✍Meinen hochzuverehrenden Herrn Collegen theile
ich beiliegend ein Lateinisches Schreiben des
Hr. Dr. Schopenhauer an die Facultät nebst
einem Deutschen an mich, dessen Curriculum
vitae, Diplom und drei Schriften mit, und ersuche
Sie, insbesondere aber diejenigen Herren, in deren Fach
die genannten Schriften einschlagen, sich über die
Zulassungsfähigkeit des Hrn. S. zu erklären.
Ungeachtet der nicht geringen Anmaßung und außer-
ordentlichen Eitelkeit des Hrn. S. welche aus allem
Beiliegenden hervorgeht, halte ich doch dafür, daß
in Rücksicht auf die Qualification desselben, nichts
gegen seine Habilitation eingewandt werden kann.
Auch glaube ich, daß man ihm gestatten kann, daß
seine Vorlesungen in den Katalog gesetzt werden,
ehe er die mündlichen Prästationen gethan hat,
jedoch unter der Bedingung, daß er nicht eher zu
lesen anfange, als seine Habilitationsleistungen
alle vollendet sind. Auch hierüber, bitte ich, gefällig
Ihre Meinungen zu äußern.
✍Ganz einverstanden mit dem Antrag des Herrn Decans
insofern der Beschluß von der Facultät abhängt, und
die in Bezug auf [+++] [++]1 den mit circulirenden Extract
eines Minist.-Rescr. vom 17. v. M. vor Zulassung zu den Habi-
litationsleistungen erforderliche Erklärung des Hn Regie-
rungs-Bevollmächtigten eingehohlt seyn wird.
✍Wenn die Gesetze es2 nicht ausdrücklich erlauben, kann ich mich um so weniger
für die Aufnahme in den Catalog vor beendeter Habilitation erklären,
da, (wenn ich nicht irre), das Ministerium ein ähnliches Verfahren in
Breslau bestimmt gerügt u. untersagt hat. Im Übrigen beistimmend.
✍ item
✍Ich gestehe, daß mich die ausnehmend große Anmaßlichkeit des H. S. wenig
geneigt macht, mich für irgend eine besondere Begünstigung desselben von Seiten der
Fakultät zu erklären. Indeß zweifle ich eben so wenig, daß seine Prästationen genügen
werden, und wünsche, ohne den Herren Kollegen vorzugreifen, welche dazu mehr Beruf haben als ich,
mich nach vollendetem Circular noch etwas näher mit den eingesandten Schriften bekannt zu machen.
[1v]✍Obgleich ich im Ganzen mit Sr Specatbilität einverstanden
bin, scheint es mir doch auch3, als ob die neuerliche Verfügung des
Ministeriums die Aufnahme der Lections-Anzeige des Can[di-]
daten in den Catalog etwas bedenklich mache. Ich würde
deshalb dafür stimmen, daß die Facultät die eingesand[ten]
Specimina des Herrn Dr S. nebst seinem Gesuch und curr[icu-]
lo vitae,x)4 allenfalls von einem kurzen Gutachten begl[ei-]
tet dem Herrn Regierungs Bevollmächtigten vorleg[te]
und diesem die Entscheidung überließe.
Ich stimme dem Voto des H. p Lichtenstein bey. 11. Jan.
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✍ x) Daß die Sachen zuerst dem Hrn Regierungsbevollmächtigten vorgelegt werden müßten,
habe ich als gesetzmäßig stillschweigens vorausgesetzt; es fragte sich nur, was die
Facultät, so viel an ihr liegt, thun wollte. Indessen muß allerdings erst des Bevollmächtigten
Erklärung eingeholt werden.
- Rechtsinhaber*in
- Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek
- Zitationsvorschlag für dieses Objekt
- TextGrid Repository (2022). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. [8.-] 11. Januar 1820. Philosophische Fakultät, Habilitation Schopenhauers (Zirkular). Z_1820-01-11_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000F-4E8A-F