[20] Gottlieb Siegmund Corvinus
(Pseud.: Amaranthes)
Als er ihrentwegen einen schweren Traum hatte
[20]1.
Laß mich schlaffen / liebste Seele /
Wilst du nicht zu frieden seyn?
Daß ich mich am Tage quäle /
Und mein Hertz viel tausend Pein
Deinetwegen muß ertragen /
Soll mich noch ein Schatten-Spiel
Mit verliebten Träumen plagen?
Engels-Kind! das ist zu viel.
2.
Können doch verhaste Sclaven /
Weil das Schiff vor Anker liegt /
Bey der Nacht geruhig schlaffen /
Ich allein schlaff unvergnügt /
Auch die Nacht will mich nicht schützen /
Denn mein Hertz erfährt darbey /
Daß es muß erbärmlich schwitzen:
Tag und Nacht ist einerley.
[20] 3.
Wenn der überhäuffte Kummer
Meinen schwachen Glieder-Rest
Ja zuletzt in einem Schlummer
Auf das Bette sinken läst /
Schlaff ich doch auf Jacobs Steinen /
Denn es wird mir bey der Nacht
Gleich was in dem Traum erscheinen /
Das sich Engeln ähnlich macht.
4.
Ich darf zwar in Himmel steigen /
Welcher deinen Schooß umschleust /
Weil dein gütiges Bezeugen
Mir im Traum die Leiter weist /
Und geniesse Zucker-Leben,
Das mir deine karge Hand
Nimmermehr wird wachend geben /
Denn du bist von Diamant.
5.
Amor läst mich träumend siegen /
Und ich seh der Palmen satt
Auf der weissen Wahlstatt liegen /
Die mein Arm erfochten hat /
Und bey meinem süßen Schlaffen /
Wenn sich Mast und Seegel regt /
Läufft mein Schiff in deinen Hafen /
Den die Venus angelegt.
6.
Ich beschiff bey Sturm und Blitzen
Deine neu erfundne Welt;
Wenn die Wellen um mich spritzen /
Und der Schaum ins Bette fällt /
Land ich / eh ichs mich versehe
An den Zucker-Insuln an /
So / daß ich sie in der Nähe
Halb entzückt besteigen kan.
[21] 7.
Wenn ich mich in Träumen paare /
Find ich keinen Widerstand
Den ich offt bey Tag erfahre /
Denn im Schlaff darf meine Hand
Nach den Purpur-Muscheln greiffen /
Die dein Ufer ausgesät /
Ja ich darf noch weiter streifen /
Weil mir alles offen steht.
8.
Aber, ach! wenn ich erwachet /
Sincket mir mein steiffer Muth /
Ob ich gleich im Schlaff gelachet /
Und es mir noch sanffte thut /
Läst mich doch der Glaube lesen
Der mir in die Hände kömmt /
Daß mich nur ein schäumicht Wesen
Bey den Träumen überschwemmt.
9.
Meine Glieder saynd geschlagen /
Und der ausgebrochne Schweiß
Stehet / daß ichs kaum mag sagen /
Auf dem Leibe Tropffen-weiß /
Ich kan kaum die Lenden rühren /
Denn die Geister seynd dahin /
Noch mich aus den Federn führen /
Weil ich matt und müde bin.
10.[22]
Drum / so stelle / liebste Seele /
Künfftig hin dein Martern ein /
Da ich mich am Tage quäle /
Laß die Nächte meine seyn /
Sich am blossen Schatten laben /
Ist ein Eiß / das bald zerbricht /
Was ich nicht soll wachend haben /
Mag ich auch im Traume nicht.