[52] Scheidestunde

Und als die Stunde kam, die dunkle Stunde,
Wo meines Friedens Glück ein Ende nahm,
Wo jäh verdorrt vom schwülen Brand der Straße
Die lichten Rosen mir vom Scheitel glitten
Und angstvoll meiner Seele Feiersang
Verstummte ...
In jener dunklen, ahnungsschwülen Stunde
Stieg manche Thräne schwer und heiß empor,
Und Bitterniss und namenlose Qual
Und irre Sehnsucht und verhetzter Hass
Durchschnitten blutig meine wunde Seele ...
Das ist vorbei ... der Friede kehrte wieder;
Zu stiller Fassung tiefgeheimer Kraft
Erhob sich meine königliche Seele.
Ertragen wird sie, was da kommen mag,
Weil sie versäumt, weil sie verschmäht zu handeln.
[53]
Wie weit sie trägt, wie lang sie trägt und wie,
Wer kann es sagen?
Ob meiner Lieder glutgeschwellte Scharen
Für immerdar verglüh'n, ob meine Träume,
Die reichen Dichterträume, sterben müssen,
Noch eh' das Leben brausend sie durchwogt;
Ob meine Seele selbst, die stolze Seele,
Im Straßenstaub versinkt, in Nacht erstickt,
Wer kann es sagen?
Düsterschwarz und schwer
Erscheint der Himmel, fahle Wetterschlangen
Durchleuchten zischend unheilvolle Nacht,
Der Sturm ist nah', schon beugen sich die Bäume,
Ich aber bin bereit zum schwersten Gang.

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TextGrid Repository (2012). Dörmann, Felix. Gedichte. Sensationen. Stille Stunden. Scheidestunde. Scheidestunde. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-81A4-2