24. Ode

Fragt mich nur nicht, ihr Pierinnen!
Was hier mein Kopf für Grillen heckt?
Warum ihr mich so tief seht sinnen,
Und was mir im Gehirne steckt?
Ich selber bin mit mir nicht einig,
Die Ungeduld, so mich bestrickt,
Macht, daß man mich so früh und schleunig,
Voll Unmuth und verstöhrt erblickt.
Ich schäme mich vor eurem Orden,
Und weis gewiß, daß ihr nun sprecht,
Ich sey zur Lügnerin geworden;
Ihr habt dazu vielleicht auch Recht.
Nun denk ich allererst zurücke,
Wie wohl zu spät, was ich gethan;
Allein, wer ist, der dem Geschicke
Beständig wiederstreben kann?
[102]
Ein Wort, ein Mann, pflegt man zu sagen,
Dies zielt auf blosse Männer nicht.
Wie? ist es in den Wind zu schlagen,
Wenn Frauenzimmer was verspricht?
Nein; Glaub und Treu schmückt ihre Schöne,
Als andre, Zierde, Putz und Pracht,
Dies wissen wir so gut als jene,
Und doch hab ich nicht dran gedacht.
Mein banges Herze will sich lüften,
Der Stein muß weg, der solches drückt.
Wie? habt ihr nicht in meinen Schriften
Zugleich ein Abschiedslied erblickt?
Ja, ja, der Korb ward euch gegeben,
Was spricht man denn? gesteht es mir,
Und sieht man mich dawider leben,
Rückt man mir nicht den Fehler für?
Ja wohl; man wird unfehlbar sprechen:
Da sieht man, was der Wankelmuth,
Der oft pflegt Wort und Schwur zu brechen,
Am weiblichen Geschlechte thut.
Gemach! laßt euch nur nicht verhetzen,
Ich weis es freylich allzu wohl,
Daß ich, mein Wort nicht zu verletzen,
Nicht mehr in Versen schreiben soll.
Der Scheidebrief ist unvergessen,
Den ich der Welt im Drucke wies,
Als ich den Platz, den ich besessen,
An andre Schüler überließ.
Ich weis mich wohl noch zu besinnen,
Was damals mich dazu bewog,
Als ich, mehr Freyheit zu gewinnen,
Von euch, geliebte Musen, zog.
[103]
Jedoch! sucht euch nur nicht zu rächen,
Daß ihr mich mit dem Vorwurf quält,
Der bey vergeblichem Versprechen
Mich zu den Flattergeistern zehlt.
Ihr würdet mich zu sehr beschämen,
Drum hört nur an, was hier mein Kiel
Dergleichen Argwohn zu benehmen,
Euch im Vertrauen sagen will.
Die Nachtigal, so sich den Netzen
Einmal beglückt entreissen kann,
Beißt, ihre Freyheit nachzusetzen,
Zum andern mal nicht wieder an.
Mir aber wollt es nicht gelingen;
Ich riß mich zwar von eurem Hayn;
Und dennoch schloß durch sanftes Singen
Ein ander Chor mich wieder ein.
Die Deutschen Musen unsrer Linden,
Die bloß, ihr müßt es selbst gestehn,
Deswegen ihre Reyhen binden,
Damit sie diese Sprach erhöhn.
Die, wie mit Eifer ist geschehen,
Bey rühmenswürdiger Geduld
Germanien ins Herze sehen,
Die sind daran, sonst Niemand schuld.
Sie winkten mir auch sonder bitten,
Und riefen mich zu ihrer Schaar,
Zu der mein Fuß so gleich geschritten,
So schüchtern er auch immer war.
Du sollst zuerst die Bahne brechen,
Gedacht ich dazumal bey mir,
Was wird hierzu wohl Momus sprechen?
Ich weis gewiß, er drohet dir.
[104]
Allein ich ließ ihn immer dräuen,
Warum? es war einmal geschehn;
Man kann in der Gelehrten Reyhen
Zwar hier nicht Frauenzimmer sehn;
Und doch trifft man in fremden Ländern
Dergleichen Mitgespielen an,
Drum wollt ich den Entschluß nicht ändern,
Und gieng mit dreistem Muth daran.
Zürnt, liebste Musen, nicht darüber;
Geht eure Mariane gleich
Zu diesen Deutschen Musen über,
Sitzt sie doch mitten unter euch.
Sie sind ja eure rechten Brüder,
Sie dichten ja durch eure Gunst
So schön und angenehme Lieder,
Und danken euch bloß ihre Kunst.
Dies wird vor mich und euren Orden
Ein mehr als grosser Vortheil seyn,
Daß ich ihr Mitglied bin geworden;
Gebt also nur eur Jawort drein.
Ihr kluges Tadeln und Verbessern,
Der wohlgestimmt und reine Thon
Wird meiner Seiten Klang vergrössern,
Mir ist, als spührt ich solches schon.
Fahrt fort, ihr Deutschen Musensöhne,
Mir ferner an die Hand zu gehn.
Vertreibt mein rauhes Waldgethöne,
Lehrt mich die Wirbel richtig drehn.
Vergeßt den Held nicht zu besingen,
Der Reich und Chur so klug beschützt,
Und, wenn wir ihm ein Opfer bringen,
Zugleich auch unsre Musen stützt.
[105]
Weckt unter seines Scepters Schimmer
Die Deutsche Sprache wieder auf.
Sie liegt und schläft noch leider immer,
Bringt wieder Zung und Kiel in Lauf.
Sucht Quell und Ursprung zu ergründen,
Bespiegelt euch an Frankreichs Witz;
So nennt die Welt den Hayn der Linden
Mit Recht der Deutschen Musen Sitz.

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TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Gedichte. Oden. 24. Ode. 24. Ode. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B093-9