XXIII.
Ein junges Frauenzimmer starb an der venerischen Krankheit, weil sie sich mit den Kleidern eines jungen Menschens, der mit diesem Uebel angestecket war, verkleidet hatte.

Es giebt ein gewisses Uebel, welches die Liebe beschimpfet, und einen solchen Schaden verursachet, den alles Gold aus der neuen Welt nicht wieder erstatten kann. Auf das reineste und angenehmste unter allen Vergnügen folget oft diese schändliche und fürchterliche Plage, welche sich erfrechet, das Leben selbst in den Quellen des Lebens anzugreifen. Wenn ein Mensch, der sich mit den Wollüsten gesättiget hat, davon angestecket wird, so kann er doch wenigstens in dem so angenehmen Angedenken derselben, noch einen schwachen Grund des Trostes finden; aber welcher Trost bleibt einer solchen jungen Person übrig, die an diesem Uebel leidet, und solches gleichwohl in keiner Betrachtung verdienet hat? Nichts destoweniger hat man gesehen, daß sich solches eräuget hat. Fabricius Hildanus erzählet hievon einen besondern Umstand. Ein junges Frauenzimmer war zu einer [41] ihrer Freundinnen verreiset, sich bey ihr mit dem Carnaval zu belustigen. Man schlug daselbst einen Tanz vor. Man eröfnete einen Ball, und sprach von maskiren, und dieses Frauenzimmer war keine der langsamsten, eine Maskerade mit zu machen. Sie kleidete sich ab, und zog die Kleider eines der Herren, die sich in der Gesellschaft befanden, an, und dachte freylich nicht, daß solche ihr das Andenken dieser unschuldigen Ergötzlichkeit so bitter machen würden. Sie empfande so gleich bey ihrer Nachhauskunft einen Schmerzen, der von fressenden Geschwüren und Blattern verursachet wurde. Die Kranke, welcher die Ursache dieses Zufalls gänzlich unbekannt war, doch aber sehr wohl wuste, daß es nicht schicklich seye ihrer Mutter etwas davon zu sagen, entschlosse sich, selbiger ihren betrübten Zustand zu verhöhlen; aber er nahm in kurzer Zeit so sehr über Hand, daß sie sich gezwungen befande das Geheimniß zu entdecken. Sie war nicht mehr im Stand zu gehen. Man liese einen Arzt holen; es war aber schon zu spat; das Uebel war dadurch, daß man es zu lang verborgen hatte, unheilbar geworden. Der Muttermund, der Gang der Harnblase, und der Mastdarm, waren von dem Geschwür angefressen; endlich brach ein Fieber aus, und das unschuldige Schlachtopfer gab unter den heftigsten Schmerzen und Zufällen, ihren Geist auf. Ihre Aeltern, denen sie endlich [42] versichert hatte, daß sie sich niemals in die Umstände gesetzet hätte, etwas von diesem entsetzlichen Gift zu bekommen, untersuchten nach ihrem Tod, woher ihr die Heftigkeit dieses Uebels könnte zugewachsen seyn, und entdeckten, daß der junge Mensch, dessen Schuhe und Kleider sie angezogen und getragen hatte, schon seit geraumer Zeit mit der venerischen Seuche angestecket ware.


Fabr. Hild. obs. cent. I. obs. 100.

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TextGrid Repository (2012). Dumonchaux, Pierre-Joseph-Antoine. Werk. Medicinische Anecdoten. Medicinische Anekdoten. 23. Ein junges Frauenzimmer starb an der venerischen Krankheit. 23. Ein junges Frauenzimmer starb an der venerischen Krankheit. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-8820-7