[2] Personen.
- Dr. Scheffler, Advokat.
- Bertha, seine Frau.
- Commerzienrath Bolzau.
- Wilhelmine, dessen Frau.
- Ludmilla, ihre Nichte.
- Dr. Steinkirch.
- Hartwig.
- Brimborius, Festordner.
- Schnake, Vereinsdiener.
- Franz, Diener bei Bolzau.
- Diener bei Scheffler.
[2] Personen.
Geht nicht, mein Kind – Deine Tante erwartet mich – es giebt, glaube ich, heut etwas extra Gutes – und Du weißt, das kann man keiner Frau anthun und da fortbleiben! Gott befohlen – laßt Euch bald einmal sehn.
Einen Flederwisch! Wie bescheiden. Ja, mein Kind – ein Dutzend – recht gern. Das Wort »schenken« war mir in die Glieder gefahren – Deine Tante will nämlich einen Landauer geschenkt [3] haben – als wenn sich das so aus dem Aermel schüttelte – na – Du sollst aber Deinen Flederwisch haben – leb' wohl, mein Kind. Ab durch die Mitte.
So – jetzt habe ich hoffentlich noch Zeit, den Schreibtisch in Ordnung zu bringen – Geht an den Schreibtisch. aber wie sieht das wieder aus – Sodom und Gemorrha. Die Gesetzsammlung durch einander geworfen – das Landrecht mit Staub bedeckt. Ordnet und stäubt ab. Ich möchte wohl wissen, wie weit die Männer kämen, wenn wir nicht immer wieder Ordnung schafften. – Und selten haben sie ein Wort des Dankes dafür – hu – »da stieß ich auf verbrannte menschliche Gebeine« – wenn ich dies Kistchen berühre – wird mir eiskalt – Nimmt ein kleines Kistchen in die Hand. Häßliche Erinnerung an das erste Weh' in unserer Ehe – selbst Dich muß ich mit Sorgfalt behandeln – Stäubt es ab. und ich wünschte Dich mit Staub bedeckt – versunken – auf Nimmerwiedersehen.
Ob ich etwas für ihn habe – alle Hände voll – da sehen Sie nur, Frau Doctor – hier ist erstens die Festordnung – das ist das Programm – ein Verzeichniß der Mitglieder u.s.w., u.s.w. Alles zu unserm Fest.
[4]Ja ja, Sie können glauben, Frau Doctor – es giebt viel zu thun – ehe so ein Stiftungsfest zusammenkommt.
Frau Doctor haben Recht wie immer – nur belieben Sie zu unterscheiden zwischen den verschiedenen Sängerfesten. Du lieber Gott – heut zu Tage singt ja alle Welt und begeht auch alle Welt Sängerfeste. Aber es ist kein Schwung darin – nur unser Stiftungsfest – das ist eine Ausnahme.
Es wird auch nicht anders sein wie die übrigen. Ich sehe gar nicht ein, wozu ein solches Fest nöthig ist.
Oho, Frau Doctor – lassen Sie sich das einmal erzählen. In unsrer Stadt bestanden doch verschiedene Männergesangvereine – da war die Concordia – die Polihymnia – die Euterpe. Jeder hielt sich für den allerbesten – allerersten – was der eine that, tadelte der andere – es gab keine Einigkeit unter ihnen. Da hatte der Herr Doctor den großen Gedanken, die Vereine zu einem zusammenzubringen – so entstand im vorigen Jahr der allgemeine Sängerbund – daher dies Jahr Stiftungsfest – großes Concert – großes Festessen. Unsereins läuft sich die Beine dabei ab – aber der Herr Doctor hat auch keine leichte Arbeit dabei.
Ah – Frau Doctor belieben zu scherzen – das weiß ich besser – der kommt ganz sicher – ohne den ginge es gar nicht – der ist immer so fidel –
So fidel, daß er die ganze Gesellschaft aufkratzt. Ah – es ist ein recht lieber Mann – ein herrlicher Mann, der Herr Doctor!
So – nun gerne – wenn Sie's interessirt, Frau Doctor. Es kommen heute also schon die Gäste angereist – es ist zwar heut Abend nur eine Ausschuß-Sitzung – morgen Vormittag aber erste Versammlung im Schießhause zu einem großen Frühstück!
Na – na – Frau Doctor – manchem wird da schon ein kleiner Haarbeutel angehängt – daß ihm die Zunge zu schwer zum Singen wird. – Na, Sie wissen ja, wie das geht.
Und wie – da wird die Einigkeit so recht fest gemacht. Aber die Hauptsache kommt nun noch Abends – gemeinschaftliches Festessen – da wird gesungen – geredet –
Na – na, Frau Doctorn – da bleiben sie denn bis in die Nacht sitzen – und es geht seelensvergnügt zu. Am andern Morgen – hahaha – Frau Doctor, wenn sie da wieder zusammenkommen – die vielen langen Gesichter – lauter saure Sachen frühstücken sie da – hahaha – das nennen sie das Katerfrühstück – hahaha –
[6]Dabei wird festgesetzt – wo das nächste Stiftungsfest sein soll – das ist die ganze Geschichte. Der Herr Doctor hat Ihnen das gewiß viel besser und schöner erzählt als ich es kann, Frau Doctor.
Man hört so etwas gern von verschiedenen Seiten – ich danke Ihnen für Ihre treue Schilderung, lieber Schnake.
Bitte – bitte – na – nun muß ich aber weiter, ich habe noch viele und weite Wege. – Ja noch eins – wegen der Festrede – wenn es der Herr Doctor vergessen haben sollte – Sie erinnern wohl daran.
Aufzuwarten – ja. Oh er hat voriges Jahr auch gesprochen – und wie. Früher hielt Herr Krempelmeier die Reden – der platzte beinah – denken Sie – er meinte – es wäre nur der Johannisberger, der aus ihm spräche – blasser Neid – nur blasser Neid, wir kennen das – ein paar Gläser hatte der Herr Doctor zwar getrunken –
Aber er hat es doch hier und hier sitzen – Auf Kopf und Herz deutend. Das werden die Frau Doctor besser wissen als ich. Na – mich gehorsamst zu empfehlen. Ab durch die Mitte.
Also das nennt man ein Stiftungsfest – ich habe es mir gedacht – und mein Mann der erste dabei. – Andre werden ebenso darüber reden wie dieser Schnake. – Es kann ihm in seiner Stellung schaden – es ist meine Pflicht, ihn davor zu bewahren – ihn zurückzuhalten. – Meine eigene Schuld wäre es, wenn es heute wieder so würde wie im vorigen Jahre. Nein, nein, nein – aber wie[7] – halt – das Kästchen – es enthält Schleifen – Bänder – Medaillen – die er an dem Tage anlegt – sicher wird er es suchen – dabei kommt die Sache zur Sprache –Nimmt den Kasten. und damit kein Zweifel an meinem Willen sei, will ich die Brücke hinter mir verbrennen – dies Kästchen mit seinem ganzen Inhalt – es sei schnell der Vernichtung geweiht. Ab nach links.
So – für heute wären die Geschäfte besorgt. Sieht nach der Uhr. Ich habe gerade noch eine Stunde Zeit für das Concept meiner Rede. – Legt an und setzt sich an den Arbeitstisch. Ah – wie ordentlich das hier ist – man sieht gleich, daß der gute Geist meiner Bertha hier gewaltet hat. Nimmt Feder und Papier. Nun also an meine Rede. Schreibend. Geehrte Festgenossen – Sprechend. die Anrede ist gut – heut ist der Jahrestag des freudigen Ereignisses –
Meine liebe Bertha sei mir tausendmal gegrüßt – als ich heut ausging, träumtest Du noch sanft – meine kleine Langschläferin.
Nur noch eine kurze Arbeit, mein Kind – Geht an den Schreibtisch. gerade in diesen Tagen ist etwas viel zu thun. Du könntest mir aber einen Gefallen – Sucht aus dem Schreibtisch umher. – wo ist denn nur –
Ich hatte hier ein kleines braunes Kästchen, es enthielt Andenken aus meiner Studienzeit – einige Bänder und Schleifen vom vorjährigen Stiftungsfest – hier stand es immer – Sucht. unbegreiflich! Hat sich gesetzt.
Ja – wo es war – denn ich – – ich habe den ganzen Kasten verbrannt. Bei Seite. Gott sei Dank – es ist heraus!
Das ist doch stark – all' meine alten Erinnerungszeichen, die mich so manchen wackern Mannes – die mich so schöner Stunden gedenken ließen! Wenn ich fragen darf – weshalb, Bertha?
Erst verbrennst Du meinen Kasten – die Form der Bitte ist wenigstens neu – es ist ungefähr dasselbe, als wenn ich sage: ich werde morgen ganz bestimmt das Stiftungsfest besuchen – wir können ja nachher darüber reden!
Oh! ich weine nicht, um Dich zu zwingen – doch einige Worte habe ich noch zu sagen, zu meiner Rechtfertigung – wir sind unter vier Augen – es wird Dich also nicht geniren. Setzt sich rechts. Bitte setze Dich einen Augenblick zu mir. Auf den Stuhl neben sich zeigend.
Du entsinnst Dich des Tages, gerade vor einem Jahr, wo auch Euer Stiftungsfest, wie Du es nennst, gefeiert wurde.
Wir waren kurz verheirathet – ich war noch nie des Abends allein gewesen – Du sagtest mir – Du würdest etwas spät nach Hause kommen. Ich wartete bis 11.
Kann man das, wenn man seinen Mann in tiefer Nacht draußen weiß – allen Gefahren preisgegeben, ich wartete bis 12 – Du kamst nicht – es stiegen allerlei böse Gedanken in mir auf – was konnte Dir nicht begegnet sein! Du konntest Streit bekommen haben, angefallen worden sein – im Geist sah ich Dich verwundet auf der Straße liegen – blutig – es schlug eins –
Meine Furcht wurde immer größer – es schlug 2 – meine Angst stieg immer höher, ich wollte hinaus – wollte Dich suchen – es wurde 3 – ich fieberte heftig – ich konnte kaum athmen da endlich Schritte, ein Trupp Männer kommt die Straße herauf, laut lachend – unter ihnen mein Mann – er schließt die Hausthür auf lärmend rufen seine Genossen ihm: gute Nacht zu – er lacht mich an – er sieht meine Angst – er lacht darüber – meine gebleichten Wangen rufen sein Lachen hervor – über meine Thränen lacht er! – Ich eilte zurück, verschloß meine Thür und brachte den Rest der Nacht weinend zu – am andern Morgen fand ich meinen Mann hier sitzend – eingeschlafen im Lehnstuhl – hier auf dieser selben Stelle. Steht auf.
Ja, ja – ich entsinne mich – ich war allerdings etwas angeheitert – ich habe so oft auf Dein Wohl trinken müssen – liebe Bertha –Will zärtlich sein.
Kein Wort des Vorwurfs ist damals über [11] meine Lippen gekommen – mit keiner Sylbe habe ich je diesen Vorfall berührt, aber das hab' ich mir in jener Nacht gelobt: dies entsetzliche Lachen will ich nie wieder hören – deshalb hoffe ich – deshalb glaube ich, daß Du diesmal nicht auf das Stiftungsfest gehen wirst. Nicht wahr, Du bleibst zu Hause?
Du erinnerst mich an meine Pflichten. Ja, Bertha, ich habe Pflichten gegen Dich, gegen mich – gegen unser Glück – und aus dem Grunde kann ich diesmal nicht nachgeben. Ich muß darauf bestehen – ich werde das Fest besuchen.
Rechthaberei?! – Vorhin erst sagtest Du – Du wüßtest nicht, wie Du ein hartes Wort gegen mich aussprechen könntest, und jetzt hast Du harte Worte in Hülle und Fülle.
Aber mich hieltest Du für ein Kind, das nur gehorchen – das keinen eignen Willen haben soll. Ich bin Deine Frau, nicht Deine Untergebene – hier bin ich im Recht – und ich will mein Recht vertheidigen – Du wirst nicht das Stiftungsfest besuchen.
[12]Gut denn – mein Entschluß ist gefaßt; ich will keine zweite Nacht erleben – wie damals – ich gehe auch fort.
Das kann Dir ja ganz gleichgültig sein. Zu meiner Freundin nach Lindenhain – zu meinem Bruder nach Rosendorf, wohin es sei – nur fort – daß ich Dich nicht wieder angeheitert sehn muß.Ab nach links.
Bertha – Bertha – sie hört nicht! So habe ich sie noch nie gesehen – aber ich kann nicht nachgeben – gerade jetzt nicht nach der Drohung. Sie wird sich die Sache überlegen, ihr Unrecht einsehn – gewiß – aber mir verbittert das die ganze Stimmung – dabei soll ich die Festrede ausarbeiten. Setzt sich. Geehrte Festgenossen – heut ist der Jahrestag – Absetzend. wenn sie nun aber doch ginge – Ach was – das thut sie nicht! – Der Jahrestag des freudigen Ereignisses – was soll nur ihr Bruder dazu sagen.
Erlauben Sie, von der breiten Seite aus können Sie besser sprechen – die Stimme hat da mehr Schwung – die Schallwellen haben einen bessern Fluß.
Es ist ein großer Unterschied – wenn Sie am Ende des Saales sprechen, klingt es so – Nimmt Schefflers Hut und spricht hinein dumpf. Geehrte Festgenossen – u.s.w. u.s.w. Wenn Sie aber an der breiten Seite sprechen – klingt es so. Laut. Geehrte Festgenossen, heut ist der Jahrestag des freudigen Ereignisses –
Ja, ja, Herr Doctor, das lernt man – ich habe schon viele Festreden gehört – so sangen sie alle an. – Gott, wo soll auch alles Neue herkommen – schließlich sagt ja Jeder doch dasselbe.
Ja, der eine mit Schwung, der andere ohne Schwung – nehmen Sie nur die breite Seite, Herr Doctor – ich werde ein Gewinde von Eichenlaub um die Tribüne ziehn – da sollen Sie mal sehn, was das macht! Ich sehe Sie schon im Geiste da oben stehn: – Theure Sängerbrüder u.s.w. – es wird herrlich sein.
Also die breite Seite – gehorsamsten guten Morgen, Herr Doctor. Kehrt um. Ja noch eins – denken Sie nur, ein Mitglied der Polihymnia hat sich beschwert, daß keiner von ihnen reden soll – denken Sie nur, die Polihymnia hat doch ihren Eintritt ganz zuletzt erklärt – da kann jetzt doch noch keiner von ihr als allgemeiner Festredner zugelassen werden – das ist ja doch ganz sonnenklar. – Aber [14] sie wollen womöglich alle reden – sie haben eine wahre Wuth auf's reden – na und wenn zuletzt alle reden – wer bleibt denn da noch zum zuhören – habe ich da nicht Recht?
Schade – nun – ich werde nochmals nachfragen. Mich gehorsamst zu empfehlen, Herr Doctor. Ab durch die Mitte.
Alle Wetter Hartwig – den hatte ich ja ganz vergessen. Allerdings hatte ich ihn eingeladen, aber heut – meine Frau in der Stimmung – er würde es merken – bei seiner Art zu schwatzen, würde es die ganze Stadt erfahren. Das geht nicht – ich muß es vermeiden –
Oh kein Wort weiter – ein warmer Händedruck zeigt mir, daß wir noch die Alten sind. Da sind alle Worte überflüssig – und Du weißt, ich hasse ja nichts mehr als Redensarten. Eigentlich sollte man das Reden ganz abschaffen – wo man sich mit einem Worte durch ein Zeichen verständigen kann – es würde nicht so viel überflüssiges Zeug geschwatzt werden.
Ein Fremder, den ich mitgebracht habe, den Du kennen lernen sollst – ich werde ihn Dir gleich vorstellen. Nur immer eins nach dem andern, Alles in gehöriger Ordnung. Also Du befindest Dich wohl?
Gut – freut mich – damit Du dieselbe Frage ersparst, will ich Dir gleich Antwort geben – ich befinde mich auch wohl, abgerechnet ein bischen Reißen in der linken Schulter. Hatte eine Kahnparthie – es wurde spät Abends – wodurch ich mir eine Erkältung zugezogen – hat aber nichts zu sagen, wird sich bald wieder geben. Zweitens aber ist morgen unser Stiftungsfest –
Ein einfaches Ja genügt. Du hättest auch nur mit dem Kopf zu nicken brauchen. Du hast mich zum Stiftungsfest eingeladen – hast mir ein Zimmer angeboten, ich habe die Einladung angenommen –
Ich weiß, daß Du es sehr bedauern wirst – doch es geht nicht anders alter Freund – ich muß bei meiner alten Tante wohnen.
Sie hatte von meiner Ankunft gehört, und da ist es Höflichkeit – Rücksicht – es ist nämlich eine Erbtante – da treffe ich unterwegs Jemand, der noch nicht weiß, wo er Quartier finden soll. Hollah sage ich – das paßt ja vortrefflich! – dem Manne kann geholfen werden und so bringe ich Dir denn einen andern Gast mit, damit Du Dein Fremdenzimmer nicht umsonst eingerichtet hast!
Jetzt kommt die Vorstellung – Herr Doctor Steinkirch, junger Gelehrter – sehr viel gelernt – Redacteur einer wissenschaftlichen Zeitschrift – Verbeugen Sie sich – verbeuge Du Dich auch – So, die Bekanntschaft ist gemacht, die Sache ist in Ordnung – ist Dir's recht? –
Eine noch größere Freude sein, wenn Ihr beide hier bleibt, willst Du sagen – Ich verstehe – aber das geht nun einmal nicht – die Erbtante –
Ja Kinder, wenn man Euch nicht im Zaum hielte, wenn man Euch nach Belieben reden ließe – wer sollte da Ohren genug haben zu hören. Ich denke noch daran, als wir zusammen studirten – Du hattest eine förmliche Wuth Reden zu halten, es verging kein Commers – kein Kneipabend – wo Du nicht eine Pauke losließest. – Und ich bin überzeugt, daß Du morgen beim Stiftungsfest auch wieder als Festredner auftreten wirst. –
[17]Na schon gut – ich weiß genug. Alle Achtung – ich finde es sehr natürlich – daß die Euterpe stets die Festredner stellt. Die Euterpe ist ja natürlich besser wie die andern Vereine, treibt ja philosophische Musik – hat die besten Stimmen –Zu Steinkirch. ist nämlich kaum zum Anhören – Da muß sie natürlich den Redner stellen – die andern Vereine stehen immer zurück – wenn sie da auch Jemand haben, der die Sprache in seiner Gewalt hat – Frische – Geist – Alles einerlei – aber das nebenbei. Die Hauptsache ist also gemacht, Sie sind untergebracht – Du hast einen liebenswürdigen Gast, heut Abend treffen wir uns im blauen Roß – lebt wohl. Giebt Beiden die Hände, dann ab – macht kehrt.
Ja, noch eins – vor 15 Monaten hast Du Dich verheirathet. Ich habe die Gesundheit Deiner Frau zwar beim vorigen Stiftungsfest oft getrunken, habe sie aber noch nicht kennen gelernt. Du lebst glücklich in Deiner Ehe?
Ein einfaches Ja hätte genügt. Diese vielen Worte sind verdächtig – es ist eine Umschreibung, die mir das Gegentheil zu sagen scheint. Du kommst mir auch so blaß vor – bist etwas abgemagert, das sind die Folgen des Heirathens – ja ich bin klug und weise – Seht mal, wie ich aussehe – ich habe keine Frau – ich nehme niemals eine Frau!
Hab' ich es nicht gesagt – wenn Ihr einmal zu Worte kommt – nichts als dummes Zeug bringt Ihr vor. – Wenn ich auch kein ganzer Adonis bin, ich habe Geist – das könnt Ihr mir nicht absprechen – und nur mit Geist erobert man die Weiber. Wenn ich also einmal ernstlich will, werde ich nicht schmachten – sondern im Sturm erobern! Nun will ich aber meinen Ohren die Qual nicht anthun, Euer Geschwätz weiter anzuhören – Guten Morgen. Ab durch die Mitte.
Ich falle Ihnen als Unbekannter so ins Haus, Herr Doctor – wenn ich Ihnen die leiseste Unbequemlichkeit verursache –
Ja – jawohl – Bei Seite nach einiger Verlegenheit. Haben Sie die Güte hier so lange einzutreten. Auf die Thür rechts deutend.
Ich bitte sehr – In verändertem Ton. Das ist eine verteufelte Geschichte. Ein mir selbst ganz fremder Gast gerade jetzt! – was wird meine Frau dazu sagen – Halt – oben im dritten Stock ist ein Zimmer zu vermiethen; wenn ich das nehme, sage: es ist mein Fremdenzimmer – da komme ich mit meiner Frau gar nicht in neues Zerwürfniß. Der Gedanke war gut – also schnell ihn ausgesührt. Will fort.
Dieser kalte gemessene Ton – Indem er sie betrachtet. und doch ist sie so hübsch – auch mit dem Ernst in dem lieben Gesicht. – Am liebsten möcht' ich ihr um dem Hals fallen. –
Er rührt sich nicht – auch gut – ich thue keinen Schritt entgegen. Sieht die Reisetasche von Steinkirch. Was ist denn das dort –
[20]Der Wirth hatte mir versprochen, im dritten Stock für ihn eine Stube abzutreten – ich wollte eben sehn, ob dieselbe für ihn in Ordnung ist. Trocknet sich die Stirn.
Ist es wohl erhört?! An meinen Kummer, meinen Schmerz denkt er nicht – aber das Zimmer für seinen Schreiber – das scheint ihm von der größten Wichtigkeit. Oh – sie verdienen es nicht, diese Männer, daß wir unsere Liebe an sie verschwenden – hart – sehr hart ist es, hinter den Schreiber rangirt zu werden. Weint.
Nachdem er uns durch nasses und kaltes Wetter um den Frühling gebracht hat, läßt sich der Sommer freundlich an.
Schreibtisch – ein sehr hübscher Schreibtisch. – Die Kunst, Möbel zu verfertigen, ist in neuer Zeit sehr weit vorgeschritten – wenn ich bedenke –
Oh – bitte, ich kenne meine Schuldigkeit! – Das Stiftungsfest des allgemeinen Sängerbundes wird in diesem Jahr gewiß sehr glänzend ausfallen.
Was will sie nur immer mit dem Schreibtisch! Laut. Schade, daß die Damen an dem Fest nicht Theil nehmen können –
[22]Aber es sind leider zu viel Stimmen dagegen – Männergesang, behaupten sie, könne nur in Männergesell-
Zudringlicher Mensch! Laut. Dort ist der Schreibtisch meines Mannes! Bei Seite. Jetzt wird er wohl endlich seine Stellung begreifen. Ab nach links.
Die Frau muß eine fixe Idee mit dem Schreibtisch haben! Oder sollte ich doch nicht willkommen hier im Hause sein? Hartwig behauptete, ich würde eine vortreffliche Aufnahme finden. – Scheffler schien mir schon etwas zerstreut – und die Frau mit ihrem Schreibtisch war nichts weniger wie entgegenkommend. Nein, nein – meine Reisetasche ist noch nicht ausgepackt – das Beste wird sein, ich suche im Gasthof ein Unterkommen. Will ab.
Weil Sie mir den Familiennamen nicht genannt haben, weil ich nicht weiß, wer Sie sind, wo Sie wohnen – weil ich nicht nach Ihnen forschen, Sie nicht aufsuchen konnte.
Weshalb wollten Sie ein unbedeutendes Mädchen aufsuchen – das einmal flüchtig Ihren Lebenspfad kreuzte?
Ach ja – es war nur zu flüchtig. Ich gehe in Baden-Baden spazieren, bemerke ein junges Mädchen, das verlegen an einem Bache steht. – Ich eile hinzu, ich helfe ihr über die Steine – die einen Uebergang bilden –
Sie irren sich, es konnten höchstens fünf Minuten sein. Das Mädchen sagt mir, daß sie täglich diesen Weg wandle – ich bin am andern Tage wieder zur Stelle. Sie kommt, wie sie versprochen. Eine Stunde verfliegt rasch – ich scheide mit der seligsten Hoffnung auf den andern Tag, aber sie kommt nicht wieder – auch nicht den zweiten und dritten Tag – Sie kam niemals wieder.
Oh das ist nicht so leicht. Meine Tante sucht mich von allem Umgang fern zu halten – ich gleiche beinahe einer verwunschenen Prinzessin –
Du wirst das doch nicht begreifen. – Ich gehe von hier fort, da sehe ich mir entgegenkommen eine junge Dame – Entgegenkommen! – Thörichtes, mattes Wort – schweben – mir entgegenschweben –
Dame hab' ich gesagt? mattes Wort! Die Grazie, die Anmuth selbst war es – mit einem Wort, ein höheres Wesen – ein Engel.
Ich stehe wie gebannt – sie schwebt näher. Der Zephir spielte mit ihren Locken – reizende blonde Locken – in der Hand hielt sie einen kleinen Sonnenschirm – grade wie die Rosenkönigin ihr Scepter halten würde – den Blick niedergeschlagen – da – Faßt heftig Steinkirch am Arm. Mensch –
Da schlägt sie die Augen auf. Ich sehe ein blaues Auge – ach was, Auge – ein tiefes, unendliches blaues Meer – ich versank.
Ich sagte ja gleich, Du würdest das nicht begreifen. Als ich wieder zu mir komme, ist sie vorüber – ich eile ihr nach – sie biegt in dieses Haus –
Das wäre – Laut. Wahrscheinlich ist sie oben im dritten Stock. Ja, ganz recht, ich hörte vorhin oben die Glocke [26] ziehn. Wenn Du eine Treppe höher steigst und dort auf dem Flur wartest, kann sie Dir nicht entgehn.
Du kennst ja die Tante – ich habe nur eine Stunde Erlaubniß auszubleiben – und ich möchte keine bösen Gesichter sehn –
Leb' wohl! – Sehr ernst. Kleine Wirthschaftssorgen – das sag' ich so lachend – während mein Herz blutet – während es sich um mein Lebensglück – vielleicht um meine ganze Zukunft handelt.
Ah – Verzeihung! Der Diener sagte mir, daß der Herr Doctor zu Hause sei – mein Name ist Brimborius. Ich bin Festordner, beim Stiftungsfest – Sie werden vielleicht meinen Namen gehört haben –
Ich wollte Ihren Herrn Gemahl nur fragen, was ungefähr der Inhalt seiner Rede sein wird – ob er wünscht, daß bei irgend einer Stelle einige Böllerschüsse oder Kanonenschläge im Garten losgehn – das macht sich ausgezeichnet. Vielleicht können Sie mir sagen, wie er darüber denkt?
Ah, Sie wünschen die Kanonenschläge – das ist mir genug! Da brauch' ich ihn gar nicht mehr zu hören. Verlassen Sie sich darauf, Frau Doctor, wenn Ihr Mann seine Rede hält – soll eine Kanonade stattfinden, wie sie in der Schlacht nicht besser sein kann. Verlassen Sie sich auf mich – die Fensterscheiben sollen zittern. – Habe die Ehre, Frau Doctor. Ab durch die Mitte.
Es scheint, die ganze Stadt kommt außer Rand und Band. Dieses unselige Stiftungsfest – es will durchaus feindselig in mein Leben eingreifen – doch ich halte Stand – je mehr die Gefahr auf mich eindringt – desto stärker fühle ich meinen Muth, meine Widerstandskraft [28] wachsen – Stampft mit dem Fuß. Mein Mann darf nicht zum Stiftungsfest!
Im Gasthof – jawohl, richtig im Gasthof. Aber grade während des Stiftungsfestes – – ich wünschte, daß er hier bei uns bleiben könnte.
Ah so, so! – ich verstehe. – Nun, ich will Dich nicht geniren – ich lasse Dir freies Feld für die Tage Deines Stiftungsfestes!
Bitte, mein Entschluß ist gefaßt – ich gehe zu meinem Bruder nach Rosendorf. Mag es Dir gut gehen – leb' wohl! Ab nach links.
Eine Frau das Haus ihres Mannes verlassen? – es ist ja kaum möglich – nein nein – sie thut es auch nicht – gewiß nicht!
Sie ist fort, und er wartet noch oben – Ergreift seine Reisetasche – die immer an der Thür stehen geblieben. Ah – Herr Doctor – Sie sind zurück!
Offen gestanden, ich hatte das Vergnügen, Ihre Frau Gemahlin zu sprechen – es schien ihr nicht angenehm, einen Fremden beherbergen zu sollen.
Ah – das geht! Laut. Ich muß Ihnen offen gestehn, meine Frau hat soeben eine unangenehme Nachricht von ihrem Bruder erhalten.
Allerdings, in Abwesenheit meiner Frau kann ich Ihnen in meinem Hause nicht alle Annehmlichkeiten bieten.
Ja – es ist mir lieb, daß Sie es selbst sehen, wie sie davon fährt. Für sich. Keinen Blick hat sie für mich – Laut. Da – Sehr niedergeschlagen. Sie ist fortgefahren.
Jämmerlich? Sich fassend und gezwungen heiter. Daß ich nicht wüßte – ganz und gar nicht. Bei Seite. Es ist zu thöricht – was nun thun?
Alle Bäder wieder überfüllt! Ich begreife die Wuth der Menschen nicht, in die Bäder zu reisen. So recht behaglich zu Hause zu sitzen, ohne Sorgen – in aller Bequemlichkeit – das ist doch der eigentliche Lebensgenuß.
Gott sei Dank – ja. Wenn der alte Bursche nicht zur rechten Zeit seine Bedürfnisse durch ein liebenswürdiges Knurren anzeigt – steht es schlecht mit der Gesundheit. Uhr sehend. Nun, mein Magen meldet Essenszeit – nach meiner Uhr fehlen noch zehn Minuten.
Das sagt der Mann mit der unschuldigsten Miene von der Welt! – und wie oft habe ich ihn schon gebeten, einen neuen Wagen zu kaufen? Hast Du denn den Landauer ganz vergessen?
Ich schäme mich, wenn ich die Präsidentin, die Baronin Hirschberg und Andre in ihren Landauern fahren sehe und ich habe keinen.
Seltsames Volk, die Weiber! in der Jugend schämen sie sich – wenn sie recht viel angesehen werden – später schämen sie sich, wenn sie keinen Landauer haben und nicht genug angesehen werden! Liest Zeitung.
Kapaunen – hm! Das paßt mir ja grade heut vortrefflich – Sieht nach der Uhr. Gehn wir denn nicht bald zu Tisch?
Daß Du ihre Lectüre überwachst, sie an Pünktlichkeit und Ordnung gewöhnst – finde ich Alles ganz natürlich. Daß Du sie aber so von aller Gesellschaft fern hältst, ist etwas zu peinliche Sorgfalt – ich glaube, mit einer eignen Tochter könntest Du nicht besorgter sein.
[34]Darum bin ich so ängstlich mit dem Mädchen – ein anvertrautes Gut hütet man mit dreifacher Gewissenhaftigkeit.
Das ist ja meine ewige Furcht. Mit Schrecken denke ich dran, wie ich sie voriges Jahr in Baden mit einem jungen Manne unbefangen über die Wiese wandeln sah, seinen Worten lauschend. – Ich reiste aber am andern Morgen sofort ab, trotzdem meine Kur noch nicht zu Ende war.
Ach was! Ich will sie nur sorgsam bewahren, bis mein Bruder aus Amerika zurückkehrt – er soll sie erhalten, wie er sie mir anvertraut hat.
Uns – anvertraut hat – uns. Ich habe auch versprochen, für ihr Wohl zu sorgen, und wenn sie einst einen braven Mann liebt – so gebe ich sie ihm, denn ein braver Mann ist das wahre Wohl für ein Mädchen.
Ich hatte so viel zu besorgen – das Stickmuster – die Perlen – die Wolle – überall wurde ich aufgehalten.
Ueberfahren werden – ja ja – die Welt ist voller Gefahren, mein Kind! – Aber Schatz, jetzt zeigen meine Uhr und mein Magen übereinstimmend eine Zeit – die höchste Zeit, daß angerichtet wird!
Freilich – freilich – die vornehmen Herrschaften pflegen später zu Tisch zu gehen, als unsereiner, der oft garnicht an einen Tisch kommt – sein Stückchen Brod und Fleisch aus der Hand im Gehn und Stehn essen muß!
Nun zum Stiftungsfest des allgemeinen Sängerbundes – Festtafel – ob und wie viel Gäste Sie mitbringen werden – hier – Legt die Liste vor.
Ah – Herr Commerzienrath! daran zu zweifeln, würde ich für ein Verbrechen halten. Sie, das langjährige Mitglied der Concordia – haben fast immer im Vorstand gegessen – gesessen, wollte ich sagen – waren immer Solobariton – Ach, wie schön sangen Sie die Reichardt'sche Kanzonette mit Chorbegleitung – Wenn ich daran denke!
Eine berühmte Größe unserer Stadt sollte beim Stiftungsfest fehlen – das geht ja gar nicht! Und es wird diesmal so schön – feierlicher Zug nach dem Saale – zwei Musikcorps – Herr Brimborius hat Alles vortrefflich geordnet – großes Concert – Festtafel! – Es wird prachtvoll, Herr Commerzienrath!
Kommen Sie wieder vor, Herr Schnake, der Herr Commerzienrath wird sich das überlegen. – Wir wollen soeben zu Tisch gehn!
Schön, Frau Commerzienräthin, ich werde wiederkommen. Der Schreck ist mir ordentlich in die Glieder gefahren. Wenn der Herr Commerzienrath fehlte – es wäre ja nur das halbe Fest. Wünsche ergebenst wohl zu speisen. Ab durch die Mitte.
Kinder, mir geht Ruhe und Bequemlichkeit über das [38] Vergnügen. Einen Zug mitmachen in der Sonnenhitze – Abends lange sitzen – mehr trinken als mir gut ist! – Nein – nein! – Aber kommen wir denn nun endlich zu Tische? Nimmt auch Ludmilla's Arm.
Ich muß Dir nur gestehn – ich hatte für mich und Ludmilla die kleine Loge auf der Gallerie bestellt, um ungesehen das Concert mit anzuhören!
Aber Kinder – das läßt sich Alles bei Tisch besprechen – kommt doch nun endlich! Will Beide abführen.
Ah – Scherz, alter Freund. Wir haben in der ganzen Stadt Niemand, der sich dazu eignet, so wie Ihr, des Wortes mächtig – die gewisse Würde – die nöthige Umsicht –
Ja, ich kenne das – Jeder will bei der Gelegenheit eine Rede halten. Da macht man's Keinem Recht, dem Einen giebt man das Wort zu früh – dem Andern zu spät. Ich danke für das Amt.
Ja denn – ja, ja – sonst bekomme ich wirklich nichts zu essen. Zu Wilhelmine. Thut mir den Gefallen und setzt Euch nur immer – gieb die Suppe auf – ich komme sogleich nach! – Bei Seite. Die Kapaunen müssen schon ganz braun sein!
Endlich ist er fort. Ah – Luft! Ich glaube, mein bischen Essen wird mir heut gar nicht bekommen. Jedenfalls find die Kapaunen jetzt schon schwarz. Will rechts ab.
Franz – wenn jetzt noch Jemand kommt, der mich [41] sprechen will, dem sage, ich sei verreist – gestorben oder begraben – Alles, was Du willst – nur laß Niemand ein. Verstehst Du?
Ei, ei, ei – da hat es was gegeben – aber meine Kapaunen! Laut. Hör', liebes Kind, vor allen Dingen trockne [42] Deine Thränen – und komm' mit mir zu Tisch. – So – nachher werden wir zusammen ein Wort über Deinen Kochofen sprechen!
Na ja doch, Kind. – Aber jetzt Fassung, Ruhe – so – so – daß die Andern nichts merken. – Was brauchen die von der Koch-Maschine zu wissen – nicht wahr?
Wenn die Kapaunen nicht zu Kohle gebraten sind, sollst Du auch ein Stückchen davon haben – aber ich stehe nicht dafür ein. Bolzau und Bertha ab nach rechts.
Die Herrschaften sind noch bei Tisch. Wollen Sie nicht gefälligst in's Speisezimmer treten, Herr Doctor! Eine Schüssel in der Hand.
Nein, nein – ich habe nur ein paar Worte mit dem Herrn Commerzienrath zu reden. Ich lasse ihn bitten – auf einen Augenblick.
Es ist besser, nennen Sie nicht meinen Namen – sie rufen mich sonst hinein. Sagen Sie: ein fremder Herr ließe bitten –
Ob ich wohl heut einen Augenblick Zeit finde zu meiner Rede. Zieht ein Manuscript aus der Tasche. Ich begreife gar nicht, wie das werden soll. Lesend, mit aufgetragener Betonung. »Wie die Töne in ihrem Zusammenstimmen erst die volle Harmonie erzeugen – so ist's auch [43] in der menschlichen Gesellschaft.« Sprechend. Es ist ein bischen Unsinn – aber es klingt doch. Wie vorhin. »Der Einzelne kann nur Unvollkommenes leisten!« Sprechend. Eigentlich auch ein bischen Unsinn – der Einzelne kann sehr Viel leisten, aber es klingt auch. Wie oben. »Die Harmonie aber ist es – die Harmonie – meine verehrten Festgenossen« – Sprechend. immer kommt mir der Gedanke an Bertha zwischen die Harmonie – ich komme zu keinem vernünftigen Satz. – Sieht in sein Manuscript.
Ich habe einen Gast, einen Doctor Steinkirch, der früher, als er hier wohnte, zur Polihymnia gehörte!
In Abwesenheit meiner Frau kann ich nun nicht gut den Gast bei mir behalten – und da wollte ich Dich bitten –
Ja – ja – ja – also bitte, komm' nur – jetzt habe ich keine Zeit, Dir das näher auseinander zu setzen – es ist eine ganz kuriose Geschichte mit dem Kochofen, – aber jetzt muß ich die Kapaunen vorlegen. Leb' wohl. Bei Seite. Warte nur – warte, mein lieber Junge. Ab nach rechts.
So – dieser Verlegenheit wär' ich enthoben, Steinkirch wäre untergebracht. Jetzt kann ich ernstlich an meine Rede denken. Zieht das Manuscript hervor.
Kein Wort weiter – bei Tisch – das genügt vollkommen. Es ist einmal ungesund, bei Tische gestört zu werden und dann auch ganz gegen die gute Sitte. Es giebt aber Menschen, die gerade diese Stunde auswählen, weil sie dann sicher sind, daß man zu Hause ist. – Um sich einen Weg zu ersparen, werden sie rücksichtslos – man kann diese Sorte nicht schroff genug abweisen. Lassen wir also den guten Bolzau in Ruhe speisen, wir können uns in der Zeit etwas unterhalten.
Wenn ich erst meinen eignen Haushalt habe, würde ich auf die Essenszeit ganz besondere Rücksicht verwenden. Mein Diener würde ganz bestimmt angewiesen, in der Zeit –
Ich weiß Alles, was Du wieder sagen willst; – ich habe allerdings früher einige Fehler gemacht, doch nur in der Art und Weise, die Damen zu behandeln. – Meine übersprudelnde Laune muß das entschuldigen.
[46]Man hat mich einigemal nicht verstanden, nicht begriffen – nicht gewürdigt. Seit der Zeit habe ich aber meinen Geist geschult, ich habe das weibliche Gemüth studirt. –
Kein Wort davon. Als ich erfuhr, daß der Mensch von mehr als 6000 Krankheiten befallen werden kann, daß es aber nur 248 Mittel dagegen giebt, überfiel mich ein gewisses Grauen und ich gab das traurige Geschäft auf. – Was nutzt dabei aller Geist? – Und Du weißt, ich habe Geist –
Ein einfaches Ja genügt! So habe ich denn jetzt ein unfehlbares Mittel, die Weiber zu behandeln. Hör' also einmal zu.
Ich mache also vor allen Dingen eine Analyse des betreffenden weiblichen Gemüths. Die Weiber zerfallen in schwärmerische – schwermüthige – muntre und romantische – nur so in großen Zügen. Die schwärmerischen behandle ich mit Poesie – ich lese ihnen Gedichte vor – die schwermütigen mit Musik. Du kennst meinen Tenor; bei den munteren lasse ich meiner Laune, meinem Witz die Zügel schießen – und die romantischen, bei denen habe ich ein Universalmittel – ein Kniefall, das reißt sie hin, entzückt sie. Du siehst also – es kann mir gar nicht mehr fehlen.
Der Herr Commerzienrath lassen sich nicht stören – Mit einer Schüssel durch die Mitte. – er ist bei Tisch.
[47]Ah – Herr Hartwig! was freue ich mich, Sie so wohl und munter zu erblicken. Sie sehn ja aus wie die Gesundheit und das gute Leben selber.
Auch so lustig wie sonst, als Sie hier studirten – das war eine schöne Zeit – ich war damals Diener bei der Euterpe und Concordia zugleich!
Und dann nebenbei war ich Ihr Stiefelputzer – oder Wichsier. Das heißt eigentlich Ihr vertrauter Minister. Ach, Herr Hartwig, einen so reichen freigebigen Herrn habe ich nicht wiederbekommen.
Aber sind Sie denn nun jetzt verheirathet, Herr Hartwig? Sie wissen, damals – wenn Sie ein hübsches Mädchen sahen, hatten Sie immer Heirathsgedanken. Da mußt' ich Sträußchen tragen, Briefchen besorgen – aber es hat Ihnen nie recht glücken wollen.
Ich habe nur jetzt keine Zeit von den alten Geschichten zu reden – heute Abend ist Ausschuß-Sitzung, Herr Doctor – Sie kommen doch jedenfalls?
Sehr schön! Aber ich kann nicht warten. Bitte, sagen [48] Sie dem Herrn Commerzienrath, daß auf seine Gegenwart gerechnet wird.
Habe wahrhaftig keine Zeit mehr, Herr Hartwig – der Boden brennt mir unter den Füßen. Das Musikcorps von Ladenbach hat abgesagt – da muß noch für ein neues gesorgt werden. Sie können sich nicht denken, Herr Hartwig, was ich mich gefreut habe, Sie so frisch und munter wiederzusehn. Empfehle mich bestens, meine Herren, empfehle mich! Ab durch die Mitte.
Nein, solch ein Schwätzer! Das war aber immer sein Fehler, der Mensch kann die Zunge nicht halten. Er hat mich ja förmlich todt geredet!
Scheffler – so höre doch. – Als wenn ich ein Schwätzer wäre! Aber weil er diese Wuth hat, Reden zu halten, ist es ihm schon zu Viel – wenn ein Anderer eine kurze Antwort giebt. Ich rede gewiß nicht mehr, als unumgänglich nothwendig ist, aber diese Advokaten glauben, daß sie das Recht zu reden allein gepachtet hätten!
Die Kapaunen waren ganz hart – aber Du bist außer Schuld, meine gute Fran Klopft ihr auf die Hand. – ganz außer aller Schuld!
Sie wissen ja, daß ich immer für die Kunst schwärme, Frau Commerzienräthin – ich wollte nicht verfehlen, den ersten Besuch in Ihrem Hause zu machen – in dem ich so oft freundlich aufgenommen wurde! Freue mich, Sie so wohl und munter zu sehn!
Sie sind ein beneidenswerther Onkel –Sieht sich nach den Damen um. ein Paar so reizende Nichten zu haben.
Um aber von unserem Fest zu sprechen, lieber Herr Commerzienrath – ich bin eigentlich in Geschäften hier –
Sie sind ja Vorsitzender in der heutigen Comité-Sitzung. Ich muß Ihnen offen sagen, daß sich die Concordia zurückgesetzt fühlt.
Man hat das Tenor-Solo mit Brummstimmen vom Programm gestrichen. Nicht etwa, weil ich das Tenor-Solo habe, berühre ich diesen Punkt – Gott bewahre – aber wenn die Euterpe uns unsre besten Nummern streicht, können wir nicht zur Geltung kommen – das werden Sie einsehn – nicht wahr?
Die Concordia muß also darauf bestehn, daß das Tenor-Solo vorgetragen wird. Zweitens wegen der Festrede. Ihr Neffe Scheffler hat im vorigen Jahre die Festrede gehalten – daraus kann aber doch nicht das Recht hervorgehn, daß er nun stets diese Rede hält. Ich mache mir in der That eigentlich gar nichts aus dem reden – obgleich ich eine gewisse Gabe der Rede zu haben glaube – aber die Concordia wünscht, daß der Redner für dieses Jahr aus ihrer Mitte genommen wird. Ja ich glaube, die Concordia tritt ganz zurück, wenn diesem Wunsch nicht nachgegeben wird, und so habe ich es übernommen, Ihnen dies vorzutragen. Wie ist Ihre Meinung darüber, Herr Commerzienrath? Sieht Bolzau an. Ich glaube gar, er schläft – und ich habe doch so interessant gesprochen. – Steht auf. Zu Wilhelmine, die mit Ludmilla und Bertha eintritt. Pst – pst – Frau Commerzienräthin – er schläft! Tritt zu Ludmilla und Bertha.
Er schläft? Sieht Bolzau an. Richtig! Oh über die Schwäche der Männer – er weiß, daß es ihm schädlich ist, und nun doch –Tritt zu ihm – berührt ihn leise. Bolzau.
[52]Du hast nur so gethan – das kenne ich schon! Komm, ich mache mit Dir eine Promenade in den Garten – das ist Dir viel gesünder – komm – komm.
Na denn in Gottes Namen, mein Engel!Nimmt Wilhelminen's Arm und geht mit ihr nach der Thüre zu. Ich mache eine kleine Vergnügungs- Tour mit meiner Frau – Zu den Damen. Unterhaltet Herrn Hartwig in der Zeit! Bolzau und Wilhelmine ab durch die Mitte.
Nummer 3 – ungeheuer heitres Temperament! Laut. Meine verehrten Fräulein, sie greifen mich da von beiden Seiten an. Der Kampf ist ungleich, denn ich werde geblendet durch ihre Schönheit und Liebenswürdigkeit. Wenn der Glanz solcher Augen – Zur Andern. solcher Augen das Herz verwirrt so kann der Verstand nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Ich war früher Mitglied der Concordia, man wünschte meine Mitwirkung – ich singe nämlich Tenor – dann sieht man dabei seine alten Bekannten wieder – ich sollte hier bei einem alten Freunde wohnen – dem Doctor Scheffler –
Ich habe einen scharfen Blick in solchen Dingen, meine Damen. Wenn ein junger Mann nach wenigen Monaten der Ehe sich so verändert – ist immer die Frau daran Schuld! Sie wird herrschsüchtig, zänkisch, eigensinnig sein!
[54]Das kann ein Mann schwer ertragen – und so ist denn mein armer Freund Scheffler geknickt – gebeugt – gebrochen! Ich mache drei Kreuze über ihn. Armer guter Freund!
Sie waren etwas hart in Ihrem Urtheil, Herr Hartwig! Ludmilla ist eine Freundin der Frau Doctor Scheffler! Es hat sie verletzt!
Oh, mein Fräulein – Alles mit Unterschied. Wer freilich das Glück hätte, Sie zur Gattin zu erhalten, der würde aufblühen zu neuem Leben – und nicht geknickt sein wie der arme Scheffler.
Oh, ich kann mir die Stellung einer Frau sehr süß und lohnend ausmalen. Mit warmem Segenswunsch entläßt sie den Gatten zu seinem Beruf – zu seinem Verkehr mit der Welt. Kehrt er heim, bereitet sie ihm das häusliche Wohlbehagen – mit sanfter Hand streicht [55] sie die Falten von seiner Stirn – die der Kampf des Lebens darauf gezogen – und ein liebevoller Blick des Gatten ist ihre schönste Belohnung.
Mir sagte einst ein ehrwürdiger alter Mann – liebe Tochter – Du hast auf Erden keinen anderen Beruf, als zu lieben, wenn Du den erfüllst, wirst Du glücklich sein.
Oh mein Fräulein – man müßte Sie als Muster für die ganze Frauenwelt aufstellen. – So würden Sie fühlen? So würden Sie lieben?
Ich weiß nicht – mir ist, als könnt' ich Ihnen Nichts abschlagen. Also – ein angenehmes Aeußere wäre mir erwünscht.
Nummer 4 – sie ist romantisch. Losbrechend. Das thut er! Doch weg mit der dritten Person. Das thue ich, mein Fräulein. Lassen Sie sich sagen, daß Sie mein Herz gewonnen haben, als ich Sie nur sah – daß Ihre himmlische Güte mich ganz gefangen genommen hat – daß Sie mich zum glücklichsten Menschen machen, wenn Sie mich er hören. Geist besitze ich in genügendem Maße – und singen kann ich auch: meine Stimme ist ein sanfter Tenor! Doch um ein so himmlisches Wesen wie Sie, wirbt man nicht mit bloßen Worten – auf die Knie muß man sich werfen und flehen – mein Fräulein – Kniet nieder. machen Sie mich zu Ihrem Sklaven.
So, mein Herr! Jetzt lasse ich Ihnen Zeit, über Alles nachzudenken!Wendet sich zum Abgehen, bei Seite. Rache ist süß! Ab durch die Mitte.
Sie läßt mir Zeit, über Alles nachzudenken? Das verstehe ich nicht! Was will sie damit sagen? Oh – wie hieß sie doch – jetzt hab' ich richtig ihren Namen vergessen.
Richtig, Bertha! Schöner Name – das heißt, Ludmilla ist eigentlich noch schöner! Wenn Sie erlauben – ich werde die Damen wieder aufsuchen! Empfehle mich! Ab durch die Mitte.
Er ist so aufgeregt – Bolzau – findest Du nicht – was hat er nur – sollte er mit Ludmilla allein gewesen –
Du machst freilich die Augen zu – wenn die Gefahr da ist – Bertha hat sich zurückgezogen, hat Kopfschmerzen, nein, nein – ich kann sie nicht allein lassen! Bolzau, daß Du nicht schläfst, hörst Du? – Mit einem Blick auf Bolzau. Was einem doch die Kinder für Sorgen machen. Ab durch die Mitte.
Bewahre! – Gott sei Dank, sie lassen mich endlich etwas allein! Was das für eine Qual ist – wenn man so fünf Minuten ausruhen will und wird immer gestört – es ist abscheulich. Unsinn mit dem Marienbader Kreuz – Sich umsehend. Haha – ich mache schon seit vierzehn Tagen wieder mein Nickerchen. Setzt sich in das Sopha. Ach, es ist so süß, wenn man in jenen Zustand verfällt, wo man halb wacht, halb schläft – wo man eigentlich mit Bewußtsein schläft – Gähnt. ein himmlischer Zustand! Ah – ja – ja – ja – Will einschlafen.
Nun, den Doctor Steinkirch – der bei Dir wohnen soll – ich habe ihn der Tante vorgestellt – er ist im Garten.
Ei, ei – den hatt' ich ganz vergessen. Nun das ist gut – ich danke Dir. Giebt ihm die Hand. Leb' wohl!
Dann bin ich mit meiner Rede fertig – mir ist da eine herrliche Wendung eingefallen – die möchte ich Dir vorlesen.
Den Anfang kennst Du. Hat Manuscript herausgenommen und blättert darin. Theure Festgenossen etcetera – Sucht.
Höre also: Ja, theure Sangesbrüder – die Musik ist ein Tempel – wir sind die Priester darinnen – Bei Seite. Hohe Priester ist noch besser.
»Und wie die Säulen den ganzen Bau tragen, so auch wird der große Gedanke getragen – getragen durch das Lied –«
»Die Kunst verschönt nicht allein, sie bildet! – und das Lied – es klingt nicht allein – es ist eine Macht!«
Aber Herr Doctor – erlauben Sie – Sie müssen bedenken, es sind Kanonenschläge – das giebt erst die Kraft – hören Sie doch – Ab durch die Mitte.
Hier bleib ich unter keinen Umständen sitzen – Steht auf. Das ist ja wie auf dem Jahrmarkt. Ich werde mich in mein Lesezimmer zurückziehn – dort findet mich Niemand. Will rechts ab.
Ueber den Mann! Ich wache mit peinlicher Sorgfalt über das Kind – halte sie von aller Herrengesellschaft fern – da ladet er einen jungen Mann ein – hier in's Haus ein – bei uns zu wohnen.
Aber Minettchen – es läßt sich nicht ändern – ich war Scheffler diese Gefälligkeit schuldig – es ging nicht anders.
Ich werde keine ruhige Stunde haben! Aber das weiß ich – ich gehe dem Menschen keinen Augenblick von der Seite; – ich war heut Nachmittag zur Majorin Sporn eingeladen – hatte bestimmt zugesagt – doch jetzt werde ich schnell hinübergehn und mich entschuldigen. Aber was kann in der Viertelstunde Alles geschehn?
Ich werde mich beeilen, so sehr es geht, aber ich bitte Dich inständigst, Bolzau – gieb ja recht Acht.
Einen jungen Menschen mir in's Haus zu laden, es ist entsetzlich! – ganz entsetzlich! Ab nach rechts.
Ich preise zwar den Zufall, der mich in Ihr Haus geführt, Herr Commerzienrath – doch muß ich um Vergebung bitten, daß –
Oheim – Tante hat befohlen, daß ich eine Parthie Schach mit Dir spiele. Du weißt schon weshalb – wenn es Dir gefällig ist? Ordnet das Schachbrett.
So – in einer Viertelstunde bin ich wieder hier. Zu Steinkirch, der aufstehen will. Bitte, lassen Sie sich nicht stören.
Nun sieh mal – die Beiden sitzen da – ich sitze hier. Was soll nun wohl passiren. Wie? Du kannst in aller Ruhe gehen!
So – sei recht artig, hörst Du? Streichelt ihm die Backe. und Du auch, Ludmilla – leben Sie wohl, Herr Doctor! Ab durch die Mitte.
[63]Unbequem, hier mit der Gießkanne zu sitzen Nimmt den Arm über die Sophalehne, damit die Gießkanne nachher etwas hoch herunterfällt. Nun wie steht's, Ludmilla?
Es sollte mir eine Vorbedeutung sein – ob ich Ihnen vielleicht mehr abgewinnen könnte. Sie zürnen mir deshalb nicht, Fräulein Ludmilla?
Gewiß nicht? Reicht ihr seine Hand – Ludmilla giebt ihm die Hand. Ich danke Ihnen – Küßt ihre Hand – die Gießkanne fällt – sie fahren schnell auseinander.
Die sind ganz in ihr Spiel vertieft. Hebt die Gießkanne wieder auf – setzt sich zurecht. Sehr unbequem.
O glauben Sie es mir – seit jener Stunde hat mich die Erinnerung an Sie nie verlassen. Steht auf. Hätten Sie jener Zeit auch wohl öfters gedacht?
Oh, so oft Sie wollen – es ist die schönste Parthie, die ich je gespielt habe – aber was wollen Sie thun?
Der arme Onkel, – wie unbequem ihm die Gießkanne ist – er kann zu keinem Schlaf kommen. Nimmt behutsam die Kanne aus seiner Hand und setzt sie leise auf den Boden. So.
Nichts – Alles – ein Wort von Ihnen fehlt mir, Ludmilla. Das Glück meines Lebens hängt davon ab. Wozu soll ich lange Worte machen – Sie müssen es wissen – müssen es fühlen, daß ich Sie liebe – dürfte ich je hoffen, daß mir einst Ihre Hand gehört? Ist etwas herumgerückt – hält seine Hand hin.
Herr Commerzienrath, jetzt habe ich Ihnen Alles gesagt. Sie kennen nun meine Verhältnisse und ich bitte Sie von der Aufrichtigkeit meiner Gefühle überzeugt zu sein.
Ja, ja, das glaube ich Ihnen, mein lieber Steinkirch, [67] aber – aber – sehen Sie, ich habe doch nicht allein zu entscheiden, ich habe eine Frau –
Nein, thun Sie das lieber nicht – es könnte Ihnen schlecht bekommen.Bei Seite. Was so ein Verliebter für eine Eile hat!Laut. Ich werde das übernehmen, ich gestehe Ihnen, ich weiß noch gar nicht, wie sie darüber denkt!
Ja, ja – Bei Seite. Was die Jugend für naive Anschauungen hat – als wenn meine Alte gar nichts zu sagen hätte. Laut. Sie haben Recht – es ist eigentlich nur pro forma – doch ist es besser, ich leite das ein, es wird mir zwar etwas heiß bei dem Gedanken – doch verlassen Sie sich auf mich! Sagen Sie gar nichts – lassen sich gar nichts merken, meine Frau hat darin ein Auge – ich sage Ihnen –
Bitte lassen Sie mich nachher eine gute Antwort hören, auf Wiedersehn, Herr Commerzienrath. Ab durch die Mitte.
[68]Leben Sie wohl! – Ein netter Tag heute, verbrannte Kapaunen, kein Nachmittagsschläfchen, jetzt diesen verliebten Menschen, über den meine Wilhelmine außer sich werden wird, meiner Nichte Bertha noch den Kopf waschen, wegen des Kochofens, Scheffler eine Vorlesung halten, dazu Ausschuß-Sitzung, ich begreife nicht, wie ich das Alles überwältigen soll! – Oh und dabei liebe ich so sehr meine Ruhe. –
Ruhe – ja, hat sich etwas! Warte nur Du Tausendsassa – Droht ihr. Du machst mir schöne Dinge, ich werde Deinethalben heut noch heiße Stunden haben.
Ja – hm – als wenn so ein Kuß Alles gut machte! Du Schelm, aber komm, erzähle mir wenigstens wie die ganze Sache gekommen ist Sich nach Wilhelmine und Bertha umsehend, die eintreten. mir ganz allein. Zu Wilhelmine. Wir wollen einen kleinen Gang durch den Garten machen. Bolzau und Ludmilla ab durch die Mitte.
Mein Alter scheint immer noch keine rechte Lust zu haben, das Stiftungsfest zu besuchen, wenn das Gespräch darauf kommt, rede ihm nur etwas zu, hinzugehen.
Am andern Morgen haben sie so eine Art sanfter elegischer Stimmung, sind weich, nachgiebig, ich benutze diese Gelegenheit stets dazu – wenn ich etwas durchsetzen will. Uebermorgen früh habe ich meinen Landauer, ich wette mit Dir.
Gewiß, sei überzeugt, das sind nicht die schlimmsten Zerstreuungen – bei der Gelegenheit immer die Zügel locker lassen damit man sie später wieder anziehen kann.
Wie gut Du bist, Minona. Streichelt Wilhelmine die Backen. Es ist doch außerordentlich nett, wenn man so einig ist.
Braver Mann hin – braver Mann her – laß uns darüber nicht erst sprechen. Mein Wille steht fest – ich bewahre das Mädchen vor jeder Neigung – bis ihr Vater aus Amerika zurück ist.
Oh nein – aber Du kannst glauben, daß nicht alle Ehen so glücklich ablaufen, wie Bertha und Scheffler's zum Beispiel.
Das ist eine Musterehe – vertraue meinem Scharfblick. Beinahe zwei Jahre verheirathet und noch nicht das leiseste Zerwürfniß –
Schöner Rauch – ja – blauer Dunst, den sie uns vormacht. Denke nur – Scheffler war vorhin hier – er war zerstreut – eingenommen – erzählte mir, daß seine Frau nach Rosendorf zu ihrem Bruder gefahren sei. Er weiß gar nicht, daß sie hier ist!
Schatz – in jeder Ehe giebt es Krieg – in einer guten wenig, in einer schlimmen viel – die jungen Leute haben bis jetzt in Frieden gelebt – nun ist der Krieg auch ausgebrochen.
Hätte auch nichts geschadet – Du wärst wieder gekommen – von solchen Kriegslisten muß man sich nicht verblüffen lassen.
Ein Unglück wäre es – ein großes Unglück – und meine Einwilligung gäbe ich nie – niemals Bolzau – ein für allemal! Ich will keinen jungen braven Mann! Ab nach links.
Sie würden sich die größten Unannehmlichkeiten zuziehn. Thun Sie mir den einzigsten Gefallen, gehen Sie ruhig wieder hinüber – keine Uebereilung – ich bitte Sie dringend. Will ihn hinausführen.
[74]Leben Sie wohl! – Wenn meine Frau eine Ahnung hätte – na ich danke – aber wie fädle ich nun die Sache besser ein?
Erlauben Sie – Einer nach dem Andern, sagte der Herr Commerzienrath – also gestatten Sie, daß nun erst der Eine redet.
Mein Tenor-Solo stand also auf dem Programm – da reicht der Musikdirector Paukenhagen von der Polihymnia einen südaustralischen Sieges-Chor nachträglich ein. Mein Tenor-Solo wird gestrichen und dafür soll dieser südaustralische Sieges-Chor der Polihymnia ausgeführt werden – dieser Polihymnia – die –
Ich gehöre zur Polihymnia – der Sieges-Chor ist vorzüglich – sinfonisch – es lassen sich an verschiedenen Stellen Kanonenschläge anbringen –
Aber – meine Herren – lassen Sie doch die Sache ruhen bis zur wirklichen Sitzung – da wollen wir das in aller Ruhe besprechen – jetzt kann ich weder Ja noch Nein sagen. Bei Seite. Oh meine Ruhe – meine Ruhe.
Die Sache ist also abgemacht! Giebt Beiden die Hand. Das war ein schweres Stück Arbeit!Trocknet sich die Stirn. Ah –
Lassen Sie nur, Franz – Herr Commerzienrath nehmen es nicht übel, wenn ich eintrete – es giebt so viel Wichtiges. – Guten Abend, meine Herren!
Der Festausschuß ist versammelt hier nebenan im goldnen Lamm, Sie werden dringend gebeten, hinüber zu kommen.
Ich habe mir schon die Beine abgelaufen, ein neues Musikchor aufzutreiben – da die Ladenbacher absagten – aber umsonst. Bei dem schönen Wetter ist überall Concert – wenn Sie das Tageblatt in die Hand nehmen – lesen Sie eine ganze Seite lang – Garten-Concert – Garten-Concert – Garten-Concert – Garten-Concert –
Mit einem Musikchor wäre das Fest zu ärmlich – bei Tafel müssen doch zwei sein – die abwechselnd spielen können. Dann ist auch die Harfe krank geworden.
Sehr schlimm – in dem großen Chor der süd-australischen Auswanderer von unserem Musikdirector Paukenhagen ist die Harfe sehr wichtig, wie er sagt – und in der ganzen Stadt giebt es weiter keinen Menschen, der die Harfe spielt –
Dann schießt sich der Musikdirector Paukenhagen todt – oder erhängt sich – oder springt in's Wasser – Sie kennen das ja, Herr Commerzienrath – hat ein Musiker einmal eine Composition von sich auf's Papier gebracht, läßt er es um keinen Preis weg – nicht eine Note darf fehlen –
Aber Rath schaffen, Herr Commerzienrath, Sie glauben nicht wie das zugeht, die Herren von der Concordia –
Nein, ich erlaube Dir nichts, Du mußt wissen, daß es sich durchaus nicht schickt, eine solche Fluth von Worten hervorzubringen, daß andere Leute gar nicht zu Worte kommen können.
Wie kannst Du mir widersprechen, da ich das besser wissen muß. In solchen Sitzungen führt einer den Vorsitz und Alle sprechen, je nachdem er Ihnen das Wort ertheilt.
Unerhörte Beleidigung, wenn ich Ihnen die Ehre anthun will, das Stiftungsfest durch meinen Tenor zu verschönern.
Im Chor singen kann jeder Narr, verzeihen Sie, meine Herren, daß ich mich eines so heftigen Ausdrucks bediene, wenn man aber sein gutes Recht vertheidigen muß, kann man das nicht, ohne etwas in Wallung zu gerathen.
Im Chor singen kann jeder Narr, wenn aber Jemand von der Natur mit einer besonders schönen Stimme begabt ist, die ihn zum Künstler stempelt, so sollen sie einen solchen Mann besonders schätzen und ihm alle Ehre anthun – sagen Sie das den Herren –
Keine Einwendung, wenn der Ausschuß die begabtesten und beliebtesten Mitglieder mit solcher Rücksichtslosigkeit behandelt, wird er im Allgemeinen Unzufriedenheit hören.
Ist auch nur ein Theil des Sängerbundes, muß sich der Mehrheit fügen, und die Mehrheit habe ich für mich, denn sie liebt [79] das Schöne. Also gehe, Schnake, sage ihnen, ich würde auf jeden Fall mein Tenor-Solo singen, ich nehme keine Einwendungen an, kein Wort mehr, das ist mein Bescheid, Du brauchst gar nichts zu erwidern, geh' nur, und richte meinen Auftrag aus Er hat Schnake gegen die Thür gedrängt. geh' – geh' – geh' –
Und bei diesem ausgesprochenen Talent wollen diese Herren nicht, daß ich die Festrede halte, ist es nicht eigentlich unerklärlich?
Hm – sehr verschämt – natürlich – sie thun ja immer, als wenn sie nicht sprechen können bei der Gelegenheit – sie sagte so etwas von nachdenken – Gott, Du weißt ja, wie die Mädchen sind.
Freund – Du bist ja hier Kind im Hause – suche sie auf – rede mit ihr – sie solle keine lange Ziererei machen – rede ihr gut zu.
Auf mein Wort – hier – hier lag ich – sehr malerisch – hier stand sie – es ist eigentlich Alles abgemacht zwischen uns – aber so pro forma – sprich mit ihr – hörst Du?
[81]Dann die Toaste zu vertheilen –Bleibt stehen. Da zwei, die wollen auf das Vaterland sprechen – drei auf die Kunst des Gesanges – fünf Bewerber um den Trinkspruch auf die Gäste – und auf die Frauen wollen gar sechse sprechen – Ihr habt das zu entscheiden –
Nein, diese Sangesbrüder! Harfe spielen – Wein kosten – und dabei hab' ich so viel im eigenen Hause zu thun. Vor allen Dingen muß ich die Geschichte zwischen meinem Neffen Scheffler und seiner Frau in's Reine bringen – die könnten mir nachher helfen.
Ah – Bertha – Du kommst mir wie gerufen – erkläre mir doch mal – wie hängt das zusammen – Dein Mann ist soeben nach Rosendorf gefahren.
Er hatte zufällig gehört, daß Dein Bruder heut ein Fest giebt – ich glaube den Husaren-Officieren – da will er Dich dort aufsuchen!
So – nun – wenn Scheffler dort eintrifft Dich sucht – nach Dir fragt – und Niemand weiß da etwas von Dir – was sollen die Leute denken – sie werden lachen – ihn bespotten er wird heftig werden –
Ja, ja – oh Oheim – als ich von ihm vorhin fortfuhr, da klopfte mein Herz so, daß es zerspringen sollte – und jetzt, wo ich wieder zu ihm fahren soll – ist es fast ebenso.
Mach' Dich nur sogleich fertig – ich bestelle Dir meine schnellsten Pferde –Will ab durch die Mitte – kehrt in der Thüre um. Da kommt der Steinkirch wieder – Ruft. Bertha.
Da kommt Jemand – der mich sprechen will – ich mag ihn nicht treffen – sage ihm, er solle da in mein Zimmer gehen – lesen – schreiben – was er will – bis ich ihn rufe – sag' ihm das! Eilig ab durch die Mitte, dann links.
Der Oheim läßt Ihnen sagen, Sie möchten dort eintreten – lesen – schreiben – was Sie wollen – bis er Sie ruft – gehen Sie nur – gehen Sie an den Schreibtisch! Ab links.
Aus der Frau werde ich nicht klug – doch ich will thun, was mir der Herr Commerzienrath befehlen läßt. Ab nach rechts.
Nun, Dein Schwager giebt heut den Husaren-Offizieren ein großes Fest – nur Herren – es wird gewiß sehr lustig hergehen.
Ein flottes Corps sind die Husaren allerdings – flott und verwegen vor dem Feinde – aber auch wenn es gilt ein Herz zu erobern!
Freilich ein Gerede wird es geben, es giebt ja immer böse Zungen – daraus muß man sich nichts machen.
[86]Oh doch – doch – Bei Seite. Sie ist erzürnt auf mich – wenn sie sich grade deshalb den Hof machen ließe? Oheim – ich fahre auch nach Rosendorf.
Jawohl! – Aber, weißt Du, auf alle Fälle, schreib' jetzt eine Zeile – ich schicke einen reitenden Boten – je eher sie da heraus kommt, desto besser –
Sie soll uns entgegenkommen. Setz' Dich dorthin – aber schreib' ernst, streng, daß sie es nicht für Scherz hält.
Gut gemacht! Was hat er denn geschrieben? Nimmt das Blatt. Das nennt er strenge: Meine einzige, geliebte – angebetete Bertha.
[87]Ich muß allein mit Dir reden – ich habe Dir so viel zu sagen – zu gestehen – ich war eine thörichte, eigensinnige, leichtsinnige Frau!
Minona – es giebt Augenblicke – wo der Mann ganz Mann sein muß – wo er auf seinem Willen bestehen muß – weil er seinen Willen für den richtigen hält.
[88]Hat den der Kukuk schon wieder! Er geht durch die Mittelthür – so daß man Bolzau mit Schnake sprechend, letzteren heftig gestikulirend außen sieht.
Alles, was ich vornehme – geschieht nur zu Deinem Besten – fürchte Dich also nicht, Kind! Streichelt ihr die Backen.
[89]Es ist nur zu Deinem wahren Wohl – Führt sie an die Thür rechts. Geh' in dies Zimmer – ich schließe hinter Dir zu.
Na, ich wasche meine Hände in Unschuld – aber nun kann ich endlich beruhigt in die Sitzung gehen – die Sache hast Du prompt erledigt.
Aha – die starken Männer – so wie sie sehen, daß man Ernst macht – geben sie doch schnell nach – wie jetzt mein starker Mann! Oh, wohin kämen sie wohl, wenn wir nicht so überlegt handelten.
Frau Commerzienräthin – es giebt im Menschenleben Augenblicke, wo es ein gewisses Bedürfniß ist, seine Gedanken einer fühlenden Seele auszuschütten.
Nun – kurz und gut, Frau Commerzienräthin, Ihre Nichte hat auf mich einen unauslöschlichen Eindruck gemacht.
Einen so unauslöschlichen Eindruck, daß ich mir ein ferneres Leben ohne sie nicht denken will – haben Sie die Güte –
Nun, Herr Hartwig, dann will ich Ihnen auch kurz sagen – ich bin nicht aufgelegt zu schlechten Späßen.
Ich kann es nur für einen ganz schlechten Scherz ansehen, wenn Sie die Hand meiner Nichte begehren. Lassen Sie sich das ein für allemal gesagt sein. Ein Mann, der sein Herz fortwährend auf der Zunge hat – es feil bietet wie auf dem Markt – das ist kein Mann für meine Ludmilla!
Bertha? Hahaha! Bei Seite. Das ist gut! Laut. Nun – da müssen Sie mit meinem Neffen Scheffler reden, der hat über diese Hand zu verfügen – da ist er gerade!
Nun, Herr Hartwig, finden Sie noch, daß mein Mann so blaß aussieht? Ich glaube, er ist wieder ganz der alte! Spricht mit Scheffler.
Herr Commerzienrath – In großer Eile eintretend. Ist denn der Doctor Steinkirch nicht hier? Meine Herren – wo ist denn der Doctor Steinkirch? Ich suche ihn wie eine Stecknadel – wenn er nicht gleich kommt, verlassen die Mitglieder der Polihymnia die Sitzung. Er wohnt ja bei Ihnen, Herr Commerzienrath!
[93]Morgen reise ich mit Ludmilla nach Hamburg, sie mag sofort nach Amerika reisen und sich die Einwilligung Ihres Vaters holen, eher wird nichts, so wahr ich Wilhelmine Christiane Amalie Bolzau heiße, so lange wird sich der brave junge Mann wohl noch gedulden können!
Oh, wenn es nur das ist, da brauch' ich nicht nach Amerika, Tante, mein Vater schrieb mir vor einem halben Jahre einen Brief für den Fall, daß mich einmal Jemand haben wollte.
Es hat mich ja noch Niemand haben wollen. Ich hielt aber den Brief für so wichtig und werthvoll, daß ich ihn für diesen Fall stets bei mir trage. Einen Brief reichend. Hier ist der Brief, hier.
Erlaube – Den Brief nehmend. ich werde Euch vorlesen! Lesend. »Im Großen und Ganzen taugen eigentlich die Männer alle nicht Viel.«
»Dennoch seid ihr Weiber selbst so schwach, daß ihr ohne diese schwache Stütze nicht leben könnt.« Sprechend mit Beziehung zu Wilhelmine. Ganz vernünftige Ansichten, Dein Bruder!
»Auch Deine Stunde wird schlagen, mein gutes Kind.« Sprechend. Ist bereits geschehen! Lesend. »Sieh' Dir [95] den Mann, den Du liebst, recht genau an; – wenn sie verliebt sind, verstehen die Männer ihre Fehler am besten zu verbergen.«
»Ebenso wie ihr vor der Hochzeit Sammtpfötchen zu machen wißt und die Krallen zu verbergen versteht.« – Sprechend. Da hat er Recht.
»Dein Gefühl wird Dich hoffentlich richtig leiten, auf jeden Fall ziehe Deinen Onkel Bolzau zu Rathe. Sprechend. Aha! Lesend. »Meine Schwester läßt sich zu sehr von Aeußerlichkeiten bestechen als schwache Frau.«
Also Ludmilla liebt, der brave junge Mann ist da, ich sage: »Ja« – nein, Wilhelmine Treuherzig, indem er Wilhelmine bei der Hand nimmt. wir sagen zusammen ja – nicht wahr?
Warum sind Sie nicht gekommen, der Streit war nicht auszugleichen. Die Concordia trat aus, die Polihymnia folgte, der allgemeine Sängerbund ist aufgelöst!
Nun, dann laßt die Lichter hier anzünden. Wir feiern in der Familie Zu Bertha und Scheffler. das Stiftungsfest des wiederhergestellten Friedens – Zu Ludmilla und Steinkirch. das Stiftungsfest für eine glückliche Ehe.