Liebesglück

Wenn Dichter oft in warmen Phantasieen,
Von Liebesglück und schmerzlichem Vergnügen,
Sich oder uns, nach ihrer Art, belügen,
So sei dies Spielwerk ihnen gern verziehen.
Mir aber hat ein gütger Gott verliehen,
Den Himmel, den sie träumen, zu durchfliegen,
Ich sah die Anmut mir im Arm sich schmiegen,
Der Unschuld Blick von raschem Feuer glühen.
Auch ich trug einst der Liebe Müh und Lasten,
Verschmähte nicht den herben Kelch zu trinken,
Damit ich seine Lust nun ganz empfinde.
Und dennoch gleich ich jenen Erzphantasten:
Mir will mein Glück so unermeßlich dünken,
Daß ich mir oft im wachen Traum verschwinde.
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Notes
Entstanden bis 1830, Erstdruck 1838.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Mörike, Eduard. Liebesglück. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-41D4-7