Die Flucht des Prinzen Karl

Als Gott die Hochländer verließ, die sich in blinder Furcht über die Heide zerstreuten, als jeder seiner selbst nur gedachte und jeder sein Elend fühlte, da stand der Prinz noch unbeweglich bei Culloden. Aber Major Kennedy und einige andre Offiziere zwangen ihn das Feld zu räumen, so lange noch der Rest treuer Schotten die Armee des Herzogs vom unmittelbaren Verfolgen abhielt. Jenseit des Flusses Nairn, den sie vier Meilen vor Inverness durchschwammen, hielt der Prinz mit seinen zahlreichen Begleitern Kriegsrat; ernst gab er da sein Unternehmen auf, entließ alle, damit jeder auf den mannigfaltigen Wegen die Verfolger irrte und entkäme; der Zukunft warf er seine Krone zu. Die treuen Freunde küßten zum Abschiede seine Hand und brachten nach allen Richtungen die traurige Friedensbotschaft durch das Land. Der Prinz erlaubte nur Thomas Sheridan, David Murray, Sullivan, Alexander Macleod, John Hay, Edward Burke, und Allan Macdonald (ein Priester) in seiner Gesellschaft zu bleiben; er kam mit ihnen den andern Morgen nach Glengary Schloß. Ein alter Mann klagte ihnen dort, daß alle fortgegangen und ihn ohne Unterhalt zurückgelassen. Der Prinz streckte sich ohne Erfrischung auf dem Boden aus; beim anbrechenden Tage fand aber Burke ein Netz, fischte zwei Salme, die wurden von ihnen zu Mittag gegessen. Hier entließ der Prinz alle übrigen bis auf Sullivan, Allan Macdonald und Edward Burke; mit dem letzteren tauschte er die Kleider. Bei Mewball in Clenronnalds Gegend aß er gut und schlief wieder einmal etwas ordentlich, denn achtundvierzig Stunden vor der Schlacht war er mit der Armee in stetem Marsche bei geringem Lebensunterhalte. Den folgenden Tag (19. April) ging der Prinz, weil der Weg für Pferde zu schlecht war, zu Fuß, über fast unersteigliche Berge zu Aeneas Macdonalds und kehrte sich dann nach Kinloch-Moidart. Hier wartete der Prinz einige Tage, bis Kapitän O'Neil ihm die Nachricht brachte, daß alle seine Leute zerstreut und durch das Ausbreiten[385] der englischen Truppen jedes Zusammenziehen unmöglich würde. Da beschloß der Prinz zu den Inseln sich hinzuwenden, wo er am leichtesten ein Schiff nach Frankreich fände. Die Hochländer fanden dies gefährlich, Sullivan riet dazu; sein Rat setzte seinen Herrn oft in Gefahr. Drei Boten wurden zu Donald Macleod geschickt, um ihn nach Borandale zum Prinzen einzuladen: Er kam und traf den Prinzen ganz allein im Walde; der Prinz ging keck auf ihn los und fragte, wer er sei und woher? – »Mein Name ist Donald Macleod.« – »Von Chualtergi auf der Insel Skye?« – »Ja Herr!« – »Nun dann so sieh meine Not, ich werf mich in deine Arme, tu mit mir, was dir gut scheint, ich bin dein Herr!« – »Ja Ihr seid mein Herr!« rief der alte Mann und brach in Tränen aus; verzeiht diese Tränen bei so traurigen Gedanken Ihr werten Zuhörer, denn das bricht auch das feste Herz, einen edlen Herrscher in gemeiner Not mitergriffen zu sehen. »Ich bin alt«, fuhr Macleod fort, »aber was ich noch tun kann, dazu bin ich willig.« – »So geht hin zu Alexander Macdonald und Macleod, ich traue ihrer Menschlichkeit und Ehre, und vergesse, was sie getan haben; sie werden einem Notleidenden ihren Schutz nicht versagen, der für kein Laster, nur durch Zufall und Unglück leidet.« – Diese Zuversicht in Ehre und Menschlichkeit verwunderte den alten Macleod, er rief aus: »Alles will ich tun, nur dies nicht, sie waren schon einmal Schurken und Ihr wollt ihnen noch trauen; jetzt in diesem Augenblick suchen sie Euch Herr mit ihrer ganzen Macht nicht zwei Meilen von hier, je schneller von hier, je besser.« – »Wohl dann«, sagte der Prinz, »Ihr seid ein guter Schiffer, fahrt mich zu einem sichern Platz auf den Inseln.« – Macleod willigte gern ein und holte ein gutes Boot, das gewesene Eigentum John Macdonalds, der bei Culloden geblieben; dann brachte er einen Topf zum Kochen und etwas Mehl, das einzige Nahrungsmittel, was er auftreiben konnte. Den 26. bei Zwielicht stieg der Prinz auf eben dem Platze ins Boot, wo er nicht viel zahlreicher begleitet, aber mit der jugendlichen Wärme eines frischen bevorstehenden Unternehmens sein ganzes Glück zutraulich aufs Spiel setzte; ihn begleiteten jetzt zur Verbannung O'Neil, Sullivan, Allan Macdonald, Donald Macleod, der Steuermann, zwischen dessen Füßen der Prinz saß, Ruderer waren acht, unter ihnen Edward Burke, und Murdoa Macleod, der erst 15 Jahr alt, als er von nahen Schlachten hörte, sich selbst mit einem [386] Hieber, Dolch und einer Pistole bewaffnete und zur Schlacht bei Culloden kam und nachher, indem er dem Prinzen immer nachjagte, ihn und seinen Vater hier glücklich angetroffen hatte. So fest hing das Volk auch nach dem Unglücke am Prinzen, daß seine Freunde ihn leicht finden konnten, während seine Feinde vergebens nach ihm forschten. Macleod ahndete Sturm, der Prinz drang aber darauf fortzufahren der Sturm begann so fürchterlich als ihn der Alte nie erlebte, und mit einem Regen wie bei der Sündflut, sie hatten aber weder Pumpen noch Kompaß, das Licht schien für immer vom Himmel gewichen und sie waren froh, als sie sich am Morgen bei Longisle und nicht bei Skye fanden, wo die Miliz aufgeboten. Sie landeten auf Benbecula, nachdem sie in wunderbarer Schnelligkeit dreißig Seemeilen in acht Stunden gemacht hatten, ja dieser Sturm, den sie wohl als ein Unglück ansehen mochten, rettete sie durch höhere Hand aus der ersten Verfolgung. Die ausgesendeten Wachtböte waren alle in die Sicherheit gebracht, nur ein königliches Glück konnte durch solch ein Wetter dies kleine Boot sicher führen. So kamen sie vor Kilda vorbei, wohin General Campbell mit vielen Truppen zu seiner Verfolgung gefahren und die armen Einwohner, die ihre Abgaben in Eiderfedern geben, vor Schrecken über den Anblick in den Felsen versteckt waren. General Campbell fragte dort einige nach dem Prätendenten, die Leute versicherten: Sie hätten nie solchen Namen gehört, ihr Herr sollte, wie es hieß, mit einem großen Weibe (Großbritannien) im Krieg gewesen sein, ein Stück Weges von da, das wäre aber alles vorbei. So war die Expedition vergeblich, möchten es die übrigen auch sein.

Der Prinz ermunterte auf Benbecula seine Reisegefährten, indem er Feuer machte; sie waren zum Sterben durchnäßt und erkältet, auch kochte er am besten von allen, wenn gleich Burke die gewöhnliche Besorgung des Essens hatte. Hier kaufte der Prinz eine Kuh für dreißig Schilling, schoß sie tot und kochte einiges davon in Macleods Topfe. Nachher legte sich der Prinz auf ein altes Segeltuch und schlief, die andern wachten abwechselnd. Zwei Tage hielt sie der Sturm dort, am dritten wollten sie nach Stornoway, wo, nach Macleods Rat, wahrscheinlich ein Schiff für Frankreich aufzutreiben wäre; aber ein neuer Sturm warf sie nach der Insel Scalpa, die dem Laird von Macleod gehört, sie gaben sich dort für [387] Schiffbrüchige aus, der Prinz und Sullivan nannten sich Sinclair, den letzten Vater. Macleod ging bald in einem Boot nach Stornoway, um ein Schiff für die Orkney-Inseln zu mieten; den 3. Mai erhielt der Prinz Nachricht, daß es geschehen, und segelte mit vier Mann nach Loch-Shefort, wo Allan Macleod Abschied nahm. Der Prinz mit O'Neil, Sullivan und einem Führer gingen zu Fuß nach Stornoway; es war Nacht und achtzehn Stunden über Hügel bei Sturm und Regen ohne Erfrischung mögen die Furcht des Führers entschuldigen, daß er sie ein und eine halbe Meile umführte, um den Übergang eines kleinen Flusses zu sparen, es war aber ein sonderbares Glück, sonst wäre der Prinz gefangen. Bei Ayrnish blieben alle erschöpft liegen, der Prinz schickte den Führer zu Macleod, um Brot, Branntwein und Käse zu bitten. Der treue Macleod brachte es selbst und führte ihn zu Lady Kildun, bis alles zum Absegeln fertig, der Prinz schlief da ein vor Ermattung. Gleich ging Macleod nach Stornoway zurück, war aber höchlich überrascht, alles in Bewaffnung anzutreffen; zweihundert waren beisammen. »Was Teufel ist hier los?« fragte er. – »Wir hören, der Prinz ist mit 500 Mann gekommen und will die Stadt abbrennen, das Vieh wegnehmen, auch ein Schiff zwingen, ihn nach Frankreich zu führen.« – »Ich glaube, ihr seid alle toll, wo Teufel soll der Prinz jetzt 500 Mann hernehmen?« –

»John Macaulay, ein Presbyterianerprediger, hat es seinem Vater geschrieben, und der hat's wieder geschrieben an ...« »Meinetwegen, wenn ihr meint, daß der Prinz hier ist, so hab ich nichts gegen, aber er ist nur mit zweien hier, und wenn ich mit ihm bin, mache ich den dritten, und wer seine Hand an ihn legt, ihr Herren, und wäre es ein Lord, der hat's, Gott verdamm mich, mit mir zu tun.« – Darauf erklärten alle, sie hätten nichts gegen den Prinzen, doch sollte er sie bald verlassen und gehen, wohin er Lust hätte. Als der Prinz dies erfuhr, wollten einige fliehen, der Prinz aber sagte: »Ich steh auf meinem eignen Boden und will auch meinen Mann stehen.« Wäre er indessen, wie seine Absicht war, früher eingetroffen, so wäre er in der ersten Hitze über jene Nachricht wahrscheinlich getötet worden. Zwei Bootsleute flohen indessen nach dem Moor. Lady Kildun versorgte alle mit Branntwein und Zucker, auch gab sie etwas Butter. Am andern Morgen, den 6. Mai, kamen zwei Bootsmänner mit dem Boot, die übrigen waren aus [388] Furcht entflohen; so mußten sie sich an der Küste nach andrer Gelegenheit umsehen. Zwei englische Schiffe nötigten sie auf die wüste Insel Iffurt zu flüchten, dort hielten sie einige Fischer für ein Preßboot jener Kriegsschiffe, liefen an die Felsen, ließen ihnen aber ihren ganzen Fang, Töpfe und Netze zurück. Die Fische, auf Felsen getrocknet, waren ein Fest für unsre Abenteurer; gern hätte der Prinz ihnen Geld dafür zurückgelassen, aber er besann sich, daß ihn dies verraten könne, und nahm das Geld wieder auf, und die Fische mit sich. Den 10. Mai segelten sie wieder nach Scalpa zu dem guten Pächter, um ein besser Boot zu kaufen, ohne Erfolg. Da ihnen der Wind nicht wohl wollte, mußten sie weiter rudern, sie machten unterwegs Drammacks aus Meerwasser und Mehl; der Prinz aß tüchtig davon, und trank jedem einen Schluck Branntwein zu. Auf dem Wege bis Finslay in Harris, wo sie zuletzt ans Land gingen, wurden sie von drei englischen Schiffen abwechselnd verfolgt, einmal nur ein paar Büchsenschüsse entfernt, beinahe drei Meilen gejagt. Das letzte jagte sie ans Land, auf Süduist; indem sie ausstiegen, drehte sich der Wind, es regnete und das Schiff mußte das hohe Meer suchen. »Nun«, rief der Prinz, »sehe ich, daß ich davon kommen werde, die Vorsehung will nicht, daß ich lebendig in die Hände meiner Feinde falle.«

Die Ebbe trat ein, ein Bootsmann fing einige Seekrebse, und zeigte sie dem Prinzen mit großer Freude; der Prinz steckte sie gleich in seinen Sack. Macleod wollte ihm solchen abnehmen, als sie nach einer Hütte eine Meile davon wanderten, weil hier nirgends ein Dach war, aber der Prinz sagte: »Nehme ich es, so trägt jeder seine Bagage, auch bin ich stärker dazu als Ihr.« Die Hütte war so niedrig, daß der Prinz auf den Knieen hineinkriechen mußte, Burke stach den Boden am Eingange etwas weg. Hieher kam der Laird von Clenronnald und versicherte dem Prinzen seine Ergebenheit und seine Hülfe zum Weiterkommen. Seine Frau schickte bald sechs Hemden, Branntwein, Wein, und manches andere; bis dahin hatten der Prinz mit O'Neil und Sullivan zusammen nur sechs Hemden getragen, die sie oft noch halb naß anziehen mußten. Macleod wurde nun im Boot aufs feste Land gesendet, von Lochiel und Murray Geld und Branntwein zu holen. Er fand sie, Lochiel hatte wenig; Murray sagte aber, er könne nichts geben, weil er nur sechzig Louisd'or für sich behalte, und diesen Murray hielt [389] damals der Prinz für seinen treuesten Freund. Zwei Anker Branntwein, die Macleod mit Mühe für zwei Guineen bekommen, und diese Antwort brachte er nach achtzehn Tagen Abwesenheit dem Prinzen, der indessen nach Corradale in eine bessere Hütte gezogen, darin zwei ausgespannte Kuhhäute ihn gegen Regen schützten. Er hatte sich und die Seinen durch Jagd und Fischerei vergnügt und unterhalten. Drei Wochen blieb er hier, von Hunderten gesehen, doch unentdeckt seinen Feinden, als aber die Miliz auf die nächsten Inseln kam, segelte er mit O'Neil, Sullivan, Edward Burke und Macleod nach der Insel Fovaya, von da ging der Prinz mit O'Neil und einem Führer nach Rushness; Sullivian und Macleod blieben. Hier ward es dem Prinzen noch enger, denn die Böte mit Milizen lagen zwischen Fovaya und Rushness. Macleod und Sullivan kamen deswegen Nachts im Boot und holten den Prinzen ab; sie wollten ihn wieder nach Corradale fahren, wurden aber vom Sturme noch zwei Meilen davon ans Land getrieben. Da ihre Feinde nur eine halbe Meile entfernt waren, so segelten sie nach Celiestella, dann nach Lochboisdale, aber unterwegens behauptete einer im Schiffe, er sehe ein Boot im Wege, voll Menschen. Macleod versicherte, es sei ein Felsen, aber die Bootsleute wollten es nicht glauben, sie kehrten um, und kamen einen Tag später dahin. Hier hörten sie, daß Boisdale gefangen. Als sie so auf- und niedersegelten, fragte Macleod den Prinzen: Was er mit Alexander Macdonald und dem Laird von Macleod machen wollte, wenn er einmal die Krone trüge? – »Wenn das Königreich mir wieder gegeben, so würden sie mir anhangen als Freunde, sie folgen immer dem Mächtigern, mehr Schuld als sein Vater hat der Sohn Macleod, denn er kam zu mir nach Frankreich freiwillig und versprach mir alle seine Dienste: das sollte aber ein Edelmann nicht versprechen, wenn er es nicht tun will.«

Sie sahen ein paar englische Kriegsschiffe, die sie erst für französische hielten, aber mehr beunruhigte sie der Kapitän Scott, der bei Kilbride, keine Stunde von ihnen, gelandet war, sie mußten sich trennen. Der Prinz nahm keinen Abschied von seinem treuen Macleod, er hoffte ihn wieder zu sehen. Der Prinz blieb mit O'Neil zusammen, zwei Hemden waren ihre ganze Bagage, das Boot wurde versenkt, jeder mußte für sich sorgen. Zwei Nächte blieb der Prinz im freien Felde, zwei andere bei Loch; einige Rotröcke nötigten sie [390] weiter zu wandern. Den 5. Juni ward Macleod gefangen in Skye und an Bord des »Furnaon«, Kapitän Fergusson gebracht. »Seid Ihr mit dem Prinzen gewesen?« fragte General Campbell. – »Ja, ich kann's nicht leugnen!« – »Wißt Ihr nicht den Preis von 30000 Pfd. auf seinen Kopf, du und die Deinen wären für immer reich.« – »Ich hätte es keinen Tag überlebt; für ganz England und Schottland hätte ich ihm kein Haar krümmen mögen, seit er sein Leben mir übergeben.« Der General bewunderte ihn und schickte ihn nach London; den 16. Juni 1747 wurde er freigesprochen, den Tag feierte er sein Lebelang. Er erzählte oft, daß der Prinz nie mehr als drei bis vier Stunden schlief, dann ein Quart Wasser mit wenigen Tropfen trank, die er an alles Getränk zu mischen pflegte. Burke, die redliche Seele, nachdem er den Prinzen verlassen mußte, trieb sich in Norduist herum, und lebte in Höhlen von Fischern, weil in dieser Zeit ein Befehl in allen Kirchen verlesen war, den Abenteurern bei schwerer Kirchenstrafe keinen Bissen zu essen zu geben; sehr entgegen dem biblischen Sinne: Speiset die Hungrigen und kleidet die Nackenden. Ein armer Schuhmacher und seine Frau brachten ihm zuletzt heimlich etwas Nahrung, bis die allgemeine Begnadigung ihn nach Edinburgh führte. Von ihm und von Macleod kommen die ersten Nachrichten von dieser Flucht.

Wir ließen den Prinzen mit O'Neil im Felde, Nachts, den 18. Juni; den nächsten Tag erhielt er die Nachricht, daß General Campbell auch Bernory, die Insel zwischen Norduist und Harris, besetzt hielt; so war er also von zwei Seiten eingeschlossen ohne irgend ein Boot zur Rettung. O'Neil dachte in dieser Bedrängnis sich an ein junges Fräulein seiner Bekanntschaft, an Flora Macdonald zu wenden, die bei ihrem Bruder zu Melton in Süduist zum Besuche von Skye angekommen; nach einigem Widerstande, überredete er sie zum Prinzen zu kommen, um die Mittel zu seiner Flucht zu verabreden; sie nahm niemand als ihren treuen Diener Neil Mackechan mit. Sie fand ihn auf dem Hügel: den Königssohn, wie den ärmsten seines Volks in jeder Beschwerde; aber ruhig und standhaft, als ruhte noch des Landes Schicksal in seinem Herzen; sie begrüßte ihn ehrerbietig, er empfing sie gnädig. Die Not zwang zur Eile und der Plan wurde vorläufig verabredet. O'Neil wurde noch einmal hingeschickt, um ihn zu fördern. Miss Flora war ganz damit beschäftigt, und ging den 21. nach Clenronnalds Hause, um [391] einige notwendige Verkleidungsstücke für den Prinzen zu kaufen. Aus Mangel an Pässen wurde sie mit Mackechan bei einer Furt von der Miliz angehalten. Sie wollte ihren Hauptmann sprechen, aber der sollte erst nächsten Morgen kommen. Sie fragte nach seinem Namen und erfuhr, daß es ihr eigner Stiefvater sei, so blieb sie lieber da, statt die Untersuchung zu verlangen. Sie ward in die Wachtstube gebracht, bis ihr Stiefvater den 22. ankam und nicht wenig überrascht war, sie da anzutreffen. Sie nahm ihn beiseite und erzählte ihm, wie sie für sich, für Mackechan und für eine Spinnerin, Betty Burke, die sie für ihre Mutter, die viel Flachs gekauft, gemietet habe, einen Paß wünsche. Der Vater fertigte drei Pässe aus. Nachher ging sie nach Clenronnalds Hause, wo sie Lady Clenronnald mit ihrem Plane bekannt machte. Hier blieb sie bis zum 27., in welcher Zeit O'Neil mehrmals Verabredungen zwischen dem Prinzen und der Lady bestellte, unter dessen Leitung endlich Flora, die Lady und Mackechan auf zwei Meilen Entfernung zum Prinzen kamen. Sie fanden ihn in einer kleinen Hütte, wie er mit Sorgfalt Herz, Leber und Nieren eines Schafes sich an einem hölzernen Spieße zum Mittagsmahl bereitete. O'Neil führte sie ein. Sie wurden von Mitleid und Sorge fast übernommen, bis der Prinz eine scherzende Verachtung seiner Leiden annahm und ihnen versicherte: der Unglücklichste heute, sei morgen der Glücklichste; dann fuhr er mit einigem Ernst fort: Jeder Herrscher würde viel besser werden, wenn er nur einen kleinen Teil von dem mitfühlte, was er dulde. Sie hatten ihm neue Kleider, manches andre zum Unterhalt, auch eine halbe Flasche weißen Wein, die einzige, welche die Soldaten übrig gelassen, mitgebracht. Dieser Flasche nahm sich der Prinz besonders an, trank aber keinen Tropfen davon, sondern bewahrte sie allein für seinen weiblichen Führer. Sie aßen, und der Prinz setzte Miss Flora sich zur Rechten, Lady Clenronnald zur Linken, alle aßen recht herzhaft und er rauchte mit den übrigen zuletzt seine Pfeife. Den nächsten Morgen hörten sie von einer Magd, die in großer Eile kam, daß Kapitän Fergusson mit einem Vortrab des General Campbell, der in Benbecula war, in ihrem Hause sei, und daß er die letzte Nacht in ihrem Bette geschlafen. – Sie nahm eiligen Abschied vom Prinzen, und eilte nach Hause, Fergusson trat ihr in ihrem Hause entgegen: »Wo sind Sie gewesen gnädige Frau?« – Sie antwortete: »Ich besuchte ein krankes Kind, es geht [392] jetzt besser mit ihm.« – Er fragte nach mancherlei, wie weit das Kind entfernt, sie redete sich recht gut durch, wurde aber späterhin gefangen nach London gebracht, und erst im folgenden Juni frei entlassen. Flora bat nun den Prinzen ihr zu folgen; O'Neil wollte ihn begleiten, aber Flora wollte es nicht zugeben, sie wären sonst ihrer zu viele; so nahm der Prinz von ihm herzlichen Abschied. Flora riet nun dem Prinzen, seine weibliche Tracht anzulegen, was mit ihrer Hülfe bald geschehen; der häufige Regen hatte dafür gesorgt, daß es nicht an Spiegeln fehlte; dann näherten sie sich mehr dem Meere, wo ihr Boot stand, um bei jedem schnellen Anfall schnell in Sicherheit zu sein. Sie wurden sehr naß und machten sich ein Feuer auf einem Felsenstück, als vier Jollen voll Bewaffneter sich der Küste näherten; gleich löschten sie es aus, und verbargen sich im Heidekraut; aber die Jollen fuhren friedlich in der Entfernung eines Kanonenschusses vorüber, und verloren sich wie ihre Furcht in dem ewigen Blau neuer Hoffnung. – Den 28. Juni Abends setzten sie sich ins Boot, hatten aber kaum eine Meile gemacht, so wurde die See sehr rauh und die Luft stürmte, der Prinz fand die Miss und die Bootsleute bestürzt in dieser Lage; die Nacht beengt der Menschen Auge, und nimmt ihnen die Aussicht, den letzten Trost einer unruhigen Gegenwart. Er holte die lang aufgesparte Flasche aus seiner Tasche und nötigte seiner Gebieterin einen Trunk daraus ein; er selbst nahm nichts, sondern sang mit heller Stimme ein gutes altes Lied 1.


Stürmt, reißt und rast ihr Unglückswinde,
Zeigt eure ganze Tyrannei,
Zerbrecht, zerschlagt so Zweig als Rinde
Und werft den Hoffnungsbaum entzwei;
Dies Hagelwetter
Trifft Stamm und Blätter,
Die Wurzel bleibt,
Bis Sturm und Regen.
Ihr Wüten legen,
Daß sie von neuem grünt und Äste treibt.
[393]
Mein Herz gibt keinem Diamanten,
Mein Geist der Eiche wenig nach;
Wenn Erd und Himmel mich verbannten,
So trotz ich doch dem Ungemach:
Weicht falsche Freunde,
Schlagt bittre Feinde,
Mein Heldenmut
Ist nicht zu dämpfen;
Drum will ich kämpfen
Und sehn, was die Geduld für Wunder tut.
Die Liebe schenkt aus goldnen Schalen
Mir einen Wein zur Tapferkeit,
Verspricht mir guten Sold zu zahlen,
Und führt mich mutig in den Streit;
Da will ich siegen,
Hier will ich kriegen;
Ein grünes Feld
Dient meinem Schilde
Zum Wappenbilde,
Allwo ein Palmenbaum zwei Anker hält.

So kamen sie ins Gespräch mit einander, der Prinz erzählte mancherlei lustige Geschichten; die andern folgten und hielten ihre Lebensgeister aufrecht. Den Morgen, ob es gleich still und klar war, wußte der Schiffer doch nicht, wo sie wären, der Wind hatte in der Nacht mehrmals umgesetzt. Endlich erkannte er das Westende von Skye und landete, fand aber daselbst schon drei Jollen mit Soldaten gelandet, auch waren Kriegsschiffe in Sicht. Sie stießen wieder ab; ein Mann in einem der Böte wollte sie zum Landen zwingen und schoß auf sie, doch ohne Wirkung, wahrscheinlich wären sie indessen genommen worden, wenn es nicht so still gewesen, daß die Schiffe nicht fort konnten und die Jöllen ihre Ruder ins Heidekraut versteckt gehabt hätten; sie aber entfernten sich rasch, ehe jene sich bemannten; deutlich sahen sie, wie die Soldaten in einem nahen Dorfe Lärm machten. Flora verfiel indessen aus Ermattung nach der stürmischen Nacht, während diesem neuen Verfolgen, in tiefen Schlaf; der Prinz bemerkte es gleich und deckte sie zu und bewachte sie, daß niemand sie anstoßen und stören [394] möchte; doch das unruhige Meer störte sie bald auf. In einer Felsenbucht landeten sie, damit die Schiffer sich ausruhen könnten, doch eilten sie so bald wie möglich fort, weil sie die Insel zum Nachsuchen in Bewegung glaubten; nachher landeten sie bei Skye, wo Flora allein nach Mongstod wanderte, dem Landsitz des Alexander Macdonald, der damals aber nicht zu Hause war. Sie hatte dessen Frau, Lady Margaret, durch eine Miss Macdonald von ihrem Umherirren unterrichtet, die einen Augenblick vor ihr angekommen. Dann trat sie ins Zimmer und begrüßte sie und die Gesellschaft, unter der auch ein kommandierender Offizier, der zum Aufsuchen des Prinzen ausgeschickt. Er fragte gleich, welchen Weg sie gekommen? was sie Neues gehört? Sie beantwortete das so unbefangen, daß er nicht den mindesten Verdacht faßte. Miss Flora erzählte darauf der Lady Margaret allein, wo sie den Prinzen verlassen, die aber keinen Rat für ihn wußte. Sie wendete sich darauf an Kingsborough, den Türsteher, und wünschte, er möchte den Prinzen ins Haus bringen. Er schickte einen Knaben zu ihm und empfing ihn selbst eine Viertelstunde von dem Hause mit Wein und andern Erfrischungen. Als Miss Flora meinte, daß der Prinz und Kingsborough in gewisser Entfernung wären, machte sie Anstalten zum Weggehen und bestellte ihre Pferde gleich; aber die Lady Margaret drang in sie, in Gegenwart des Offiziers, zu bleiben, sie hätte es ihr das letze Mal versprochen. – Sie bat um Entschuldigung, ihre Mutter sei nicht ganz wohl und ganz allein in dieser unruhigen Zeit; sie versprach ein andermal alles nachzuholen.

Als alles fertig, setzte sich Flora mit Frau Macdonald, die vorerwähnt, mit ihren beiden Dienern und einer Magd in den Wagen; sie kamen bald zum Prinzen und Kingsborough; Frau Macdonald wünschte ihn zu sehen, er wendete aber vorsichtig sein Gesicht ab. Frau Macdonalds Mädchen sah ihn genauer und meinte: Nie hätte sie ein Mädchen von so unverschämtem Aussehen erblickt, das wäre vielmehr ein Mann in Weibskleidern. Miss Flora sagte, es sei ein irländisch Mädchen, die kenne sie wohl. »Gott behüt«, sagte das Mädchen, »wie wirft die ihre Röcke und schlenkert mit den Armen, solche Irländische müssen wohl so gut fechten wie Männer.« Miss Flora kamen diese Bemerkungen der Magd sehr ungelegen, sie ließ deswegen schneller zufahren, so daß ihr die beiden bald aus den Augen kamen. Um 11 Uhr Nachts, den 29. Juni, [395] kamen indessen beide Teile fast zu gleicher Zeit in Kingsboroughs Hause an, naß und ermüdet; Kingsboroughs Frau, die ihren Mann nicht mehr erwartete, war schon entkleidet und wollte eben ins Bette steigen, als eins ihrer Mägde hineinstürzte, daß Kingsborough gekommen und eine Gesellschaft mitgebracht, worunter, wie sie meinte, auch Miss Flora. Die Frau antwortete: »Miss Flora und jede Gesellschaft, die sie bringt, ist willkommen, alles im Hause steht ihr zu Dienste, ich bin schläfrig und entkleidet, ich kann nicht das Vergnügen haben, sie zu sehen.« Gleich darauf springt Kingsboroughs Tochter ins Zimmer: »Mama, Mama, was hat der Vater für ein wunderlich, schmutzig Weib mitgebracht, und hat sie in den Saal geführt.« Kaum hatte sie ausgeredet, so kam Kingsborough selbst und sagte seiner Frau, sie möchte sich so gut anziehen, als sie nur könnte, und so gut zu essen geben, als sie irgend hätte. – »Wer ist bei dir?« fragte sie. – »Das sollst du bald genug hören, jetzt schnell auf.« – Sie befahl ihrer Tochter die Schlüssel schnell zu holen, die sie in dem Saale liegen lassen. Das Mädchen kam schnell wieder: »Mama, Mama, ich kann nicht die Schlüssel holen, das schmutzige Weib geht im Saale auf und nieder mit großen Schritten, und ich habe Furcht.« Die Frau kam selbst, aber, wie sie sich ausdrückte, als sie die lange Striele gesehen so große Schritte machen, da war sie zurückgegangen, sie wollte, daß der Mann die Schlüssel hole, der nötigte sie aber selbst zu gehen. Als sie in das Zimmer trat, saß der Prinz, er stand auf und grüßte sie. Sie aber begann zu zittern, als sie einen rauhen Bart bemerkte; sie meinte gleich, es sei irgend ein Edelmann in der Not, von dem Prinzen ließ sie sich aber nichts träumen. Gleich, mit den Schlüsseln in der Hand, wie sie den Saal verlassen, wollte sie ihren Mann ausfragen, wer es wäre und ob der nichts Neues vom Prinzen wüßte. Kingsborough lachte: »Liebe Frau, es ist der Prinz selbst.« – »Der Prinz!« rief sie, »so sind wir alle unglücklich, wir werden gehangen!« – »Nun, nun«, sagte er, »einmal können wir doch nur sterben, und wenn wir für dies gehangen werden, so sterben wir für eine gute Sache, für christliche Milde; mach indessen lieber was zum Abendessen: bring Eier, Butter, Käse, und was noch mehr da ist.« – »Eier, Butter, Käse, das wäre mir auch ein rechtes Abendessen für Prinzen.« – »Ei Frau, du weißt nicht, wie er die Zeit her gelebt hat, machst du auch viel Umstände, so möchtens die Mägde merken; nur schnell was, und dann komm [396] selbst mit zum Essen.« – »Ich zum Essen«, sagte sie, »ich weiß mich gar nicht zu betragen vor einer Majestät.« – »Du mußt kommen, der Prinz will mit dir essen, es ist leicht Umgehens mit ihm, er weiß einen so gut ins Gespräch zu bringen.«

Beim Abendessen setzte der Prinz Miss Flora an seine rechte Hand, und die Frau vom Hause zur linken, immer ehrte er jene am höchsten, und wenn sie ins Zimmer trat, stand er immer auf. Er aß tüchtig, vier Eier, einige Fleischschnitte, Brot und Butter, trank zwei Flaschen Bier und nahm noch einen Schnaps, den er auf das Wohlsein des Hausherrn und der Frau und auf bessere Zeiten für alle austrank. Nach Tische rauchte er eine Pfeife zur Gesellschaft; er bewahrte immer eine alte Pfeife, die schwarz geraucht und kurz abgebrochen war. Nachdem sie bei einigen Gläsern Wein die Pfeife ausgedampft hatten, ging der Prinz zu Bett.

Auf dem Wege nach diesem Hause hatte der Prinz dem Kingsborough vorgeschlagen, zum Laird von Macleod zu gehen, keiner würde ihn da vermuten; Kingsborough wollte nicht beistimmen. »Warum«, meinte der Prinz, »sollte der Laird von Macleod zu seinen übrigen Untaten auch nach meinem Blute dürsten?« – »Vielleicht«, sagte Kingsborough, »denn er hat mir geschrieben, Euch auszuliefern, wenn Ihr mir in die Hände fielet, das wäre ein Dienst, den ich meinem Lande erwiese.« So gab der Prinz den Plan auf und meinte, der Laird würde noch lange genug leben, um sein Versehen zu erkennen. Einige Zeit darauf wollte der Laird diesen Brief zurückhaben, aber Kingsborough verweigerte ihn, er wollte ihn bewahren, um zu zeigen, welche Rolle er damals gespielt. Kingsborough fragte auch den Prinzen: Ob er George Murray für einen Verräter hielte? – »Ich hoffe nein!« antwortete der Prinz. – Kingsborough wunderte sich einmal über das andre, was ihn den Tag nach Mongstod gebracht, da er doch gar keine Art Geschäft dort gehabt. »Das will ich Euch erzählen«, sagte der Prinz, »das war die Vorsehung, die meine Rettung zu ihrer besondern Sorge macht, und dazu war kein andrer so tüchtig als Ihr.« – (Wir müssen uns bei dieser Bemerkung nach O'Neil und Sullivan umsehen, denen beiden die Rettung des Prinzen am Herzen lag. O'Neil fand Sullivan bald nach dem Abschiede vom Prinzen, und zwei Tage darauf kam ein französischer Kutter mit 120 Mann Besatzung an die Küste von Süduist. Sullivan ging gleich an Bord, O'Neil suchte den [397] Prinzen, konnte ihn aber nicht finden, weil er die Insel zwei Tage vorher verlassen. Er kehrte zurück, wo er den Kutter verlassen, der war aber drei Stunden vorher aus Furcht vor einigen bewaffneten Böten mit gutem Winde abgesegelt, so hatte selbst Sullivan seinen Prinzen aufgegeben. O'Neil ward bald darauf gefangen, aber, da er lange in französischen Diensten, ganz als Kriegsgefangner behandelt; auf dem Kriegsschiffe, das ihn fortbrachte, fand er Miss Flora, die sein Unternehmen ausgeführt hatte. Er ward bald ausgewechselt).

Als der Prinz zu Bette, mußte Flora der Hausfrau ihre Abenteuer erzählen, die fragte unter andern: »Was ist aus den Schiffern geworden, die Euch übersetzten?« – »Sie fuhren zurück nach Süduist.« – »Sehr schlimm, die hätten einige Zeit hier aufgehalten werden sollen.« – Ihre Vermutung traf ein, sie wurden gleich nach ihrer Rückkehr festgenommen und durch gesetzwidrige Androhung der Tortur gezwungen, alle zu nennen und zu beschreiben, unter andern, daß die Fremde ein langes rot gedrucktes Kleid angehabt, und weiße Schürze. Jene Besorgnis bestimmte Flora, den Prinzen zum andern Morgen zu bitten, daß er seine weiblichen Kleider ablege, die ohnedies den vorigen Tag unbequem und verdächtig gewesen. Der Prinz schlief neun Stunden ohne Unterbrechung, gegen seine Gewohnheit, und Miss Flora wurde besorgt; als der Morgen schon so weit vorgerückt, schickte Kingsborough ihn zu wecken; er fand ihn im besten Schlafe und kam leise zurück, Flora bestand aber darauf, daß er ihn wecke; er ging zum zweitenmal und fragte, wie er geschlafen? – »Niemals besser, ich meine, daß ich nie in so gutem Bette gelegen, denn in Wahrheit, ich hatte fast vergessen, was ein Bette sei.« – Er mußte noch in demselben Kleide das Haus verlassen, um seine andern Kleider den Leuten im Hause unbekannt zu lassen, so kam er angezogen ins Zimmer und ehe er Kappe und Schürze nahm, bat die Hausfrau Miss Flora auf ersisch, sie möchte den Prinzen um eine Locke bitten. – »Kannst du sie nicht selbst fordern?« antwortete Flora. Der Prinz fragte, warum sie sich stritten, die Hausfrau erzählte es; er willigte gleich ein, legte seinen Kopf auf Floras Schoß, bat sie, eine Locke abzuschneiden, sie tat es zögernd, gab der Hausfrau die Hälfte, die andere behielt sie für sich. Es ging allen an diesem Tage sehr wohl und diese Abenteuer, die sonst so rauh, ernst und unfreundlich, werden durch diese [398] kurzen Stunden mit edlen Frauen, auf einmal heiter und anziehend.

Nachdem der Prinz wieder in seiner weiblichen Kleidung vollständig angezogen, sah er sich im Spiegel und rief lachend aus: »Das ist mir ein lustig Weibsbild!« – Er frühstückte, nahm Abschied von der guten Hausfrau und ging mit einem Bündel Hochländer Kleider in ein Holz, wo er ein Kleid von Leinen und Baumwolle mit Purpurblumen anzog. Da nahm er einen langen Abschied von Kingsborough, dankte ihm für seine Dienste, wollte sie nie vergessen, sagte: »Wer weiß, Kingsborough, ob wir beide je wieder ein Glas Porter nach allem diesem zusammen trinken?« – Beide weinten, ein paar Blutstropfen fielen aus des Prinzen Nase. Kingsborough gab ihm einen Führer bis Portree mit; Miss Flora kam zu Pferde auf anderm Wege eben dahin. Kingsborough hatte alles Notwendige für den Prinzen vorausbesorgt, er traf Miss Flora in Portree, beide waren sehr durchnäßt, sie trockneten sich und erfrischten sich so gut der Ort es erlaubte; der Abschied verzögerte sich wohl zwei Stunden, dann dankte er für ihren wunderbaren Beistand, der einzige, der ihn erretten konnte; es tat ihm leid, daß keine Miss Flora ihn weiter begleiten sollte. Es kamen einige, die zur Abreise trieben, er erheiterte sich: »Lebt wohl, Miss Flora, ich hoffe wir fahren noch in einer Kutsche mit Sechsen, eh' wir sterben, wenn wir gleich heute zu Fuß gehen.« – Sie hatten beide nicht lange Zeit dem Abschiede nachzudenken.

Ungefähr sechs Tage nach des Prinzen Abfahrt von Skye, folgte ihm Kapitän Fergusson; durch die Bootsleute lernte er die Tracht des Prinzen kennen, so folgte er ihm nach Alexander Macdonalds Hause; da hörte er bloß von Flora, und folgte der zu Kingsborough, den er so wie Frau und Tochter befragte. Der Kapitän fand zuerst Kingsborough, der manche seiner Fragen ganz unbestimmt beantwortete, er fragte nach seiner Frau. Kingsborough rief ihr, daß Kapitän Fergusson gekommen wäre, nach ihren letzten Gästen zu fragen. – »Wenn Fergusson mein Richter ist«, sagte sie, »so sei Gott meiner Seele gnädig.« – Fergusson fragte, warum sie so spreche? – »Weil die ganze Welt sagt, daß Ihr ein grausamer, hartherziger Mann seid.« – Er fragte, wo Miss Flora und die Person in Weibskleidern, die mit ihr, gelegen. – KINGSBOROUGH: Er wüßte wohl, wo Flora geschlafen, um die Mägde bekümmere er sich aber nicht. – [399] FERGUSSON: »Lag Miss Flora mit dem Prätendenten in einem Bette?« – Die Frau antwortete: »Herr, was Ihr unter dem Prätendenten versteht, weiß ich nicht, doch ist es nicht Mode auf Skye, Herrschaft und Magd in dasselbe Bett zu legen.« Der Kapitän ließ sich die Zimmer zeigen, wo sie geschlafen und fand das Zimmer der Magd besser, als das der Herrschaft, darauf ward Kingsborough gefangen fortgeführt nach Fort Augustus, seiner Schnallen, Uhr, und Geldes beraubt, in Eisen gelegt. Einstmals kam ein englischer Kapitän zu ihm und fragte, ob er wohl des Prinzen Kopf erkennen könnte, wenn er ihn sähe? Ihm schauderte, er sagte, daß er ihn nicht bestimmt erkennen könnte, wenn er nicht mehr am Rumpfe; weiter hörte er nichts davon. Nachdem wurde er aufs Edinburgher Schloß gebracht, eng bewacht und im Juli bei der allgemeinen Begnadigung entlassen; eine lange Strafe für ein Nachtquartier. Einmal war er in der Zeit aus Versehen entlassen, da hörte er, wie ein Offizier schwor, er hätte den Prinzen gehangen, wo er ihn gefunden. Miss Flora nach dem Abschiede vom Prinzen ging zu ihrer Mutter nach Slait, erzählte aber weder der, noch jemand von ihren Abenteuern. Nach acht Tagen wurde sie zu einem Offizier beschieden, sie ahndete, was er verlange, entdeckte alles den Ihren, auch ihrem Stiefvater, der nach Hause gekommen; sie überlegten mit einander, was sie antworten sollte. Auf dem Wege sich zu stellen, wurde sie von Soldaten angehalten und ohne Erlaubnis, Kleider oder Leinenzeug mitzunehmen, auf das Schiff »Furnace« des Kapitän Fergusson gebracht. So schrecklich ihr erst dieser Name war, so wurde ihr doch bald durch General Campbell, der mit auf dem Schiffe, alle Furcht verscheucht; sie bekam eine eigne Kajüte, eine Magd, niemand durfte ohne ihre Erlaubnis zu ihr.

Erst erzählte sie eine verabredete Geschichte, wie ihr ein Soldatenweib begegnet, die um einen Platz in ihrem Boot gebeten, sie wüßte nicht, was nachher aus ihr geworden; doch gestand sie dem General Campbell bald den ganzen Verlauf. Nachher kam sie auf Kapitän Smiths Schiff, für dessen gute Behandlung sie nachher in London seinem Maler zu sitzen die Gefälligkeit hatte; dies war nach fünfmonatlicher Gefangenschaft auf verschiedenen Schiffen, worauf sie in London dem Staatsboten Dick in Verwahrung übergeben wurde. Die Amnestie befreite sie; doch hatte sie sich über ihren Aufenthalt in London nicht zu beklagen, ihr ward von allen [400] Seiten Aufmerksamkeit bezeuget, über die sie sich mehr verwunderte als erfreute. Nachher verschwindet sie uns wie alle helfenden Engel; ihre Arbeit war getan, sie kehrte zufrieden in den kleinen Kreis des gewöhnlichen Lebens zurück, aus dem wir nach den weitern Gefahren des Prinzen ängstlich umblicken.

Kingsborough hatte Kapitän Malcolm Macleod, und Murdock Macleod, die beide unter dem Prinzen bei Culloden gefochten (der letzte war in die Schulter geschossen), nach Portree bestellt. John Macleod, der junge Laird von Raaz, wartete mit einem Schiffe und zwei Bootsleuten. Sie kamen mit dem Prinzen den 1. Juli nach Glain in Raaz, da blieben sie zwei einen halben Tag in einer niedrigen Hütte, wo sie auf dem Erdboden, mit etwas Heidekraut bedeckt, liegen mußten. Nun war ein Mann auf die Insel gekommen um eine Rolle Tabak zu kaufen, blieb aber vierzehn Tage, ging bald hier bald dorthin, so daß ihn alle für einen Spion hielten. Er näherte sich auch einmal der Hütte und Malcolm beschloß, ihn zu erschießen. »Nein Malcolm«, sagte der Prinz und hielt ihn, »Gott behüte, daß irgend ein unschuldiger Mensch für uns leiden sollte.« Ein Glück war es indessen, daß der arme Mann nicht in die Hütte sah, Malcolm war entschlossen, ihn ihrer Sicherheit zu opfern. Nachher hieß es, der Mann sei ein Kräutersammler gewesen. Den 3. Juli schlug der Prinz vor, nach Troternish auf Skye zu fahren, ob es gleich stürmisch war. Der Wind nahm so zu, als sie auf dem Wasser waren, daß alle die Rückkehr verlangten, der Prinz rief indessen entschlossen: »Ihr fahrt den letzten eures Könighauses, die Vorsehung, ihr Gefährten, die mich durch so viele Gefahren getragen, wird mich vor so schlechtem Ende schützen!« Dann stützte er sich ruhig auf seine Hand und sang:


Die Gedanken sind frei,
Wer kann sie erraten,
Sie rauschen vorbei
Wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen,
Kein Jäger sie schießen;
Es bleibet dabei,
Die Gedanken sind frei.

[401] Die andern horchten auf und er sang ihnen ein lustiges altes Lied: 2

O wenn mein Liebchen die weiße Ros wär,
Die wächst auf der Welle Rand,
Und ich war selbst nur ein Tropfen im Meer;
Ich stieg mit der Rose ans Land:
O mein Liebchen ist fein, fein, fein,
Mein Liebchen ist fein und schön dein Blick,
Und wenn ich schau in ihr hold Gesicht,
So blickt und lächelt sie wieder zurück.
O wenn mein Liebchen die rote Ros wär,
Die wächst in dem Morgenlicht,
Ich ging im Sturme wieder aufs Meer,
Zu schaun ihr lieb Angesicht:
O mein Liebchen ist fein, fein, fein,
Mein Liebchen ist fein und schön dein Blick,
Und wenn ich schau in ihr hold Gesicht,
So blickt und lächelt sie wieder zurück.
O wenn mein Liebchen das Sternelein wär,
Das steht noch vor Himmelstür,
Die andern ruhen schon drinnen in Ehr,
Sie wartet auf mich noch hier:
O mein Liebchen ist fein, fein, fein,
Mein Liebchen ist fein und schön dein Blick,
Und wenn ich schau in ihr hold Gesicht,
So blickt und lächelt der Stern mir zum Glück.

Die Wogen rauschten indessen häufig über den Rand des Bootes, Malcolm und der Prinz schöpften das Wasser aus. Sie landeten bei einem Felsen in Troternish auf Skye mit vieler Beschwerde, der Prinz war der dritte, der ins Wasser sprang, um das Boot aufs Trockne zu ziehen. Er hatte einen sehr durchnäßten Reiserock an, der Felsen war steil, Malcolm wollte ihn tragen, der Prinz meinte aber: »Ich bin jünger als Ihr, Kapitän!« – Sie kamen in ein Kuhhaus, hier wollte Malcolm, daß der Prinz ein trocknes Hemde anzöge, [402] der wollte aber nicht und schlief bald ein. Er fuhr oft unruhig in seinem Schlafe auf, sagte im Traume: »Ach armes Volk, armes Volk!« Nachher erwachte er und da er Malcolm auf der Lauer sah, wollte er durchaus statt seiner solches übernehmen. Die beiden Brüder, der junge Raaz und Murdock und der Bootsmann verließen den Prinzen, der Prinz blieb mit Malcolm zwanzig Stunden dort ohne Erfrischung oder Feuer.

Den 4. Abends verließen sie die Hütte, Malcolm mußte sich für den Herrn ausgeben und der Prinz das kleine Gepäck tragen; wo sie bei irgend jemand vorbei kamen, und Malcolm sprach, so mußte er die Mütze abnehmen. Sie gingen die ganze Nacht die schlechtesten Wege der Welt, über Berge und Heiden. Ihre Branntweinflasche war bis auf einen Schluck aus, der Prinz nötigte Malcolm so lange, bis er den nahm, indem er versicherte, daß er gar keinen möchte. Einmal fragte er Malcolm: »Nehmt an, es kämen welche, die uns morden oder fangen wollten, was wär zu tun?« – »Das hängt von der Menge ab«, entgegnete Malcolm, »wären nicht mehr als viere, zwei nehme ich auf mich.« – »Ich will nicht heißen, wie ich heiße«, rief der Prinz, »wenn ich nicht die beiden andern gut empfange!« – Dann bemerkte er, daß seine Weste, Scharlach mit Gold, zu gut wäre für einen Diener, darum tauschten sie mit Westen. Der Kapitän machte ihn auch aufmerksam, daß er bald in eine Gegend komme, wo er von vielen gekannt würde, er möchte sich also einen Tuch unter seiner Mütze umbinden; aber nichts konnte das majestätische Ansehn und Bewegen verstecken, wie Malcolm nachher versicherte. So erkannten ihn gleich zwei von Mackinnens Leuten, welche bei der Expedition gewesen; sie brachen in Tränen aus bei seinem ärmlichen Aufzuge und nur Malcolms Erinnerung, sie würden damit alles verraten, konnte sie beruhigen. Bei Strath wohnte eine Schwester Malcolms, die John Mackinnen, einen Kapitän der Abenteurer, geheiratet, er ging zu ihr voran, um sie wegen der englischen Soldaten auszufragen. Sie war zu Hause, aber ihr Mann abwesend. Nach der ersten Bewillkommnung erzählte er ihr, er möchte wohl kurze Zeit bei ihr bleiben, wenn keine Soldaten in der Nähe wären. Sie meinte, es wären keine so nahe. Dann sagte er, daß er noch einen Unglücksgefährten aus der letzten Schlacht, Lewis-Caw, den Sohn eines Wundarztes aus Crieff bei sich habe, den er für seinen Diener [403] ausgebe. Die Schwester war bereit, sie beide aufzunehmen, und Lewis ward ins Haus gerufen. Er trat mit dem Gepäck herein, nahm seine Mütze ab, bückte sich tief, und setzte sich in großer Entfernung vom Herrn nieder; des Kapitäns Schwester mußte doch immer nach ihm hinsehen, es war ihr so was Ungemeines in dem Menschen. Der Kapitän verlangte etwas zu essen, sie waren fast ausgehungert, und befahl dem armen kranken Lewis zu ihm zu rücken und mit ihm zu essen, da keine Gesellschaft im Hause. Lewis setzte sich nur auf die Hälfte näher, versicherte, er kenne besser seine Schuldigkeit; doch der Kapitän befahl es ihm endlich. Nach dem Essen verlangte der Kapitän, daß die Magd seine Füße warm abwasche; als das geschehen, verlangte er auch, daß sie seines Dieners Füße wasche. Das Mädchen sagte aber: Wenn sie auch seine Füße gewaschen, so wollte sie doch nicht seines Knechts Füße waschen. – Sie gehorchte doch, aber sie rieb des Prinzen Füße so stark, daß der Prinz dem Kapitän auf englisch sagte, er möchte sie doch in ihrer Sprache bitten, nicht so stark zu reiben und nicht so weit hinauf mit der Hand zu waschen, weil sie an sein Degengefäß stoße. – Ich kann aus meiner eignen Erfahrung hinzufügen, daß es alle andre Güte übertrifft, dieser schottische Gebrauch, daß Mädchen den Reisenden die Füße waschen, so sehr Fremde davon überrascht werden, wenn sie das Wasser bringen, und dann gar nicht davon weggehen wollen, sondern in christlicher Milde niederknieen, bis man endlich ihre Absicht merkt und den guten Kindern gewähren läßt. – Nach dieser Erfrischung schliefen sie ein, und des Kapitäns Schwester hielt auf dem Hügel die Wache. Der Prinz schlief keine zwei Stunden, als der Kapitän einmal aufwachte, sah er wie er seiner Schwester Kind auf dem Arm tanzen ließ und dabei sang:


Wollen wir nicht nach England fahren?
England ist verschlossen,
Schlösser sind verrostet,
Schlüssel ist verloren;
Wenn die Puppen tanzen,
Wollen wir Lanzen pflanzen.

Er schien so heiter, als wenn er die Nacht im Bette zugebracht. »Wer weiß«, sagte er, »vielleicht wird der Junge einmal Kapitän in [404] meinem Dienste.« – »Oder Ihr«, brummte die Magd, »ein alter Sergeant in seiner Kompagnie.«

Der Kapitän war wach, als sein Schwager Mackinnen ins Haus trat. Nach der gewohnten Begrüßung fragte er ihn, ob er die Kriegsschiffe gesehen, die in einiger Entfernung um die Küste schwebten? – »Ja.« – »Wenn der Prinz da am Bord wäre?« – »Gott behüt davor«, erwiderte Madonnen. – »Wenn er nun hier wäre? John, meinst du, daß er hier sicher genug wäre?« – »Ich wollte, wir hätten ihn hier, hier sollte ihm nichts begegnen.« – »Nun wohlan«, rief Malcolm, »er ist in deinem Hause; aber kommst du herein, so mußt du tun, als wenn er gar nicht da wäre.« – Das versprach John, aber wie er den Prinzen in solchem ärmlichen Zustande erblickte, brach er in Tränen aus, worauf ihn Malcolm gleich zur Tür wieder hinausführte. Als Malcolm mit dem Prinzen allein war, wünschte er eine Erzählung seiner früheren Abenteuer; der Prinz erzählte, Malcolm schien sehr erschüttert, der Prinz aber fuhr fort: »Kapitän, – ich hätte gut Leben gehabt, wenn ich ruhig geblieben, aber ich wollte vielen andern ein gutes Leben geben, wenn ich König würde. Ein guter König ist der größte Sklave in seinem Reiche, keine Stunde gehört ihm, was ich erlitten, ist nichts gegen das, was mir bevorsteht, die Vorsehung wird mich aber wie bisher schützen. Jetzt kenne ich Elend, jetzt kenne ich Menschen, das sollte jeder kennen, eh' er herrschen will.« – So sprachen sie lange, bis sie endlich auf die Überfahrt nach dem festen Lande von Schottland kamen. Sie wollten dem Laird von Mackinnen wegen seines hohen Alters nichts von der Sache sagen, auch mußte John Stillschweigen gegen ihn versprechen. Als er aber nach einem Boote ausging, begegnete ihm der alte Herr, und da konnte er sich nicht halten, ihm alles zu erzählen. Der gute Alte übernahm gleich das Boot zu besorgen, er wollte selbst zum Prinzen kommen, der Prinz traute ihm ganz. Jetzt sah der Prinz, daß er Malcolm nicht weiter nötig hätte, doch war es ihm schmerzlich, gleich von seinem treuen Malcolm zu scheiden; aber Malcolm setzte ihm auseinander, daß die Soldaten bei seiner längeren Abwesenheit Argwohn schöpfen, und er selbst den Prinzen, weil er sehr bekannt, in Gefahr setzen könnte. »Kehre ich zurück«, sagte er, »so werde ich vielleicht gefangen; da ich mit Euch, mein Prinz, allein war, kann ich ihnen falsche Wege vorlügen, die wir zusammen gemacht, so daß sie [405] Euch nicht auf die Spur kommen. Was mir geschieht, ist einerlei, aber ich bin um Euch besorgt, und da ich Euch besser diene, wenn ich Euch verlasse, so darf ich nicht meinem Herzen folgen; ich meine, daß Mackinnen Euch gut führen wird.« – Der Prinz ward damit zufrieden, der Alte kam, alles war fertig, aber indem der Prinz einsteigen wollte, rief er: »Malcolm, wißt Ihr, daß ich Murdock Macleod zur Zusammenkunft beschieden hatte.« – »Was schadet's, ich will's ihm schon erklären, wie Ihr einen andern Weg gezwungen seid.« – »Das ist nicht genug zwischen Edelleuten«, meinte der Prinz; »gebt mir Papier, Tinte und Feder, ich will ihm ein paar Worte schreiben.« – Er schrieb hierauf:

»Ich danke Gott, daß ich gesund bin, ich gehe ab. Grüßt alle Freunde, mein Dank für alle Mühe, die sie meinetwegen gehabt, Euer ergebener

James Thomson.«


Den Brief gab er an Malcolm, führte ihn auf die Seite, umarmte ihn, gab ihm eine silberne Schnalle, die nahm er an, aber zehn Guineen, die er ihm dann übermachte, weigerte er sich lange anzunehmen, bis sie ihm der Prinz einsteckte. Die alte schwarz gerauchte Pfeife des Prinzen bewahrte er, nachdem er ihm eine neue gegeben, und schickte sie nachher seinem besten Freunde in England. Als sie nun ins Boot steigen wollten, sahen sie zwei Kriegsschiffe, die sich ihnen näherten; sie wollten das abwarten, aber der Prinz rief: »Ich bin wahrhaftig nicht so oft entkommen, um hier gefangen zu werden, ich geh zu Schiff, der Wind wird sich ändern und die Schiffe werden einen andern Lauf nehmen müssen, die Vorsehung läßt meine Feinde jetzt nicht so nahe kommen!« – Was der Prinz sagte, traf ein; Malcolm, nachdem er Abschied genommen, sah vom Hügel den Schiffen und dem Boote nach; es verging keine Viertelstunde, so kam ein günstiger Wind, der die Kriegsschiffe ganz aus dem Gesicht wegtrieb und den Prinzen nach Schottland führte. (Malcolm wurde bald nachher eingefangen und nach London geführt, wo er mit Flora bei dem Staatsboten Dick gefangen saß; nach der Amnestie kehrte er mit ihr nach Schottland zurück.)

Nach einer stürmischen Nacht, in der sie ein Boot mit Milizen begegneten und sich zum Schlagen bereiteten, aber vom Winde auseinander getrieben wurden, kam der Prinz glücklich in Moidart, [406] sechs Meilen von dem Platze an, wo er ausgefahren, und zu Angus Macdonald Hause nach Borandale, wo er seine Kleider wechselte und nach Macdonald von Glenaladale sendete von Clenronnalds Familie. Hier nahm der Laird von Mackinnen Abschied vom Prinzen; auf der Rückfahrt ward er gefangen, nach London gebracht, in Eisen gelegt, endlich aber mit allen übrigen frei ge lassen.

Glenaladale kam und berichtete dem Prinzen, daß der Verlust bei Culloden nicht so groß gewesen, als Sullivan und O'Neil ihn dargestellt. Gern wäre der Prinz zu seinem geliebten Lochiel nach Lochaber gegangen, aber zwei Postenreihen von Inverness über Fort Augustus nach Fort William, eine andre von der Spitze von Locharcraig machten alle Verbindung unmöglich. Der Prinz blieb noch einige Tage, bis General Campbells Ankunft auf der einen, der Kapitän Wott auf der andern ihn auf zwei Meilen umschlossen, sie hatten Nachricht von seiner Anwesenheit in dieser Gegend. In dieser Lage bat er Cameron von Glenpane, ihn zu dem Braes von Locharcraig zu führen, sie mußten auf Händen und Füßen kriechen, um bei den Wachen dieses Passes vorbeizuklettern und kamen ihnen so nahe, daß sie die Soldaten sprechen hörten, es gingen mit ihnen Glenaladale, sein Bruder und zwei Knaben des Angus. Einmal, als der Prinz mit Glenaladale ganz allein war, verlor dieser seine Börse mit vierzig Guineen. Er bedauerte sein Unglück, es war alles Geld, was sie hatten, und wollte zurück es zu suchen, er wäre gewiß den Fleck zu finden. Der Prinz widersetzte sich erst, doch sah er wohl ein, wie notwendig ihnen das Geld sein könnte, er ließ ihn zurückgehen und stellte sich hinter einen Hügel. Bald sah er viele Soldaten, die sich ihm erst näherten und dann den Weg einschlugen, den er selbst würde genommen haben, so daß er ohne diesen scheinbar sehr unangenehmen Vorfall sicher in ihre Hände gefallen wäre. Als Glenaladale mit der Börse zurück kam, rief ihm der Prinz entgegen: »Meine Stunde ist noch nicht gekommen, wir waren nahe dran gefangen zu werden!« – Sie kamen nach Glenmorriston ohne Hindernis, aber sehr hungrig, bei einer rauchenden Hütte konnte sich der Prinz nicht mehr halten, er hatte seit achtundvierzig Stunden nichts gegessen: »Hinein, hinein, es komm wie es will, besser als ein Mann, denn als ein Narr sterben.« Sein Freund wollte ihn abhalten, aber der Prinz sprang dreist hinein und fand sechs tüchtige Gesellen beim Mittag, vor einem großen Stück gekochten Rindfleisches, [407] ein sehr fremder Anblick für ihn. Die sechs Männer, die bekannte Spitzbuben waren, verwunderten sich nicht wenig über das fremde Gesicht; einer erkannte aber den Prinzen und hatte die Geistesgegenwart, um ihn nicht den andern zu verraten, ihn anzureden: »Dougal Maccullony, ich freu mich Euch wiederzusehen.« Der Prinz merkte durch diese Anspielung, daß er gekannt sei, dankte ihm herzlich und mit gleicher Haltung, setzte er sich nieder, aß mit ihnen tüchtig und war sehr lustig. Der Prinz, sein Freund und der Mann, der ihn erkannt hatte, beratschlagten nach Tische vor der Hütte, was zu tun und wie wohl das Land besetzt sei; sie hielten es für notwendig, daß er länger hier verweilte, so mußten denn die fünf andern auch in das Geheimnis gezogen werden, die nicht wenig erfreut waren, einmal einen Prinzen unter sich zu haben und ihm dienen zu können. Sie waren ihm von großem Nutzen und sehr treu. Mit diesen zuverlässigen Falstaffs und Glenaladale blieb der Prinz in Glenmorriston und Glenstrathferrar bis die Wachen sich entfernten und die Pässe öffneten.

In dieser Zeit ungefähr ward Roderich Mackenzie, ein Kaufmann von Edinburgh, der auch mit dem Prinzen ausgezogen, von einigen Soldaten bei Glenmorriston angetroffen. Da er von des Prinzen Wuchs und Alter war, auch im Gesichte ihm nicht unähnlich, er war ein ansehnlicher wohlgebildeter Mann, so nahmen ihn die Soldaten für den Prinzen. Er wußte voraus, daß er hängen mußte, wenn er gefangen würde, und beschloß daher mit dem Degen in der Hand frei und brav zu sterben. Der Mut und die Festigkeit des Mackenzie bestätigte die Soldaten in ihrer Vermutung, daß er der Prinz, und so schoß gleich einer nach ihm. Er fiel und rief, um sie noch mehr zu betören: »Ihr habt euren Prinzen gemordet, ihr habt euren Prinzen gemordet!« – Die Soldaten waren überfroh, schnitten den Kopf ab und brachten ihn nach Fort Augustus, ihre Heldentat und den Preis der 30000 £. anzurühmen. Viele glaubten den Kopf zu erkennen, der Herzog meinte, daß sein großes Werk beendigt sei, und reiste ruhig nach London den 18. Juli. Dies war die Veranlassung jener Frage an Kingsborough. Da nun aber alle Posten, weil sie den Prinzen tot glaubten, nachlässig wurden, so konnte der Prinz mit geringer Gefahr nach Lochaber zu seinem Lochiel entkommen. Sie nahmen keine Lebensmittel dahin mit, weil dort ein größerer Überfluß sonst war, [408] sie fanden indessen alles verbrannt und das Vieh weggeführt. In dieser Not schoß noch einer zum Glück einen Hirsch, wovon sie ohne Brot und Salz lebten. Der Prinz sendete zu Lochiel, die Boten begegneten zwei französischen Offizieren, die den Prinzen aufsuchten und gingen mit ihnen zu Lochiel. Es waren nämlich vier französische Offiziere in dieser Gegend angelangt, von denen schon zwei gefangen, und einer als Spion gehangen; diese beiden übrigen irrten bisher umsonst herum. Der Bote wollte aber keinem außer Lochiel die Anwesenheit des Prinzen anvertrauen, darum ging er mit ihnen dahin. Den nächsten Tag sendete Lochiel seinen Bruder Dr. Cameron mit vier Dienern zum Prinzen. Sie trafen unterwegs den Prediger Cameron, und nach mehrerem beschwerlichem Durchwaten der Flüsse kamen sie zum Prinzen, der in der Ungewißheit, wer sie wären, die Hütte verlassen hatte, aber mit so größerer Freude sie nachher begrüßte, als sie ihm Lochiels Herstellung von seinen Wunden (die er bei Culloden erhalten) anzeigten. Dreimal dankte er Gott dafür. Der Prinz ging an diesem Tage barfuß, hatte einen alten schwarzen Kilt um, ein Schwert an der Seite, eine Pistole und ein Messer im Gürtel, eine Muskete in der Hand, schien gesund und gut gestimmt, und aß mit ihnen von einer Kuh, die sie den Tag vorher geschlachtet und Brot, das er in Fort Augustus hatte kaufen lassen. Der Prinz wollte gleich zu Lochiel, mußte es aber aufgeben, als man ihm eine Zeitungsnachricht erzählte, nach welcher er mit Lochiel und dreißig Mann nach Coriarick gegangen sein sollte, so daß dort ein strenges Nachforschen zu erwarten war. Lochiel hatte schon mehrere falsche Nachrichten veranlaßt. Ein englischer Kapitän Culkairn hatte den eben begrabnen Leichnam eines Camerons für Lochiel gehalten, ihm das Totenhemde ausgezogen und einen Expressen mit der Nachricht von seinem Tode an den Herzog von Cumberland geschickt. Der Prinz sendete indessen Lochgary und Dr. Cameron zu Lochiel und entließ Glenaladale und die Leute aus Glenmorriston, er selbst blieb in der Hütte mit dem Prediger Cameron, Cluns Kindern, Kapitän Macraw und zwei Dienern.

Die beiden französischen Offiziere erregten Besorgnis, wie konnten sie ohne Spione der Regierung zu sein, bei gänzlicher Unkenntnis der Sprache sich bis hieher durchhelfen, alle kamen überein, sie auf die Probe zu stellen. Da nun beide Offiziere den Prinzen nie [409] gesehen haben wollten, so schrieb er ihnen: daß er es seiner Sicherheit schuldig glaube, ehe er sie selbst spreche, erst seinen Freund Kapitän Drummond mit ihnen verhandeln zu lassen, dem sie ganz vertrauen möchten. Diesen Kapitän Drummond machte er selbst, sie sagten ihm ihre Aufträge, die bei der jetzigen Lage der Sache, wie er nachher erklärte, unbedeutend waren; ein Paket chiffrierter Briefe für den französischen Gesandten konnte ihm noch weniger nützen. Sie fragten ihn nachher vertraulich nach des Prinzen Lebensweise, Gesundheit, Planen. Erst als der Prinz Abschied nahm, erfuhren sie, daß es der Prinz gewesen, baten sehr um Verzeihung wegen ihrer freien Art zu sprechen, die er ihnen auch gern angedeihen ließ. Der Prinz und die Seinen blieben in diesem Walde in drei verschiedenen Hütten bis zum 10. August, da kam ein sechsjähriges Kind von Cluns und sagte, es sehe einen Haufen Soldaten. Sie wollten es erst nicht glauben, weil Lochgary dem Lochiel versprochen hatte, zwischen Fort Augustus und Cluns Hütte eine Wache auszustellen; doch gingen sie hinaus und fanden alles, wie das Mädchen es erzählt. Cluns beobachtete die Soldaten, der Prediger aber ging den Prinzen zu benachrichtigen, der eine halbe Stunde davon in einer andern Hütte sich befand. Der Prinz schlief als Cameron eintrat, und erzählte, wie er die Soldaten vorrücken sähe. Er stand entschlossen auf, langte nach seiner Muskete und sendete nach einem Sohne von Cluns. Sie glaubten, weil sie gar keine Nachricht bekommen, es sei Verräterei dahinter versteckt, und wahrscheinlich alle Ausgänge des Waldes besetzt; sie waren ihrer acht, und statt ihren Hals freiwillig hinzuhalten, beschlossen sie, ihr Leben so teuer wie möglich zu verkaufen, tapfer als Männer zu sterben, welche die Ehre eines großen Geschickes übernommen haben. »Brüder«, sagte der Prinz, »laßt uns für einen bessern Tag leben.« Er untersuchte selbst alle Flinten, und fand sie in ziemlich gutem Stande, er meinte, sie würden wohl noch etwas hinrichten, eh' sie gerichtet würden, er für sein Teil, er sei ein guter Schütze und könne schnell laden, und wäre sicher seines Ziels. – In dieser Gesinnung verließen sie die Hütte, dann stiegen sie auf einen Hügel, von wo sie nach Glenkengie hinsehen konnten; unter der Decke des Waldes kamen sie unbemerkt dahin, nachher beschlossen sie in der Nacht auf den hohen Berg Mullantagart zu steigen. Einer von Cluns hatte indessen ein Weib gesprochen, das hatte erzählt, [410] es wären etwa zweihundert von Lord Loudons Regiment, die hätten zehn Kühe fortgeschleppt, welche Cluns nach der Plünderung erkauft hatte, sie hätten eine der Hütten gefunden, nun wären sie hin Barrisdales Vieh zu suchen. Den Abend brachte Cluns einigen Branntwein, Brot und Käse dem Prinzen, der ohne Feuer an einer Seite des Berges sich aufhielt; er beredete ihn einen Schluck zu nehmen, auch kurze Zeit Feuer anzumachen. Von da gingen sie die Nacht nach der Strath von Glenkengie, wo sie eine Kuh töteten und ein paar Tage lustig lebten. Von da ging's durch das Wasser von Arkey nach den Braes von Achnakarie; der Prinz blieb beständig in seinen nassen Kleidern. Dann gelangten sie zur Freude des Prinzen zu Lochiel, der damals auf den Hügeln zwischen Badenach und Atholl hauste. Den 13. September wurde der Prediger Cameron südlich ausgeschickt, ein Schiff zu mieten, das den Prinzen an der Nordküste aufnehme. Das Schiff war gerüstet und ein Bote ging aus, den Prinzen, Lochiel und andre zu benachrichtigen, als zwei Freunde vor dessen Ankunft dem Prinzen die Nachricht brachten, daß zwei französische Schiffe bei Moidart angelangt. Auf diese Nachricht brach der Prinz die nächstfolgende Nacht auf, und suchte alle zu benachrichtigen, die auf den verschiedenen Posten lauerten, einige kamen zu rechter Zeit, andere kamen zu spät. Es ergreift uns eine namenlose Ungeduld, daß kein neues Hindernis diese nahe Hoffnung wieder vernichtet und die Namen der Mitgenommenen und Zurückgelassenen entschwinden selbst dem Gedächtnisse unsrer sonst so ausführlichen Geschichtschreiber. Dieses verzweiflungsvolle Spiel mit menschlicher Geduld endete den 19. September auf der »Bellona«, einem französischen Kaper von 32 Kanonen, dahin geführt durch Kapitän Warren von Dillons Regiment. Der Prinz ließ erst seine Freunde ins Schiff steigen, dann küßte er den Boden seiner Väter und seiner Not, bestieg das Schiff und sah sein untergegangenes Reich, das sein Mut gegen den Willen und das Schicksal einer Welt für kurze Zeit wieder aus dem Meere gehoben, allmählich darin untersinken, – noch auf den Felsenspitzen weilten seine Augen. Seinen Feinden entkam er, aber sein Reich sah er nie wieder, und seine Taten waren geendet, so wenig er es damals noch glauben mochte. Wir lassen ihm die Sterne und die Erinnerung andrer großer Taten, die auch verschwunden, trostreich aufgehen, während ein frischer günstiger Wind sein Schiff an [411] die rettende Küste Frankreichs gefahrlos und schnell hintreibt. Die allgemeine Wehmut mag ihn ergreifen, mit der ihm ein alter Hochländer auf dem Verdecke vorsingt:

Das Lied von der Jugend

O Jugend, wie gleichst du dem schimmernden Traume des Jägers,
Den wärmende Sonne entschläfert am Hügel;
Da weckt ihn der Sturm und die jagenden Schloßen,
Da fühlt er sich beben, er sieht sich allein;
Da beugen sich Blumen ins wallende Grün,
Da stürzen die schwebenden Wolken hernieder,
Da weichet die Röte vom rastlosen Himmel,
Da stehet er frierend und wischt sich die Augen
Und schauet hinüber zum Aufgang der Sonne, –
Die ging ihm schon unter, verflogener Traum!
O kehre mir wieder, o Jugend im Traum nur!
O klinget mir wieder ihr Waffen im Ohre!
Wann ziehe ich weiter im strahlenden Stahle?
Dann trete ich nieder die trotzenden Feinde!
Es gehet der Seele die Sonn des Gesanges
Wohl auf und wohl unter, ich fühle die Wonne,
Die Schmerzen entstrahlender, blendender Zeit.
Ich schau die getürmten Schlösser der Väter,
Die schattigen Eichen dort hinter dem Walle,
Am Tore die Ströme erschwellen, umrauschen,
Die Vögel in Lüften, sie ziehen schon wieder,
Es hallen die Tritte der Meinen im Hause,
Sie sammeln sich rings an der gastlichen Schwelle,
Steht Fingal nicht mitten gelehnt auf dem Schilde?
Sein Speer ist gestützet dem Walle entgegen,
Er horchet Gesängen der wandernden Sänger,
Getanene Taten, als Jugend sein Arm.
Sein Oskar, heim kehrend vom Jagen, auch horchet
Dem Loblied des Helden und sieht ihn mit Staunen,
Wie Großes der tat, den er täglich so schauet,
Da reißet er heftig sein Schild von dem Walle,
Daß schreckend emporspringt sein Leibhund und anschlägt,
[412]
Der müde vom Jagen ihm lag zu den Füßen;
Die Spitze des Speeres erblinket geduldlos,
Der Degenknopf blitzt in den mächtigen Händen
Mit leichtem Erzittern, voll Tränen das Auge
Die Röte der Jugend in pochenden Wangen,
So spricht er zu Fingal und kniet vor ihm nieder:
»O Fingal, du König der Helden und Ossian,
Nächster im Kriege, ihr fochtet in Jugend,
Ihr lebet im Sänge die ewigen Tage,
Doch Oskar erscheinet, verschwindet wie Nebel,
Kein Sänger mich kennet, kein Mädchen mich nennet,
Kein Jäger einst suchet mein Grab auf der Heide;
O lasset mich fechten in Inisthona,
Und sollte ich fallen in Inisthona,
Ihr hört nicht mein Fallen im Lande so ferne,
Die Tochter der Fremde soll sehen mein Grab,
Und klagen die Jugend, die fern aus der Fremde,
Ihr nahte in Taten, des Todes erfreut;
Dann kommt einst ein Sänger zu dir aus der Fremde,
Und rufet beim Feste: ›O höret die Taten,
Von Oskar aus fernem umfluteten Land‹.«
»Mein Oskar«, erwidert der König der Helden,
»Du Erbe des Ruhmes lautschallender Hallen,
Auch du sollst nun fechten, weil Fechten dein Sinn,
Bereite den Schoß dir des dunkelen Schiffes,
Der Ferne gebär es der Unseren Ruhm;
So stehe denn auf und so beug dich vor keinem;
Auf führe die Helden nach Inisthona,
Doch denke des Ruhmes von Vater zu Vater,
Des ewigen Glanzes in unserm Geschlechte,
Daß Kinder der Ferne, nicht spotten und sagen,
Die Kinder des Fingal, die sind nicht von ihm.
Sei kriegend ein Sturmwind, im Frieden wie Sonne,
Sag Annir, dem König von Inisthona,
Ich denke mit Liebe der Jugend, wir stritten
Zusammen in Tagen von Agandeka.«
Es eilet so ruhlos die Jugend zu Taten,
Als wollte einfrieren das wegsame Meer,
Bald zogen die Segel glückahnend zur Ferne,
[413]
Es wispern die Winde durch Leinen des Mastes,
Es rauschen die Fluten am grimmigen Kiele,
Es zeichnet die Bahn sich weit hinter dem Schiffe,
Bald schaut er die Klippe, gepeitschet vom Meere,
Erkennet am wallenden Lustwald das Land,
Er wendet zum stilleren Busen des Meeres,
Er tritt auf den schwankenden Boden des Ruhmes
Und ziehet das Schiff zu dem trockenen Lande,
Dann bringt er das Schwert des vielherrlichen Vaters
Zu Annir, der saß auf dem eisernen Thron.
Der Held in dem Grauhaar rief auf als er sahe
Von Fingal das blinkende, schmetternde Schwert.
Er dachte der Schlachten, der Jugend mit Tränen,
Sie stritten zusammen im Glanz Agandekens,
Sie stritten der Lieblichen Erbe zu schützen.
Die Helden rings standen, als ob in den Wettern
Wetteifern zwei Geister beim kreuzenden Lichte,
Dann sagte der König: »Veraltet mir ruhet
So nutzlos das Schwert schon und rostet im Saale,
Das oftmals geblinket durch kreuzende Speere;
Verwittert, verbleichet ich gleiche der Eiche,
Verdorrend auf Felsen, die Wurzeln zerhauen.
Ich habe nicht Söhne mit dir sich zu freuen,
Umher dich zu führen in Hallen der Väter!
Ach Argon und Ruro, ihr ruhet verblichen,
Wie kann ich euch rächen, die heimlich ermordet;
Die Tochter im Hause des feindlichen Mörders,
Sie sehnt sich zu sehen mein Grab bei dem euren!
Ihr Gatte, ihr Cormalo schüttelt zehntausend
Der Speere entgegen wie Wolken des Todes,
Mein Schwert ist verrostet! Auf nun zum Feste
Du Erbe des Ruhmes, dann will ich erzählen.«
Drei Tage vergingen in Festen, am vierten,
Da hörte der König den Namen des Gastes,
Sie lebten gar herrlich, sie jagten die Eber,
Sie weilten bei Steinen, die groß und bemooset;
Die Quellen da rieseln, da weinte der König,
Er hebet die Augen, sie leuchten wie Sterne
Durch finstere Wolken; so bricht er die Stille:
[414]
»Hier ruhet, was blieben von Kindern der Jugend;
Der Stein ist das Grabmal von Ruro, die Esche
Umwurzelt nun Argon im Grabe. – Ach hört ihr
Im klemmenden Hause, auch sprecht ihr im Laube
Wie rauschende Winde, ihr rauschet so traurig« –
Die Winde durchstreifen die Loden von Oskar,
Wie Winters sie eisen die stürmischen Seen,
Die eilenden Wellen erstarren im Laufe.
Er fragte: »Wie fielen die Söhne der Jugend,
Daß Eber des Forstes die Gräber umstreifen,
Und stören ihr Ruhbett; hier müssen sie's leiden!
Doch droben da jagen die Geister der Helden
Die flüchtigen Wolken, umgarnen mit Bogen
Der Lüfte vielfarbig das ruchlose Wild.
O tröste dich König, es leben die Starken,
Wir hören die eilenden Sohlen im Winde,
Wir hören die bellenden Hunde in Nächten,
Sie lieben noch immer das Jagen der Jugend,
Besteigen mit Freuden schnellfüßige Stürme.«
Der König erwidert, nachdem er gestillet
Die stickenden Tränen, den nagenden Kummer:
»Zehntausend der Speere beherrschte Cormalo,
Er hauset beim Wasser, das hauchet den Tod,
Gekommen zu meiner hellschallenden Halle
Er focht um die Ehre des Sieges mit Speeren,
Die Jugend war herrlich, doch konnte sich keiner
Mehr messen mit ihm, sie gaben den Kranz ihm
Die Tochter ihm Liebe. Da kamen die Söhne
Vom Jagen zurücke, kam Argon und Ruro
Verbissene Schmerzen des Stolzes im Auge,
Sie sahen den Kranz auf dem Haupte des Fremdlings,
Die Helden, die ihren bezwungen im Lustkampf.
Drei Tage sie festen, am vierten focht Argon
Mit Cormalo freudig, wer konnt ihn bestehen!
Besieget ward Cormalo von ihm, auch von Ruro;
Da schwoll ihm sein Herz gar von gräulichem Ärger,
Er trachtet zu sehen das Blut von den Söhnen,
Verschließet im Herzen die kochende Wut.
Sie gingen in Eintracht zu jagen am Hügel
Die bräunliche Hirschin, die häufig hier trank;
Da flogen die Pfeile von Cormalo heimlich,
[415]
So heimlich, so schrecklich, es fielen die Söhne
Im Blut, gezeuget im Blute des tobenden Krieges,
Die Sonne ging auf und ging unter in Blut;
Gleich eilet der Frevler zur Tochter nach Hause,
Sie strählte die langen, die goldenen Haare,
Er greifet die Flechten und zieht sie mit sich.
Ich blieb da allein, nichts ahndend von allem,
Erwartend die Jäger. Der Tag war versunken,
Ein neuer erschien, nicht Argon, nicht Ruro;
Am dritten da sah ich den spürenden Leibhund,
Er kam in die Halle und heulte und schien mich
Zu locken zur Stelle des Falles; ich folgte,
Und fand sie – begrub sie an selbiger Stelle,
Die stattlichen Leiber, mit eigenen Händen.
Hier wohn ich immer, wenn's Jagen geschlossen,
Ich leg mich hinüber auf kühlenden Boden,
Den Augen entströmt wie gebrochenen Ästen
Der Frühlingssaft, wehe mein Herz ist gebrochen.«
»Ihr Geister auf Wolken«, rief Oskar und eilte
»O ruft mir zur Seite die Heldenvertrauten,
Noch heute wir eilen zum tödlichen Wasser,
Ich räche euch heilig ihr herrlichen Brüder,
Nicht länger soll Cormalo lebend sich freuen;
Auf dring in die Spitze des Schwertes, o Tod!«
Es schwellen die Segel, er eilt mit den Seinen,
Es hob sich der bleiche, der kühlende Mond,
Es schläfert der Jugend, die bläulichen Helme
Erflimmerten helle, es sinken die Feurigen
Die Augen der Helden, die Sterne verschwinden.
Nur Oskar der Führer, er schläft nicht, er steuert,
Und stehet am Ruder und schauet zur Ferne,
Und schauet die wolkigen Küsten des Feindes.
Es naht sich ein Windstoß, weitspannend die Schwingen,
Der stärkste der Geister, er schüttelt sein duftig
Gehaar und den Speer und Augen, sie funkeln,
Wie glühendes Eisen, die Stimme ein Donner,
Verhallend so spricht er: »O Oskar zurück!«
Doch Oskar streckt vorwärts den Speer und erhebet
Die Stimme zur Höhe und redet entgeistert:
[416]
»Entfliehe du Nachtbild mit Stürmen, den Deinen,
Wie wagst du mit dunkelen Waffen zu nahen,
Wie welk ist dein Schild und dein Schwert nur ein Schilfhalm.
Ein Stoßwind sie rollet zusammen wie Wolken;
Dein Nachtwerk verderbet sich selber, du Nachtbild.«
»Du dürftest mir dräuen«, erwidert die Stimme,
»Es neigen die Völker die Stirne vor meiner,
Ein Schütteln der Braunen erwecket, versenket
Die zweifelnden Schlachten, die rüstigsten Jagden.
Ich komme aus grauer, verahndeter Ferne,
Entschleudre im Winde die Blitze des Todes,
Die Stürme im Blicke, die Blitze in Händen,
Doch über den Wolken ist milde mein Wohnen,
Auf blauem Gefild sind Gefährten der Ruh.«
»So wohn dort in Freuden«, befiehlt ihm da Oskar,
»Vergesse dort Fingals stets ruhlosen Sohn,
Noch nimmer ich streckte zu dir in die Wolken
Den blinkenden Speer! Was runzelst du heftig
Die Stirne, noch nimmer ich flöhe den Starken.«
Der Geist ihn nun warnte: »Entfliehe dem Lande
Empfange die Winde mit wendendem Steuer,
Und daß du mich kennest, die unstete Göttin,
Die alle verehren, die je sie verloren,
Und daß du mir trauest, ihr nennet mich Jugend,
Dem Schoß mir entsteigen die Augen der Kinder,
Mein Atem sie nähret, sie ziehn ihn zum Herzen,
Ich bilde in ihnen und breite wie Äste
Neugierige Hände zur Kühnheit der Helden,
Ich schütze die Kühnheit, mein Liebling ist Cormalo;
Mein Oskar, ich lieb dich, entfliehe dem Lande,
Das sorgsam getrennet vom tobenden Meere,
Die unstete Sonne sich schneller nicht decket,
Als fliehet die Jugend, als fliehet ihr Glück.«
Er rufet: »Ich schiffe zu Taten der Zukunft,
Entfliehe o Jugend, nie altert der Ruhm«,
Und Oskar legt vorwärts die Klinge des Schwertes,
Er fühlet die dunkelen Speere des Geistes,
[417]
Er schneidet sich strahlende Wege durchs Dunkel.
Der Geist auf den Wolken gestaltlos entfliehet,
Wie Säulen des Rauchs vom verlöschenden Feuer,
Zerteilend sie jaget der Finger des Knaben,
Doch rühret ihn fern noch die drohende Stimme,
Ein rollender Felsen. Die Krieger erwachten,
Sie fragten der Ursach des mächt'gen Getönes;
Er zeigte der Sonne hochprächtigen Wagen
Die tausend der Wellen auf glänzendem Rücken
Sie trugen mit Jubel, und trugen den Helden
Zur nahenden Küste des schimmernden Ruhms.
Es ahnden die sausenden Wälder die Stürme,
Sie sammeln dann dichter dir wankenden Häupter,
So weckte der zornige Nachtgeist die Feinde;
Bald höret auch Cormalo hallen das Schlachthorn
Von Oskar, und sammelt die Kinder des Sees
Am tödlichen Wasser, das schrecklich erdampfet
Im lieblichen Sommer, als fror es im Winter.
Und Oskar verkündet die blutige Rache
Für Argon und Ruro und fordert die Schwester.
Kaum ist es gesprochen, so stürzen beim Namen
Mit eilenden Schritten zusammen die Heere;
Als war es ein Küssen, so eng sie sich drängen,
Wie leuchtendes Feuer, so funkeln die Waffen,
Als säten sie Menschen, so fallen die Helden,
Sie streiten wie Stürme in rollenden Wogen,
Da trennt sie der tobende Oskar, der suchet den König
Sucht Cormalo, findet ihn balde, der mutig voran,
Und staunend dem Kampfe entsinken die Hände
Den rasenden Völkern, sie warten des Ausgangs.
Es sprangen die Helme, es borsten die Schienen,
Da lief in das Schwert des Oskar verblendet
Sich Cormalo, blind in der frevelnden Seele.
Es legen die Seinen vor Oskar die Waffen
Hernieder und bringen die klagende Königin.
Mit herrlichen Schiffen, mit rötlichen Segeln
So kehret daheim nun der siegende Oskar,
Er bringet zu Annirs lautschallenden Hallen
Die Tochter, die einz'ge; sie deckte die Augen.
Das Antlitz des Alten war glänzend vor Freude
[418]
Er führet die Tochter, er führet die Sieger,
Läßt tragen die Beute zum Grabe der Söhne.
Da klagte in Tränen die Tochter, die Witwe:
»O höret ihr Winde, ich höre euch Quellen,
Die heimlich hier fließen, aus Gräbern der Brüder.
So sehet die Tränen, die strömend sich drängen;
Ihr Brüder, so herrlich, du Argon und Ruro
Ihr wäret ja alle, mir alle so lieb.
Doch Cormalo liebt ich vor allen so innig;
Was hast du erschlagen die herrlichen Brüder
Was hast du erschlagen, du Fremdling, den Liebling?« –
So jammert sie lange, so starb sie in Tränen
Und löschte die Flamme der ewigen Rache.
Und als sie da ruhet erbleichet am Grabe,
Da schauet erst Oskar die lichtenden Wangen,
Nun sieht er sie liebend und sieht sie nicht wieder,
Und sehnt sich die herrlichen Taten zu löschen
Mit schmerzlichen Tränen, und scheuet den Glückwunsch.
Er kehrt wohl zurück zu mir und zu Fingal,
Wir freuten des Sieges uns immer allein,
Die Dämpfe des tödlichen Wassers ihn hatten
Im Keime ersticket, die Jugend zerknickt;
So saß er am Ufer und starrte hinunter,
Die Wellen sie kamen, die Wellen sie gingen,
Oft rief er: »Ich sehe ein Eiland da ferne,
Da springen die Brunnen der Jugend so helle,
Ein einziger Tropfen vom leuchtenden Springe
Gibt Jugendgenesen, wie Frühling die Blätter.«
Und einstens ganz heimlich, da stößt er sein Schifflein
Vom Sande ins Wasser, ich sah ihn erst fern,
Am Himmel ich sahe mit dampfenden Waffen,
Mit funkelnden Augen den Nachtgeist der Jugend,
Die Stimme ein Donner, der ferne verhallet,
Vom Sturme gezogen ihr Mantel tropft flatternd
Vom fließenden Regen und Oskar sog sehnlich
Die Tropfen mit durstendem Munde in sich,
Und streckte die Hände so sehnlich, so zart,
Wie Säuglinge tun zu der nahenden Mutter,
Und rief sie, und nannte sie Quelle der Jugend,
Sie reicht ihm die blitzende zuckende Hand.
[419]
Die Winde sie stürmten mit Wut an den Felsen,
Ich hörte am Ufer viel Stimmen auf Wolken,
Am Morgen ich sähe sein Schiff ach verkehret,
Auf Klippen zerspalten, da lag's wie sein Schild.
Wo Oskar geblieben, kein Stein mir verkündet,
Auf Heiden kein Jäger kann suchen sein Grabmal.
Doch Fingal er sagte: »Die Quelle der Jugend,
Er hat sie getrunken in hellem Gesang.«
Entweichet, entfliehet ihr drückenden Wolken,
Nicht Schmerzen allein nur, auch Freuden sie dauern,
Oft denk ich des Tages, des Tages der Heimkehr
Des stattlichen Oskar von Inisthona,
Des kommenden Frühlings von Inisthona.
Wie groß war die Freude; der erste ich sähe
Die Segel des Oskar, wie leuchtende Wolken
Dem irrenden Wandrer erscheinen im Morgen.
Wir führten ihn singend durch Hallen des Schlosses,
Sie tönten von hohen Gesängen der Tochter.
Sie tönen wie Harfen des Abends hernieder,
Es winket das Licht noch an rauschenden Buchen,
Durch Eichen es strahlet, es ziehet auf Strömen;
Jetzt singe, o Tochter, die lieblichen Lieder,
Daß Schlaf mich umnachte inmitten der Freude,
Daß Jugend mir kehre zurück im Gesänge!
Wie lieblich es säuselt von Tönen der Tochter,
Es tönet der Schild, den Oskar erkämpfte,
Die herrliche Sonne sich schauet darin!
Auch mich trieb die Jugend in tobende Schlachten,
O stört nicht ihr lärmenden Freunde den Seher,
Wie unstete Sonne, so wandelt die Vorzeit
Bald auf und bald unter, wie Frühling im Grünen;
Du weckest mich Frühling mit Tropfen des Himmels,
Doch nahen die Stürme, die bald mich entblättern,
Es kommet der Wandrer, er sah mich erblühen,
Er sieht mich verwelken. Nun seh ich dich Fingal
In hangenden Wolken, die Augen sind Sterne,
Dein Schild ist ein Vollmond, dein Schwert ist ein Rotstreif:
Dein Oskar der jaget ganz nahe bei dir,
Er stehet in ewiger Jugend bei dir.
Im grünenden Tale vom Strome durchwunden
[420]
Da sonnen sich Hirsche, es flattern die Adler,
Die Knospen sich öffnen, welch Murmeln ist droben,
Es sinken die Winde, du rufest mich Fingal:
»Komm Ossian ziehe hinauf. Wie hebt sich der Müde zu dir?
Wir gehen«, so sprichst du, »auf eilenden Strahlen,
Die Jugend ist einmal und schnelle und kurz,
Von unseren Schlachten der Boden wird schwarz,
Wird finster und schweigend und quellig und kalt:
Ein Grabstein, der gibt dir die Ruhe, komm Ossian,
Komm Ossian, komme, gern hören wir Sang.«
Ich komme, ich komme, bald sehet ihr nimmer
Den Fußtritt im Sande, die Harfe im Schwünge,
Dann säuseln mir Winde am Morgen im Grauhaar
Und wecken nicht wieder den Barden der Lieder.
Geschlechter sich heben, wie Wellen im Meere,
Es bringet viel frische Geschlechter der Morgen,
Am Ufer zerschellen sie Abends ermüdet,
Ich sehe die wogenden Bäume des Ufers,
Es sinket ein Kranz auf das sinkende Haupt:
O Jugend wie gleichst du den Träumen des Alters.

Ich hatte meine Vorlesung absichtlich länger eingerichtet, weil die Gesellschaft durch die neuen Ereignisse und durch die Abwesenheit des Invaliden zerstreut war, vielleicht war sie indessen allzulang für einen Verlobten; der Winter flüsterte seiner Braut allerlei in die Ohren. Zum Schlusse rief er vor sich: »O Alter, du gleichst den schönsten Träumen der Jugend!« Die Frau erinnerte ihn mit kindlicher Sorgfalt, nicht zu spät zu bleiben, und überreichte ihm ein Paar warme Pariser, die sie ihm gestrickt hatte; dann führte sie ihn ins andre Zimmer und sang ihm sein Lied vor. Seine Augenbraunen ruckten vor Freuden in die Höhe; er weinte und rief: »Es ist doch eine himmlische Frau, wieviel habe ich in der Welt versäumt! wie wird mir alles eingebracht. Torheit ist's, das Alter trostlos und liebelos darzustellen. Nein, jetzt erst hindert der Körper den Geist nicht mehr, er kann sich ganz seiner ewigen Freude überlassen.«

Fußnoten

1 Vergl. des Knaben Wunderhorn, herausgegeben von mir und Brentano, II. B. S. 14.

2 Ein schottisches Lied von ähnlichem Durchklang hat H. Schubart sehr schön übersetzt, vielleicht erfreun wir uns bald einer Sammlung dieser trefflichen Übersetzungen, von denen meine Tröst-Einsamkeit zwei Proben darlegte.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Arnim, Ludwig Achim von. Erzählungen. Der Wintergarten. Neunter Winterabend. Die Flucht des Prinzen Karl. Die Flucht des Prinzen Karl. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-0A8E-A