55. Lied eines Unglücklichen

1777.


Brich nur, brich, du armes Herz!
Ach wie blutet deine Wunde!
Weide dich an deinem Schmerz
Bis zu deiner letzten Stunde!
Aber hoffe nicht den Tod!
Hoffnung könnte dich erhalten!
Denke nur an deine Not,
Und laß deine Not nur walten!
Ach! mein Elend läßt mich nicht,
Nicht beim Essen, nicht beim Trinken,
Tritt mir unters Angesicht,
Steht zur Rechten, steht zur Linken!
Wenn ich bang zurücke seh,
Hängt sich's an, wie eine Klette;
Und wenn ich zu Bette geh,
Legt es sich zu mir ins Bette!
Wird der Schreckenbilder Schwarm
Noch mein dunkles Grab erfüllen?
Nein, des Todes kalter Arm
Wird in seine Ruh mich hüllen!
Herz, was hoffest du den Tod?
Hoffnung könnte dich erhalten!
Denke nur an deine Not,
Und laß deine Not nur walten!

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TextGrid Repository (2012). Stolberg, Friedrich Leopold Graf zu. Gedichte. Gedichte. 55. Lied eines Unglücklichen. 55. Lied eines Unglücklichen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-1B33-6