Ziegen-Bocke.
Ach du Fix-Stern meiner Seele,
Laß mich durch den Tubum doch
Sehn in deine Liebes-Höle,
In das Zucker-süsse Loch,
Wo schon, bey so jungen Jahren,
Mancher aus- und eingefahren.
Wenn du wüstest, wie mich brennte
Deiner Augen heisser Strahl?
Liessest du die arme Ente 2,
Die so quäcket, gern einmahl
Zu dir in dein Bette steigen,
Und dich von Sanct Stephan geigen.
Nun ich stehe vor der Thüre;
Laß mich Lumpen-Bettler ein!
Denn es warten ihrer viere,
Neben mir, in heisser Pein.
Wirst du uns nicht Kühlung gönnen,
Müssen wir vor Glut verbrennen.
[112]
Sprich ein Wörtgen der Genaden!
Oeffne aus Barmhertzigkeit
Den verschloßnen Fenster-Laden
Höre, wie die Ente schreyt.
Laß mich in dein Zimmer steigen!
Ich will auch dein Leib-Stück geigen

Fußnoten

1 Diese ist ihre Gespielin und zugleich ihre Lehrmeisterin in der Liebe gewesen.

2 Ist der Galan selber / welcher zum Zeichen seiner Gegenwart / wie eine Ente / quäckete.

XXI.

Auf die sechzig-jährige Venine, die sich noch auf einen jungen Magister Rechnung machet.


SChämt euch doch, ihr alte Mutter,
Daß ihr noch ein Unterfutter
Der Studenten wollet seyn,
Wenn euch plagt die Liebes-Pein!
Habt ihr allen Witz verlohren,
Daß ihr einen Schatz erkohren,
Der vor euch so reimet sich,
Als wie Mars und Friederich?
Schicken vier und zwantzig Jahre
Sich zu eurem grauen Haare?
Und ein junger frischer Leib
Vor ein alt verschrumpelt Weib?
Was wär das vor eine Liebe,
Wenn man eine welcke Rübe,
(Die ist vor Studenten nicht)
Neben sich ins Bette kriegt?
Ach du altes Ungeheuer!
Brennt dich noch das Liebes-Feuer?
Ey! so giesse Kammer-Naß
In dein rauches Spülicht-Faß.
[105]
Oel vom schwartzen Rauch-Tobacke,
Zwiebel-Safft, und Herings-Lacke,
Das gehört vor eine Frau,
Die schon unterm Nabel grau.

[106] [252]CLXXXIII.

Jungfer-Gesänge, wie solche von Jahren zu Jahren von denen gerne Männer-haben-wollenden Jungfern gesungen werden. Nach eigenem Geständniss

einer 50-jährigen Jungfer.


[Cupido bleibe mir vom Leibe etc.]

Nach voriger Melodie.


EIn Mägdgen kaum von vierzehn Jahren
Ficht schon die Männer Sehnsucht an;
Drum wünscht sie täglich sich zu paaren,
Und singt: »Ach gebt mir einen Mann,
Der mir fein sanfft das Leibgen drücke,
Denn meine Jungferschafft ist pflücke!«
[252]
Sind sechzehn Jahre erst vergangen,
So brennt das Mägdgen lichterloh,
Und singt vor brennendem Verlangen:
(Ihr lieben Jungfern ists nicht so?)
»Will noch kein Mann mir Löschung gönnen?
Ach soll ich armes Ding verbrennen!«
Sind zwantzig Jahre ran gekommen
So seufftzt das Mägdgen Tag und Nacht,
Bis ihr die Jungferschafft benommen,
Die ihr die Nächte schlaflos macht.
Sie singt: »Ach komm ein Mann noch heute!
Sonst geh ich selber auf die Freyte.«
Kömmts dreyß'gste Jahr schon angetreten,
So fleht sie den Sanct Andräs an,
Den sie pflegt kniend anzubeten,
Und singt: »Ach gieb mir einen Mann,
Den ich im Bette kan umarmen;
Sanct Andräs, laß dichs doch erbarmen!«
Hat sie nun viertzig Jahr getragen
Das Centner-schwere Jungfer-Joch,
Wird sie die Manns-Noth doch noch plagen;
Warum? der Kützel sticht sie noch;
[253]
Drum singt sie: »Will kein Mann mich puntzeln?
Die Jungferschafft bekömmt schon Runtzeln.«
Sind aber funfftzig Jahr verflossen,
Wird die verschrumpffte Jungferschafft
Mit Thränen-Wasser nun begossen;
Doch singt sie noch aus Leibes-Krafft:
»Ach komm ein Mann! ach komm behende!
Wo nicht; so komm mein Lebensende. «

Notes
Erstdruck: Erfurt (auf Kosten des Autors) 1729.
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TextGrid Repository (2011). Anonym. Poetische Grillen bey Müßigen Stunden von Le Pansiv (Auswahl). Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-DF13-C