[Geschlagne Vaterstadt, erlaubt dein heißer Schmerz]

[143] Bey der An. 1718. den 15. Septembr. in Striegau glücklich gefeyreten Mäntler- und Mentzelischen Hochzeitfreude.


Geschlagne Vaterstadt, erlaubt dein heißer Schmerz
Und hat die wilde Glut dein altes Mutterherz,
Woran ich vierzehn Jahr den Liebesschlag bekommen,
Nicht wie der Wind den Rauch mir mit davongenommen,
So höre deinen Sohn und las es gern geschehn,
Daß, ob wir gleich dein Leid an jedem Steine sehn,
Mein angesprochnes Rohr, so scharf befiehlt die Liebe,
Ein süßes Feldgeschrey in deinen Mauren übe,
Die Schutt und Elend füllt. Ich weis, bestürzter Ort,
Daß, wo man Feuer schreyt, kein geil- und süßes Wort
Ein ofnes Ohr gewinnt und daß bey schwerem Falle
Ein Lied der Gratien noch viel zu heiser schalle.
Dies weis ich und zwar längst; jedoch da manche Ruh
Vom Spielen wiederkömmt, so lern und wis auch du,
Daß zeitlicher Verlust kein ewig Leid verdiene
Und daß die Hofnung auch auf magern Triften grüne.
Der Gram macht doch nichts gut, nachdem der Lauf der Welt
Sich künftig wie vor dem nach jener Ordnung hält,
Die nicht verändern kan und wegen ihrer Güte,
Die Gott vorher verglich, dem ewigen Gemüthe
Den Rath zur Schöpfung gab. Indeßen traue mir
Ein kindlich Mitleid zu und glaube, daß ich hier,
Wo Pleiß und Elster rauscht, dem seufzenden Gepüsche
Des duncklen Rosenthals manch naßes Ach vermische
Und zwischen Wald und Gram und unter Graß und Leid
Ein Thränenopfer weih, woraus die graue Zeit
Mein Striegau kennen soll, wofern mir Glück und Leben
Der Musen lezten Wuntsch, ein ruhig Alter, geben.
Die Zukunft mach es wahr! Vor diesmahl schiebt die Lust
Die Trauerarbeit auf und steckt die volle Brust
Mit anderm Zunder an, als jene Flammen waren,
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Worinnen Haus und Hof und Güter aufgefahren.
Dies macht dein Hochzeitbrief, an welchem, werther Freund,
Das Blat ein warmer Herd, die Dinte Schwefel scheint
Und jede Silbe zeigt, als ob dein Brand im Lieben
An statt des Löschpapiers die Asche drauf gerieben.
Daraus versteh ich leicht, wie glücklich deine Wahl
Vor tausend Leuten sey, die unter Horn und Qual
Ihr angezwungnes Weib aus frommer Einfalt küßen
Und, weil sie wachen will, auch schlaflos schnarchen müßen.
Du kriegst ein treues Kind, das wegen schlechter Zucht
Der Dina glatte Spur nicht vor der Zeit gesucht,
Und ziehst kein Marterholz wie Selimor ins Bette,
Der, glaub ich, diesen Tag noch keine Grabschrift hätte,
Wofern ihm nicht sein Thier nach angemaßter Macht
Die Hosen aus der Hand, die Furcht ins Herz gebracht,
So daß der gute Tropf kein Freyheitsmittel wuste,
Bis endlich noch der Tod sein Heiland werden muste.
Ja, schiel ich hier und da die liebe Wirthschaft an,
Die er und sie verführt, so fällt mir fast der Zahn
Von stillem Lachen aus, wobey ich überlege,
Was Ehstand, Glut und Meer vor Ungemach errege.
Man geh die Häuser durch. Dort sizt die Docke blos,
Bespiegelt ihren Staat, macht Schweif und Schedel groß
Und drückt den Wagen oft mit angepuztem Rumpfe,
Als führte sie den Geiz des Ehmanns im Triumphe.
Hier schickt die Nehria, die junge Näscherin,
Der Mutter Niftelgut dem Zuckerbäcker hin
Und macht sich nichts daraus, vor Knips, Rosin und Mandeln
Kleid, Bettzeug, Wäsch und Schmuck und Ehre zu verhandeln.
Gargille läuft herum, läst Rähm und Rocken stehn
Und klatscht mit Jung und Magd, die irgend Brautschaun gehn.
Serrantens Klapperwerck gehört zur lezten Bitte.
Zelendris läuft und rennt mit abergläubschem Schritte
Die ganze Stadt herum, schreibt Leich- und Krancken auf,
Wird überall befragt, erforscht der Zeiten Lauf,
Und eh der Türcke schlägt, so riecht sie schon von weiten,
Wie viel Soldaten jezt im lezten Athem streiten.
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Wer kennt nicht Clelien, die in der Nachbarschaft
Die abgegrifne Brust mit Müh zusammenraft,
Um, wenn der Sonntag kommt, den schlauen Buhlerblicken,
Die auf den Kirchweg sehn, ein Brandmahl einzudrücken.
O Närrin, werde klug, verschleus den leeren Kram
Und beuth doch nun nicht erst die vogelfreye Scham
Den klugen Schülern feil; sie sprechen so zum Hohne
Und reden aus der Schrift, du seyst des Mannes Crone.
O Majestät voll Schimpf! So manches Creuz und Weh
Erblickt man insgemein in schlechtgerathner Eh
Und tausend Arten mehr, daß, wenn man zehlen wollte,
Auch Adam Riesens Kunst ein Jahrlang schwizen sollte.
Dir, werther Bräutigam, verspricht die Redligkeit
Der Gattin beßrer Art kein solches Herzeleid.
Denn, wie du selbst gestehst, so mahlen Farb und Tugend,
Verschwiegenheit und Wiz und Frömmigkeit und Jugend
Den Spiegel ihrer Treu. Nun sieht es um dein Haus
Wie damahls um das Feld des ersten Garthens aus,
Der, eh noch Schlang und Tod die Unschuld flüchtig machte,
Von grüner Augenlust und göldnen Flüßen lachte.
Nun könt ich, wie du schreibst, der Feder Kraft verleihn
Und, da dir Lieb und Brunst erlaubte Freyheit weihn,
Das feurige Papier mit angenehmen Grillen
Und mit der Zärtligkeit des netten Naso füllen.
Vielleicht gehorcht auch mir das süß- und zarte Spiel,
Denn weis ich anders recht, so winckt mir Amors Kiel
Auf guten Fortgang zu und läst mich gleichsam wißen,
Ich schickte mich so gut zum Reimen als zum Küßen.
Allein ein andermahl; die Welt ist jezt zu toll
Und flucht dem Dichter oft den kahlen Tittel voll,
Wenn ohngefehr ein Wort, das Blut und Nier durchdringet,
Ein weiches Hasenfleisch zur Auferstehung bringet.
Da heists ein geiler Scherz, der Christen nicht geziemt,
Da wird der fromme Vers des blinden Thrax gerühmt,
Der, weil ihm das Gehirn vor Andacht längst verschimmelt,
Sein Blat voll Sprüche stopft, der Biebel Geist verstümmelt
Und gar so heilig reimt, daß, wenn die Köchin list,
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Und eh sie fertig wird, das Blat voll Thränen ist.
Das gute Mensch thut recht. Wer kan Gewohnheit beßern?
Sie hat es im Gebrauch, den Stockfisch einzuwäßern.
Nimm du nur jezt dein Kind und führe dich zur Ruh,
Die Augen fallen ihr aus Scham und Schlummer zu,
Als winckt und ruft es dir, den Vortheil zu ergreifen
Und ihrem Jungfernklee die Blüthen abzustreifen.
Die Brautnacht ist euch hold und zieht den braunen Flor,
Wie ehmahls Mulziber der Venus Neze, vor.
Bedient euch dieses Glücks und last die reinen Herzen
Und noch wohl etwas mehr nach Isaacs Weise scherzen.
Die Eltern geben euch den besten Seegen mit,
Woraus ihr schließen könt, daß jeder Gang und Schritt
Auf Friedenswegen geh und Sicherheit und Glücke
Das Lager wie den Tisch mit reicher Fülle schmücke.
Ist irgend noch ein Mensch, der, recht vergnügter Freund,
In unserm Schlesien mir etwas günstig scheint,
So meld ihm meinen Gruß und redliches Gemüthe
Und bitt ihn um Bestand vor dem erwiesner Güte.
Hingegen jenen Schwarm, der wieder mich entbrennt
Und unser Ungemach verdientes Leiden nennt,
Versichre gleicher Gunst. Denn kan ich keinem taugen,
So ist der beste Rath, ich bleib ihm aus den Augen
Und schlage mit Vernunft die Misgunst in den Wind
Und seh, wie schön es steh, wenn Greise Kinder sind
Und Leute, die doch sonst auf Bart und Übung pochen,
Sich selbst aus Gift und Zorn viel Narrensalbe kochen.
Noch eins: Es schimpft vielleicht der angefochtne Neid,
Es geht nicht anders her, dein junges Hochzeitkleid;
Allein du must es so wie ich und Günther machen.
Und wie? Geduldig seyn. Was mehr? Ins Fäustchen lachen.

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TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Lob- und Strafschriften. (Frankfurt) Wittenberg November 1715 - Dresden Anfang September 1719. [Geschlagne Vaterstadt, erlaubt dein heißer Schmerz]. [Geschlagne Vaterstadt, erlaubt dein heißer Schmerz]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-2151-7