[49] Auf die Religionsspötter

In mehr als einem Land, entstunden seltne Weysen,
Die sich alleine frey vom alten Joche preisen,
Das, wenn man ihrem Spruch gesichert trauen darf,
Nur blinder Aberglaub auf unsre Schultern warf.
Zu lange, sprachen sie, hat schon der Wahn gewähret,
Mit dem der arme Mensch sich seine Wolfahrt störet,
Den schlecht-verstandne Pflicht in Tausend Fessel schränkt,
Und einer Zukunft Furcht stets gegenwärtig kränkt.
Bald sah man sie bemüht, dem Unheil Raht zu finden;
Zwar nicht mit scharfem Schluß und tiefgesuchten Gründen.
Der Lehren Ernst erschreckt. Sie wagten den Versuch
Auf einen neüen Weg. Oft hat ein kurzer Spruch,
Wenn er ein lüstern Volk mit regem Kützel rühret,
Was sonst kein Witz vermocht, durch Kurzweil ausgeführet.
Drum griffen sie das Werk, (man macht es, wie man kan,)
Mehr durch ein höhnisch Wort, als schwäre Regeln, an.
Schau doch, wie ernstlich der den alten Satz betreibet,
Daß nach dem Tode selbst von uns was übrig bleibet!
Schau, wie so schüchtern dort der Neüling sich bedenkt,
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Bis einer Helenen er sich zum Paris schenkt,
Und eh sein eigen Weib zu lieben sich bequemet.
O Sitten unsrer Zeit! Wie der sich ängstlich grämet,
Was, wenn er nicht mehr ist, sein Gott ihm zugedacht;
Wie jener seinen Feind durch Nachsicht frecher macht;
Wie der sich Nacht und Tag um andrer Heil bemühet,
Und den gemeinen Haß getrost zu Lohn beziehet.
Dies war der Inbegriff der Sprüche dieser Zunft.
Ihr Klang ertöhnte weit. Sie hiessen es Vernunft.
Die Schüler mühten sich, die neüen Seltenheiten
Mit wolbeschwatztem Mund geschäfftig auszubreiten.
Ja, wem ein grobes Hirn der Geister Fluß gehemmt,
Und Tummheit oder Wein der Zunge Band beklemmt,
Der suchte wenigstens, den Hasser seiner Lehren
Mit spöttischem Gesicht und Pfeiffen zu bekehren.
So wuchs der neüe Hauff. Die Lehre ward bekannt,
Geschwind bey Hof und Stadt, doch langsam auf dem Land.
Der Landmann widerstund dem Reiz der fremden Künste.
Der Einfalt Schwäre brach das dünne Kunstgespinste.
So mühsam gibt ein Volk, verliebt in einen Satz,
Den die Natur gelehrt, der Gegenlehre Platz.
Jedoch, was Kunst und Fleiß vergeblich unternamen,
Gelang der heissen Sucht, den Grossen nachzuahmen.
Ein glänzend Beyspiel lockt. Der Höfling gieng voran,
Der Bürger folgt ihm nach, und dem der Ackersmann?
Bis auch in Hütten selbst der Beyfall eingekehret.
Doch bleibt noch immer was, das seinem Anwachs wehret.
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Ein zwar nur kleiner Hauff, zum Denken angewöhnt,
Verwarf den blossen Schmuck, der einen Satz verschönt,
Und drang auf Grund und Schluß. Der Pöbel ward geschrecket,
Als seiner Führer Herz verdächtig sich entdecket.
Wie, sprach er, merkt man doch, daß Folger dieser Zucht
Das, was sie laut gelehrt, stets in geheim verflucht,
Und daß ein Seüfzer oft, zur Unzeit ausgebrochen,
Dem frohen Jubelschall des Lehrers widersprochen.
Ja, wenn ein naher Strahl die Wolken plötzlich trennt,
Wenn in der festen Brust ein tödtlich Feüer brennt,
Wenn Pest und Schlagfluß ihm ein schnelles Ende melden:
Dann zeügt, wie kömmt es doch? die Herzensangst des Helden
Nun auch durch Stimm und Mund, mit lang-verlerntem Tohn,
Von Gott und Ewigkeit, von Pflichten, Straf und Lohn.

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TextGrid Repository (2012). Drollinger, Carl Friedrich. Gedichte. Gedichte. Geistliche und moralische Gedichte. Auf die Religionsspötter. Auf die Religionsspötter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-83A4-3