[144] Im Reichsrathe

1.

»Poet, geschmiedet an die Staatsgaleere
Auf Lebenszeit, wo bleibt dein helles Singen?
Wenn mühsam nur die Ruder vorwärts dringen,
Sprich, wird zur Strafe nicht dir solche Ehre?« –
Mir ist, als ob ich einst auf Adlerschwingen
Im Nu zu Alpenhöhn geflogen wäre;
Jetzt muß ich, keuchend unter Lastenschwere,
In Stein die Stufen brechend, aufwärts ringen!
Als Bergmann in die Tiefen einst gestiegen,
Zu Hausrath jetzt und Paragraphendrähten
Muß des Gedankenschachtes Erz ich biegen!
Mein Tagwerk üb' ich treu, doch muß ich beten:
Daß jene Schwinge mir nicht ganz entsinke,
Des alten Grubenlichts ein Strahl mir blinke!

[145] 2.

Und doch, und doch! – was liegt an deinem Liede,
Wenn rüst'gen Tagwerks Hammerschläge fallen,
Die edle Form zu schaffen Vielen, Allen,
Drin Männerwürde lebt und inn'rer Friede?!
Nicht Hausrath blos, auch Waffen zum Entschiede,
Auch Schild und Schwert entstammen den Metallen,
Daß sie die Hütten schirmen, wie die Hallen,
Ihr Gut und Recht; – drum hämmre fort und schmiede!
Wohnt in den Thälern einst das Glück beim Volke,
Dann zieht die Sehnsucht euch nicht mehr zur Wolke,
Dann missest gern auch du die Adlerschwinge;
Und euer Werk verklärt zum Ehrenmale,
Statt deines Grubenlichts, mit vollerm Strahle
Die Weltensonne! – O daß es gelinge!

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Grün, Anastasius. Im Reichsrathe. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-0EF6-B