[76] AUS: DER NEUE GARTEN
URSPRÜNGE I

Die jahre gehn · ich der erst sieben jahr
Von träumen lebte lebte andre sieben
Von dingen: beide hab ich ausgeschrieben.
Von versebänden schuf ich nur dies paar.
Ob weitres sieben mir beschieden war
Von taten! damit sich aus meinem leben
Auch werk nach traum und dingen möcht ergeben
Wie dinge klar wie träume wunderbar.
So grünt ein strauch durch dunklen traum der erde
Zum stiele stark und steil von schlichter art ·
Zur knospe die dann still zu nichte werde.
Doch treibt er blume und frucht und saat: dann lohnen
Lachen und leben ihn der schönstgepaart
Sich und den nachwuchs krönt mit blumenkronen.

[77] AN JOHANNES ADDENS UND SEINE GATTIN

Zweig um mein fenster wo die blumenglocken
Schaukeln im grün und wingert der das lohe
Spätjahrlaub schlagen fühlt: der rast-unfrohe
Gast des verlassnen gartens wo frohlocken
Von sonne und lachen eure traubenreihn
Erfreut · als die hier wohnen froh da traten –
Ich grüss euch: herbstge freunde denket mein
Der wieder geht mit mehr als herbst beladen!
Greis der mit deinem herbst von grauen haaren
Frau die · im schwarzen kaum ein silberhaar ·
Herbstreife trägt in farbe und gebaren ·
Herbstsüsse fühlt im herzen klug und wahr:
Lebt wohl! ihr habt mir zu der zeit gesprochen ·
Da all mein schmerz · verborgen · aufgebrochen
Still seufzend eine jugend herbeschwor
Die ich so liebte · so ungern verlor.
[78]
Nicht jezt – vor jahren starb die schönre jugend
Als je ein mensch im land mit mir erlebte ·
Die armut – meine not – schien meine tugend ·
Solang ich fromm nach neuer schönheit strebte ·
Schmerz war nicht: ohne schönheit · voll vertraun
Bald nacht bald glut der schönheit zu erschaun.
Doch war mir schmerz und lust nach solchem laufe
Der fremden schönheit unerträumte taufe.
Kein herbst-schön noch – ich weiss – doch blüht mein sommer
Und ich beglückter bin ihm zugekehrt.
Ich grüss ihn: bin ich nicht der neue kommer
Der seiner wert ist wie er meiner wert?
Doch sommer fand noch niemand · nicht sich sagend
Dass jezt sein lenz für allezeit verdarb.
Die fristen meines lebens überschlagend
Seh ich sie alle tot wenn eine starb.
Freundlicher herbst und jungheit die voll freude
Blüht – so vereint nicht mehr so ganz viel jahre –
Jezt hab ich durch euch beide klar erfahren
Welch herbst ich wünsche · welchen lenz ich neide.
Jezt geh ich hin · bin jezt dem manne gleich
Der neugekauften garten zu besuchen
Lang zagte · um die pfade nicht zu suchen
Des alten in dem ihm so fremden reich –
[79]
Doch der jezt geht und guten rats ins schloss
Den schlüssel steckt · versichert: ohne pein
In neuem land ein wanderer zu sein
Und freundlich jede blume jeden schoss
Grünen zu sehn – der · herr im fremden kreis ·
Die lebenswunder pflegen soll und schmecken
Und · guter gärtner · voll vergnügtem preis
Soll rosen blühen sehn an fremden hecken.
Nun geh ich hin · ich hab an euch gesehn
Dass wer nur liebt mit stätigem gemüte
Den herbst und sommer sucht · wie ihre blüte
Das kind das träumt dass blüten nie vergehn.
Lebt wohl! und kehr ich – seis in einer andern
Gestalt zurück (denn alle dinge wandern)
Seht dann ob ich getrost den sommer lebe
Von seiner frucht euch etwas wiedergebe.

[80] NACHT IN DER ALHAMBRA
DER DICHTER:

Wo ist das plätschern wo das flimmern
Damit mein strahl die sonne traf?
Zu tiefst und reinst ist dunkles wasser
In seinem unterirdischen schlaf.
Die hohen gäste sind vorüber –
Der schatten legt sich langsam über
Und in dem hohen blanken saal
Ist durch die schlanken marmorgossen
Das lezte wasser weggeflossen
In strömen windungsreich und schmal.
Und – ist es flüstern · ist es weinen?
Sie rauschen · murmeln in den steinen
In worten dünn und ohne wahl.
Doch stumm sind der fontäne löwen
Mit blöden leeren rachen gähnend
Wasserlos –
Und dunkel wird es in dem hofe
[81]
Der abendhimmel scheint von oben
Und die gestirne schimmern schon.
Doch durch die tür wo vor dem düster
Bei weiher und bei taxushag
Akazien schaukeln · steigt geflüster
Als trüber gruss als fremde frag ..

DIE STIMME DER ALHAMBRA:

Ich grüsse dich · fremdling · sind die tage
Verschwunden wo du durch weiten flogst?
Bekamst du schätze auf deine frage?
Fühltest du nicht was du dir entzogst?

DER DICHTER:

Horch! durch die nacht ein leises schweben
Von ferne der trübsinnige klang
Der saite wo das zarte beben
Des jungen minners aufwärts drang.

DER MINNER:

Neige dich · liebste
Mit mondscheinarmen
[82]
Sie mögen mir armem
Tröstend sein!
Zeig vor dem fenster
Dein haupt als Selene –
Wie sie · o mein sehnen ·
Nacht tag lässt sein!
Häng aus dem fenster
Die hand als Aurora!
Sie soll · o Lenora ·
Mein frührot sein.

DER DICHTER:

's ist still! der schall der jungen liebe
Steigt kühn und sinkt verschüchtert hin –
Was je mich grämte im erdgetriebe
War solcher freuden anbeginn:
Die liebe die beginnt mit geben ·
Der traum dem andre göttlich sind ·
Das herz das arm da steht mit beben
Vorm schönen – eigner schönheit kind.
Begierde · von den dingen sehend
Nur was sie selber nicht berührt –
[83]
Freimächtiger der als bettler gehend
Ein trüb und freudlos leben führt.

DER MINNER:

Eros · du herrlicher!
Wer · o begehrlicher
Kennt dich wie wir?
Wir sind wir selber nicht ·
Alles was uns gebricht
Liebend gleich dir.
Schönheit die unser nicht ·
Liebe die abhold spricht
Huldigen wir.
Schönheit füll uns!
Liebe hüll uns!
Nackt und ledig stehn wir hier.
Sein ist verändern:
Mach uns zu andern
Dass so wir seien!
Uns ist das werben süss ·
Uns auch das sterben süss ·
Wär je das darben süss
An liebe und pein.

[84] DER DICHTER:

Sein sang klingt kühn. In meinen erdentagen
Sang ich ihn auch – nichts konnte mir behagen
Als was mich lockte mit langwierigen plagen
Und was mir schmeichelte mit kurzem glücke.
Wo ist das eine das allzeit entzücke?
Das mehr nicht als die erdendinge meinend
Von aussen ihnen gleich an werte scheinend
Doch innen irdisches mit ewigem einend –
Ein SCHOEN das unvergänglich ist ..
Sprich · stimme die du hier verborgen bist!

DIE STIMME:

Such nicht · sterbling · in gedanken
Kalt und abgestreift
Was im leben euch wird tagen
Wenn ihr klüger seid und reift!
Warte nur zu diesem morgen!
Doch nicht fruchtlos sollst du sorgen.
Dir nun geb ich dies symbol:
Sieh aus steinen
Sich vereinen
Dieses fürsten-kapitol:
[85]
Auf den schroffen
Stehn und trotzen
Türme mehr als felsenfest ·
Irdische heere
Zückten speere
Nie auf stilleres räubernest.
Mag ein schloss im erdentreiben
Stehn das mehr der erde war:
Keins trägt so vermooste zinnen ·
Reisig über todsgefahr.
Mit den bäumen den gewässern
Die da brausen die da plätschern
Talwärts hin und auf den höhn ·
Durch ihr dämmern ihre schwüle
Wehet kühle
Wie kein erdengarten schön ..
Doch tritt jezt in die frohen säle
Die mit feineren farben malen
Als das licht den edelstein!
Sieh das spitzenwerk der bögen ·
Sieh das webwerk an den rahmen
Wie um frauenglieder fein!
Sind es fische oder vögel?
Eckenbilder oder kegel –
Was soll diese zeichnung sein?
[86]
Tier von wasser erde luft ·
Flut von wasser licht und duft ·
Was die schlanken linien schwellt ·
Formen kommen und verschwinden –
Irdisches dem Ewigen gesellt.
Siehe Jusuf weiser kunst voll
Freund des Allah · grosser gunst voll ·
Dessen lob der stein anstimmt –
Liess das vielgestaltige dauern
In dem linienspiel der mauern:
EINS das nie ein ende nimmt ..

DER DICHTER:

Die stimme sprachs. Kein zeichen bildet klarer
Als dieser bau was geht was ewig webt.
Der meister ist sein eigner offenbarer
Und auch zugleich von allem was da lebt.
Der künstler tut die tat die das Viel-Eine
Durchdringe und zu einem sein vereine
Das irdisch und doch unvergänglich scheine.

DER MINNER:

Leb wohl! der morgen macht den himmel gelb –
Leb wohl mein lieb · die nachtigall
Hört auf – das feld wird fahl.
Die nacht hat ganz ihr teil.
[87]
Leb wohl! die sonne
Scheint von der Alhambra krone.
Die leiter am balkone
Erwartet schon den fuss.
Der garten duftet warm betaut.
Leb wohl! der himmel blaut!
Leb wohl! nochmals ein kuss!
Ich fühl um mich die arme dein.
So bleib ich diesen langen tag allein –
Dann komm ich wieder · süsse lust!
Wenn abend duftig graut.

[88] MEIN HAUS
II

Die stille die ich fühle wenn der abend
Um mich mein haus und stille dünen steht
Und das getick der hänguhr lauter geht –
Dringt in mich · heller meinen geist begabend.
Die stimme meines geists tickt ungestört
Gleich eines wassers brodelndem gesiede ·
Gleich dieses nimmermüden plaudrers liede
Bewegt und spricht was tief in mir sich hört.
Dichter! das Sein ist schön – doch merk aufs Werden!
In dir ist alles was du rings begehrt.
Der schatz der sich in einsamkeit vermehrt
Soll seiner zeit vor andren sichtbar werden.
Was deine zelle sieht beim gelben licht
Wird einmal sich in offner sonne zeigen. –
Das haupt · gebogen auf vermorschten zweigen
Verliert damit das frohe leben nicht.
[89]
Wenn deine stimmen aus den toten sprechen ·
Wenn dein Selbst lauschend einem toten gleicht:
Schrick dann nicht sehr wenn · so die nachnacht weicht ·
Ein lebensschrei aus deinem mund wird brechen.

[90]

III

Mein land hat manche tage graue luft ·
Am fenster seh ich wie der nebel schwimme –
Aus ihrem dampf hör ich der wogen stimme ·
Um nahen dorfes bäume braut ein duft.
Dann hat in mir der nebel sich gehoben:
Es recken formen trüb und ungestalt
Das haupt empor und eine see träg wallt –
Aus tiefen höre ich ein dumpfes toben.
Dann ist in mir des volkes seel erregt
Das – stets mit leibes-aug durch nebel staunend –
Verkündigung aus seelennebeln raunend
Im geistes-auge festhält unbewegt ·
Das nie im blauen All der klaren leiber
Der Gottes-schöpfung klaren gang erkennt –
Doch stets aus nebel der sich ständig trennt
Sein fischervolk und schiff ins meer sah treiben.
[91]
Die sonne hob sich träg durch dünste hin
Die sie zerriss – die flotte in goldnem meer
Zog längs der glut bis alles um sie her
Dem der es sah gross und verherrlicht schien.
So sah mein volk: so sieht sein sohn nach jahren.
Das ist die schönheit die er in sich liebt:
Ein goldnes land das sich aus nebeln schiebt ·
Ein goldner sang aus dröhnen dunkler baren.

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TextGrid Repository (2012). George, Stefan. Aus: Der neue Garten. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-D2BC-7