Hugo von Hofmannsthal
Der Rosenkavalier
Komödie für Musik

Personen

[10] Personen.

    • Die Feldmarschallin Fürstin Werdenberg.

    • Der Baron Ochs auf Lerchenau.

    • Octavian, genannt Quin-quin, ein junger Herr aus großem Haus.

    • Herr von Faninal, ein reicher Neugeadelter.

    • Sophie, seine Tochter.

    • Jungfer Marianne Leitmetzerin, die Duenna.

    • Valzacchi, ein Italiener.

    • Annina, seine Begleiterin.

    • Der Haushofmeister bei der Feldmarschallin.

    • Der Haushofmeister bei Faninal.

    • Ein Sänger.

    • Ein Flötist.

    • Ein Notar.

    • Dessen Schreiber.

    • Ein Friseur.

    • Dessen Gehilfe.

    • Eine adelige Witwe.

    • Drei adelige Waisen.

    • Eine Modistin.

    • Ein Tierhändler.

    • Ein Gelehrter.

    • Ein Polizei-Unterkommissarius.

    • Zwei Polizeiwächter.

    • Ein Arzt.

    • Ein Wirt.

    • Ein Hausknecht.

    • Ein kleiner Neger.

    • Lakaien.

    • Lauffer.

    • Haiducken.

    • Kellner.

    • Hausgesinde bei Faninal.

    • Hausgesinde im Gasthof.

    • Musikanten.

    • Verdächtige Gestalten.

1. Akt

Erster Akt

Das Schlafzimmer der Feldmarschallin. Links im Alkoven das große zeltförmige Himmelbett. Neben dem Bett ein dreiteiliger chinesischer Wandschirm, hinter dem Kleider liegen. Ferner ein kleines Tischchen und ein paar Sitzmöbel. Auf einem kleinen Sofa links liegt ein Degen in der Scheide. Rechts große Flügeltüren in das Vorzimmer. In der Mitte kaum sichtbare kleine Türe in die Wand eingelassen. Sonst keine Türen. Zwischen dem Alkoven und der kleinen Türe stehen ein Frisiertisch und ein paar Armsessel an der Wand. Die Vorhänge des Bettes sind zurückgeschlagen. Octavian kniet auf einem Schemel vor dem Bett und hält die Feldmarschallin, die im Bett liegt, halb umschlungen. Man sieht ihr Gesicht nicht, sondern nur ihre sehr schöne Hand und den Arm, von dem das Spitzenhemd abfällt.

OCTAVIAN.
Wie du warst! Wie du bist!
Das weiß niemand, das ahnt keiner!
MARSCHALLIN
richtet sich in den Kissen auf.
Beklagt Er sich über das, Quin-quin?
Möcht Er, daß viele das wüßten?
OCTAVIAN.
Engel! Nein! Selig bin ich,
daß ich der einzige bin, der weiß, wie du bist.
Keiner ahnt es! Niemand weiß es.
Du, du – was heißt das »du«? Was »du und ich«?
Hat denn das einen Sinn?
Das sind Wörter, bloße Wörter, nicht? Du sag!
Aber dennoch: Es ist etwas in ihnen:
ein Schwindeln, ein Ziehen, ein Sehnen, ein Drängen!
Wie jetzt meine Hand zu deiner Hand kommt,
das Zudirwollen, das Dichumklammern,
das bin ich, das will zu dir,
aber das Ich vergeht in dem Du,
[11] ich bin dein Bub – aber wenn mir dann Hören und Sehen vergeht –
wo ist dann dein Bub?
MARSCHALLIN
leise.
Du bist mein Bub, du bist mein Schatz!
OCTAVIAN.
Warum ist Tag? Ich will nicht den Tag!
Für was ist der Tag! Da haben dich alle!
MARSCHALLIN
lacht leise.
OCTAVIAN.
Lachst du mich aus?
MARSCHALLIN
zärtlich.
Lach ich dich aus?
OCTAVIAN.
Engel!
MARSCHALLIN.
Schatz du, mein junger Schatz!

Ein feines Klingeln.

Horch!
OCTAVIAN.
Ich will nicht.
MARSCHALLIN.
Still, paß auf.
OCTAVIAN.
Ich will nichts hören! Was wirds denn sein?

Das Klingeln näher.

Sinds leicht Lauffer mit Briefen und Komplimenten?
Vom Saurau, vom Hartig, vom portugiesischen Envoyé?
Hier kommt mir keiner herein! Hier bin ich der Herr!

Die kleine Tür in der Mitte geht auf und ein kleiner Neger in Gelb, behängt mit silbernen Schellen, ein Präsentierbrett mit der Schokolade tragend, trippelt über die Schwelle.
MARSCHALLIN.
Schnell, da versteck Er sich, das Frühstück ists.
OCTAVIAN
gleitet hinter den Schirm.

Die Tür hinter dem Neger wird von unsichtbaren Händen geschlossen.
[12]
MARSCHALLIN.
Schmeiß Er doch Seinen Degen hinters Bett.

Octavian fährt nach dem Degen und versteckt ihn.
Marschallin legt sich zurück, nachdem sie die Vorhänge zugezogen hat.
Der kleine Neger stellt das Servierbrett auf das kleine Tischchen, schiebt dieses nach vorne, rückt das Sofa hinzu, verneigt sich dann tief gegen das Bett, die kleinen Arme über die Brust gekreuzt. Dann tanzt er zierlich nach rückwärts, immer das Gesicht dem Bette zugewandt. An der Tür verneigt er sich nochmals und verschwindet.
Marschallin tritt zwischen den Bettvorhängen hervor. Sie hat einen leichten mit Pelz verbrämten Mantel umgeschlagen.
Octavian kommt zwischen der Mauer und dem Wandschirm hervor.
MARSCHALLIN.
Er Katzenkopf, Er unvorsichtiger!
Läßt man in einer Dame Schlafzimmer den Degen herumliegen?
Hat Er keine besseren Gepflogenheiten?
OCTAVIAN.
Wenn Ihr zu dumm ist, wie ich mich benehm,
und wenn Ihr abgeht, daß ich kein Geübter nicht in solchen Sachen bin,
dann weiß ich nicht, was Sie überhaupt an mir hat!
MARSCHALLIN
zärtlich, auf dem Sofa.
Philosophier Er nicht, Herr Schatz, und komm Er her.
Jetzt wird gefrühstückt. Jedes Ding hat seine Zeit.
OCTAVIAN
setzt sich dicht neben sie.

Sie frühstücken sehr zärtlich. Octavian legt sein Gesicht auf ihr Knie. Sie streichelt sein Haar. Er blickt zu ihr auf. Leise.

Marie Theres!

MARSCHALLIN.
Octavian!
OCTAVIAN.
Bichette!
MARSCHALLIN.
Quin-quin!
[13]
OCTAVIAN.
Mein Schatz!
MARSCHALLIN.
Mein Bub!

Sie frühstücken.
OCTAVIAN
lustig.
Der Feldmarschall sitzt im crowatischen Wald, und jagt auf Bären und Luchsen,
und ich sitz hier, ich junges Blut, und jag auf was?
Ich hab ein Glück, ich hab ein Glück!
MARSCHALLIN
indem ein Schatten über ihr Gesicht fliegt.
Laß Er den Feldmarschall mit Ruh!
Mir hat von ihm geträumt.
OCTAVIAN.
Heut nacht hat dir von ihm geträumt? Heut nacht?
MARSCHALLIN.
Ich schaff mir meine Träum nicht an.
OCTAVIAN.
Heute nacht hat dir von deinem Mann geträumt?
MARSCHALLIN.
Mach Er nicht solche Augen. Ich kann nichts dafür.
Er war auf einmal wiederum zu Haus.
OCTAVIAN.
Der Feldmarschall?
MARSCHALLIN.
Es war ein Lärm im Hof von Pferd' und Leut' und er war da.
Vor Schreck war ich auf einmal wach, nein schau nur,
schau nur, wie kindisch ich bin: ich hör noch immer den Rumor im Hof.
Ich brings nicht aus dem Ohr. Hörst du leicht auch was?
OCTAVIAN.
Ja, freilich hör ich was, aber muß es denn dein Mann sein!
Denk dir doch, wo der ist: im Raitzenland,
noch hinterwärts von Esseg.
MARSCHALLIN.
Ist das sicher sehr weit?
Na dann wirds halt was anders sein. Dann is ja gut.
[14]
OCTAVIAN.
Du schaust so ängstlich drein, Theres!
MARSCHALLIN.
Weiß Er, Quin-quin – wenn es auch weit ist –
der Herr Feldmarschall is halt sehr geschwind. Einmal –
OCTAVIAN
eifersüchtig.
Was war einmal?
MARSCHALLIN
zerstreut, horcht.
OCTAVIAN.
Was war einmal? Bichette!
Bichette, was war einmal?
MARSCHALLIN.
Ach sei Er gut, Er muß nicht alles wissen!
OCTAVIAN
wirft sich auf das Sofa.
So spielt sie sich mit mir! Ich bin ein unglücklicher Mensch!
MARSCHALLIN
horcht.
Jetzt trotz Er nicht. Jetzt gilts. Es is der Feldmarschall.
Wenn es ein Fremder wär, so wär der Lärm da drüben in meinem Vorzimmer!
Es muß mein Mann sein, der durch die Garderob herein will
und mit die Lakaien disputiert!
Quin-quin, es is mein Mann.
OCTAVIAN
fährt nach seinem Degen und läuft gegen rechts.
MARSCHALLIN.
Nicht dort. Dort ist das Vorzimmer.
Da sitzen meine Lieferanten und ein halbes Dutzend Lakaien.
Da!
OCTAVIAN
läuft hinüber zur kleinen Türe.
MARSCHALLIN.
Zu spät! Sie sind schon in der Garderob!
Jetzt bleibt nur eins!
Versteck dich! dort!
OCTAVIAN.
Ich spring ihm in den Weg! Ich bleib bei dir.
MARSCHALLIN.
Dort hinters Bett! Dort in die Vorhäng. Und rühr dich nicht!
[15]
OCTAVIAN
zögernd.
Wenn er mich dort erwischt, was wird aus dir, Theres!
MARSCHALLIN
flehend.
Versteck Er sich, mein Schatz.
OCTAVIAN
beim Wandschirm.
Theres!
MARSCHALLIN
ungeduldig aufstampfend.
Sei Er ganz still.

Mit blitzenden Augen.

Das möcht ich sehn,
ob einer sich dort hinüber traut, wenn ich hier steh.
Ich bin kein napolitanischer General: Wo ich steh, steh ich.

Geht energisch gegen die kleine Tür los. Horcht.

Sind brave Kerln, meine Lakaien. Wollen ihn nicht hereinlassen,
sagen, daß ich schlaf. Sehr brave Kerln!
Die Stimm?
Das is ja gar nicht die Stimm vom Feldmarschall!
Sie sagen »Herr Baron« zu ihm! Das ist ein Fremder.
Quin-quin, es ist ein Besuch!

Sie lacht.

Fahr Er schnell in seine Kleider,
aber bleib Er versteckt,
daß die Lakaien Ihn nicht sehen.
Die blöde, große Stimm müßt ich doch kennen.
Wer ist denn das? Herrgott, das ist der Ochs.
Das ist mein Vetter, der Lerchenau, der Ochs auf Lerchenau.
Was will denn der? Jesus Maria!

Sie muß lachen.

Quin-quin, hört Er, Quin-quin, erinnert Er sich nicht?

Sie geht ein paar Schritte nach links hinüber.

Vor fünf, sechs Tagen den Brief –
Wir sind im Wagen gesessen,
und einen Brief haben sie mir an den Wagenschlag gebracht.
Das war der Brief vom Ochs.
[16] Und ich hab keine Ahnung, was drin gestanden ist.

Lacht.

Daran ist Er alleinig schuld, Quin-quin.
STIMME DES HAUSHOFMEISTERS
draußen.
Belieben Euer Gnaden in der Galerie zu warten!
STIMME DES BARONS
draußen.
Wo hat Er Seine Manieren gelernt?
Der Baron Lerchenau antichambrieret nicht.
MARSCHALLIN.
Quin-quin, was treibt Er denn? Wo steckt Er denn?
OCTAVIAN
in einem Frauenrock und Jäckchen, das Haar mit einem Schnupftuch und einem Bande, wie in einem Häubchen, tritt hervor, knixt.
Befehln fürstli' Gnadn, i bin halt noch nit recht lang in fürstli'n Dienst.
MARSCHALLIN.
Du, Schatz!
Und nicht einmal mehr als ein Bussl kann ich dir geben.

Küßt ihn schnell.

Er bricht mir ja die Tür ein, der Herr Vetter.
Mach Er, daß Er hinauskomm.
Schlief' Er frech durch die Lakaien durch.
Er ist ein blitzgescheiter Lump! Und komm Er wieder, Schatz.
Aber in Mannskleidern und durch die vordre Tür, wenns
Ihm beliebt.

Setzt sich, den Rücken gegen die Türe, und beginnt ihre Schokolade zu trinken. Octavian geht schnell gegen die kleine Türe und will hinaus. Im gleichen Augenblicke wird die Tür aufgerissen und Baron Ochs, den die Lakaien vergeblich abzuhalten suchen, tritt ein. Octavian, der mit gesenktem Kopf rasch entwischen wollte, stößt mit ihm zusammen.
Octavian drückt sich verlegen an die Wand links von der Türe. Drei Lakaien sind gleichzeitig mit dem Baron eingetreten, stehen ratlos.
DER BARON
mit Grandezza zu den Lakaien.
Selbstverständlich empfängt mich Ihre Gnaden.

Er geht nach vorne, die Lakaien zu seiner Linken suchen ihm den Weg zu vertreten.
[17]
DER BARON
zu Octavian mit Interesse.
Pardon, mein hübsches Kind!
OCTAVIAN
dreht sich verlegen gegen die Wand.
DER BARON
mit Grazie und Herablassung.
Ich sag: Pardon, mein hübsches Kind.
MARSCHALLIN
sieht über die Schulter, steht dann auf, kommt dem Baron entgegen.
DER BARON
galant zu Octavian.
Ich hab Ihr doch nicht ernstlich weh getan?
DIE LAKAIEN
zupfen den Baron.
Ihre fürstliche Gnaden!
DER BARON
macht die französische Reverenz mit zwei Wiederholungen.
MARSCHALLIN.
Euer Liebden sehen vortrefflich aus.
DER BARON
verneigt sich nochmals, dann zu den Lakaien.
Sieht Er jetzt wohl, daß Ihre Gnaden entzückt ist, mich zu sehen?

Auf die Marschallin zu, mit weltmännischer Leichtigkeit, indem er ihr die Hand reicht und sie vorführt.

Und wie sollte Euer Gnaden nicht.
Was tut die frühe Stunde unter Personen von Stand?
Hab ich nicht seinerzeit wahrhaftig Tag für Tag
unserer Fürstin Brioche meine Aufwartung gemacht,
da sie im Bad gesessen ist,
mit nichts als einem kleinen Wandschirm zwischen ihr und mir.
Ich muß mich wundern,

Zornig umschauend.

wenn Euer Gnaden Livree –
MARSCHALLIN.
Verzeihen Sie,
man hat sich betragen, wie es befohlen,
ich hatte diesen Morgen die Migräne.

Auf einen Wink der Marschallin haben die Lakaien ein kleines Sofa und einen Armstuhl nach vorne gebracht und sind dann abgegangen.
Der Baron sieht öfters nach rückwärts.

[18]
Octavian ist an der Wand gegen den Alkoven hin geschlichen, macht sich möglichst unsichtbar beim Bett zu schaffen.
Marschallin setzt sich auf das Sofa, nachdem sie dem Baron den Platz auf dem Armstuhl angeboten hat.
DER BARON
versucht sich zu setzen, äußerst okkupiert von der Anwesenheit der hübschen Kammerzofe.
Für sich.
Ein hübsches Kind! Ein gutes, sauberes Kinderl!
MARSCHALLIN
aufstehend, ihm zeremoniös aufs neue seinen Platz anbietend.
Ich bitte, Euer Liebden.
DER BARON
setzt sich zögernd und bemüht sich, der hübschen Zofe nicht völlig den Rücken zu kehren.
MARSCHALLIN.
Ich bin auch jetzt noch nicht ganz wohl.
Der Vetter wird darum vielleicht die Gnade haben –
DER BARON.
Natürlich.

Er dreht sich um, um Octavian zu sehen.
MARSCHALLIN.
Meine Kammerzofe, ein junges Kind vom Lande.
Ich muß fürchten, sie inkommodiert Euer Liebden.
DER BARON.
Ganz allerliebst! Wie? Nicht im geringsten! Mich? Im Gegenteil!

Er winkt Octavian mit der Hand, dreht sich dann zur Marschallin.

Euer Gnaden werden vielleicht verwundert sein,
daß ich als Bräutigam

Sieht sich um.

indes – inzwischen –
MARSCHALLIN.
Als Bräutigam?
DER BARON.
Ja, wie Euer Gnaden denn doch wohl aus meinem Brief genugsam –
ein Grasaff, appetitlich, keine fünfzehn Jahr!
MARSCHALLIN.
Der Brief, natürlich, ja, der Brief, wer ist denn nur die Glückliche,
ich habe den Namen auf der Zunge.
[19]
DER BARON.
Wie?

Nach rückwärts.

Pudeljung! Gesund! Gewaschen! Allerliebst!
MARSCHALLIN.
Wer ist nur schnell die Braut?
DER BARON.
Das Fräulein Faninal. Ich hab Euer Gnaden den Namen nicht verheimlicht.
MARSCHALLIN.
Natürlich! Wo habe ich meinen Kopf. Bloß die Familie. Sinds keine Hiesigen?
OCTAVIAN
macht sich mit dem Servierbrett zu tun, wodurch er noch mehr hinter den Rücken des Barons kommt.
DER BARON.
Jawohl, Euer Gnaden, es sind Hiesige.
Ein durch die Gnade Ihrer Majestät Geadelter.
Er hat die Lieferung für die Armee, die in den Niederlanden steht.
MARSCHALLIN
bedeutet Octavian ungeduldig mit den Augen, er soll sich fortmachen.
DER BARON
mißversteht ihre Miene völlig.
Ich seh, Euer Gnaden runzeln Dero schöne Stirn ob der Mesalliance.
Allein, daß ich es sag, das Mädchen ist für einen Engel hübsch genug.
Kommt frischwegs aus dem Kloster. Ist das einzige Kind.
Dem Mann gehören zwölf Häuser auf der Wied'n, nebst dem Palais am Hof,
und seine Gesundheit soll nicht die beste sein.
MARSCHALLIN.
Mein lieber Vetter, ich kapier schon, wieviels geschlagen hat.

Winkt Octavian, den Rückzug zu nehmen.
DER BARON.
Und mit Verlaub von Euer fürstlichen Gnaden,
ich dünke mir guts adeliges Blut genug im Leib zu haben für ihrer Zwei.
[20] Man bleibt doch schließlich, was man ist, corpo di Bacco!
Den Vortritt, wo er ihr gebührt, wird man der Frau Gemahlin
noch zu verschaffen wissen, und was die Kinder anlangt, wenn sie denen
den goldnen Schlüssel nicht konzedieren werden – va bene!
Werden sich mit den zwölf eisernen Schlüsseln
zu den zwölf Häusern auf der Wied'n zu getrösten wissen.
MARSCHALLIN.
Gewiß! O sicherlich, dem Vetter seine Kinder,
die werden keine Don Quixotten sein!
OCTAVIAN
will mit dem Servierbrett rückwärts vorbei zur Türe hin.
DER BARON.
Warum hinaus die Schokolad! Geruhen nur!
Da! Pst, wieso denn!
OCTAVIAN
steht unschlüssig, das Gesicht abgewendet.
MARSCHALLIN.
Fort, geh Sie nur!
DER BARON.
Wenn ich Euer Gnaden gesteh,
daß ich noch so gut wie nüchtern bin.
MARSCHALLIN
resigniert.
Mariandl, komm Sie her. Servier Sie Seiner Liebden.
OCTAVIAN
kommt, serviert.
DER BARON
nimmt eine Tasse, bedient sich.
So gut wie nüchtern, Euer Gnaden. Sitz im Reisewagen seit fünf Uhr früh.

Leise.

Recht ein gestelltes Ding! Bleib Sie dahier, mein Herz. Ich hab Ihr was zu sagen.
Meine ganze Livree, Stallpagen, Jäger, alles –

Er frißt.

alles unten im Hof zusamt meinem Almosenier –
MARSCHALLIN
zu Octavian.
Geh Sie nur.
[21]
DER BARON.
Hat Sie doch ein Biskoterl? Bleib Sie doch!

Leise.

Sie ist ein süßer Engelsschatz, ein sauberer.

Zur Marschallin.

Sind auf dem Wege zum »Weißen Roß«,
wo wir logieren, heißt bis übermorgen –

Halblaut.

Ich gäb was Schönes drum, mit Ihr –

Zur Marschallin sehr laut.

bis übermorgen –

Schnell zu Octavian.

– unter vier Augen zu scharmutzieren, wie?
MARSCHALLIN
muß lachen über Octavians freches Komödienspiel.
DER BARON.
Dann ziehen wir ins Palais von Faninal.
Natürlich muß ich vorher den Bräutigamsaufführer –

Nach rückwärts, wütend.

will Sie denn nicht warten? –
an die wohlgeborne Jungfer Braut deputieren,
der die silberne Rose überbringt
nach der hochadeligen Gepflogenheit.
MARSCHALLIN.
Und wen von der Verwandtschaft haben Euer Liebden
für dieses Ehrenamt sich ausersehen?
DER BARON.
Die Begierde, darüber Euer Gnaden Ratschlag einzuholen,
hat mich so kühn gemacht, in Reisekleidern bei Dero heutigem Lever –
MARSCHALLIN.
Von mir?
DER BARON.
Gemäß brieflich in aller Devotion getaner Bitte.
Ich bin doch nicht so unglücklich mit dieser devotesten Supplik Dero Mißfallen –

Lehnt sich zurück.

Sie könnte aus mir machen, was Sie wollte.
Sie hat das Zeug dazu!
[22]
MARSCHALLIN.
Wie denn, natürlich! Einen Aufführer
für Euer Liebden ersten Bräutigamsbesuch,
aus der Verwandtschaft – wen denn nur? Ich werde –
den Vetter Jörger? Wie? Den Vetter Lamberg?
DER BARON.
Dies liegt in Euer Gnaden allerschönsten Händen.
MARSCHALLIN.
Ganz gut. Will Er mit mir zu Abend essen, Vetter?
Sagen wir morgen, will Er? Dann proponier ich Ihm einen.
DER BARON.
Euer Gnaden sind die Herablassung selber.
MARSCHALLIN
will aufstehen.
Indes –
DER BARON
halblaut.
Daß Sie mir wiederkommt! Ich geh nicht eher fort!
MARSCHALLIN
für sich.
Oho!

Laut.

Bleib Sie nur da! Kann ich dem Vetter
für jetzt noch dienlich sein?
DER BARON.
Ich schäme mich bereits.
An Euer Gnaden Notari eine Rekommandation
wär mir lieb.
Es handelt sich um den Ehevertrag.
MARSCHALLIN.
Mein Notari kommt öfters des Morgens. Schau Sie doch, Mariandel,
ob er nicht in der Antichambre ist und wartet.
DER BARON.
Wozu das Kammerzofel?
Euer Gnaden beraubt sich der Bedienung
um meinetwillen!

Hält sie auf.
MARSCHALLIN.
Laß Er doch, Vetter, sie mag ruhig gehen.
[23]
DER BARON.
Das geb ich nicht zu. Bleib Sie dahier zu Ihrer Gnaden Wink.
Es kommt gleich wer von der Livree herein,
ich ließ ein solches Goldkind, meiner Seel,
nicht unter das infame Lakaienvolk.

Streichelt sie.
MARSCHALLIN.
Euer Liebden sind allzu besorgt.

Der Haushofmeister tritt ein.
DER BARON.
Da, hab ichs nicht gesagt?
Er wird Euer Liebden zu melden haben.
MARSCHALLIN
zum Haushofmeister.
Struhan, hab ich meinen Notari in der Vorkammer warten?
HAUSHOFMEISTER.
Fürstliche Gnaden haben den Notari,
dann den Verwalter, dann den Kuchelchef,
dann, von Exzellenz Silva hergeschickt,
ein Sänger mit einem Flötisten.
Ansonsten das gewöhnliche Bagagi.
DER BARON
hat seinen Stuhl hinter den breiten Rücken des Haushofmeisters geschoben, ergreift zärtlich die Hand der vermeintlichen Zofe.
Hat Sie schon einmal
mit einem Kavalier im Tête-à-tête
zu Abend 'gessen?
OCTAVIAN
tut sehr verlegen.
DER BARON.
Nein? Da wird Sie Augen machen.
OCTAVIAN
leise, verschämt.
I weiß halt nit; ob i dös derf.

Marschallin, dem Haushofmeister unaufmerksam zuhörend, beobachtet die beiden, muß leise lachen.
Haushofmeister verneigt sich, tritt zurück, wodurch die Gruppe für den Blick der Marschallin frei wird.
[24]
MARSCHALLIN
zum Haushofmeister.
Warten lassen.
HAUSHOFMEISTER
ab.
DER BARON
setzt sich möglichst unbefangen zurecht und nimmt eine gravitätische Miene an.
MARSCHALLIN
lachend.
Der Vetter ist, ich seh, kein Kostverächter.
DER BARON
erleichtert.
Mit Euer Gnaden ist man frei daran. Da gibts keine Flausen, keine Etikette!
keine spanische Tuerei!

Er küßt der Marschallin die Hand.
MARSCHALLIN
amüsiert.
Aber wo Er doch ein Bräutigam ist?
DER BARON
halb aufstehend, ihr genähert.
Macht das einen lahmen Esel aus mir?
Bin ich da nicht wie ein guter Hund auf einer guten Fährte?
Und doppelt scharf auf jedes Wild nach links, nach rechts!
MARSCHALLIN.
Ich seh, Euer Liebden betreiben es als Profession.
DER BARON
stehend.
Das will ich meinen,
Wüßte nicht, welche mir besser behagen könnte.
Ich muß Euer Gnaden sehr bedauern,
daß Euer Gnaden nur – wie drück ich mich aus –
nur die verteidigenden Erfahrungen besitzen!
Parole d'honneur! Es geht nichts über die von der anderen Seite!
MARSCHALLIN
lacht.
Ich glaub ihm schon, daß die sehr mannigfaltig sind.
DER BARON.
Soviel Zeiten das Jahr, soviel Stunden der Tag, da ist keine –
MARSCHALLIN.
Keine?
DER BARON.
Wo nicht –
MARSCHALLIN.
Wo nicht?
[25]
DER BARON.
Wo nicht dem Knaben Kupido
ein Geschenkerl abzulisten wäre.
Dafür ist man kein Auerhahn und kein Hirsch,
sondern ist man der Herr der Schöpfung,
daß man nicht nach dem Kalender forciert ist, halten zu Gnaden!
Zum Exempel der Mai ist recht lieb für verliebte Geschäft',
das weiß jedes Kind,
aber ich sage:
Schöner ist Juni, Juli, August.
Da hats Nächte!
Da ist bei uns da droben so ein Zuzug
von jungen Mägden aus dem Böhmischen herüber:
Zur Ernte kommen sie und sind ansonsten anstellig und gut –
Ihrer zwei, dreie halt ich oft
bis im November mir im Haus,
dann erst schick ich sie heim.
Und wie sich das mischt,
das junge runde böhmische Völkel,
süß und schwer,
mit denen von uns, dem deutschen Schlag,
der scharf ist und herb wie ein Retzer Wein.
Wie sich das miteinander mischen tut!
Und überall steht was und lauert und rutscht durch den
Gattern
und schlieft zueinander und liegt beieinander
und überall singt was
und schupft was die Hüften
und melkt was
und mäht was
und planscht und plätschert was im Bach und in der Pferdeschwemm.
MARSCHALLIN.
Und Er ist überall dahinter her?
DER BARON.
Wollt ich könnt sein wie Jupiter selig
[26] in tausend Gestalten,
wär Verwendung für jede.
MARSCHALLIN.
Wie, auch für den Stier? So grob will Er sein?
DER BARON.
Je nachdem! alls je nachdem!
Das Frauenzimmer hat gar vielerlei Arten,
wie es will genommen sein.
Da kenn ich mich aus, halten zu Gnaden!
Da ist das arme Waserl,
steht da, als könnt sie nicht bis fünfe zählen,
und ist, halten zu Gnaden, schon die Rechte, wenns drauf ankommt.
Und da ist, die kichernd und schluchzend den Kopf verliert,
die hab ich gern!
Und die herentgegen,
der sitzt im Aug ein kalter, harter Satan,
aber trifft sich schon ein Stündl, wo so ein Aug ins Schwimmen kommt.
Und wenn derselbige innerliche Satan läßt erkennen,
daß jetzt bei ihm Matthäi am letzten ist,
gleich einem abgeschlagenen Karpfen,
das ist schon, mit Verlaub, ein feines Stück.
Kann nicht genug dran kriegen!
MARSCHALLIN.
Er selber ist ein Satan, meiner Seel!
DER BARON.
Und wäre eine, haben die Gnad,
die keiner anschaut
im schmutzigen Kittel, haben die Gnad, schlumpt sie daher,
hockt in der Aschen hinterm Herd,
die wo einer zur richtigen Stund sie angeht,
die hats in sich! Die hats in sich!
Ein solches Staunen! gar nicht Begreifenkönnen!
und Angst! und auf die letzt so eine rasende Seligkeit,
daß sich der Herr, der gnädige Herr!
herabgelassen gar zu ihrer Niedrigkeit.
[27]
MARSCHALLIN.
Er weiß mehr als das ABC.
DER BARON.
Da gibt es, die wollen beschlichen sein,
sanft wie der Wind das frisch gemähte Heu beschleicht.
Und welche – da gilts,
wie ein Luchs hinterm Rücken heran
und den Melkstuhl gepackt,
daß sie taumelt und hinschlägt!
Muß halt ein Heu in der Nähe dabei sein.
MARSCHALLIN.
Nein! Er agiert mir gar zu gut!
Laß Er mir doch das Kind!
DER BARON
nimmt wieder würdevolle Haltung an.
Geben mir Euer Gnaden den Grasaff da
zu meiner künftgen Frau Gemahlin Bedienung.
MARSCHALLIN.
Wie, meine Kleine da? Was sollte die?
Die Fräulein Braut wird schon versehen sein
und nicht anstehn auf Euer Liebden Auswahl.
DER BARON.
Das ist ein feines Ding! Kreuzsakerlott!
Da ist ein Tropf gutes Blut dabei!
MARSCHALLIN.
Euer Liebden haben ein scharfes Auge!
DER BARON.
Geziemt sich.

Vertraulich.

Find in der Ordnung, daß Personen von Stand in solcher Weise von adeligem Blut bedienet werden,
führe selbst ein Kind meiner Laune mit mir.
MARSCHALLIN.
Wie? Gar ein Mädel? Das will ich nicht hoffen!
DER BARON.
Nein, einen Sohn: trägt lerchenauisches Gepräge im Gesicht.
Halt ihn als Leiblakai.
Wenn Euer Gnaden dann werden befehlen,
[28] daß ich die silberne Rosen darf Dero Händen übergeben,
wird er es sein, der sie heraufbringt.
MARSCHALLIN.
Soll mich recht freuen. Aber wart Er einmal. Mariandel!
DER BARON.
Geben mir Euer Gnaden das Zofel! Ich laß nicht locker.
MARSCHALLIN.
Ei! Geh Sie und bring Sie doch das Medaillon her.
OCTAVIAN
leise.
Theres! Theres, gib acht!
MARSCHALLIN
ebenso.
Brings nur schnell! Ich weiß schon, was ich tu.
DER BARON
Octavian nachsehend.
Könnt eine junge Fürstin sein.
Hab vor, meiner Braut eine getreue Kopie
meines Stammbaumes zu spendieren
nebst einer Locke vom Ahnherrn Lerchenau, der ein großer Klosterstifter war
und Obersterblandhofmeister in Kärnten
und in der Windischen Mark.
OCTAVIAN
bringt das Medaillon.
MARSCHALLIN.
Wollen Euer Gnaden leicht den jungen Herrn da
als Bräutigamsaufführer haben?
DER BARON.
Bin ungeschauter einverstanden.
MARSCHALLIN.
Mein junger Vetter, der Graf Octavian.
DER BARON.
Octavian –
MARSCHALLIN.
Rofrano, des Herrn Marchese zweiter Bruder.
DER BARON.
Wüßte keinen vornehmeren zu wünschen!
Wär in Devotion dem jungen Herrn sehr verbunden!
MARSCHALLIN.
Seh Er ihn an!

Hält ihm das Medaillon hin.
[29]
DER BARON
sieht bald auf das Medaillon, bald auf die Zofe.
Die Ähnlichkeit!
MARSCHALLIN.
Ja, ja.
DER BARON.
Aus dem Gesicht geschnitten!
MARSCHALLIN.
Hab mir auch schon Gedanken gemacht.
DER BARON.
Rofrano! Da ist man wer, wenn man aus solchem Haus!
und wärs auch bei der Domestikentür.
MARSCHALLIN.
Darum halt ich sie auch wie was Besonderes.
DER BARON.
Geziemt sich.
MARSCHALLIN.
Immer um meine Person.
DER BARON.
Sehr wohl.
MARSCHALLIN.
Jetzt aber geh Sie, Mariandel, mach Sie fort.
DER BARON.
Wie denn? Sie kommt doch wieder?
MARSCHALLIN
überhört ihn absichtlich.
Und laß Sie die Antichambre herein.
OCTAVIAN
geht gegen die Flügeltür rechts.
DER BARON
ihm nach.
Mein schönstes Kind!
OCTAVIAN
an der Türe rechts.
Derfts eina gehn!

Läuft nach der anderen Türe.
DER BARON
ihm nach.
Ich bin Ihr Serviteur! Geb Sie doch einen Augenblick Audienz.
OCTAVIAN
schlägt ihm die kleine Tür vor der Nase zu.
I komm glei.

Im gleichen Augenblick tritt eine alte Kammerfrau durch die gleiche Türe ein. Baron zieht sich enttäuscht zurück. Zwei Lakaien [30] kommen von rechts
herein, bringen einen Wandschirm aus dem Alkoven. Die Marschallin tritt hinter den Wandschirm, die alte Kammerfrau mit ihr. Der Frisiertisch wird vorgeschoben in die Mitte. Lakaien öffnen die Flügeltüren rechts. Es treten ein: der Notar, der Küchenchef, hinter diesen ein Küchenjunge, der das Menübuch trägt. Dann die Marchande de Modes, ein Gelehrter mit einem Folianten und der Tierhändler mit winzig kleinen Hunden und einem Äffchen. Valzacchi und Annina hinter diesen rasch gleitend, nehmen den vordersten Platz links ein. Die adelige Mutter mit ihren drei Töchtern, alle in Trauer, stellen sich an den rechten Flügel. Der Haushofmeister führt den Tenor und den Flötisten nach vorne. Baron, rückwärts, winkt einen Lakaien zu sich, gibt ihm einen Auftrag, zeigt: »Hier durch die Hintertür.«
DIE DREI ADELIGEN TÖCHTER
indem sie niederknien.
Drei arme adelige Waisen
erflehen Dero hohen Schutz!
MARCHANDE DE MODES.
Le Chapeau Paméla! La poudre à la reine de Golconde!
DER TIERHÄNDLER.
Schöne Affen, wenn Durchlaucht schaffen,
auch Vögel hab ich da, aus Afrika.
DIE DREI WAISEN.
Der Vater ist jung auf dem Felde der Ehre gefallen,
ihm dieses nachzutun, ist unser Herzensziel.
MARCHANDE DE MODES.
Le chapeau Paméla! C'est la merveille du monde!
TIERHÄNDLER.
Papageien hätt ich da
Aus Indien und Afrika.
Hunderln so klein
und schon zimmerrein.

Marschallin tritt hervor, alles verneigt sich tief.
Baron ist links vorgekommen.
MARSCHALLIN.
Ich präsentier Euer Liebden hier den Notar.

Notar tritt mit Verneigung gegen den Frisiertisch, wo sich die Marschallin niedergelassen, zum Baron links. Marschallin winkt [31] die jüngste der drei Waisen zu sich, läßt sich vom Haushofmeister einen Geldbeutel reichen, gibt ihn dem Mädchen, indem sie es auf die Stirne küßt. Gelehrter will vortreten, seinen Folianten überreichen. Valzacchi springt vor, drängt ihn zur Seite.
VALZACCHI
ein schwarzgerändertes Zeitungsblatt hervorziehend.
Die swarze Seitung! Fürstlike Gnade!
alles 'ier ge'eim gesrieben!
nur für 'ohe Persönlikeite!
eine Leikname in 'interkammer
von eine gräflike Palais!
ein Bürgersfrau mit der amante
vergiften der Hehemann!
diese Nackt um dreie Huhr!
MARSCHALLIN.
Laß Er mich mit dem Tratsch in Ruh!
VALZACCHI.
In Gnaden!
tutte quante Vertraulikeite
aus die große Welt!
MARSCHALLIN.
Ich will nix wissen!

Valzacchi mit bedauernder Verbeugung springt zurück. Die drei Waisen, zuletzt auch die Mutter, haben der Marschallin die Hand geküßt.
DIE DREI WAISEN
zum Abgehen rangiert.
Glück und Segen allerwegen
Euer Gnaden hohem Sinn!
Eingegraben steht erhaben
er in unsern Herzen drin!

Gehen ab samt der Mutter.
Der Friseur tritt hastig auf, der Gehilfe stürzt ihm mit fliegenden Rockschößen nach. Der Friseur faßt
die Marschallin ins Auge; verdüstert sich, tritt zurück; er studiert ihr heutiges Aussehen. Der Gehilfe indessen packt aus, am Frisiertisch. Der Friseur schiebt einige Personen zurück, sich Spielraum zu schaffen. Nach einer kurzen Überlegung ist sein Plan gefaßt, er eilt mit Entschlossenheit auf die Marschallin zu, beginnt zu frisieren. Ein Lauffer in Rosa, Schwarz und Silber tritt auf, überbringt ein Billett. Haushofmeister mit Silbertablett ist schnell zur Hand, präsentiert [32] es der Marschallin. Friseur hält inne, sie lesen zu lassen. Gehilfe reicht ihm ein neues Eisen. Friseur schwenkt es: es ist zu heiß. Gehilfe reicht ihm, nach fragendem Blick auf die Marschallin, die nickt, das Billett, das er lächelnd verwendet, um das Eisen zu kühlen. Gleichzeitig hat sich der Sänger in Position gestellt, hält das Notenblatt. Flötist sieht ihm, begleitend, über die Schultern.
Drei Lakaien haben rechts ganz vorne Stellung genommen, andere stehen im Hintergrund.
DER SÄNGER.
Di rigori armato il seno
Contro amor mi ribellai
Ma fui vinto in un baleno
In mirar due vaghi rai.
Ahi! che resiste puoco
Cor di gelo a stral di fuoco.

Der Friseur übergibt dem Gehilfen das Eisen und applaudiert dem Sänger. Dann fährt er im Arrangement des Lockenbaues fort.
Ein Bedienter hat indessen bei der kleinen Tür den Kammerdiener des Barons, den Almosenier und den Jäger eingelassen.
Es sind drei bedenkliche Gestalten. Der Kammerdiener ist ein junger, großer Lümmel, der dumm und frech aussieht. Er trägt unter dem Arm ein Futteral aus rotem Saffian. Der Almosenier ist ein verwilderter Dorfkooperator, ein vier Schuh hoher, aber stark und verwegen aussehender Gnom. Der Leibjäger mag, bevor er in die schlecht sitzende Livree gesteckt wurde, Mist geführt haben. Der Almosenier und der Kammerdiener scheinen sich um den Vortritt zu streiten und steigen einander auf die Füße. Sie steuern längs der linken Seite auf ihren Herrn zu, in dessen Nähe sie haltmachen.
DER BARON
sitzend zum Notar, der vor ihm steht, seine Weisungen entgegennimmt.
Als Morgengabe – ganz separatim jedoch
und vor der Mitgift – bin ich verstanden, Herr Notar? –
kehrt Schloß und Herrschaft Gaunersdorf an mich zurück!
Von Lasten frei und ungemindert an Privilegien,
so wie mein Vater selig sie besessen hat.
[33]
NOTAR
kurzatmig.
Gestatten Hochfreiherrliche Gnaden die submisseste Belehrung,
daß eine Morgengabe wohl vom Gatten an die Gattin,
nicht aber von der Gattin an den Gatten
bestellet oder stipuliert zu werden fähig ist.
DER BARON.
Das mag wohl sein.
NOTAR.
Dem ist so –
DER BARON.
Aber im besondren Fall –
NOTAR.
Die Formen und die Präskriptionen kennen keinen Unterschied.
DER BARON
schreit.
Haben ihn aber zu kennen!
NOTAR
erschrocken.
In Gnaden!
DER BARON
wieder leise, aber eindringlich und voll hohen Selbstgefühls.
Wo eines hochadeligen Hauses blühender Sproß sich herabläßt,
im Ehebette einer so gut als bürgerlichen Mamsell Faninal
– bin ich verstanden? – acte de présence zu machen
vor Gott und der Welt und sozusagen
angesichts Kaiserlicher Majestät –
da wird, corpo di Bacco! von Morgengabe
als geziemendem Geschenk dankbarer Devotion
für die Hingab so hohen Blutes
sehr wohl die Rede sein.

Sänger macht Miene, wieder anzufangen, wartet noch, bis der Baron still wird.
NOTAR
zum Baron leise.
Vielleicht, daß man die Sache separatim –
DER BARON
leise.
Er ist ein schmählicher Pedant: als Morgengabe will ich das Gütel!
[34]
NOTAR
ebenso.
Als einen wohl verklausulierten Teil der Mitgift –
DER BARON
halblaut.
Als Morgengabe! geht das nicht in Seinen Schädel!
NOTAR
ebenso.
Als eine Schenkung inter vivos oder –
DER BARON
schreiend.
Als Morgengabe!
DER SÄNGER
während des Gesprächs der beiden.
Ma si caro è'l mio tormento
Dolce è si la piaga mia
Ch'il penare è mio contento
E 'l sanarmi è tirannia.
Ahi! che resiste puoco –

Hier erhebt der Baron seine Stimme so, daß der Sänger jäh abbricht, desgleichen die Flöte.
Notar zieht sich erschrocken in die Ecke zurück.
Marschallin winkt den Sänger zu sich, reicht ihm die Hand zum Kuß. Sänger nebst Flöte ziehen sich unter tiefen Verbeugungen zurück.
Der Baron tut, als ob nichts geschehen wäre, winkt dem Sänger leutselig zu, tritt dann zu seiner Dienerschaft; streicht dem Leiblakai die bäurisch in die Stirn gekämmten Haare hinaus; geht dann, als suchte er jemand, zur kleinen Tür, öffnet sie, spioniert hinaus, ärgert sich, daß die Zofe nicht zurückkommt; ärgert sich, schnüffelt gegens Bett, schüttelt den Kopf, kommt wieder vor.
MARSCHALLIN
sieht sich in dem Handspiegel, halblaut.
Mein lieber Hippolyte,
heut haben Sie ein altes Weib aus mir gemacht!

Der Friseur, mit Bestürzung, wirft sich fieberhaft auf den Lockenbau der Marschallin und verändert ihn aufs neue. Das Gesicht der Marschallin bleibt traurig.
MARSCHALLIN
über die Schulter zum Haushofmeister.
Abtreten die Leut!

Vier Lakaien, eine Kette bildend, schieben die aufwartenden Personen zur Tür hinaus, die sie dann verschließen.
Valzacchi, hinter ihm Annina, haben sich im Rücken aller rings um die Bühne zum Baron hinübergeschlichen und präsentieren sich ihm mit übertriebener Devotion. Baron tritt zurück.
[35]
VALZACCHI.
Ihre Gnade sukt etwas. Ik seh.
Ihre Gnade 'at ein Bedürfnis.
Ik kann dienen. Ik kann besorgen.
DER BARON.
Wer ist Er, was weiß Er?
VALZACCHI.
Ihre Gnade Gesikt sprikt ohne Sunge.
Wie ein Hantike: come statua die Giove.
DER BARON.
Das ist ein besserer Mensch.
VALZACCHI.
Erlaukte Gnade, attachieren uns an sein Gefolge!

Fällt auf die Knie, desgleichen Annina.
DER BARON.
Euch?
VALZACCHI.
Onkel und Nickte.
Su sweien maken alles besser.
Per esempio: Ihre Gnade 'at eine junge Frau –
DER BARON.
Woher weiß Er denn das, Er Teufel Er?
VALZACCHI
eifrig.
Ihr' Gnad' ist in Eifersukt: dico per dire!
'eut oder morgen könnte sein. Affare nostro!
Jede Sritt die Dame sie tut,
jede Wagen die Dame sie steigt,
jede Brief die Dame bekommt –
wir sind da!
an die Ecke, in die Kamin, unter die Bette –
wir sind da!
ANNINA.
Ihre Gnaden wird nicht bedauern!

Halten ihm die Hände hin, Geld erheischend; er tut, als bemerke er es nicht.
DER BARON
halblaut.
Hm! Was es alles gibt in diesem Wien!
Zur Probe nur. Kennt Sie die Jungfer Mariandel?
[36]
ANNINA
ebenso.
Mariandel?
DER BARON
ebenso.
Das Zofel hier im Haus bei ihrer Gnaden.
VALZACCHI
leise zu Annina.
Sai tu, cosa vuole?
ANNINA
ebenso.
Niente!
VALZACCHI
zum Baron.
Sicker! Sicker! Mein Nickte wird besorgen!
Seien sicker, Ihre Gnade.

Hält abermals die Hand hin, Baron tut, als sähe er es nicht.
Marschallin ist aufgestanden. Friseur nach tiefer Verneigung eilt ab, Gehilfe hinter ihm.
DER BARON
die beiden Italiener stehen lassend, auf die Marschallin zu.
Darf ich das Gegenstück zu Dero sauberem Kammerzofel präsentieren?
Die Ähnlichkeit soll, hör ich, unverkennbar sein.
MARSCHALLIN
nickt.
DER BARON.
Leupold, das Futteral.

Der junge Kammerlakai präsentiert linkisch das Futteral.
MARSCHALLIN
ein bißchen lachend.
Ich gratuliere Euer Liebden sehr.
DER BARON
nimmt dem Burschen das Futteral aus der Hand und winkt ihm zurückzutreten.
Und da ist nun die silberne Rose!

Wills aufmachen.
MARSCHALLIN.
Lassen nur drinnen.
Haben die Gnad und stellens dorthin.
DER BARON.
Vielleicht das Zofel solls übernehmen?
Ruft man ihr?
MARSCHALLIN.
Nein, lassen nur. Die hat jetzt keine Zeit.
Doch sei Er sicher: den Grafen Octavian bitt ich Ihm auf
[37] und er wird mir zulieb schon tun
und als Euer Liebden Kavalier
vorfahren mit der Rosen bei der Jungfer Braut.
Stellen indes nur hin.
Und jetzt, Herr Vetter, sag ich Ihm Adieu.
Man retiriert sich jetzt von hier:
Ich werd jetzt in die Kirchen gehn.

Lakaien öffnen die Flügeltür.
DER BARON.
Euer Gnaden haben heut
durch unversiegte Huld mich tiefst beschämt.

Macht die Reverenz; entfernt sich unter Zeremoniell.
Der Notar hinter ihm, auf seinen Wink. Seine drei
Leute hinter diesem, in mangelhafter Haltung. Die beiden Italiener, lautlos und geschmeidig, schließen sich unbemerkt an. Lakaien schließen die Tür. Haushofmeister tritt ab.
MARSCHALLIN
allein.
Da geht er hin, der aufgeblasene, schlechte Kerl,
und kriegt das hübsche, junge Ding und einen Binkel Geld dazu,
als müßts so sein.
Und bildet sich noch ein, daß ers ist, der sich was vergibt.
Was erzürn ich mich denn? ist doch der Lauf der Welt.
Kann mich auch an ein Mädel erinnern,
die frisch aus dem Kloster ist in den heiligen Ehestand kommandiert wordn.

Nimmt den Handspiegel.

Wo ist die jetzt? Ja, such dir den Schnee vom vergangenen Jahr.
Das sag ich so:
Aber wie kann das wirklich sein,
daß ich die kleine Resi war
und daß ich auch einmal die alte Frau sein werd! ...
Die alte Frau, die alte Marschallin!
»Siehgst es, da gehts', die alte Fürstin Resi!«
Wie kann denn das geschehen?
Wie macht denn das der liebe Gott?
Wo ich doch immer die gleiche bin.
[38] Und wenn ers schon so machen muß,
warum laßt er mich denn zuschaun dabei
mit gar so klarem Sinn? Warum versteckt ers nicht vor mir?
Das alles ist geheim, so viel geheim.
Und man ist dazu da, daß mans ertragt.
Und in dem »Wie« da liegt der ganze Unterschied –
OCTAVIAN
tritt von rechts ein, in einem Morgenanzug mit Reitstiefeln.
MARSCHALLIN
mit halbem Lächeln.
Ach, du bist wieder da!
OCTAVIAN.
Und du bist traurig!
MARSCHALLIN.
Es ist ja schon vorbei. Du weißt ja, wie ich bin.
Ein halbes Mal lustig, ein halbes Mal traurig.
Ich kann halt meine Gedanken nicht kommandieren.
OCTAVIAN.
Ich weiß, warum du traurig bist, du Schatz.
Weil du erschrocken bist und Angst gehabt hast.
Hab ich nicht recht? Gesteh mir nur:
Du hast Angst gehabt,
du Süße, du Liebe.
Um mich, um mich!
MARSCHALLIN.
Ein bißl vielleicht.
Aber ich hab mich erfangen und hab mir vorgesagt: Es wird schon nicht dafür stehn.
Und wärs dafür gestanden?
OCTAVIAN.
Und es war kein Feldmarschall.
Nur ein spaßiger Herr Vetter und du gehörst mir.
Du gehörst mir!
MARSCHALLIN.
Taverl, umarm Er nicht zu viel:
Wer allzuviel umarmt, der hält nichts fest.
OCTAVIAN.
Sag, daß du mir gehörst! Sag, daß du mir gehörst!
[39]
MARSCHALLIN.
Oh, sei Er jetzt sanft, sei Er gescheit und sanft und gut.
Nein, bitt schön, sei Er nicht wie alle Männer sind.
OCTAVIAN.
Wie alle Männer?
MARSCHALLIN.
Wie der Feldmarschall und der Vetter Ochs.
Sei Er nur nicht wie alle Männer sind.
OCTAVIAN
zornig.
Ich weiß nicht, wie alle Männer sind.

Sanft.

Weiß nur, daß ich die liebhab,
Bichette, sie haben mir dich ausgetauscht.
Bichette, wo ist Sie denn?
MARSCHALLIN
ruhig.
Sie ist wohl da, Herr Schatz.
OCTAVIAN.
Ja, ist Sie da? Dann will ich Sie halten,
und Sie pressen, daß Sie mir nicht wieder entkommt!
MARSCHALLIN
sich ihm entwindend.
O sei Er gut, Quin-quin. Mir ist zumut,
daß ich die Schwäche von allem Zeitlichen recht spüren muß,
bis in mein Herz hinein:
wie man nichts halten soll,
wie man nichts packen kann,
wie alles zerlauft zwischen den Fingern,
alles sich auflöst, wonach wir greifen,
alles zergeht, wie Dunst und Traum.
OCTAVIAN.
Wo Sie mich da hat,
wo ich meine Finger in Ihre Finger schlinge,
wo ich mit meinen Augen Ihre Augen suche,
gerade da ist Ihr so zumut?
MARSCHALLIN
sehr ernst.
Quin-quin, heut oder morgen geht Er hin
und gibt mich auf, um einer andern willen,

Octavian will ihr den Mund zuhalten.

die schöner oder jünger ist als ich.
[40]
OCTAVIAN.
Willst du mit Worten mich von dir stoßen,
weil dir die Hände den Dienst nicht tun?
MARSCHALLIN.
Der Tag kommt ganz von selber. Wer bist denn du?
Ein junger Herr, ein jüngerer Sohn.
Dein Bruder der Chef von deinem Haus.
Wie wird er nicht eine Braut für dich suchen?
Als ob nicht alles auf der Welt
sein' Zeit und sein Gesetzl hätt.
Heut oder morgen kommt der Tag, Octavian.
OCTAVIAN.
Nicht heut, nicht morgen: ich hab dich lieb.
Nicht heut, nicht morgen!
MARSCHALLIN.
Heut oder morgen oder den übernächsten Tag.
Nicht quälen will ich dich, mein Schatz.
Ich sag, was wahr ist, sags zu mir so gut wie zu dir.
Leicht will ichs machen dir und mir.
Leicht muß man sein:
mit leichtem Herz und leichten Händen,
halten und nehmen, halten und lassen ...
Die nicht so sind, die straft das Leben und Gott erbarmt sich ihrer nicht.
OCTAVIAN.
Mein Gott, wie Sie das sagt, Sie will mir doch nur zeigen,
daß Sie nicht an mir hängt.

Er weint.
MARSCHALLIN.
Sei Er doch gut, Quin-quin.

Er weint stärker.

Sei Er doch gut.
Jetzt muß ich noch den Buben dafür trösten,
daß er mich über kurz oder lang wird sitzenlassen.

Sie streichelt ihn.
OCTAVIAN.
Über kurz oder lang!
Wer legt Ihr heut die Wörter in den Mund, Bichette?

Er hält sich die Ohren zu.
[41]
MARSCHALLIN.
Über kurz oder lang!
Daß Ihn das Wort so kränkt.
Die Zeit im Grund, Quin-quin, die Zeit,
die ändert doch nichts an den Sachen.
Die Zeit, die ist ein sonderbares Ding.
Wenn man so hinlebt, ist sie rein gar nichts.
Aber dann auf einmal,
da spürt man nichts als sie:
sie ist um uns herum, sie ist auch in uns drinnen.
In den Gesichtern rieselt sie, im Spiegel da rieselt sie,
in meinen Schläfen fließt sie.
Und zwischen mir und dir da fließt sie wieder.
Lautlos, wie eine Sanduhr.
O Quin-quin!
Manchmal hör ich sie fließen unaufhaltsam.
Manchmal steh ich auf, mitten in der Nacht,
und laß die Uhren alle stehen.
OCTAVIAN.
Mein schöner Schatz, will Sie sich traurig machen mit Gewalt?
MARSCHALLIN.
Allein man muß sich auch vor ihr nicht fürchten.
Auch sie ist ein Geschöpf des Vaters,
der uns alle geschaffen hat.
OCTAVIAN.
Sie spricht ja heute wie ein Pater.

Eine befangene Stille.

Soll das heißen, daß ich Sie nie mehr
werd küssen dürfen,
bis Ihr der Atem ausgeht?
MARSCHALLIN
sanft.
Quin-quin, Er soll jetzt gehn, Er soll mich lassen.
Ich werd jetzt in die Kirchn gehn
und später fahr ich zum Onkel Greifenklau,
der alt und gelähmt ist,
und eß mit ihm; das freut den alten Mann.
Und nachmittag werd ich Ihm einen Lauffer schicken,
[42] Quin-quin, und sagen lassen,
ob ich in Prater fahr.
Und wenn ich fahr,
und Er hat Lust,
so wird Er auch in Prater kommen
und neben meinem Wagen reiten.
Sei Er jetzt gut und folg Er mir.
OCTAVIAN.
Wie Sie befiehlt, Bichette.

Er geht. Eine Pause.
MARSCHALLIN
allein.
Ich hab ihn nicht einmal geküßt.

Sie klingelt heftig. Lakaien kommen herein von rechts.
MARSCHALLIN.
Laufts dem Herrn Grafen nach
und bittets ihn noch auf ein Wort herauf.

Eine Pause.

Ich hab ihn fortgehn lassen und ihn nicht einmal geküßt!

Die Lakaien kommen zurück außer Atem.
ERSTER LAKAI.
Der Herr Graf sind auf und davon.
ZWEITER LAKAI.
Gleich beim Tor sind aufgesessen.
DRITTER LAKAI.
Reitknecht hat gewartet.
VIERTER LAKAI.
Gleich beim Tor sind aufgesessen wie der Wind.
ERSTER LAKAI.
Waren um die Ecken wie der Wind.
ZWEITER LAKAI.
Sind wir nachgelaufen.
DRITTER LAKAI.
Haben wir geschrien.
VIERTER LAKAI.
War umsonst.
ERSTER LAKAI.
Waren um die Ecken wie der Wind.
[43]
MARSCHALLIN.
Es ist gut, gehts nur wieder.

Die Lakaien ziehen sich zurück.
MARSCHALLIN
ruft nach.
Den Mohammed!

Der kleine Neger herein, klingelnd, verneigt sich.
MARSCHALLIN.
Das da trag –

Neger nimmt eifrig das Saffianfutteral.
MARSCHALLIN.
Weißt ja nicht wohin. Zum Grafen Octavian.
Gibs ab und sag:
Da drinn ist die silberne Rosn.
Der Herr Graf weiß ohnehin.

Der Neger läuft ab.
Marschallin stützt den Kopf auf die Hand.
Vorhang.

2. Akt

[44] Zweiter Akt

Saal bei Herrn von Faninal. Mitteltüre nach dem Vorsaal. Türen links und rechts. Rechts auch ein großes Fenster. Zu beiden Seiten der Mitteltüre Stühle an der Wand. In den Ecken jederseits ein großer Kamin.

HERR VON FANINAL
im Begriffe, von Sophie Abschied zu nehmen.
Ein ernster Tag, ein großer Tag!
Ein Ehrentag, ein heiliger Tag!
SOPHIE
küßt ihm die Hand.
MARIANNE LEITMETZERIN
die Duenna.
Der Josef fahrt vor, mit der neuen Kaross,
hat himmelblaue Vorhäng,
vier Apfelschimmel sind dran.
HAUSHOFMEISTER
nicht ohne Vertraulichkeit.
Ist höchste Zeit, daß Euer Gnaden fahren.
Der hochadelige Bräutigamsvater,
sagt die Schicklichkeit,
muß ausgefahren sein,
bevor der silberne Rosenkavalier vorfahrt.
Wär nicht geziemend,
daß sie sich vor der Tür begegneten.

Lakaien öffnen die Tür.
FANINAL.
In Gottesnamen. Wenn ich wiederkomm,
so führ ich deinen Herrn Zukünftigen bei der Hand.
MARIANNE.
Den edlen und gestrengen Herrn auf Lerchenau,
Kaiserlicher Majestät Kämmerer
und Landrechts-Beisitzer in Unter-Österreich!
FANINAL
geht.
SOPHIE
vorgehend, allein, indessen Marianne am Fenster.
MARIANNE
am Fenster.
Jetzt steigt er ein. Der Xaver und der Anton springen hinten auf.
[45] Der Stallpag' reicht dem Josef seine Peitschn.
Alle Fenster sind voller Leut.
SOPHIE
vorne allein.
In dieser feierlichen Stunde der Prüfung,
da du mich, o mein Schöpfer, über mein Verdienst erhöhen
und in den heiligen Ehestand führen willst,

Sie hat große Mühe, gesammelt zu bleiben.

opfere ich dir in Demut – in Demut – mein Herz auf.
Die Demut in mir zu erwecken,
muß ich mich demütigen.
MARIANNE
sehr aufgeregt.
Die halbe Stadt ist auf die Füß.
Aus 'm Seminari schaun die Hochwürdigen von die Balkoner.
Ein alter Mann sitzt oben auf der Latern!
SOPHIE
sammelt sich mühsam.
Demütigen und recht bedenken: die Sünde, die Schuld, die Niedrigkeit,
die Verlassenheit, die Anfechtung!
Die Mutter ist tot und ich bin ganz allein.
Für mich selber steh ich ein.
Aber die Ehe ist ein heiliger Stand.
MARIANNE
wie oben.
Er kommt, er kommt in zwei Karossen.
Die erste ist vierspännig, die ist leer. In der zweiten,
sechsspännigen,
sitzt er selber, der Herr Rosenkavalier.
SOPHIE
wie oben.
Ich will mich niemals meines neuen Standes überheben –

Die Stimmen der Lauffer zu dreien vor Octavians Wagen unten auf der Gasse: Rofrano! Rofrano!

– mich überheben.

Sie hält es nicht aus.

Was rufen denn die?
MARIANNE.
Den Namen vom Rosenkavalier und alle Namen
von deiner neuen, fürstlich'n und gräflich'n Verwandtschaft rufens aus.
[46] Jetzt rangieren sich die Bedienten.
Die Lakaien springen rückwärts ab!

Die Stimmen der Lauffer zu dreien näher: Rofrano! Rofrano!
SOPHIE.
Werden sie mein' Bräutigam sein' Namen
Auch so ausrufen, wenn er angefahren kommt!?

Die Stimmen der Lauffer dicht unter dem Fenster: Rofrano! Rofrano! Rofrano!
MARIANNE.
Sie reißen den Schlag auf! Er steigt aus!
Ganz in Silberstück' ist er ang'legt, von Kopf zu Fuß.
Wie ein heiliger Erzengel schaut er aus.

Sie schließt eilig das Fenster.
SOPHIE.
Herrgott im Himmel, ja,
ich weiß, der Stolz ist eine schwere Sünd,
aber jetzt kann ich mich nicht demütigen.
Jetzt gehts halt nicht!
Denn das ist ja so schön, so schön!

Lakaien haben schnell die Mitteltüre aufgetan. Herein tritt Octavian, ganz in Weiß und Silber, mit bloßem Kopf, die silberne Rose in der Hand. Hinter ihm seine Dienerschaft in seinen Farben: Weiß mit Blaßgrün. Die Lakaien, die Haiducken, mit krummen, ungarischen Säbeln an der Seite, die Lauffer in weißem, sämischem Leder mit grünen Straußenfedern. Dicht hinter Octavian ein Neger, der Octavians Hut, und ein anderer Lakai, der das Saffianfutteral für die silberne Rose in beiden Händen trägt. Dahinter die Faninalsche Livree.
Octavian, die Rose in der Rechten, geht mit adeligem Anstand auf sie zu, aber sein Knabengesicht ist von seiner Schüchternheit gespannt und gerötet. – Sophie ist vor Aufregung über seine Erscheinung und die Zeremonie leichenblaß. Sie stehen einander gegenüber.
OCTAVIAN
nach einem kleinen Stocken, indem sie einander wechselweise durch ihre Verlegenheit und Schönheit noch verwirrter machen.
Mir ist die Ehre widerfahren,
daß ich der hoch- und wohlgeborenen Jungfer Braut,
[47] in meines Herrn Vetters,
dessen zu Lerchenau Namen,
die Rose seiner Liebe überreichen darf.
SOPHIE
nimmt die Rose.
Ich bin Euer Liebden sehr verbunden.
Ich bin Euer Liebden in aller Ewigkeit verbunden. –

Eine Pause der Verwirrung.
SOPHIE
indem sie an der Rose riecht.
Hat einen starken Geruch. Wie Rosen, wie lebendige.
OCTAVIAN.
Ja, ist ein Tropfen persischen Rosenöls darein getan.
SOPHIE.
Wie himmlische, nicht irdische, wie Rosen
vom hochheiligen Paradies. Ist Ihm nicht auch?
OCTAVIAN
neigt sich über die Rose, die sie ihm hinhält; dann richtet er sich wie betäubt auf und sieht auf ihren Mund.
SOPHIE.
Ist wie ein Gruß vom Himmel. Ist bereits zu stark!
Zieht einen nach, als lägen Stricke um das Herz.
Wo war ich schon einmal
und war so selig!
OCTAVIAN
zugleich mit ihr wie unbewußt und leiser als sie.
Wo war ich schon einmal
und war so selig?
SOPHIE.
Dahin muß ich zurück! und wärs mein Tod.
Wo soll ich hin,
daß ich so selig werd?
Dort muß ich hin und müßt ich sterben auf dem Weg.
OCTAVIAN
die ersten Worte zugleich mit ihren letzten, dann allein.
Ich war ein Bub,
wars gestern oder wars vor einer Ewigkeit.
Da hab ich die noch nicht gekannt.
Die hab ich nicht gekannt?
Wer ist denn die?
Wie kommt sie denn zu mir?
Wer bin denn ich? Wie komm ich denn zu ihr?
Wär ich kein Mann, die Sinne möchten mir vergehn.
[48] Aber ich halt sie fest, ich halt sie fest.
Das ist ein seliger, seliger Augenblick,
den will ich nie vergessen bis an meinen Tod.

Indessen hat sich die Livree Octavians links rückwärts rangiert, die Faninalschen Bedienten mit dem Haushofmeister rechts. Der Lakai Octavians übergibt das Futteral an Marianne. Sophie schüttelt ihre Versunkenheit ab und reicht die Rose der Marianne, die sie ins Futteral schließt. Der Lakai
mit dem Hut tritt von rückwärts an Octavian heran und reicht ihm den Hut. Die Livree Octavians tritt ab, während gleichzeitig die Faninalschen Bedienten drei Stühle in die Mitte tragen, zwei für Octavian und Sophie, einen rück- und seitwärts für die Duenna. Zugleich trägt der Faninalsche Haushofmeister das Futteral mit der Rose durch die Mitteltüre ab. Sophie und Octavian stehen einander gegenüber, einigermaßen zur gemeinen Welt zurückgekehrt, aber befangen. Auf eine Handbewegung Sophies nehmen sie beide Platz, desgleichen die Duenna.
SOPHIE.
Ich kenn Ihn schon recht wohl.
OCTAVIAN.
Sie kennt mich, ma cousine?
SOPHIE.
Ja, aus dem Buch, wo die Stammbäumer drin sind, mon cousin.
Dem Ehrenspiegel Österreichs.
Das nehm ich immer abends mit ins Bett
und such mir meine künftige Verwandtschaft drin zusammen.
OCTAVIAN.
Tut Sie das, ma cousine?
SOPHIE.
Ich weiß, wie alt Euer Liebden sind:
Siebzehn Jahr und zwei Monat.
Ich weiß alle Ihre Taufnamen: Octavian Maria Ehrenreich Bonaventura Fernand Hyazinth.
OCTAVIAN.
So gut weiß ich sie selber nicht einmal.
[49]
SOPHIE.
Ich weiß noch was.

Errötet.
OCTAVIAN.
Was weiß Sie noch, sag Sie mirs, ma cousine.
SOPHIE
ohne ihn anzusehen.
Quin-quin.
OCTAVIAN
lacht.
Weiß Sie den Namen auch?
SOPHIE.
So nennen Ihn halt seine guten Freund
und schöne Damen, denk ich mir,
mit denen er recht gut ist.

Kleine Pause.
SOPHIE
mit Naivität.
Ich freu mich aufs Heiraten! Freut Er sich auch darauf?
Oder hat Er leicht noch gar nicht drauf gedacht, mon cousin?
Denk Er: Ist doch was anders als der ledige Stand.
OCTAVIAN
leise, während sie spricht.
Wie schön sie ist.
SOPHIE.
Freilich. Er ist ein Mann, da ist Er, was Er bleibt.
Ich aber brauch erst einen Mann, daß ich was bin.
Dafür bin ich dem Mann dann auch gar sehr verschuldet.
OCTAVIAN
wie oben.
Mein Gott, wie schön und gut sie ist.
Sie macht mich ganz verwirrt.
SOPHIE.
Und werd ihm keine Schand nicht machen –
und meinen Rang und Vortritt,
tät eine, die sich besser dünkt als ich,
ihn mir bestreiten
bei einer Kindstauf oder Leich,
so will ich, meiner Seel, ihr schon beweisen,
daß ich die vornehmere bin
und lieber alles hinnehmen
wie Kränkung oder Ungebühr.
[50]
OCTAVIAN
lebhaft.
Wie kann Sie denn nur denken,
daß man Ihr mit Ungebühr begegnen wird,
da Sie doch immerdar die schönste sein wird,
daß es keinen Vergleich wird leiden.
SOPHIE.
Lacht Er mich aus, mon cousin?
OCTAVIAN.
Wie, glaubt Sie das von mir?
SOPHIE.
Er darf mich auch auslachen, wenn Er will.
Von Ihm will ich mir alles gerne geschehen lassen,
weil mir noch nie ein junger Kavalier ...
Jetzt aber kommt mein Herr Zukünftiger.

Die Tür rückwärts geht auf. Alle drei stehen auf und treten nach rechts. Faninal führt den Baron zeremoniös über die Schwelle und auf Sophie zu, indem er ihm den Vortritt läßt. Die Lerchenausche Livree folgt auf Schritt und Tritt: zuerst der Almosenier mit dem Sohn und Leibkammerdiener. Dann folgt der Leibjäger mit einem ähnlichen Lümmel, der ein Pflaster über der eingeschlagenen Nase trägt, und noch zwei von der gleichen Sorte, vom Rübenacker her in die Livree gesteckt. Alle tragen, wie ihr Herr, Myrtensträußchen. Die Faninalschen Bedienten bleiben im Hintergrund.
FANINAL.
Ich präsentier Euer Gnaden Dero Zukünftige.
DER BARON
macht die Reverenz, dann zu Faninal.
Deliziös! Mach Ihm mein Kompliment.

Er küßt Sophie die Hand, langsam, gleichsam prüfend.

Ein feines Handgelenk. Darauf halt ich gar viel.
Ist unter Bürgerlichen eine seltene Distinktion.
OCTAVIAN
halblaut.
Es wird mir heiß und kalt.
FANINAL.
Gestatten, daß ich die getreue Jungfer
Marianne Leitmetzerin –

Mariannen präsentierend, die dreimal tief knixt.
[51]
DER BARON
indem er unwillig abwinkt.
Laß Er das weg.
Begrüß Er jetzt mit mir meinen Herrn Rosenkavalier.

Er tritt mit Faninal auf Octavian zu, unter Reverenz, die Octavian erwidert. Das Lerchenausche Gefolge kommt endlich zum Stillstand, nachdem es Sophie fast umgestoßen, und retiriert sich um ein paar Schritte.
SOPHIE
mit Marianne rechtsstehend, halblaut.
Was sind das für Manieren? Ist das leicht ein Roßtäuscher
und kommt ihm vor, er hätt mich eingekauft?
MARIANNE
ebenso.
Ein Kavalier hat halt ein ungezwungenes,
leutseliges Betragen.
Sag dir vor, wer er ist
und zu was er dich macht,
so werden dir die Faxen gleich vergehn.
DER BARON
während des Aufführens zu Faninal.
Ist gar zum Staunen, wie der junge Herr jemand gewissem ähnlich sieht.
Hat ein Bastardl, recht ein sauberes, zur Schwester.

Plump vertraulich.

Ist kein Geheimnis unter Personen von Stand.
Habs aus der Fürstin eigenem Mund,
und da der Faninal gehört ja sozusagen jetzo zu der Verwandtschaft.
Macht dir doch kein dépit, Cousin Rofrano,
daß dein Herr Vater ein Streichmacher war?
Befindet sich dabei in guter Kompagnie, der selige Herr Marchese.
Ich selber exkludier mich nicht.
Seh' Liebden, schau dir dort den Langen an,
den blonden, hinten dort.
Ich will ihn nicht mit Fingern weisen,
aber er sticht wohl hervor,
durch eine adelige Contenance.
Ist auch ein ganz besonderer Kerl,
sags nicht, weil ich der Vater bin,
hats aber faustdick hinter den Ohren.
[52]
SOPHIE
währenddessen.
Jetzt laßt er mich so stehn, der grobe Ding!
Und das ist mein Zukünftiger.
Und blattersteppig ist er auch, mein Gott!
MARIANNE.
Na, wenn er dir von vorn nicht gfallt, du Jungfer Hochmut,
so schau ihn dir von rückwärts an.
da wirst was sehn, was dir schon gfallen wird.
SOPHIE.
Möcht wissen, was ich da schon sehen werd.
MARIANNE
ihr nachspottend.
Möcht wissen, was sie da schon sehen wird.
Daß es ein kaiserlicher Kämmerer ist,
den dir dein Schutzpatron
als Herrn Gemahl spendiert hat.
Das kannst sehn mit einem Blick.

Der Haushofmeister tritt verbindlich auf die Lerchenauschen Leute zu und führt sie ab. Desgleichen tritt die Faninalsche Livree ab, bis auf zwei, welche Wein und Süßigkeiten servieren.
FANINAL
zum Baron.
Belieben jetzt vielleicht? – ist ein alter Tokaier.

Octavian und Baron bedienen sich.
DER BARON.
Brav, Faninal, Er weiß was sich gehört.
Serviert einen alten Tokaier zu einem jungen Mädel.
Ich bin mit Ihm zufrieden.

Zu Octavian.

Mußt denen Bagatelladeligen immer zeigen,
daß nicht für unseresgleichen sich ansehen dürfen,
muß immer was von Herablassung dabei sein.
OCTAVIAN.
Ich muß Deine Liebden sehr bewundern.
Hast wahrhaft große Weltmanieren.
Könntst einen Ambassadeur vorstellen heut wie morgen.
DER BARON.
Ich hol mir jetzt das Mädel her.
Soll uns Konversation vormachen,
[53] daß ich seh, wie sie beschlagen ist.

Geht hinüber, nimmt Sophie bei der Hand, führt sie mit sich.
DER BARON.
Eh bien! nun plauder Sie uns eins, mir und dem Vetter Taverl!
Sag Sie heraus, auf was Sie sich halt in der Eh am meisten gfreut!

Setzt sich, will sie auf seinen Schoß ziehen.
SOPHIE
entzieht sich ihm.
Wo denkt Er hin?
DER BARON
behaglich.
Seh, wo ich hindenk! Komm Sie da ganz nah zu mir,
dann will ich Ihr erzählen, wo ich hindenk.

Gleiches Spiel, Sophie entzieht sich ihm heftiger.
DER BARON
behaglich.
Wär Ihr leicht präferabel, daß man gegen Ihrer
den Zeremonienmeister sollt hervortun?
Mit »mill pardon« und »Devotion«
und »Geh da weg« und »hab Respeck«?
SOPHIE.
Wahrhaftig und ja gefiele mir das besser!
DER BARON
lachend.
Mir auch nicht! Da sieht Sie! Mir auch ganz und gar nicht!
Bin einer biedern offenherzigen Galanterie recht zugetan.

Er macht Anstalt, sie zu küssen, sie wehrt sich energisch.
FANINAL
nachdem er Octavian den zweiten Stuhl zum Sitzen angeboten hat, den dieser ablehnt.
Wie ist mir denn, da sitzt ein Lerchenau
und karessiert in Ehrbarkeit mein Sopherl, als wär sie ihm schon angetraut.
Und da steht ein Rofrano, grad als müßts so sein,
wie ist mir denn? Ein Graf Rofrano, sonsten nix,
der Bruder vom Marchese Obersttruchseß.
OCTAVIAN
zornig.
Das ist ein Kerl, dem möcht ich wo begegnen
mit meinem Degen da,
wo ihn kein Wächter schrein hört.
Ja, das ist alles, was ich möcht.
[54]
SOPHIE
zum Baron.
Ei laß Er doch, wir sind nicht so vertraut!
DER BARON
zu Sophie.
Geniert Sie sich leicht vor dem Vetter Taverl?
Da hat Sie Unrecht. Hör Sie, in Paris,
wo doch die Hohe Schul ist für Manieren,
hab ich mir sagen lassen, gibts frei nichts
was unter jungen Eheleuten geschieht,
wozu man nicht Einladungen ließ ergehn
zum Zuschaun, ja gar an den König selber.

Er wird immer zärtlicher, sie weiß sich kaum zu helfen.
FANINAL.
Wär nur die Mauer da von Glas,
daß alle bürgerlichen Neidhammeln von Wien uns könnten
so en famille beisammensitzen sehn!
Dafür wollt ich mein Lerchenfelder Eckhaus geben, meiner Seel!
OCTAVIAN
wütend.
Ich büß all meine Sünden ab!
Könnt ich hinaus und fort von hier!
DER BARON
zu Sophie.
Laß Sie die Flausen nur: gehört doch jetzo mir!
Geht alls gut! Sei Sie gut. Geht alls so wie am Schnürl!

Halb für sich, sie kajolierend.

Ganz meine Maßen! Schultern wie ein Henderl!
Hundsmager noch – das macht nichts, aber weiß
und einen Schimmer drauf, wie ich ihn ästimier!
Ich hab halt ja ein lerchenauisch Glück!
SOPHIE
reißt sich los und stampft auf.
DER BARON
vergnügt.
Ist Sie ein rechter Kaprizenschädel?

Auf und ihr nach, die ein paar Schritte zurückgewichen ist.

Steigt Ihr das Blut gar in die Wangen,
daß man sich die Händ verbrennt?
SOPHIE
rot und blaß vor Zorn.
Laß Er die Händ davon!

Octavian, vor stummer Wut, zerdrückt das Glas, das er in der Hand hält, und schmeißt die Scherben zu Boden.
[55]
DIE DUENNA
läuft mit Grazie zu Octavian hinüber, hebt die Scherben auf und raunt ihm mit Entzücken zu.
Ist recht ein familiärer Mann, der Herr Baron!
Man delektiert sich, was er alls für Einfäll hat!
DER BARON
dicht bei Sophie.
Geht mir nichts drüber!
Könnt mich mit Schmachterei und Zärtlichkeit
nicht halb so glücklich machen, meiner Seel!
SOPHIE
scharf, ihm ins Gesicht.
Ich denk nicht dran, daß ich Ihn glücklich machen wollt!
DER BARON
gemütlich.
Sie wird es tun, ob Sie daran wird denken oder nicht.
OCTAVIAN
vor sich, blaß vor Zorn.
Hinaus! Hinaus! und kein Adieu,
sonst steh ich nicht dafür,
daß ich nicht was Verwirrtes tu!

Indessen ist der Notar mit dem Schreiber eingetreten, eingeführt durch Faninals Haushofmeister. Dieser meldet ihn dem Herrn von Faninal leise; Faninal geht zum Notar nach rückwärts hin, spricht mit ihm und sieht einen vom Schreiber vorgehaltenen Aktenfaszikel durch.
SOPHIE
zwischen den Zähnen.
Hat nie kein Mann dergleichen Reden nicht zu mir geführt!
Möcht wissen, was Ihm dünkt von mir und Ihm?
Was ist denn Er zu mir!
DER BARON
gemütlich.
Wird kommen über Nacht,
daß Sie ganz sanft
wird wissen, was ich bin zu Ihr.
Ganz wies im Liedl heißt – kennt Sie das Liedl?
»Lalalalala – wie ich dein Alles werde sein!
Mit mir, mit mir keine Kammer dir zu klein,
ohne mich, ohne mich jeder Tag dir so bang,
mit mir, mit mir keine Nacht dir zu lang!«

Sophie, da er sie fester an sich drückt, reißt sich los und stößt ihn heftig zurück.
DIE DUENNA
zu ihr eilend.
Ist recht ein familiärer Mann, der Herr Baron!
Man delektiert sich, was er alls für Einfäll hat!
[56]
OCTAVIAN
ohne hinzusehen, und doch sieht er auf alles was vorgeht.
Ich steh auf glühenden Kohlen!
Ich fahr aus meiner Haut!
Ich büß in dieser einen Stund
all meine Sünden ab!
DER BARON
für sich, sehr vergnügt.
Wahrhaftig und ja, ich hab ein lerchenauisch Glück!
Gibt gar nichts auf der Welt, was mich so enflammiert
und also vehement verjüngt als wie ein rechter Trotz!

Faninal und der Notar, hinter ihnen der Schreiber, sind an der linken Seite nach vorne gekommen.
DER BARON
sowie er den Notar erblickt, eifrig zu Sophie, ohne zu ahnen, was in ihr vorgeht.
Da gibts Geschäften jetzt, muß mich dispensieren,
bin dort von Wichtigkeit. Indessen
der Vetter Taverl leistet Ihr Gesellschaft!
FANINAL.
Wenns jetzt belieben tät, Herr Schwiegersohn!
DER BARON
eifrig.
Natürlich wirds belieben.

Im Vorbeigehen zum Octavian, den er vertraulich umfaßt.

Hab nichts dawider,
wenn du ihr möchtest Augerln machen, Vetter,
jetzt oder künftighin.
Ist noch ein rechter Rühr-nicht-an.
Betrachts als förderlich, je mehr sie degourdiert wird.
Ist wie bei einem jungen ungerittenen Pferd.
Kommt alls dem Angetrauten letzterdings zugute,
wofern er sich sein ehelich Privilegium
zunutz zu machen weiß.

Er geht nach links. Der Diener, der den Notar einließ, hat indessen die Türe links geöffnet. Faninal und der Notar schicken sich an, hineinzugehen. Der Baron mißt Faninal mit dem Blick und bedeutet ihm, drei Schritte Distanz zu nehmen. Faninal tritt devot zurück. Der Baron nimmt den Vortritt, vergewissert sich, daß Faninal drei Schritte Abstand hat, und geht gravitätisch durch die Tür links ab. Faninal hinter ihm, dann der Notar, dann der Schreiber. Der Bediente schließt die Türe links und [57] geht ab, läßt aber die Flügeltüre nach dem Vorsaal offen. Der servierende Diener ist schon früher abgegangen.
Sophie, rechts, steht verwirrt und beschämt. Die Duenna, neben ihr, knixt nach der Türe hin, bis sie sie schließt.
OCTAVIAN
mit einem Blick hinter sich, gewiß zu sein, daß die anderen abgegangen sind, tritt schnell zu Sophie hinüber; bebend vor Aufregung.
Wird Sie das Mannsbild da heiraten, ma cousine?
SOPHIE
einen Schritt auf ihn zu, leise.
Nicht um die Welt!

Mit einem Blick auf die Duenna.

Mein Gott, wär ich allein mit Ihm,
daß ich Ihn bitten könnt! daß ich Ihn bitten könnt!
OCTAVIAN
halblaut, schnell.
Was ists, das Sie mich bitten möcht? Sag Sie mirs schnell!
SOPHIE
noch einen Schritt näher zu ihm.
O mein Gott, daß Er mir halt hilft! Und Er wird mir
nicht helfen wollen, weil es halt Sein Vetter ist!
OCTAVIAN
heftig.
Nenn ihn Vetter aus Höflichkeit,
ist nicht weit her mit der Verwandtschaft, Gott sei Lob und Dank!
Hab ihn im Leben vor dem gestrig'n Tage nie gesehen!

Quer durch den Saal flüchten einige von den Mägden des Hauses, denen die Lerchenauischen Bedienten auf den Fersen sind. Der Leiblakai und der mit dem Pflaster auf der Nase jagen einem hübschen jungen Mädchen nach und bringen sie hart an der Schwelle zum Salon bedenklich in die Enge.
DER FANINALSCHE HAUSHOFMEISTER
kommt verstört hereingelaufen, die Duenna zu Hilfe holen.
Die Lerchenauischen sind voller Branntwein gesoffen
und gehn aufs Gesinde los, zwanzigmal ärger
als Türken und Crowaten!
DIE DUENNA.
Hol Er unsere Leut, wo sind denn die?

Läuft ab mit dem Haushofmeister, sie entreißen den beiden Zudringlichen ihre Beute und führen das Mädchen ab; alles verliert sich, der Vorsaal bleibt leer.
[58]
SOPHIE
nun da sie sich unbeachtet weiß, mit freier Stimme.
Und jetzt geht Er noch fort von mir
und ich – was wird denn jetzt aus mir?
OCTAVIAN.
Ich darf ja nicht bleiben –
Wie gern blieb ich bei Ihr.
SOPHIE
seufzend.
Er darf ja nicht bleiben –
OCTAVIAN.
Jetzt muß Sie ganz alleinig für uns zwei einstehen!
SOPHIE.
Wie? Für uns zwei? Das kann ich nicht verstehen.
OCTAVIAN.
Ja, für uns zwei! Sie wird mich wohl verstehn.
SOPHIE.
Ja! Für uns zwei! Sag Er das noch einmal!
Ich hab mein Leben so was Schönes nicht gehört.
Oh, sag Ers noch einmal.
OCTAVIAN.
Für sich und mich muß Sie das tun,
sich wehren, sich retten,
und bleiben, was Sie ist!
SOPHIE.
Bleib Er bei mir, dann kann ich alles, was Er will –
OCTAVIAN.
Mein Herz und Sinn –
SOPHIE.
Bleib Er bei mir!
OCTAVIAN.
– wird bei Ihr bleiben, wo Sie geht und steht!
SOPHIE.
Bleib Er bei mir, o bleib Er nur bei mir!

Aus den geheimen Türen in den rückwärtigen Ecken sind links Valzacchi, rechts Annina lautlos spähend herausgeglitten. Lautlos schleichen sie, langsam, auf den Zehen, näher.
Octavian zieht Sophie an sich, küßt sie auf den Mund. In diesem Augenblick sind die Italiener dicht hinter ihnen, ducken sich hinter den Lehnsesseln; jetzt springen sie vor, Annina packt Sophie, Valzacchi faßt Octavian.
[59]
VALZACCHI UND ANNINA
zu zweien schreiend.
Herr Baron von Lerchenau! – Herr Baron von Lerchenau! –
OCTAVIAN
springt zur Seite nach rechts.
VALZACCHI
der Mühe hat, ihn zu halten, atemlos zu Annina.
Lauf und 'ole Seine Gnade!
Snell, nur snell. Ick muß 'alten diese 'erre!
ANNINA.
Laß ich die Fräulein aus, läuft sie mir weg!
ZU ZWEIEN.
Herr Baron von Lerchenau!
Herr Baron von Lerchenau!
Komm' zu sehn die Fräulein Braut!
Mit ein junge Kavalier!
Kommen eilig, kommen hier!

Baron tritt aus der Tür links. Die Italiener lassen ihre Opfer los, springen zur Seite, verneigen sich vor dem Baron mit vielsagender Gebärde.
Sophie schmiegt sich ängstlich an Octavian.
DER BARON
die Arme über die Brust gekreuzt, betrachtet sich die Gruppe.
Unheilschwangere Pause. Endlich.
Eh bien, Mamsell, was hat Sie mir zu sagen?
SOPHIE
schweigt.
DER BARON
der durchaus nicht außer Fassung ist.
Nun, resolvier Sie sich!
SOPHIE.
Mein Gott, was soll ich sagen:
Er wird mich nicht verstehen!
DER BARON
gemütlich.
Das werden wir ja sehen!
OCTAVIAN
einen Schritt auf den Baron zu.
Eur Liebden muß ich halt vermelden,
daß sich in Seiner Angelegenheit
was Wichtiges verändert hat.
DER BARON
gemütlich.
Verändert? Ei, nicht daß ich wüßt!
OCTAVIAN.
Darum soll Er es jetzt erfahren!
Die Fräulein –
[60]
DER BARON.
Er ist nicht faul! Er weiß zu profitieren,
mit Seine siebzehn Jahr! Ich muß Ihm gratulieren!
OCTAVIAN.
Die Fräulein –
DER BARON
halb zu sich.
Ist mir ordentlich, ich seh mich selber!
Muß lachen über den Filou, den pudeljungen.
OCTAVIAN.
Die Fräulein –
DER BARON.
Seh! Sie ist wohl stumm und hat ihn angestellt
für ihren Advokaten!
OCTAVIAN.
Die Fräulein –

Er hält abermals inne, wie um Sophie sprechen zu lassen.
SOPHIE
angstvoll.
Nein! Nein! Ich bring den Mund nicht auf, sprech Er für mich!
OCTAVIAN.
Die Fräulein –
DER BARON
ihm nachstotternd.
Die Fräulein, die Fräulein! Die Fräulein! Die Fräulein!
Ist eine Kreuzerkomödi wahrhaftig!
Jetzt echappier Er sich, sonst reißt mir die Geduld.
OCTAVIAN
sehr bestimmt.
Die Fräulein, kurz und gut,
die Fräulein mag Ihn nicht.
DER BARON
gemütlich.
Sei Er da außer Sorg. Wird schon lernen mich mögen.

Auf Sophie zu.

Komm Sie jetzt da hinein: wird gleich an Ihrer sein,
die Unterschrift zu geben.
SOPHIE
zurücktretend.
Um keinen Preis geh ich an Seiner Hand hinein!
Wie kann ein Kavalier so ohne Zartheit sein!
OCTAVIAN
der jetzt zwischen den beiden anderen und der Türe links steht, sehr scharf.
[61] Versteht Er Deutsch? Die Fräulein hat sich resolviert.
Sie will Eur Gnaden ungeheirat' lassen
in Zeit und Ewigkeit!
DER BARON
mit der Miene eines Mannes, der es eilig hat.
Mancari! Jungfernred ist nicht gehaun und nicht gestochen!
Verlaub Sie jetzt!

Nimmt sie bei der Hand.
OCTAVIAN
sich vor die Tür stellend.
Wenn nur so viel an Ihm ist
von einem Kavalier,
so wird Ihm wohl genügen,
was Er gehört hat von mir!
DER BARON
tut, als hörte er ihn nicht, zu Sophie.
Gratulier Sie sich nur, daß ich ein Aug zudruck!
Daran mag Sie erkennen, was ein Kavalier ist!

Er macht Miene, mit ihr an Octavian vorbeizukommen.
OCTAVIAN
schlägt an seinen Degen.
Wird doch wohl ein Mittel geben,
Seinesgleichen zu bedeuten.
DER BARON
der Sophie nicht losläßt, sie jetzt vorschiebt gegen die Tür.
Ei, schwerlich, wüßte nicht!
OCTAVIAN.
Will Ihn denn vor diesen Leuten –
DER BARON
Gleiches Spiel.
Haben Zeit nicht zu verlieren.
OCTAVIAN.
– auch nicht länger menagieren.
DER BARON.
Ein andermal erzähl Er mir Geschichten
woanders oder hier.
OCTAVIAN
losbrechend.
Ich acht Ihn mit nichten
für einen Kavalier!
Auch für keinen Mann
seh ich Ihn an!
DER BARON.
Wahrhaftig, wüßt ich nicht, daß Er mich respektiert,
[62] und wär Er nicht verwandt, es wär mir jetzo schwer,
daß ich mit Ihm nicht übereinanderkäm!

Er macht Miene, Sophie mit scheinbarer Unbefangenheit gegen die Mitteltür zu führen, nachdem ihm die Italiener lebhaft Zeichen gegeben haben, diesen Weg zu nehmen.

Komm Sie! Gehn zum Herrn Vater dort hinüber!
Ist bereits der nähere Weg!
OCTAVIAN
ihm nach, dicht an ihr.
Ich hoff, Er kommt vielmehr jetzt mit mir hinters Haus,
ist dort recht ein bequemer Garten.
DER BARON
setzt seinen Weg fort, mit gespielter Unbefangenheit Sophie an der Hand nach jener Richtung zu führen bestrebt, über die Schulter zurück.
Bewahre. Wär mir jetzo nicht genehm.
Laß um alls den Notari nicht warten.
Wär gar ein affront für die Jungfer Braut!
OCTAVIAN
faßt ihn am Ärmel.
Beim Satan, Er hat eine dicke Haut!
Auch dort die Tür passiert Er mir nicht!
Ich schreis Ihm jetzt in Sein Gesicht:
Ich acht Ihn für einen Filou,
einen Mitgiftjäger,
einen durchtriebenen Lumpen und schmutzigen Bauer,
einen Kerl ohne Anstand und Ehr!
Und wenns sein muß, geb ich Ihm auf dem Fleck die Lehr!

Sophie hat sich vom Baron losgerissen und ist hinter Octavian zurückgesprungen. Sie stehen links, ziemlich vor der Tür.
DER BARON
steckt zwei Finger in den Mund und tut einen gellenden Pfiff.
Dann.
Was so ein Bub in Wien mit siebzehn Jahr
schon für ein vorlaut Mundwerk hat!

Er sieht sich nach der Mitteltür um.

Doch Gott sei Lob, man kennt in hiesiger Stadt
den Mann, der vor Ihm steht,
halt bis hinauf zur Kaiserlichen Majestät!
Man ist halt was man ist, und brauchts nicht zu beweisen.
Das laß Er sich gesagt sein und geb mir den Weg da frei.

Der Lerchenauische Livree ist vollzählig in der Mitteltür aufmarschiert; [63] er vergewissert sich dessen durch einen Blick nach rückwärts. Er rückt jetzt gegen die beiden vor, entschlossen, sich Sophiens und des Ausganges zu bemächtigen.

Wär mir wahrhaftig leid, wenn meine Leut dahinten –
OCTAVIAN
wütend.
Ah, untersteht Er sich, Seine Bedienten
hineinzumischen in unsern Streit
Jetzt zieh Er oder gnad Ihm Gott!

Er zieht.
Die Lerchenauischen, die schon einige Schritte vorgerückt waren, werden durch diesen Anblick einigermaßen unschlüssig und stellen ihren Vormarsch ein. Der Baron tut einen Schritt, sich Sophiens zu bemächtigen.
OCTAVIAN
schreit ihn an.
Zum Satan, zieh Er oder ich stech Ihn nieder!
SOPHIE.
O Gott, was wird denn jetzt geschehn!
DER BARON
retiriert etwas.
Vor einer Dame! pfui, so sei Er doch gescheit!
OCTAVIAN
fährt wütend auf ihn los.

Der Baron zieht, fällt ungeschickt aus und hat schon die Spitze von Octavians Degen im rechten Oberarm. Die Lerchenauischen stürzen vor.
DER BARON
indem er den Degen fallen läßt.
Mord! Mord! mein Blut! zu Hilfe! Mörder! Mörder! Mörder!

Die Diener stürzen alle zugleich auf Octavian los. Dieser springt nach rechts hinüber und hält sie sich vom Leib, indem er seinen Degen blitzschnell um
sich kreisen läßt. Der Almosenier, Valzacchi und Annina eilen auf den Baron zu, den sie stützen und auf einen der Stühle in der Mitte niederlassen.
DER BARON
von ihnen umgeben und dem Publikum verstellt.
Ich hab ein hitzig Blut! Einen Arzt, eine Leinwand!
Verband her! Ich verblut mich auf eins zwei!
Aufhalten den! Um Polizei, um Polizei!
DIE LERCHENAUISCHEN
indem sie mit mehr Ostentation als Entschlossenheit auf Octavian eindringen.
Den hauts z'samm! Den hauts z'samm!
[64] Spinnweb her! Feuerschwamm!
Reißts ihm den Spadi weg!
Schlagts ihn tot aufn Fleck!

Die sämtliche Faninalsche Dienerschaft, auch das weibliche Hausgesinde, Küchenpersonal, Stallpagen sind zur Mitteltür hereingeströmt.
ANNINA
auf sie zu.
Der junge Kavalier
und die Fräuln Braut, verstehts?
waren im geheimen
schon recht vertraut, verstehts?

Valzacchi und der Almosenier ziehen dem Baron, der stöhnt, seinen Rock aus.
DIE FANINALSCHE DIENERSCHAFT.
Gstochen is einer? Wer?
Der dort? Der fremde Herr?
Welcher? Der Bräutigam?
Packts den Duellanten z'samm!
Welcher is der Duellant?
Der dort im weißen Gwand!
Was, der Rosenkavalier?
Wegen was denn? Wegen ihr?
Angepackt! Niederghaut!
Wegen der Braut?
Wegen der Liebschaft!
Wütender Haß is!
Schauts nur die Fräuln an,
schauts, wie sie blaß is!
DIE DUENNA
bahnt sich den Weg, auf den Baron zu; sie umgeben den Baron in dichter Gruppe, aus welcher zugleich mit allen übrigen die Stimme der Duenna klagend hervortönt.
So ein fescher Herr! So ein guter Herr!
So ein schwerer Schlag! So ein groß Malheur!
OCTAVIAN
indem er sich seine Angreifer vom Leib hält.
Wer mir zu nah kommt,
der lernt beten!
Was da passiert ist,
kann ich vertreten.
[65]
SOPHIE
links vorne.
Alles geht durcheinand!
Furchtbar wars, wie ein Blitz,
wie ers erzwungen hat,
ich spür nur seine Hand,
die mich umschlungen hat!
Ich spür nichts von Angst,
ich spür nichts von Schmerz,
nur das Feur, seinen Blick,
durch und durch, bis ins Herz!
DIE LERCHENAUISCHEN
lassen von Octavian ab und gehen auf die ihnen zunächst stehenden Mägde handgreiflich los.
Leinwand her! Verband machen!
Fetzen ausn Gwand machen!
Vorwärts, keine Spanponaden,
Leinwand für Seine Gnaden!

Sie machen Miene, sich zu diesem Zweck der Hemden der jüngeren und hübscheren Mägde zu bemächtigen. In diesem Augenblick kommt die Duenna, die fortgestürzt war, zurück, atemlos, beladen mit Leinwand; hinter ihr zwei Mägde mit Schwamm und Wasserbecken. Sie umgeben den Baron mit eifriger Hilfeleistung. Faninal kommt zur Türe links hereingestürzt, hinter ihm der Notar und der Schreiber, die in der Türe ängstlich stehenbleiben.
DER BABON
man hört seine Stimme, ohne viel von ihm zu sehen.
Ich kann ein jedes Blut mit Ruhe fließen sehen,
nur bloß das meinig nicht! Oh! Oh!
So tu Sie doch was Gscheits, so rett Sie doch mein Leben!
Oh! Oh!

Sophie ist, wie sie ihres Vaters ansichtig wird, nach rechts vorne hingelaufen, steht neben Octavian, der nun seinen Degen einsteckt.
ANNINA
knixend und eifrig zu Faninal links vorne.
Der junge Kavalier
und die Fräuln Braut, Gnaden,
waren im geheimen
schon recht vertraut, Gnaden!
Wir voller Eifer
[66] fürn Herrn Baron, Gnaden,
haben sie betreten
in aller Devotion, Gnaden!
DIE DUENNA
um den Baron beschäftigt.
So ein fescher Herr! So ein groß Malheur!
So ein schwerer Schlag, so ein Unglückstag!
FANINAL
schlägt die Hände überm Kopf zusammen.
Herr Schwiegersohn! Wie ist Ihm denn? Mein Herr und Heiland!
Daß Ihm in mein' Palais hat das passieren müssen!
Gelaufen um den Medicus! Geflogen!
Meine zehn teuern Pferd zu Tod gehetzt!
Ja hat denn niemand von meiner Livree
dazwischenspringen mögen! Fütter ich dafür
ein Schock baumlange Lackeln, daß mir solche Schand
passieren muß in meinem neuchen Stadtpalais!

Auf Octavian zu.

Hätt wohl von Euer Liebden eines andern Anstands mich versehn!
DER BARON.
Oh! Oh!
FANINAL
abermals zu ihm hin.
Oh! Um das schöne freiherrliche Blut, was aufn Boden rinnt!

Gegen Octavian hin.

O pfui! So eine ordinäre Metzgerei!
DER BARON.
Hab halt ein jung und hitzig Blut, das ist ein Kreuz,
ist nicht zum Stillen! Oh!
FANINAL
auf Octavian losgehend.
War mir von Euer Liebden hochgräflicher Gegenwart allhier
wahrhaftig einer andern Freud gewärtig!
OCTAVIAN
höflich.
Er muß mich pardonieren.
Bin außer Maßen sehr betrübt über den Vorfall.
Bin aber ohne Schuld. Zu einer mehr gelegnen Zeit
erfahren Euer Liebden wohl den Hergang
aus Ihrer Fräulein Tochter Mund.
[67]
FANINAL
sich mühsam beherrschend.
Da möcht ich recht sehr bitten!
SOPHIE
entschlossen.
Wie Sie befehlen, Vater. Werd Ihnen alles sagen.
Der Herr dort hat sich nicht so wie er sollt betragen.
FANINAL
zornig.
Ei, von wem redt Sie da? Von Ihrem Herrn Zukünftigen?
Ich will nicht hoffen! Wär mir keine Manier.
SOPHIE
ruhig.
Ist nicht der Fall. Seh ihn mitnichten an dafür.

Der Arzt kommt, wird gleich zum Baron geführt.
FANINAL
immer zorniger.
Sieht ihn nicht an?
SOPHIE.
Nicht mehr. Bitt Sie dafür um gnädigen Pardon.
FANINAL
zuerst dumpf vor sich hin, dann in helle Wut ausbrechend.
Sieht ihn nicht an. Nicht mehr. Mich um Pardon.
Liegt dort gestochen. Steht bei ihr. Der Junge.
Blamage. Mir auseinander meine Eh.
Alle Neidhammeln von der Wieden und der Leimgrub'n
auf! In der Höh! Der Medicus. Stirbt mir womöglich!

Auf Sophie zu, in höchster Wut.

Sie heirat ihn!

Auf Octavian, indem der Respekt vor dem Grafen Rofrano seine Grobheit zu einer knirschenden Höflichkeit herabdämpft.

Möcht Euer Liebden recht in aller Devotion
gebeten haben, schleunig sich von hier zu retirieren
und nimmerwieder zu erscheinen!

Zu Sophie.

Hör Sie mich!
Sie heirat ihn! Und wenn er sich verbluten tät,
so heirat Sie ihn als Toter!

Der Arzt zeigt durch eine beruhigende Gebärde, daß der Verwundete sich in keiner Gefahr befindet.
Octavian sucht nach seinem Hut, der unter die Füße der Dienerschaft geraten war.
Eine Magd überreicht ihm den Hut.
Faninal macht Octavian eine Verbeugung, übertrieben höflich, [68] aber unzweideutig. Octavian muß wohl gehen, möchte aber gar zu gerne Sophie noch ein Wort sagen. Er erwidert zunächst Faninals Verbeugung durch ein gleich tiefes Kompliment.
SOPHIE
beeilt sich das folgende noch zu sagen, solange Octavian es hören kann.
Mit einer Reverenz.
Heirat den Herrn dort nicht lebendig und nicht tot!
Sperr mich zuvor in meine Kammer ein!
FANINAL
in Wut und nachdem er abermals eine wütende Verbeugung gegen Octavian gemacht hat, die Octavian prompt erwidert.
Ah! Sperrst dich ein. Sind Leut genug im Haus,
die dich in Wagen tragen werden.
SOPHIE
mit einem neuen Knix.
Spring aus dem Wagen noch, der mich zur Kirchn führt!
FANINAL
mit dem gleichen Spiel zwischen ihr und Octavian, der immer einen Schritt gegen den Ausgang tut, aber von Sophie in diesem Augenblick nicht loskann.
Ah! Springst noch aus dem Wagen! Na, ich sitz neben dir,
werd dich schon halten!
SOPHIE
mit einem neuen Knix.
Geb halt dem Pfarrer am Altar
Nein anstatt Ja zur Antwort!

Der Haushofmeister macht indessen die Leute abtreten. Die Bühne leert sich. Nur die Lerchenauischen bleiben bei ihrem Herrn zurück.
FANINAL
mit gleichem Spiel.
Ah! Gibst Nein anstatt Ja zur Antwort!
Ich steck dich in ein Kloster stante pede!
Marsch! Mir aus meine Augen! Lieber heut als morgen!
Auf Lebenszeit!
SOPHIE
erschrocken.
Ich bitt Sie um Pardon! Bin doch kein schlechtes Kind!
Vergeben Sie mir nur dies eine Mal!
FANINAL
hält sich in Wut die Ohren zu.
Auf Lebenszeit. Auf Lebenszeit.
OCTAVIAN
schnell halblaut.
Sei Sie nur ruhig, Liebste, um alles!
Sie hört von mir!

Duenna stößt Octavian, sich zu entfernen.
[69]
FANINAL.
Auf Lebenszeit!
DIE DUENNA
zieht Sophie mit sich nach rechts.
So geh doch nur dem Vater aus die Augen!

Zieht sie zur Türe rechts hinaus, schließt die Tür. Octavian ist zur Mitteltür abgegangen.
Baron, umgeben von seiner Dienerschaft, der Duenna, zwei Mägden, den Italienern und dem Arzt, wird auf einem aus Sitzmöbeln improvisierten Ruhebett jetzt in ganzer Gestalt sichtbar.
FANINAL
schreit nochmals durch die Türe rechts, durch die Sophie abgegangen ist.
Auf Lebenszeit!

Eilt dann dem Baron entgegen.

Bin überglücklich! Muß Euer Liebden embrassieren!
DER BARON
dem er bei der Umarmung am Arm wehgetan.
Oh! Oh!
FANINAL.
Jesus Maria!

Nach rechts hin in innerer Wut.

Luderei! Ein Kloster.

Nach der Mitteltür.

Ein Gefängnis!
Auf Lebenszeit!
DER BARON.
Is gut! Is gut! Ein Schluck von was zu trinken!
FANINAL.
Ein Wein? Ein Bier? Ein Hippokras mit Ingwer?

Der Arzt macht eine ängstlich abwehrende Bewegung.
FANINAL.
So einen Herrn zurichten miserabel,
in meinem Stadtpalais! Sie heirat Ihn um desto früher!
Bin Manns genug!
DER BARON.
Is gut, alls gut!
FANINAL
macht die Türe rechts, in aufflammender Wut.
Bin Manns genug!

Zum Baron zurück.

Küß ihm die Hand für seine Güt und Nachsicht.
[70] Gehört alls Ihm im Haus. Ich lauf – ich bring Ihm –

Nach rechts.

Ein Kloster ist zu gut! Sei Er nur außer Sorg.
Weiß was ich Satisfaktion Ihm schuldig bin.

Stürzt ab. Desgleichen gehen Duenna und Mägde ab.
Die beiden Italiener sind schon während des obigen
fortgeschlichen.
DER BARON
halb aufgerichtet.
Da lieg ich! Was ei'm Kavalier nicht alls passieren kann
in dieser Wienerstadt!
Wär nicht mein Gusto, – ist eins allzusehr in Gottes Hand,
wär lieber schon daheim!

Ein Diener ist aufgetreten, eine Kanne Wein zu servieren.
DER BARON
macht eine Bewegung, wodurch sich ihm der Schmerz im Arm erneuert.
Oh! Oh! Der Satan! Oh! Oh! Sakramentsverfluchter Bub,
nit trocken hintern Ohr und fuchtelt mitn Spadi!
Wällischer Hundsbub das! Wart, wenn ich dich erwisch!
In Hundezwinger sperr ich dich, bei meiner Seel,
in Hühnerstall! In Schweinekofen!
Tät dich kuranzen! Solltest alle Engel singen hören!

Der Arzt schenkt ihm ein Glas Wein ein, präsentiert es ihm.
DER BARON
nachdem er getrunken.
Und doch, muß lachen, wie sich so ein Bub
mit seine siebzehn Jahr die Welt imaginiert:
meint, Gott weiß wie er mich contrecarriert!
Hoho! umkehrt ist auch gfahren – möcht um alles nicht,
daß ich dem Mädel ihr rebellisch Aufbegehren nicht verspüret hätt:
Gibt auf der Welt nichts, was mich entflammiert
und also vehement verjüngt als wie ein rechter Trotz!

Zum Arzt gewandt.

Bin willens, jetzt mich in mein Kabinettl zu verfügen und eins zu ruhn.
Herr Medicus, begeb Er sich indes voraus!
Mach Er das Bett aus lauter Federbetten.
Ich komm. Erst aber trink ich noch. Marschier Er nur indessen.

[71] Der Arzt geht ab mit dem Leiblakai.
Annina ist durch den Vorsaal hereingekommen und schleicht sich verstohlen heran, einen Brief in der Hand.
DER BARON
vor sich, den zweiten Becher leerend.
Ein Federbett. Zwei Stunden bis zu Tisch. Werd Zeit lang haben.
»Ohne mich, ohne mich jeder Tag dir so bang,
mit mir, mit mir keine Nacht dir zu lang.«
ANNINA
stellt sich so, daß der Baron sie sehen muß, und winkt ihm geheimnisvoll mit dem Brief.
DER BARON.
Für mich?
ANNINA
näher.
Von der Bewußten.
DER BARON.
Wer soll da gemeint sein?
ANNINA
ganz nahe.
Nur eigenhändig, insgeheim, zu übergeben.
DER BARON.
Luft da!

Die Diener treten zurück, nehmen den Faninalschen ohne weiters die Weinkanne ab und trinken sie leer.
DER BARON.
Zeig Sie den Wisch!

Reißt mit der Linken den Brief auf. Versucht ihn zu lesen, indem er ihn sehr weit von sich weghält.

Such Sie in meiner Taschen meine Brillen.

Mißtrauisch, da sie sich dazu anschickt.

Nein: Such Sie nicht! Kann Sie Geschriebnes lesen?
Da.
ANNINA
nimmt und liest.
»Herr Kavalier! Den Sonntagabend hätt i frei.
Sie ham mir schon gefallen, nur geschamt
hab i mi vor die Fürstli'n Gnadn
weil i noch gar so jung bin. Das bewußte Mariandel,
Kammerzofel und Verliebte.
Wenn der Herr Kavalier den Nam nit schon vergessen hat.
I wart auf Antwort.«
[72]
DER BARON.
Sie wart auf Antwort.
Geht alles recht am Schnürl, so wie zu Haus,
und hat noch einen andern Schick dazu.
Ich hab halt schon einmal ein lerchenauisch Glück.
Komm Sie nach Tisch, geb Ihr die Antwort nachher schriftlich.
ANNINA.
Ganz zu Befehl, Herr Kavalier. Vergessen nicht der Botin?
DER BARON
vor sich.
»Ohne mich, ohne mich jeder Tag dir so bang.«
ANNINA
dringlicher.
Vergessen nicht der Botin, Euer Gnadn?
DER BARON.
Schon gut.
»Mit mir, mit mir keine Nacht dir zu lang.«
Das später. Alls auf einmal. Dann zum Schluß.
Sie wart auf Antwort! Tret Sie ab indessen.
Schaff Sie ein Schreibzeug in mein Zimmer. Hier dort drüben,
daß ich die Antwort dann diktier.
ANNINA
ab.
DER BARON
noch einen letzten Schluck, im Abgehen von seinen Leuten begleitet, behaglich.
»Mit mir, mit mir keine Nacht dir zu lang!«

Vorhang.

3. Akt

[73] Dritter Akt

Ein Extrazimmer in einem Gasthaus. Im Hintergrunde links ein Alkoven, darin ein Bett. Der Alkoven durch einen Vorhang verschließbar, der sich auf- und zuziehen läßt. Vorne rechts Türe ins Nebenzimmer. Rechts steht ein für zwei Personen gedeckter Tisch, auf diesem ein großer, vielarmiger Leuchter. In der Mitte rückwärts Türe auf den Korridor. Daneben links ein Büfett. Rechts rückwärts ein blindes Fenster, vorne links ein Fenster auf die Gasse. Armleuchter mit Kerzen auf den Seitentischen sowie an den Wänden. Es brennt nur je eine Kerze in den Leuchtern auf den Seitentischen. Das Zimmer halbdunkel.
Annina steht da, als Dame in Trauer gekleidet. Valzacchi richtet Annina den Schleier, zupft da und dort das Kleid zurecht, tritt zurück, mustert sie, zieht einen Crayon aus der Tasche, untermalt ihr die Augen. Die Türe rechts wird vorsichtig geöffnet, ein Kopf erscheint, verschwindet wieder, dann kommt eine nicht ganz unbedenklich aussehende, aber ehrbar gekleidete Alte durch die rückwärtige Tür hereingeschlüpft, öffnet lautlos die Tür und läßt respektvoll Octavian eintreten, in Frauenkleidern, mit einem Häubchen, wie es die Bürgerstöchter tragen.
Octavian, hinter ihm die Alte, gehen auf die beiden anderen zu, werden sogleich von Valzacchi bemerkt, der in seiner Arbeit innehält und sich vor Octavian verneigt. Annina erkennt nicht sofort den Verkleideten, sie kann sich vor Staunen nicht fassen, knixt dann tief. Octavian greift in die Tasche (nicht wie eine Dame, sondern wie ein Herr, und man sieht, daß er unter dem Reifrock Männerkleider und Reitstiefel an hat, aber ohne Sporn) und wirft Valzacchi eine Börse zu.
Valzacchi und Annina küssen ihm die Hände, Annina richtet noch an Octavians Brusttuch. Indessen sind fünf verdächtige Herren unter Vorsichtsmaßregeln von rechts eingetreten. Valzacchi bedeutet sie mit einem Wink, zu warten. Sie stehen rechts nahe der Türe. Valzacchi zieht seine Uhr, zeigt Octavian: es ist hohe Zeit. Octavian [74] geht eilig durch die Mitteltüre ab, gefolgt von der Alten, die als seine Begleiterin figuriert. Annina geht zum Spiegel (alles mit Vorsicht, jedes Geräusch vermeidend), arrangiert sich noch, zieht dann einen Zettel hervor, woraus sie ihre Rolle zu lernen scheint. Valzacchi nimmt die Verdächtigen nach vorne, indem er mit jeder Gebärde die Notwendigkeit höchster Vorsicht andeutet. Die Verdächtigen folgen ihm auf den Zehen nach der Mitte. Er bedeutet ihrer einen, ihm zu folgen:
lautlos, ganz lautlos. Führt ihn an die Wand rechts, öffnet lautlos eine Falltür unfern des gedeckten Tisches, läßt den Mann hinabsteigen, schließt wieder die Falltür. Dann winkt er zwei zu sich, schleicht ihnen voran bis an die Eingangstüre, steckt den Kopf heraus, vergewissert sich, daß niemand zusieht, winkt die zwei zu sich, läßt sie dort hinaus. Dann schließt er die Türe, führt die beiden letzten leise an die Tür zum Nebenzimmer vorne, schiebt sie hinaus. Winkt Annina zu sich, geht mit ihr leise links ab, die Türe lautlos hinter sich schließend. Nach einem Augenblick kommt er wieder herein: klatscht in die Hände. Der eine Versteckte hebt sich mit halbem Leib aus dem Boden hervor. Zugleich erscheinen ober dem Bett und an anderen Stellen Köpfe und verschwinden sogleich wieder, die geheimen Schiebtüren schließen sich ohne Geräusch. Valzacchi sieht abermals nach der Uhr, geht nach rückwärts, öffnet die Eingangstür, dann zieht er ein Feuerzeug hervor, beginnt eifrig die Kerzen auf dem Tisch anzuzünden. Ein Kellner und ein Kellnerjunge kommen durch die Mitteltüre gelaufen mit zwei Stöcken zum Kerzenanzünden und einer kleinen Leiter. Entzünden die Leuchter auf den Seitentischen, dann die zahlreichen Wandarme. Sie haben die Türe hinter sich offengelassen, man hört aus einem anderen Zimmer Tanzmusik spielen.
Valzacchi eilt zur Mitteltür, öffnet dienstbeflissen auch den zweiten Flügel, springt unter Verneigung zur Seite. Baron Ochs erscheint, den Arm in der Schlinge, Octavian mit der Linken führend, hinter ihm der Leiblakai. Baron mustert den Raum. Octavian sieht herum, nimmt den Spiegel, richtet sein Haar. Baron bemerkt den Kellner und Kellnerjungen, die noch mehr Kerzen anzünden wollen, winkt ihnen, sie sollten es sein lassen. In ihrem Eifer bemerken sie es nicht.
Baron, ungeduldig, reißt den Kellnerjungen von der Leiter, löscht einige ihm zunächst brennende Kerzen mit der Hand aus. Valzacchi [75] zeigt dem Baron diskret den Alkoven und durch eine Spalte des Vorhanges das Bett. Der Wirt mit noch mehreren Kellnern eilt herbei, den vornehmen Gast zu begrüßen.

WIRT.
Haben Euer Gnaden weitere Befehle?
DIE KELLNER.
Befehlen mehr Lichter? Ein größeres Zimmer? Befehlen noch mehr
Silber auf den Tisch?
DER BARON
eifrig beschäftigt, mit einer Serviette, die er vom Tisch genommen und entfaltet hat, alle ihm erreichbaren Kerzen auszulöschen.
Verschwindts! Macht mir das Madel nicht verruckt!
Was will die Musik? Hab sie nicht bestellt.
WIRT.
Schaffen vielleicht, daß man sie näher hört?
Im Vorsaal da, als Tafelmusik.
DER BARON.
Laß Er die Musik wo sie ist.

Bemerkt das Fenster rechts rückwärts im Rücken des gedeckten Tisches.

Was is das für ein Fenster da?

Probiert, ob es hereinzieht.
WIRT.
Ein blindes Fenster nur.

Verneigt sich.

Darf aufgetragen werdn?

Alle fünf Kellner wollen abeilen.
DER BARON.
Halt, was wollen die Maikäfer da?
DIE KELLNER
an der Tür.
Servieren, Euer Gnaden!
DER BARON
winkt ab.
Brauch niemand nicht. Servieren wird mein Kammerdiener da,
einschenken tu ich selber. Versteht Er?

Valzacchi bedeutet sie, den Willen Seiner Gnaden wortlos zu respektieren. Schiebt sie zur Tür hinaus.
[76]
DER BARON
zu Valzacchi, indem er aufs neue eine Anzahl von Kerzen auslöscht, darunter mit einiger Mühe die hoch an der Wand brennenden.
Er ist ein braver Kerl. Wenn Er mir hilft, die Rechnung runterdrucken,
dann fallt was ab für Ihn. Kost' sicher hier ein Martergeld.

Valzacchi unter Verneigung ab.
Octavian ist nun fertig.
Baron führt ihn zu Tisch, sie setzen sich.
Der Lakai am Büfett sieht mit unverschämter Neugierde der Entwicklung des Tete-a-tete entgegen, stellt Karaffen mit Wein vom Büfett auf den Eßtisch.
Baron schenkt ein. Octavian nippt. Baron küßt Octavian die Hand. Octavian entzieht ihm die Hand. Baron winkt dem Lakaien abzugehen, muß es mehrmals wiederholen, bis der Lakai endlich geht.
OCTAVIAN
schiebt sein Glas zurück.
Nein, nein, nein, nein! I trink kein Wein.
DER BARON.
Geh, Herzerl, was denn? Mach doch keine Faxen.
OCTAVIAN.
Nein, nein, i bleib net da.

Springt auf, tut, als wenn er fort wollte.
DER BARON
packt ihn mit seiner Linken.
Sie macht mich deschparat.
OCTAVIAN.
Ich weiß schon, was Sie glauben! O Sie schlimmer Herr!
DER BARON
sehr laut.
Saperdipix! Ich schwör bei meinem Schutzpatron!
OCTAVIAN
tut sehr erschrocken, läuft, als ob er sich irrte, statt zur Ausgangstür gegen den Alkoven, reißt den Vorhang auseinander, erblickt das Bett.
Gerät in übermäßiges Staunen, kommt ganz betroffen auf den Zehen zurück.
Jesus Maria, steht a Bett drin, a mordsmäßig großes.
Ja mei, wer schlaft denn da?
DER BARON
führt ihn zurück an den Tisch.
Das wird Sie schon sehen. Jetzt komm Sie, setz Sie sich schön.
[77] Kommt gleich der mitn Essen. Hat Sie denn kein' Hunger nicht?

Legt ihm die Linke um die Taille.
OCTAVIAN.
Au weh, wo Sie ja doch ein Bräutigam tun sein.

Wehrt ihn ab.
DER BARON.
Ah laß Sie schon einmal das fade Wort!
Sie hat doch einen Kavalier vor sich
und keinen Seifensieder:
Ein Kavalier läßt alles,
was ihm nicht konveniert,
da draußen vor der Tür. Hier sitzt kein Bräutigam
und keine Kammerjungfer nicht.
Hier sitzt mit seiner Allerschönsten ein Verliebter beim Souper.

Zieht ihn zu sich.
Octavian lehnt sich kokett in den Sessel zurück, mit halbgeschlossenen Augen.
DER BARON
erhebt sich, der Moment für den ersten Kuß scheint ihm gekommen.

Wie sein Gesicht dem der Partnerin ganz nahe ist, durchzuckt ihn jäh die Ähnlichkeit mit Octavian. Er fährt zurück und greift unwillkürlich nach dem verwundeten Arm.

Is ein Gesicht! Verfluchter Bub!

Verfolgt mich als a Wacher und im Traum!


Octavian öffnet die Augen, blickt ihn frech und kokett an. Baron, nun wieder versichert, daß es die
Zofe ist, zwingt sich zu einem Lächeln. Aber der Schreck ist ihm nicht ganz aus den Gliedern. Er muß Luft schöpfen, und der Kuß bleibt aufgeschoben. Der Mann unter der Falltür öffnet zu früh und kommt zum Vorschein. Octavian, der ihm gegenübersitzt, winkt ihm eifrig zu verschwinden. Der Mann verschwindet sofort. Baron, der, um den unangenehmen Eindruck von sich abzuschütteln, ein paar Schritte getan hat und sie von rückwärts umschlingen und küssen will, sieht gerade noch den Mann. Er erschrickt heftig, zeigt hin.
OCTAVIAN
als verstünde er nicht.
Was ist mit Ihm?
[78]
DER BARON
auf die Stelle deutend, wo die Erscheinung verschwunden ist.
Was war denn das? Hat Sie den nicht gesehn?
OCTAVIAN.
Da is ja nix!
DER BARON.
Da is nix?

Nun wieder ihr Gesicht angstvoll musternd.

So?
Und da is auch nix?

Fährt mit der Hand über ihr Gesicht.
OCTAVIAN.
Da is mei G'sicht.
DER BARON
atmet schwer, schenkt sich ein Glas Wasser ein.
Da is Ihr Gsicht – und da is nix – mir scheint,
ich hab die Kongestion.

Setzt sich schwer, es ist ihm ängstlich zumute. Der Lakai kommt, serviert. Die Musik von draußen stärker.
OCTAVIAN.
Die schöne Musik!
DER BARON
wieder sehr laut.
Is mei Leiblied, weiß Sie das?

Winkt dem Lakaien abzugehen, Lakai geht.
OCTAVIAN
horcht auf die Musik.
Da muß ma weinen.
DER BARON.
Was?
OCTAVIAN.
Weils gar so schön is.
DER BARON.
Was, weinen? Wär nicht schlecht.
Kreuzlustig muß Sie sein, die Musik geht ins Blut.
Gspürt Sies jetzt
auf die letzt, gspürt Sies dahier,
daß Sie aus mir
kann machen alles frei, was Sie nur will?
OCTAVIAN
zurückgelehnt, wie zu sich selbst sprechend, mit unmäßiger Traurigkeit.
[79] Es is ja eh alls eins, es is ja eh alls eins,
was ein Herz auch noch so gach begehrt.

Indes der Baron ihre Hand faßt.

Na was willst denn halt, so mit aller Gwalt,
geh, es is ja alls net drumi wert.
DER BARON.
Was hat Sie? Is sehr wohl der Müh wert!
OCTAVIAN
immer gleich melancholisch.
Wie die Stund hingeht, wie der Wind verweht,
so sind wir bald alle zwei dahin.
Menschen sein ma halt, richt'ns nicht mit Gwalt,
weint uns niemand nach, net dir net und net mir.
DER BARON.
Macht Sie der Wein leicht immer so? Is ganz gewiß Ihr Mieder, das aufs Herz Ihr druckt.
OCTAVIAN
mit geschlossenen Augen gibt keine Antwort.
DER BARON
steht auf und will ihr aufschnüren.
Jetzt wirds frei mir ein bisserl heiß.

Schnell entschlossen nimmt er seine Perücke ab und sucht sich einen Platz, sie abzulegen. Indem erblickt er ein Gesicht, das sich über dem Alkoven zeigt und
ihn anstarrt. Das Gesicht verschwindet gleich wieder. Er sagt sich: Kongestionen! und verscheucht sich den Schrecken, muß sich aber doch die Stirne abwischen. Sieht nun wieder die Zofe willenlos, wie mit gelösten Gliedern, dasitzen. Das ist stärker als alles, und er nähert sich ihr zärtlich. Da meint er wieder das Gesicht Octavians ganz nahe dem seinigen zu erkennen, und er fährt abermals zurück. Mariandl rührt sich kaum. Abermals verscheucht der Baron sich den Schreck, zwingt Munterkeit in sein Gesicht zurück, da fällt sein Auge von neuem auf einen fremden Kopf, welcher aus der Wand hervorstarrt. Nun ist er maßlos geängstigt, er schreit dumpf auf, ergreift die Tischglocke und schwingt sie wie rasend.

Da, da, da, da!

Plötzlich springt das angeblich blinde Fenster auf, Annina in schwarzer Trauerkleidung erscheint und zeigt mit ausgestreckten Armen auf den Baron.
DER BARON
außer sich vor Angst.
Da, da, da, da!

Sucht sich den Rücken zu decken.
[80]
ANNINA.
Er ists! Es ist mein Mann! Er ist es!

Verschwindet.
DER BARON
angstvoll.
Was ist denn das?
OCTAVIAN.
Das Zimmer ist verhext!

Schlägt ein Kreuz.
ANNINA
gefolgt von dem Intriganten, der sie scheinbar abzuhalten sucht, vom Wirt und von drei Kellnern, stürzt zur Mitteltür herein; sie bedient sich des böhmisch-deutschen Akzents, aber gebildeter Sprechweise.
Es ist mein Mann, ich leg Beschlag auf ihn!
Gott ist mein Zeuge, Sie sind meine Zeugen!
Gerichte! Hohe Obrigkeit! Die Kaiserin
muß ihn mir wiedergeben!
DER BARON
zum Wirt.
Was will das Weibsbild da von mir, Herr Wirt?
Was will der dort und der und der?

Zeigt nach allen Richtungen.

Der Teufel frequentier sein gottverfluchtes Extrazimmer.
ANNINA.
Er wagt mich zu verleugnen, ah!
Er tut, als ob er mich nicht täte kennen.
DER BARON
hat sich eine kalte Kompresse auf den Kopf gelegt, hält sie mit der Linken fest, geht dann dicht auf die Kellner, den Wirt, zuletzt auf Annina zu, mustert sie ganz scharf, um sich über ihre Realität klarzuwerden.
Vor Annina.
Is auch lebendig!

Wirft die Kompresse weg. Sehr bestimmt.

Ich hab wahrhaftigen Gott das Möbel nie gesehn!
ANNINA
klagenden Tons.
Aah!
DER BARON
zum Wirt.
Debarassier Er mich und laß Er fortservieren.
Ich hab Sein Beisl heut zum letztenmal betreten.
ANNINA
als entdeckte sie erst jetzt die Gegenwart Octavians.
Aah! Es ist wahr, was mir berichtet wurde,
[81] er will ein zweites Mal heiraten, der Infame,
ein zweites unschuldiges Mädchen, so wie ich es war.
DER WIRT, DIE KELLNER.
Oh, Euer Gnaden!
DER BARON.
Bin ich in einem Narrnturm? Kreuzelement!

Schüttelt kräftig mit der Linken Valzacchi, der ihm zunächst steht.

Bin ich der Baron Lerchenau oder bin ich es nicht?

Fährt mit dem Finger ins Licht.

Is das ein Kerzl, is das ein Serviettl?

Schlägt mit der Serviette durch die Luft.

Bin ich bei mir?
ANNINA.
Ja, ja, du bist es, und so wahr als du es bist,
bin ich es auch, und du erkennst mich wohl,
Leupold Anton von Lerchenau,
bedenkt, dort oben ist ein Höherer,
der deine Schlechtigkeit durchschaut und richten wird.
DER BARON
starrt sie fassungslos an.
Für sich.
Kommt mir bekannt vor.

Sieht wieder auf Octavian.

Habn doppelte Gesichter, alle miteinander.

Sieht angstvoll nach den Stellen in der Wand und im Fußboden.

Is was los mit mir, was Fürchterliches!

Geht wie verloren ganz nach vorne an die Rampe.
DIE KELLNER
dumpf.
Die arme Frau, die arme Frau Baronin!
ANNINA.
Kinder! herein! und hebts die Hände auf zu ihm!

Vier Kinder zwischen vier und zehn Jahren stürzen herein und auf Anninas Wink auf den Baron zu.
DIE KINDER
durchdringend.
Papa! Papa! Papa!
ANNINA.
Hörst du die Stimme deines Bluts!?
DER BARON
schlägt wütend mit einer Serviette, die er vom Tisch reißt, nach ihnen.
[82] Debarassier Er mich von denen da,
von der, von dem, von dem, von dem!

Zeigt nach allen Richtungen.
WIRT
im Rücken des Barons leise.
Halten zu Gnaden, gehen nicht zu weit,
Könnten recht bitter-böse Folgen von der Sach gespüren.
DER BARON.
Was? Ich was gspüren? Von dem Möbel da?
Habs nie nicht angerührt, nicht mit der Feuerzang!
ANNINA
schreit klagend auf.
Aah!
WIRT
wie oben.
Die Bigamie ist halt kein Gspaß – ist – haben schon die Gnad –
ein Kapitalverbrechen!
VALZACCHI
sich ebenfalls an den Baron heranschleichend.
Ik rat Euer Gnadn, seien vorsicktig!
Die Sittenpolizei sein gar nit tolerant!
DER BARON
in Wut.
Die Bigamie? Nit tolerant? Papa, Papa, Papa?

Greift sich an den Kopf.

Schmeiß Er hinaus das Trauerpferd! Wer? Was? Er will nicht?
Was? Polizei! Die Lackln wolln nicht? Spielt das Gelichter
leicht alles unter einem Leder gegen meiner?
Sein wir in Frankreich? Sein wir unter die Kurutzen?
Oder in Kaiserlicher Hauptstadt? Polizei!

Reißt das Gassenfenster auf.

Herauf da, Polizei! Gilt Ordnung herzustellen
und einer Standsperson zu Hilf zu eilen.
WIRT.
Mein renommiertes Haus! Das muß mein Haus erleben!
DIE KINDER.
Papa! Papa! Papa!
VALZACCHI
indessen leise zu Octavian.
OCTAVIAN
leise.
Ist gleich wer fort, den Faninal zu holen?
VALZACCHI.
Sogleich in Anfang. Wird sogleich zur Stelle sein.
[83]
STIMMEN VON AUSSEN
dumpf.
Die Polizei, die Polizei!

Kommissarius und zwei Wächter treten auf. Alles rangiert sich, ihnen Platz zu machen.
VALZACCHI
zu Octavian leise.
O weh, was macken wir?
OCTAVIAN.
Verlaß Er sich auf mich und laß Ers gehn wies geht.
VALZACCHI.
Zu Euer Exzellenz Befehl!
KOMMISSARIUS
scharf.
Halt! Keiner rührt sich! Was ist los?
Wer hat um Hilf geschrien? Wer hat Skandal gemacht?
DER BARON
auf ihn zu, mit der Sicherheit des großen Herrn.
Is alls in Ordnung jetzt. Bin mit Ihm wohl zufrieden.
Hab gleich verhofft, daß in der Wienerstadt alls wie am Schnürl geht.
Schaff Er mir da das Pack vom Hals; ich will in Ruh soupieren.
KOMMISSARIUS.
Wer ist der Herr? Was gibt dem Herrn Befugnis?
Ist Er der Wirt?

Baron sperrt den Mund auf.
KOMMISSARIUS
scharf.
Dann halt Er sich gefällig still
und wart Er, bis man Ihn vernehmen wird.

Der Baron retiriert sich etwas perplex, beginnt nach seiner Perücke zu suchen, die in dem Tumult abhanden gekommen ist und unauffindbar bleibt.
KOMMISSARIUS
nimmt Platz, die zwei Wächter nehmen hinter ihm Stellung.
Wo ist der Wirt?
WIRT
devot.
Mich dem Herrn Oberkommissarius schönstens zu rekommandieren.
KOMMISSARIUS.
Die Wirtschaft da rekommandiert Ihn schlecht!
Bericht Er jetzt.
[84]
WIRT.
Herr Oberkommissar!
KOMMISSARIUS.
Ich will nicht hoffen, daß Er mir mit Leugnen kommt.
WIRT.
Herr Kommissarius!
KOMMISSARIUS.
Vom Anfang!
WIRT.
Da hier, der Herr Baron!
KOMMISSARIUS.
Der große Dicke da? Wo hat er sein Paruckl?
DER BARON
der die ganze Zeit gesucht hat.
Das frag ich Ihn!
WIRT.
Das ist der Herr Baron von Lerchenau!
KOMMISSARIUS.
Genügt nicht.
DER BARON.
Was?
KOMMISSARIUS.
Hat Er Personen nahebei?
Die für Ihn Zeugnis geben?
DER BARON.
Gleich bei der Hand! Da, hier mein Sekretär, ein Italiener.
VALZACCHI
wechselt mit Octavian einen Blick des Einverständnisses.
Ich excusier mick. Ick weiß nix. Die Herr
kann sein Baron, kann sein auch nit. Ick weiß von nix.
DER BARON
außer sich.
Das ist doch stark, wällischer Bruder, falscher!

Geht mit erhobener Linken auf ihn los. [Leiblakei ist sehr betreten über die Situation. Jetzt scheint er einen rettenden Einfall zu haben und stürzt plötzlich zur Mitteltür fort, ab.]
[85]
KOMMISSARIUS
zum Baron scharf.
Fürs erste moderier Er sich.

Wächter springt vor, hält den Baron zurück.
OCTAVIAN
der bisher ruhig rechts gestanden, tut nun, als ob er, in Verzweiflung hin- und herirrend, den Ausweg nicht fände, und das Fenster für eine Ausgangstür hält.
O mein Gott, in die Erdn möcht ich sinken!
Heilige Mutter von Maria Taferl!
KOMMISSARIUS.
Wer ist dort die junge Person?
DER BARON.
Die? Niemand. Sie steht unter meiner Protektion!
KOMMISSARIUS.
Er selber wird bald eine Protektion sehr nötig haben.
Wer ist das junge Ding, was macht sie hier?

Blickt um sich.

Ich will nicht hoffen, daß Er ein gottverdammter Deboschierer
und Verführer ist. Da könnts Ihm schlecht ergehn.
Wie kommt Er zu dem Mädel? Antwort will ich.
OCTAVIAN.
Ich geh ins Wasser!

Rennt gegen den Alkoven, wie um zu flüchten, und reißt den Vorhang auf, so daß man das Bett friedlich beleuchtet dastehen sieht.
KOMMISSARIUS
erhebt sich.
Herr Wirt, was seh ich da?
Was für ein Handwerk treibt denn Er?
WIRT
verlegen.
Wenn ich Personen von Stand zum Speisen oder Nachtmahl hab –
KOMMISSARIUS.
Halt Er den Mund. Ich nehm Ihn später vor.

Zum Baron.

Jetzt zähl ich noch bis drei, dann will ich wissen,
wie Er da zu dem jungen Bürgermädchen kommt.
Ich will nicht hoffen, daß Er sich einer falschen Aussag wird unterfangen.

[86] Wirt und Valzacchi deuten dem Baron durch Gebärden die Gefährlichkeit der Situation und die Wichtigkeit seiner Aussage an.
DER BARON
winkt ihnen mit großer Sicherheit, sich auf ihn zu verlassen, er sei kein heuriger Has.
Wird wohl kein Anstand sein bei Ihm,
Herr Kommissar, wenn eine Standsperson
mit seiner ihm verlobten Braut um neune
abends ein Souper einnehmen tut.

Blickt um sich, die Wirkung seiner schlauen Aussage abzuwarten.
KOMMISSARIUS.
Das wäre Seine Braut? Geb Er den Namen an
vom Vater unds Logis; wenn Seine Angab stimmt,
mag Er sich mit der Jungfer retirieren.
DER BARON.
Ich bin wahrhaftig nicht gewöhnt, in dieser Weise –
KOMMISSARIUS
scharf.
Mach Er die Aussag oder ich zieh andre Saiten auf.
DER BARON.
Werd nicht manquieren. Ist die Jungfer Faninal
Sophia, Anna Barbara, eheliche Tochter
des wohlgeborenen Herrn von Faninal,
wohnhaft am Hof im eigenen Palais.

An der Tür haben sich Gasthofpersonal, andere Gäste, auch einige der Musiker aus dem anderen Zimmer neugierig angesammelt.
Herr von Faninal drängt sich durch sie durch, eilig, aufgeregt, in Hut und Mantel.
FANINAL.
Zur Stell! Was wird von mir gewünscht?

Auf den Baron zu.

Wie sieht Er aus?
War mir vermutend nicht, zu dieser Stunde
in ein gemeines Beisl depeschiert zu werdn!
DER BARON
sehr erstaunt und unangenehm berührt.
Wer hat Ihn hierher depeschiert? In des Dreiteufels Namen?
FANINAL
halblaut zu ihm.
Was soll mir die saudumme Frag, Herr Schwiegersohn?
[87] Wo Er mir schier die Tür einrennen läßt mit Botschaft,
ich soll sehr schnell herbei und Ihn in einer üblen Lage soutenieren,
in die Er unverschuldeterweis geratn ist!

Baron greift sich an den Kopf.
KOMMISSARIUS.
Wer ist der Herr? Was schafft der Herr mit Ihm?
DER BARON.
Nichts von Bedeutung. Is bloß ein Bekannter,
hält sich per Zufall hier im Gasthaus auf.
KOMMISSARIUS.
Der Herr geb seinen Namen an!
FANINAL.
Ich bin der Edle von Faninal.
KOMMISSARIUS.
Somit ist dies der Vater –
DER BARON
stellt sich dazwischen, deckt Octavian vor Faninals Blick, eifrig.
Beileib gar nicht die Spur. Ist ein Verwandter,
ein Bruder, ein Neveu! Der wirkliche
ist noch einmal so dick!
FANINAL.
Was geht hier vor? Wie sieht Er aus? Ich bin der Vater, freilich!
DER BARON
will ihn fort haben.
Das weitere findet sich, verzieh Er sich.
FANINAL.
Ich muß schon bitten –
DER BARON.
Fahr Er heim in Teufels Namen.
FANINAL.
Mein Nam und Ehr in einem solchen Händel zu melieren,
Herr Schwiegersohn!
DER BARON
versucht ihm den Mund zuzuhalten, zum Kommissarius.
Ist eine idée fixe!
Benennt mich also nur im Gspaß!
[88]
KOMMISSARIUS.
Ja, ja, genügt schon. Er erkennt demnach

Zu Faninal.

in diesem Herren hier Seinen Schwiegersohn?
FANINAL.
Sehr wohl! Wieso sollt ich ihn nicht erkennen?
Leicht weil er keine Haar nicht hat?
KOMMISSARIUS
zum Baron.
Und Er erkennt nunmehr wohl auch in diesem Herrn
wohl oder übel Seinen Schwiegervater?
DER BARON
nimmt den Leuchter vom Tisch, beleuchtet sich Faninal genau.
Soso, lala! Ja, ja, wird schon derselbe sein.
War heut den ganzen Abend gar nicht recht beinand.
Kann meinen Augen heut nicht traun. Muß Ihm sagen,
liegt hier was in der Luft, man kriegt die Kongestion davon.
KOMMISSARIUS
zu Faninal.
Dagegen wird von Ihm die Vaterschaft
zu dieser Ihm verbatim zugeschobenen Tochter
geleugnet?
FANINAL
bemerkt jetzt erst Octavian.
Meine Tochter? Da der Fetzen
gibt sich für meine Tochter aus?
DER BARON
gezwungen lächelnd.
Ein Gspaß! Ein purer Mißverstand! Der Wirt
hat dem Herrn Kommissarius da was vorerzählt
von meiner Brautschaft mit der Faninalischen.
WIRT
aufgeregt.
Kein Wort! Kein Wort, Herr Kommissarius! Laut eigner Aussag –
FANINAL
außer sich.
Das Weibsbild arretieren! Kommt an Pranger!
Wird ausgepeitscht! Wird eingekastelt in ein Kloster!
Ich – ich –
DER BARON.
Fahr Er nach Haus, – auf morgen in der Früh!
Ich klär Ihm alles auf. Er weiß, was Er mir schuldig ist.
[89]
FANINAL
außer sich vor Wut.
Laut eigner Aussag! Meine Tochter soll herauf!
Sitzt unten in der Tragchaise! Im Galopp herauf!

Einige rückwärts gehen.

Das zahlt Er teuer! Bring Ihn vors Gericht!
DER BARON.
Jetzt macht Er einen rechten Palawatsch
für nichts und wieder nichts! Ghört ein' Roßgeduld dazu
für einen Kavalier, Sein Schwiegersohn zu sein.

Schüttelt den Wirt.

Meine Perückn will ich sehn!

Im wilden Herumfahren, um die Perücke zu suchen, faßt er einige der Kinder an und stößt sie zur Seite.
DIE KINDER
automatisch.
Papa! Papa! Papa!
FANINAL
fährt zurück.
Was ist denn das?
DER BARON
findet im Suchen wenigstens seinen Hut, schlägt mit dem Hut nach den Kindern.
Gar nix, ein Schwindel! Kenn nit das Bagagi!
Sie sagt, daß sie verheirat war mit mir.
Käm zu der Schand so wie der Pontius ins Credo!

Sophie kommt im Mantel, man macht ihr Platz. An der Tür sieht man die Faninalschen Bedienten, die linke Tragstange der Sänfte haltend.
Baron sucht die Kahlheit seines Kopfes vor Sophie mit dem Hut zu beschatten.
VIELE STIMMEN
indes Sophie auf ihren Vater zugeht.
Da ist die Braut! Oh, was für ein Skandal!
FANINAL
zu Sophie.
Da schau dich um! Da hast du den Herrn Bräutigam!
Da die Famili von dem saubern Herrn.
Die Frau mitsamt die Kinder! Da das Weibsbild
ghört linker Hand dazu. Nein, das bist du, laut eigner Aussag.
Möchtst in die Erdn sinken, was? Ich auch!
SOPHIE.
Bin herzensfroh, seh ihn mitnichten an dafür.
[90]
FANINAL.
Sieht ihn nicht an dafür! Sieht ihn nicht an dafür!
Mein schöner Nam! Die ganze Wienerstadt! Die schwarze Zeitung!
Zerreißen sich die Mäuler bis hinauf
zu Kaiserlicher Antecamera! I trau mi nimmer übern Grab'n!
Kein Hund nimmt mehr ein Stückl Brot von mir.

Er ist dem Weinen nahe.
DIE KÖPFE
in der Wand und aus dem Erdboden auftauchend, dumpf.
Der Skandal! Der Skandal!
Für den Herrn von Faninal!

Verschwinden wieder, man hört noch dumpf aus der Erde und den Wänden klingen.

Der Skandal! Der Skandal!
FANINAL.
Da! Aus dem Keller! Aus der Luft! Die ganze Wienerstadt!

Auf den Baron zu, mit geballter Faust.

Oh, Er Filou! Mir wird nicht gut! Ein' Sessel!

Bediente springen hinzu, fangen ihn auf.
Sophie ist angstvoll um ihn bemüht. Wirt springt gleichfalls hinzu. Sie nehmen ihn auf und tragen ihn ins Nebenzimmer. Mehrere Kellner, den Weg weisend, die Tür öffnend, voran.
Baron wird in diesem Augenblick seiner Perücke ansichtig, die wie durch Zauberhand wieder zum Vorschein gekommen ist; stürzt darauf los, stülpt sie sich auf und gibt ihr den richtigen Sitz. Mit dieser Veränderung gewinnt er seine Haltung so ziemlich wieder, begnügt sich aber, Annina und den Kindern, deren Gegenwart ihm trotz allem nicht geheuer ist, den Rücken zu kehren. Hinter Herrn von Faninal und seiner Begleitung hat sich die Tür rechts geschlossen. Wirt und Kellner kommen bald darauf leise wieder heraus, holen Medikamente, Karaffen mit Wasser und anderes, das in die Tür getragen und von Sophie in der Türspalte übernommen wird.
DER BARON
nunmehr mit dem alten Selbstgefühl auf den Kommissarius zu.
Sind nunmehr wohl im klaren. Ich zahl, ich geh!

Zu Octavian.

Ich führ Sie jetzt nach Haus.
[91]
KOMMISSARIUS.
Da irrt Er sich. Mit Ihm jetzt weiter im Verhör!

Auf den Wink des Kommissarius entfernen die beiden Wächter alle übrigen Personen aus dem Zimmer, nur Annina mit den Kindern bleibt an der linken Wand stehen.
DER BARON.
Laß Ers jetzt gut sein. War ein Gspaß. Ich sag Ihm später, wer das Mädel ist!
Geb Ihm mein Wort, i heirat sie wahrscheinlich noch einmal.
Da hinten, dort, das Glumpert is schon stad.
Da sieht Er, wer ich bin und wer ich nicht bin!

Macht Miene, Octavian abzuführen.
OCTAVIAN
macht sich los.
I geh nit mit dem Herrn!
DER BARON
halblaut.
I heirat Sie, verhalt Sie sich mit mir.
Sie wird noch Frau Baronin, so gut gfallt Sie mir!
OCTAVIAN.
Herr Kommissari, i gib was zu Protokoll!
Aber der Herr Baron darf nicht zuhörn dabei.

Auf den Wink des Kommissarius drängen die beiden Wächter den Baron nach vorne rechts.
Octavian scheint dem Kommissarius etwas zu melden, was ihn sehr überrascht.
DER BARON
zu den Wächtern, familiär, halblaut auf Annina hindeutend.
Kenn nicht das Weibsbild dort, auf Ehr. War grad beim Essen!
Hab keine Ahnung, was sie will. Hätt sonst nicht selber um die Polizei geschrien! –

Der Kommissarius begleitet Octavian bis an den Alkoven. Octavian verschwindet hinter dem Vorhang. Der Kommissarius scheint sich zu amüsieren und ist den Spalten des Vorhangs in ungenierter Weise nahe.
DER BARON
sehr aufgeregt über den unerklärlichen Vorfall.
Was gschieht denn dort? Ist wohl nicht möglich das! Der Lackl!
[92] Das heißts ihr Sittenpolizei?

Er ist schwer zu halten.

Ist eine Jungfer!
Steht unter meiner Protektion. Beschwer mich,
hab da ein Wörtel dreinzureden!

Reißt sich los, will gegen das Bett hin. Sie fangen und halten ihn wieder. Aus dem Alkoven erscheinen Stück für Stück die Kleider der Mariandel. Der Kommissarius macht ein Bündel daraus.
DER BARON
immer aufgeregt, ringt, seine beiden Wächter loszuwerden.
Muß jetzt partout zu ihr!

Sie halten ihn mühsam, während Octavians Kopf aus einer Spalte des Vorhangs hervorsieht.
WIRT
herein.
Ihre hochfürstliche Gnaden, die Frau Fürstin Feldmarschallin!

Kellner herein, reißen die Türe auf. Zuerst werden einige Menschen in der Marschallin Livree sichtbar, rangieren sich. Marschallin tritt ein, der kleine Neger trägt ihre Schleppe.
DER BARON
hat sich von den Wächtern losgerissen, wischt sich den Schweiß von der Stirne, eilt auf die Marschallin zu.
Bin glücklich übermaßen, hab die Gnad kaum meritiert,
schätz Dero Gegenwart hier als ein Freundstück ohnegleichen.
OCTAVIAN
streckt den Kopf zwischen den Vorhängen hervor.
Marie Theres, wie kommt Sie her?

Marschallin regungslos, antwortet nicht, sieht sich fragend um.
KOMMISSARIUS
auf die Fürstin zu.
Fürstliche Gnaden, melde mich gehorsamst
als vorstädtischer Unterkommissarius.
DER BARON
gleichzeitig.
Er sieht, Herr Kommissar, die Durchlaucht haben selber sich bemüht.
Ich denk, Er weiß, woran Er ist.
MARSCHALLIN
zum Kommissar; ohne den Baron zu beachten.
Er kennt mich? Kenn ich Ihn nicht auch? Mir scheint beinah.
KOMMISSARIUS.
Sehr wohl!
[93]
MARSCHALLIN.
Dem Herrn Feldmarschall seine brave Ordonnanz gewest?
KOMMISSARIUS.
Fürstliche Gnaden, zu Befehl!

Octavian steckt abermals den Kopf zwischen den Vorhängen hervor.
DER BARON
winkt ihm heftig, zu verschwinden, zugleich ängstlich bemüht, daß die Marschallin nichts merke.
Halblaut.
Bleib Sie, zum Sakra, hinten dort!

Dann hört er, wie sich Schritte der Türe rechts vorne nähern; stürzt hin, stellt sich mit dem Rücken gegen die Türe, ist zugleich durch verbindliche Gebärden gegen die Marschallin bestrebt, seinem Gehaben den Schein völliger Unbefangenheit zu geben.
Marschallin kommt gegen rechts, mit zuwartender Miene den Baron anblickend.
Die Türe rechts wird mit Kraft geöffnet, so daß der Baron wütend zurückzutreten genötigt ist.
OCTAVIAN
als Mann halb angekleidet, tritt zwischen den Vorhängen hervor, sobald der Baron ihm den Rücken kehrt; halblaut.
War anders abgemacht! Marie Theres, ich wunder mich.

Marschallin, als hörte sie ihn nicht; den verbindlich erwartungsvollen Blick auf den Baron geheftet, der in äußerster Verlegenheit zwischen der Tür und der Marschallin seine Aufmerksamkeit teilt.
Die zwei Faninalschen Diener haben mit einiger Gewalt die Türe aufgedrückt, lassen jetzt Sophie
eintreten.
Baron tritt zurück, auf dem Gipfel der Verlegenheit.
SOPHIE
ohne die Marschallin zu sehen, die ihr durch den Baron verdeckt ist.
Hab Ihm von mei'm Herrn Vater zu vermelden!
DER BARON
ihr ins Wort, halblaut.
Ist jetzo nicht die Zeit, Kreuzelement!
Kann Sie nicht warten, bis daß man Ihr rufen wird?
Meint Sie, daß ich Sie hier im Beisl präsentieren werd?

Will sie hinausschieben.
Zugleich tritt.
OCTAVIAN
leise hervor, zur Marschallin, halblaut.
Das ist die Fräulein – die – um derentwillen –
[94]
MARSCHALLIN
über die Schulter zu Octavian, halblaut.
Find Ihn ein bißl empressiert, Rofrano.
Kann mir wohl denken, wer sie ist. Find sie charmant.

Octavian schlüpft zwischen die Vorhänge zurück.
SOPHIE
den Rücken an der Tür, so scharf, daß der Baron unwillkürlich einen Schritt zurückweicht.
Er wird mich keinem Menschen auf der Welt nicht präsentieren,
dieweilen ich mit Ihm auch nicht so viel zu schaffen hab.
Und mein Herr Vater laßt Ihm sagen: wenn Er allsoweit
die Frechheit sollte treiben, daß man Seine Nasen nur
erblicken tät auf hundert Schritt von unserm Stadtpalais,
so hätt Er sich die bösen Folgen selber zuzuschreiben,
das ist, was mein Herr Vater Ihm vermelden laßt.
DER BARON
außer sich, will an ihr vorbei, zur Tür hinein.
He Faninal, ich muß –
SOPHIE.
Er untersteh sich nicht!

Die zwei Faninalschen Diener treten hervor, halten ihn auf, schieben ihn zurück. Sophie tritt in die Tür die sich hinter ihr schließt.
DER BARON
gegen die Tür, brüllend.
Bin willens, alles Vorgefallene
vergeben und vergessen sein zu lassen!
MARSCHALLIN
von rückwärts an den Baron herantretend, klopft ihm auf die Schulter.
Laß Er nur gut sein und verschwind Er auf eins zwei!
DER BARON
dreht sich um, starrt sie an.
Wieso denn?
MARSCHALLIN
munter, überlegen.
Wahr Er seine dignité und fahr Er ab.
DER BARON
sprachlos.
Ich! Was?
MARSCHALLIN.
Mach Er bonne mine à mauvais jeu,
so bleibt Er quasi doch noch eine Standsperson.
DER BARON
starrt sie an, stumm.
SOPHIE
ist leise wieder herausgetreten.
Ihre Augen suchen Octavian.
[95]
MARSCHALLIN
zum Kommissar, der hinten rechts steht, desgleichen seine Wächter.
Er sieht, Herr Kommissar,
das Ganze war halt eine Farce und weiter nichts.
KOMMISSARIUS.
Genügt mir! Retirier mich ganz gehorsamst.

Tritt ab, die beiden Wächter hinter ihm.
SOPHIE
vor sich, erschrocken.
Das Ganze war halt eine Farce und weiter nichts.

Die Blicke der beiden Frauen begegnen sich; Sophie macht der Marschallin einen verlegenen Knix.
DER BARON
zwischen Sophie und der Marschallin stehend.
Bin gar nichts willens!
MARSCHALLIN
ungeduldig, stampft auf; zu Octavian.
Mon cousin, bedeut Er ihn!

Kehrt dem Baron den Rücken.
OCTAVIAN
geht von rückwärts auf den Baron zu, sehr männlich.
Möcht Ihn sehr bitten!
DER BARON
fährt herum.
Wer! Was?
MARSCHALLIN
von links, wo sie nun steht.
Sein' Gnaden der Herr Graf Rofrano, wer denn sonst?
DER BARON
nachdem er sich Octavians Gesicht scharf in der Nähe betrachtet, mit Resignation vor sich.
Is schon aso! Hab gnug von dem Gesicht.
Sein doch nicht meine Augen schuld. Is schon ein Manndl.
OCTAVIAN
steht frech und hochmütig da.
MARSCHALLIN
einen Schritt näher tretend.
War eine wienerische Maskerad und weiter nichts.
DER BARON
sehr vor den Kopf geschlagen.
Aha!

Für sich.

Spieln alle unter einem Leder gegen meiner!
MARSCHALLIN
von oben herab.
Ich hätt Ihm nicht gewunschen,
daß Er mein Mariandl in der Wirklichkeit
mir hätte debauchiert!
[96]
DER BARON
wie oben, vor sich hin sinnierend.
Ha!
MARSCHALLIN
wie oben und ohne Octavian anzusehen.
Hab jetzt einen montierten Kopf gegen die Männer –
so ganz im allgemeinen!
DER BARON
allmählich der Situation beikommend.
Kreuzelement! Komm aus dem Staunen nicht heraus!

Mit einem ausgiebigen Blick, der von der Marschallin zu Octavian, von Octavian wieder zurück zur Marschallin wandert.

Weiß bereits nicht, was ich von diesem ganzen qui pro quo mir denken soll!
MARSCHALLIN
mit einem langen Blick, dann mit großer Sicherheit.
Er ist, mein ich, ein Kavalier? Da wird Er sich halt gar
nichts denken.
Das ist, was ich von Ihm erwart.

Pause.
DER BARON
mit Verneigung und weltmännisch.
Bin von so viel Finesse charmiert, kann gar nicht sagen wie.
Ein Lerchenauer war noch nie kein Spielverderber nicht.

Einen Schritt an sie herantretend.

Find deliziös das ganze qui pro quo,
bedarf aber dafür nunmehro Ihrer Protektion:
Bin willens, alles Vorgefallene
vergeben und vergessen sein zu lassen.

Pause.

Eh bien, darf ich den Faninal –

Er macht Miene, an die Türe rechts zu gehen.
MARSCHALLIN
ungeduldig.
Er darf, Er darf in aller Still sich retirieren!

Baron aus allen Himmeln gefallen.
MARSCHALLIN.
Versteht Er nicht, wenn eine Sach ein End hat?
Die ganze Brautschaft und Affär' und alles sonst,
was drum und dran hängt, ist mit dieser Stund vorbei.
SOPHIE
sehr betreten, für sich.
Was drum und dran hängt, ist mit dieser Stund vorbei.
[97]
DER BARON
für sich, empört, halblaut.
Mit dieser Stund vorbei! Mit dieser Stund vorbei!
MARSCHALLIN
scheint sich nach einem Stuhl umzusehen, Octavian springt hin, gibt ihr einen Stuhl.
Marschallin setzt sich links, mit Bedeutung, für sich.
Is halt vorbei.
SOPHIE
rechts, vor sich, blaß.
Is halt vorbei!

Baron findet sich durchaus nicht in diese Wendung, rollt verlegen und aufgebracht die Augen.
In diesem Augenblick kommt der Mann aus der Falltür hervor.
Von rechts tritt Valzacchi ein, die Verdächtigen in bescheidener Haltung hinter ihm. Annina nimmt Witwenhaube und Schleier ab, wischt sich die Schminke weg und zeigt ihr gewöhnliches Gesicht. Dies alles zu immer gesteigertem Staunen des Barons. Der Wirt, eine lange Rechnung in der Hand, tritt zur Mitteltüre herein, hinter ihm Kellner, Musikanten, Hausknechte, Kutscher.
DER BARON
wie er sie alle erblickt, gibt sein Spiel verloren.
Ruft schnell entschlossen.
Leupold, wir gehen!

Macht der Marschallin ein tiefes, aber zorniges Kompliment. Leiblakai ergreift einen Leuchter vom Tisch und will seinem Herrn voran. Annina stellt sich frech dem Baron in den Weg. Die Kinder kommen dem Baron unter die Füße. Er schlägt mit dem Hut unter sie.
DIE KINDER.
Papa! Papa! Papa!

Leiblakai hat sich den Weg gegen die Türe hin gebahnt. Baron will hinter ihm durch.
DIE KELLNER.
Entschuldigen Euer Gnaden,
uns gehn die Kerzen an!
DIE MUSIKANTEN.
Tafelmusik über zwei Stunden.
DIE KUTSCHER.
Für die Fuhr, für die Fuhr, Rösser gschunden ham ma gnua!
DER HAUSKNECHT.
Sö fürs Aufsperrn, Sö, Herr Baron.
[98]
DIE KELLNER.
Zwei Schock Kerzen, uns gehn die Kerzen an.
DER BARON
im Gedränge.
Platz da, zurück da, Kreuzmillion!
DIE KINDER.
Papa, Papa, Papa!

Baron drängt sich mit Macht durch gegen die Ausgangstür, alle dicht um ihn in einem Knäuel.
DER HAUSKNECHT.
Führagfahrn, aussagruckt, Sö, Herr Baron!

Alle sind schon in der Tür, dem Lakai wird der Armleuchter entwunden.
DIE KELLNER.
Uns gehn die Kerzen an!

Stürmen nach, der Lärm verhallt. Die zwei Faninalschen Diener sind indessen links abgetreten.
SOPHIE
rechts stehend, blaß.
Mein Gott, es war nicht mehr als eine Farce.
Mein Gott, mein Gott!
Wie er bei ihr steht, und ich bin die leere Luft für ihn.
OCTAVIAN
hinter dem Stuhl der Marschallin, verlegen.
War anders abgemacht, Marie Theres, ich wunder mich.

In höchster Verlegenheit.

Befiehlt Sie, daß ich – soll ich nicht – die Jungfer – der Vater –
MARSCHALLIN.
Geh Er doch schnell und tu Er, was sein Herz Ihm sagt.
OCTAVIAN.
Theres, ich weiß gar nicht.
MARSCHALLIN
lacht zornig.
Er ist ein rechtes Mannsbild, geh Er hin.
OCTAVIAN.
Wie Sie befiehlt.

Geht hinüber.
SOPHIE
wortlos.
OCTAVIAN
bei ihr.
Eh bien, hat Sie kein freundlich Wort für mich?
Nicht einen Blick, nicht einen lieben Gruß!
[99]
SOPHIE.
Verkriech mich in ein Kloster lieber heut als morgen, so jung ich bin.
Laß Er mich gehn.
OCTAVIAN.
Ich laß Sie nicht.

Faßt ihre Hand.
SOPHIE.
Das sagt sich leicht.
OCTAVIAN.
Ich hab Sie übermäßig lieb.
SOPHIE.
Er hat mich nicht so lieb als wie Er spricht.
Vergeß Er mich.
OCTAVIAN.
Ist mir um Sie und nur um Sie!
SOPHIE.
Vergeß er mich.
OCTAVIAN.
Seh allweil Ihr Gesicht.
SOPHIE
schwach abwehrend.
Vergeß Er mich.
OCTAVIAN.
Hab allzu lieb Ihr lieb Gesicht!

Faßt mit beiden Händen ihre beiden.
MARSCHALLIN
vor sich, gleichzeitig mit Octavian und Sophie.
Heut oder morgen oder den übernächsten Tag.
Hab ich mirs denn nicht vorgesagt?
Das alles kommt halt über jede Frau.
Hab ichs denn nicht gewußt?
Hab ich nicht ein Gelübde tan,
daß ichs mit einem ganz gefaßten Herzen
ertragen werd ...
Heut oder morgen oder den übernächsten Tag.
So hat halt Gott die Welt geschaffen
und anders hat ers halt nicht können machen!

Sie wischt sich die Augen, steht auf.
[100]
SOPHIE
leise.
Die Fürstin da, sie ruft Ihn hin, so geh Er doch.
OCTAVIAN
ist ein paar Schritte gegen die Marschallin hingegangen, steht jetzt zwischen beiden verlegen.

Pause.
Sophie in der Tür, unschlüssig, ob sie gehen oder bleiben soll. Octavian in der Mitte, dreht den Kopf von einer zur andern. Marschallin sieht seine Verlegenheit; ein trauriges Lächeln huscht über ihr Gesicht.
SOPHIE
an der Tür.
Ich muß hinein und fragen, wies dem Vater geht.
OCTAVIAN.
Ich muß jetzt etwas reden und mir verschlagts die Red.
MARSCHALLIN.
Der Bub, wie er verlegen da in der Mitten steht.
OCTAVIAN
zu Sophie.
Bleib Sie um alles hier.

Zur Marschallin.

Wie, hat Sie was gesagt?
SOPHIE
zugleich mit der Marschallin, vor sich.
Für nichts und wieder nichts wird sie nicht kommen sein.
Wird schon recht eine gute Freundin sein zu ihm.
Ich wollt, ich wär in meinem Kloster bliebn.
Und wüßt halt gar nichts von der ganzen Welt.
MARSCHALLIN
zugleich mit Sophie, vor sich.
Hab mirs gelobt, ihn liebzuhaben in der richtigen Weis,
daß ich selbst seine Lieb zu einer andern
noch liebhab ...
Hab mirs freilich nicht gedacht,
daß es so bald mir aufgelegt sollt werden.

Sie geht hinüber zu Sophie.
OCTAVIAN
tritt einen Schritt zurück.
MARSCHALLIN
steht vor Sophie, sieht sie prüfend, aber gütig an.
SOPHIE
in Verlegenheit, knixt.
MARSCHALLIN.
So schnell hat Sie ihn gar so lieb?
SOPHIE.
Ich weiß nicht, was Euer Gnaden meinen mit der Frag.
[101]
MARSCHALLIN.
Ihr blaß Gesicht gibt schon die rechte Antwort drauf.
SOPHIE.
Wär gar kein Wunder, wenn ich blaß bin, Euer Gnaden.
Hab einen großen Schreck erlebt mit dem Herrn Vater.
Gar nicht zu reden vom gerechten Emportement
gegen den skandalösen Herrn Baron.
MARSCHALLIN.
Red Sie nur nicht zuviel, Sie ist ja hübsch genug.
Gegen den Herrn Papa sein Übel weiß ich etwa eine Medizin.
Und für die Blässe weiß vielleicht mein Vetter da die Medizin.
OCTAVIAN.
Marie Theres, wie gut Sie ist!
Marie Theres, ich weiß gar nicht –
MARSCHALLIN
mit einem undefinierbaren Ausdruck.
Ich weiß auch nix.
Gar nix.

Winkt ihm zurückzubleiben.
OCTAVIAN.
Marie Theres!

Marschallin bleibt in der Tür stehen. Octavian steht ihr zunächst, Sophie weiter rechts.
MARSCHALLIN
zugleich mit Octavian und Sophie, aber ohne die beiden anzusehen.
Es sind die mehreren Dinge auf der Welt
so, daß sie eins nicht glauben tät,
wenn man sie möcht erzählen hören.
Alleinig wers erlebt, der glaubt daran und weiß nicht wie ...
Da steht der Bub und da steh ich und mit dem fremdem Mädel dort
wird er so glücklich sein, als wie halt Männer
Das Glücklichsein verstehn. In Gottes Namen.
OCTAVIAN
zugleich mit der Marschallin und Sophie, erst vor sich, dann Aug in Aug mit Sophie.
Es ist was kommen und ist was geschehen.
[102] Ich möcht sie fragen: Darfs denn sein? und grad die Frag,
die spür ich, daß sie mir verboten ist.
Ich möcht sie fragen: Warum zittert was in mir, –
ist denn ein großes Unrecht gschehn? Und grad an sie
darf ich die Frag nicht tun – und dann seh ich dich an,
Sophie, und seh nur dich und spür nur dich,
Sophie, und weiß von nichts als nur: Dich hab ich lieb.
SOPHIE
zugleich mit der Marschallin und Octavian, erst vor sich, dann Aug in Aug.
Mir ist wie in der Kirchn, heilig ist mir und so bang
und doch ist mir unheilig auch! Ich weiß nicht, wie mir ist.
Ich möcht mich niederknien dort vor der Frau und möcht ihr auch
was antun, denn ich spür, sie gibt mir ihn
und nimmt mir was von ihm zugleich. Weiß gar nicht wie mir ist.
Möcht alls verstehn und möcht auch nichts verstehen.
Möcht fragen und nicht fragen, wird mir heiß und kalt
und spür nur dich und weiß nur eins: Dich hab ich lieb.

Marschallin geht leise rechts hinein, die beiden bemerken es gar nicht. Octavian ist dicht an Sophie herangetreten, einen Augenblick später liegt sie in seinen Armen.
OCTAVIAN
zugleich mit Sophie.
Spür nur dich, spür nur dich allein
und daß wir beieinander sein!
Geht alls sonst wie ein Traum dahin
vor meinem Sinn!
SOPHIE
zugleich mit Octavian.
Ist ein Traum, kann nicht wirklich sein,
daß wir zwei beieinander sein,
beieinand für alle Zeit
und Ewigkeit!
OCTAVIAN
ebenso.
War ein Haus wo, da warst du drein,
und die Leut schicken mich hinein,
mich gradaus in die Seligkeit!
Die waren gscheit!
[103]
SOPHIE
ebenso.
Kannst du lachen! Mir ist zur Stell
bang wie an der himmlischen Schwell!
Halt mich, ein schwach Ding wie ich bin,
sink dir dahin!

Sie muß sich an ihn lehnen. In diesem Augenblick öffnen die Faninalschen Lakaien die Tür und treten heraus, jeder mit einem Leuchter. Durch die Tür kommt Faninal, die Marschallin an der Hand führend. Die beiden Jungen stehen einen Augenblick verwirrt, dann machen sie ein tiefes Kompliment, das Faninal und die Marschallin erwidern.
FANINAL
tupft Sophie väterlich gutmütig auf die Wange.
Sein schon aso, die jungen Leut!

Gibt dann der Marschallin die Hand und führt sie zur Mitteltür, die zugleich durch die Livree der Marschallin, darunter der kleine Neger, geöffnet
wurde. Draußen hell, herinnen halbdunkel, da die beiden Diener mit den Leuchtern der Marschallin voraustreten. Octavian und Sophie, allein im halbdunklen Zimmer.
OCTAVIAN.
Spür nur dich, spür nur dich allein
und daß wir beieinander sein!
Geht alls sonst wie ein Traum dahin
vor meinem Sinn!
SOPHIE.
Ist ein Traum, kann nicht wirklich sein,
daß wir zwei beieinander sein,
beieinand für alle Zeit
und Ewigkeit!

Sie sinkt an ihn hin, er küßt sie schnell. Ihr fällt, ohne daß sie es merkt, ihr Taschentuch aus der Hand. Dann laufen sie Hand in Hand hinaus. Die Bühne bleibt leer, dann geht nochmals die Mitteltür auf. Herein kommt der kleine Neger mit einer Kerze in der Hand. Sucht das Taschentuch, findet es, hebt es auf, trippelt hinaus.
Vorhang.

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TextGrid Repository (2012). Hofmannsthal, Hugo von. Libretti. Der Rosenkavalier. Der Rosenkavalier. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-7903-2