Zehnter Auftritt
Die Vorigen. Ein Offizier mit Wachen.
VAN BETT
ihm entgegen.
Herr, wie können Sie sich unterfangen, ohne mein Vorwissen –
OFFIZIER.
Ich habe meine Verhaltungsbefehle, denen ich folgen muß.
VAN BETT
beruhigt.
Das ist etwas anderes. Wenn Sie Verhaltungsbefehle haben –
OFFIZIER.
Sie sind der Bürgermeister von Saardam?
VAN BETT.
Der bin ich. Zu den andern. Ja, wenn er Verhaltungsbefehle hat –
OFFIZIER.
Dem Rate von Amsterdam wurde angezeigt, daß seit einigen Monaten auf den Schiffswerften von [56] Holland sich Fremde einfinden und eine große Anzahl von Arbeitern weglocken; sie haben beschlossen, dieser Falschwerberei Einhalt zu tun.
LEFORT
leise.
Das geht auf uns.
ZAR
ebenso.
Still!
VAN BETT.
Sag ich's doch! Die Bürgermeister von Holland verstehen alle nichts. Ich stehe dafür, daß zu Saardam –
OFFIZIER.
Eben zu Saardam haben die meisten Abwerbungen stattgefunden.
VAN BETT.
Hab ich's nicht gedacht? Und kein Mensch macht mir eine Anzeige davon.
OFFIZIER.
Nach dem Beschlusse der Herren soll jeder Fremde, der sich nicht hinlänglich legitimieren kann, verhaftet werden.
VAN BETT.
Verhaftet und eingesperrt. Meine Maxime!
IWANOW.
Ich bin verloren.
ZAR.
Das Abenteuer wird lustig.
VAN BETT.
Halt, ich hab's! Seit heute morgen hab ich schon Verdacht. Er sieht sich um. Wir sind von Staatsverrätern umgeben.
ALLE
erschrocken.
Staatsverräter?
ZAR.
Verwünscht!
IWANOW.
O weh!
VAN BETT.
Gleich sollt ihr euch überzeugen.
Nr. 12. Finale
Schon seit geraumer Zeit bemerk ich hier Gesichter,
Die mir ganz unbekannt;
Und die gehören sicherlich zu dem Gelichter,
Das man soeben mir genannt.
Mir wird es sicherlich gelingen,
Zum Geständnis sie zu bringen.
Sondieren werde ich ganz leise.
Daß ohn' Erlaubnis keiner spricht!
O ich bin klug und weise,
Und mich betrügt man nicht.
ALLE.
Was will er tun, wen will er zwingen?
Wen will er zum Geständnis bringen?
Schlauheit ist sonst seine Sache nicht.
[57]VAN BETT.
Hier von diesen beiden Laffen
Hab ich einen ausersehn.
Zum Marquis.
He, was hast du hier zu schaffen?
Wirst du gleich es mir gestehn?
MARQUIS.
Gesandter des Königs von Frankreich und Navarra,
Marquis von Chateauneuf nennt man mich.
VAN BETT.
O weh! Was hab ich da getan!
Da kam ich gleich beim ersten übel an.
CHOR
verwundert.
Ein Gesandter! Ein Gesandter von Frankreich?
VAN BETT
ärgerlich zum Chor.
Von Frankreich, von England, von Spanien, von Schottland,
Das bleibt sich gleich.
Habt Respekt, das rat ich euch.
Zum Marquis.
Vergebung Euer Gnaden, denn ich irrte mich;
Den an Ihrer Seite, den meinte ich.
Zu Lefort.
Antworte mir, wer bist du? Sprich!
LEFORT.
Gesandter des Kaisers aller Reußen,
Admiral Lefort nennt man mich.
VAN BETT.
O Donnerwetter! Was soll das sein?
Das begreife ein andrer als ich.
CHOR.
Zwei Gesandte! Was soll das heißen?
Zwei Gesandte in der Schenke, wie wunderlich!
VAN BETT
zu Lefort.
Verzeihung, erhabner Admiral!
Wie kann der Mensch sich irren,
's ist wahrhaftig ein Skandal!
SOLI UND CHOR.
Der Spaß fängt an uns zu belust'gen.
Laß doch sehn, wie weit er's treibt,
Ob er beim Examinieren bleibt.
VAN BETT
erblickt den Lord, beiseite.
Halt! Jetzt hab ich's, der muß es sein,
Der mir die Pfunde zugedacht
Und noch kein Lot mir hat gebracht;
Der mich so frech belogen,
Unterhandlungen gepflogen
Hier bei trautem Rendezvous.
Heraus mit der Sprache! Wer bist du?
Bei Eurem Kopf, die Wahrheit gesteht!
[58]LORD.
Gesandter der brit'schen Majestät,
Lord Syndham werde ich genannt.
VAN BETT.
Das ist zu toll, ich verliere den Verstand;
Wohin ich mich auch wende hier in dem Kreise,
Erblicke ich ein hochgebor'n Gesicht!
SOLI UND CHOR.
O er ist klug und weise,
Und ihn betrügt man nicht.
VAN BETT.
Stille, nicht Allotria getrieben!
Wird mein Ansehn so geehrt?
Wo bin ich doch gleich stehngeblieben?
Ja so, nun weiß ich's. Ihr Leute, hört!
Von denen hier sich nichts ermitteln läßt,
Drum hört mich an, was ich ersann!
Auf den Zaren und Iwanow deutend.
Gleich packt mir die zwei Burschen fest.
ZAR UND IWANOW.
Wen, mich?
Was fällt Euch ein?
MARIE UND MEISTERIN BROWE.
Nun geht's von vorne wieder an!
CHOR.
Was haben die ihm denn getan?
Sie wollen auf beide los.
VAN BETT.
Wollt ihr nicht auch Gesandte sein?
MEISTERIN BROWE.
Herr Bürgermeister –
VAN BETT.
Laßt mich gewähren!
MARIE.
Liebster Oheim –
VAN BETT.
Ich will nichts hören!
ZAR.
Ihr wollt es wagen?
VAN BETT.
Packt ihn, ihr Leute!
IWANOW.
Laßt Euch doch sagen –
VAN BETT.
Sie alle beide!
MARIE.
Aber so hört mich doch nur an,
Was hat Euch Iwanow getan?
VAN BETT.
Geh mir, Mädchen, schnell aus dem Gesicht,
Misch dich in Staatsgeschäfte nicht.
CHOR.
Er ist fürwahr im Kopfe toll!
Er weiß nicht, wen von allen er einsperren soll.
Und widerstrebt man ihm, braucht er Gewalt.
DIE ÜBRIGEN.
Fürwahr, er ist im Kopfe toll!
Er weiß nicht, wen er fangen soll,
Und widerstrebt man ihm, braucht er Gewalt.
[59]VAN BETT.
Ich werde wahrlich noch im Kopfe toll!
Und einer ist es, den ich fangen soll,
Und braucht man Widerstand, brauch ich Gewalt.
Ihr alle räumt nun diesen Ort!
Ihr schleppt mir diese beiden fort!
Man will Iwanow fassen.
LORD
schnell und leise zu van Bett.
Herr, wissen Sie auch, was Sie wagen?
Das ist der Zar.
VAN BETT.
Nicht möglich!
Auf den Zaren zeigend.
Dann packt mir diesen.
MARQUIS
schnell und leise.
Herr Bürgermeister, wissen Sie, was Sie wagen?
Das ist der Zar.
VAN BETT.
Ach, was Sie sagen!
Sehr klug, sehr pfiffig, sehr schlau, sehr fein!
Nun wollen alle wieder Zare sein.
Abgetan, man will mich hier vexieren,
Ich lasse alles arretieren,
Gesandte – Zare – Wirte – Gäste,
Alles sperrt ein, so ist's das beste.
ZAR
wütend.
Ha, wag es, mir zu nahn, wer noch Lust am Leben hat!
Mein Langmut ist zu Ende, und es wendet sich das Blatt.
In dem Staub zu meinen Füßen
Und zu spät wirst du erfahren,
Was, Verwegner, du gewagt.
Sollst du dein Vergehen büßen.
VAN BETT.
Was, du willst dich widersetzen? Diese Kühnheit geht zu weit!
Deine Frevel zu bestrafen, bin als Richter ich bereit.
Soviel darf getrost ich sagen,
Ich gebiete hier allein;
Solche Keckheit zu ertragen,
Müßt' ich mehr als Schwachkopf sein.
MARQUIS, LEFORT UND LORD.
Ha, er will sich widersetzen, es kommt noch zu blut'gem Streit!
[60] Seine Kühnheit zu bestrafen, sehen wir ihn schon bereit.
Wenn wir ihn gewähren ließen,
Würde er bald Blut vergießen;
Doch davor ihn zu bewahren,
Werde alles gern gewagt.
CHOR.
Ha, er will sich widersetzen, es setzt sicherlich noch Streit,
Und gefangen ihn zu sehen, wäre doch uns allen leid.
Seinem Zorne nach zu schließen,
Kommt es noch zu Blutvergießen.
Könnten wir doch nur erfahren,
Weshalb er so vieles wagt.
MARIE UND IWANOW.
Seinem Zorn sich widersetzen,
Seinem Zorn mich widersetzen,
Sei du nimmermehr bereit,
Siehst du nimmer mich bereit,
Denn was könntest du gewinnen,
Denn was könnte ich gewinnen,
Führte es zu blut'gem Streit?
Nein, du darfst dich nicht entschließen,
Nimmer werd ich mich entschließen,
Ohne Not Blut zu vergießen.
Davor soll dich Gott bewahren,
Davor soll mich Gott bewahren,
Denn es hieße viel gewagt.
VAN BETT.
Wagt ihr hier noch ein Wort,
Sperr ich euch alle ein!
LORD, LEFORT UND CHOR.
Wagt man hier noch ein Wort,
Sperrt er uns alle ein!
ZAR.
Mein Geheimnis werd ich wahren,
Doch die Kühnheit nicht verzeihn.
MARQUIS.
Sein Geheimnis wird er wahren,
Den Gefahren nun sich weihn.
MARIE, MEISTERIN BROWE UND IWANOW.
Keine Silbe mehr zu wagen,
Wird das beste nun wohl sein!
[61]MARIE, IWANOW, LEFORT, LORD UND CHOR.
Eilig uns fort von hier jetzt zu tragen,
Wird wohl das beste sein.
ZAR.
Wagst du nur noch ein Wort jetzt zu sagen,
Büßt du dein Leben ein.
MARQUIS.
Seinen Zorn zu ertragen,
Wird wohl das beste sein.
VAN BETT.
Solchen Hohn zu ertragen,
Müßt' ich ein Schwachkopf sein.
Gegen Ende geht der Bürgermeister auf den Zaren los, dieser schleudert ihn zurück, worauf sich van Bett unter einem Tische verkriecht; der Zar ergreift einen Stuhl und schlägt auf den Tisch, die Platte springt herunter und van Bett läuft mit dem Tisch als Halskragen durch die Menge, die ebenfalls handgemein wurde. Die Männer ergreifen Stühle und Bänke; die Weiber rennen durcheinander, die Soldaten verteidigen sich mit den Kolben, und unter allgemeiner Bewegung fällt der Vorhang.
[62]