[25] Gondoliere

3.

Sie tragen doch ein besseres Gepräge,
Der Barkenführer und der Gondolier',
Mit welcher Treue lieben sie das Meer,
Als ob ihr Glück in seinen Tiefen läge.
Sie weisen noch mit seltsam stolzer Miene
Die Dogenmütze auf dem Prachtpalast,
Sie nennen seufzend und mit dumpfer Hast
Den Namen jeder berstenden Ruine.
Wie schüchtern-zärtlich kosen ihre Hände
Die Kunstgebilde einer großen Zeit,
Als ob den Untergang der Herrlichkeit
Das Kind des Volkes nur allein empfände.

[26] 4.

»Der Tag ist heiß! – die Piazetta leer! –
Ich kann vergeblich heut' der Fremden harren,
Und auch kein Liebespaar will einsam fahren.
Der Tag ist heiß! – Eh! – ist das Leben schwer!«
So stöhnte Beppo, als ich flüchtig frug,
Wie sein entrüstet Angesicht zu deuten.
»Madonna glaubt nur nicht den Schifferleuten,
Die haben Geld! – die haben Brod genug,«
So zischte mir ein Judenbube zu
Und wühlte grimmig in den krausen Locken,
Doch schwieg er plötzlich und entsprang erschrocken,
Denn Beppo hört' ihn und er knirschte: Du!! –
Und rasch heraus er beide Taschen kehrt,
Schnippt mit den Fingern und beginnt zu fluchen:
»Der Teufel selber kann heut' bei mir suchen,
Nicht einen Cent ist dieser Tag mir werth!« ...

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Christen, Ada. Gondoliere. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-50D9-2