[151] 167. Der Teufel als Baumeister.

1.

In einem Orte an der Leine hatte ein Bauer eine so reiche Ernte gethan, daß er seine Früchte nicht zu lassen wuste. Da kam der Teufel zu ihm und versprach ihm in einer Nacht, ehe der Hahn krähte, eine große Scheuer zu bauen, wenn er ihm nach zwölf Jahren das geben wolle, was jetzt in seinem Hause noch verborgen wäre. Der Bauer ging darauf ein. Als er nun zu Hause davon erzählte, dachte seine Mutter sogleich daran, daß ihre Schwiegertochter ein Kind unter dem Herzen trug und daß der Teufel dieses gemeint habe. In der nächsten Nacht bauten die Diener des Teufels die Scheuer; die Mutter des Bauern aber blieb die ganze Nacht wach. Als nun die Scheuer ziemlich fertig war, ging sie in den Hühnerstall und scheuchte die Hühner auf, so daß der Hahn vor der Zeit krähte. So wie der Hahn krähte, stand der Bau plötzlich still. Am Morgen zeigte sich, daß in der Scheuer nur noch eine Wand fehlte, was an einem Fuhrmanne gelegen hatte, der mit einem Wagen voll Steine zu langsam gewesen war. Später hat man diesen Wagen auch gefunden; dem Fuhrmanne, wie den Pferden hatte der Teufel aus Verdruß den Hals umgedreht.

Die Scheuer ist heutiges Tages noch zu sehen. Das Holz und die Steine, die dazu verwandt wurden, sind unbehauen. Die Wand, welche noch nicht fertig war, kann nicht eingesetzt werden, und so oft man es auch schon versucht hat, fällt sie doch immer wieder ein. Vor Tage und bei Licht kann nicht darin gearbeitet werden; denn entweder geht das Licht aus, oder es werden Garben von oben herunter geworfen, man weiß nicht, von wem. Die Scheuer wird jetzt auch als Schafstall benutzt; aber jedes Jahr wird das fetteste Schaf todt darin gefunden.

2.

Ein Bauer in dem hessischen Dorfe Ellenbach bei Landwehrhagen hatte eine so reiche Ernte gethan, daß er die Früchte in seiner Scheuer gar nicht unterzubringen wuste, und hatte kein Geld sich eine größere zu bauen. Darüber wurde er nun ganz betrübt. Wie er eines Tages mismuthig durch das Feld ging, trat ein Jäger in einem grünen Rocke zu ihm und fragte, weshalb er so traurig wäre. Der Bauer erzählte darauf dem Fremden den Grund seines Kummers. Da erbot sich dieser, wenn er [152] ihm gehören wolle, so wolle er ihm in der nächsten Nacht noch vor dem ersten Hahnenschrei eine große Scheuer auf seinem Hofe bauen. Der Bauer ging auf den Vorschlag ein. Als es nun Nacht geworden war, entstand auf dem Hofe ein gewaltiges Klopfen und Hämmern (dâ geit et an en pinken). Der Bauer schaute hinaus und sah, wie sich mit ungeheuerer Geschwindigkeit eine Scheuer erhob, und es konnte nicht mehr lange dauern, so stand sie fertig da. Jetzt wurde er immer unruhiger und ängstlicher. Seine Frau fragte ihn, was ihm fehle; anfangs wollte er es nicht sagen, doch endlich erzählte er ihr alles. »Da will ich schon Rath schaffen,« sprach die Frau, ging hinaus in den Hof und krähte laut, wie ein Hahn. Alsbald fingen alle Hähne auf dem Hofe und in der Nachbarschaft an zu krähen. So war der Bauer gerettet und der Teufel geprellt; denn das Dach war noch nicht ganz fertig, als der Hahn krähte. Das Fehlende konnte aber kein Mensch hinzuthun.

3.

Eine Gemeine wollte einst eine Kirche bauen, hatte aber kein Geld dazu. Da machte sie ein Bündnis mit dem Teufel, daß er in einer Nacht vor dem Hahnenschrei die Kirche fertig bauen und dafür die Seele von einem aus der Gemeine haben sollte, der durchs Loos bestimmt werden sollte. Alsbald begann der Teufel seinen Bau. Seine Geister brachten die Bausteine mit solcher Schnelligkeit zusammen, daß, noch ehe der Hahn krähte, die Kirche bis auf eine Lücke über der Thür fertig war. In dieser höchsten Noth setzte sich die Frau des Schulmeisters auf einen Baum, schlug die Hände zusammen um den Flügelschlag des Hahns nachzuahmen und krähte, worauf die sämmtlichen Hähne des Dorfes auch zu krähen anfingen. Der Teufel kam gerade mit einem großen Steine, der über die Kirchthür gesetzt werden sollte, angeflogen, als er den Hahn krähen hörte. Voll Grimm ließ er den Stein auf dem Kirchhofe fallen, wo er noch jetzt liegt. Das Loch über der Thür kann bis auf den heutigen Tag nicht zugemauert werden, so oft man es auch versucht hat. Hatte man es am Tage zugemauert, so stürzte das Gemauerte in der Nacht wieder zusammen.

4.

Ein Zimmermeister in Northeim hatte mit dem Teufel einen Vertrag gemacht. Der Teufel versprach ihm auf dem Klosterhofe eine Scheuer zu bauen, der Zimmermann bestand aber darauf, er solle ihm in einem Tage auf dem Klosterhofe eine Kapelle [153] bauen; wenn er diese fertig schaffe, ehe der Tag zu Ende sei und der Hahn mit seinem Ruf den neuen Tag verkündige, so wolle er ihm gehören. Der Teufel ging darauf ein und machte sich rüstig an den Bau der Kapelle. Es war etwa 111/2 Uhr in der Nacht geworden und die Kapelle fast fertig, nur vier Schiefern in der Mitte des flachen Daches fehlten noch. Der Zimmermann ging in der größten Verzweiflung auf der Esplanade hin und her, denn nur eine halbe Stunde fehlte noch und er war dem Teufel verfallen. Wie er so auf und abging, kam eine alte Frau aus dem Kloster zum Heiligen-Geiste in Northeim zu ihm und fragte ihn, weshalb er so niedergeschlagen wäre. Der Zimmermeister antwortete, das könne er ihr nicht sagen, sie könne ihm doch nicht helfen. Die Alte erwiederte, das könne er gar nicht wissen, ob sie nicht im Stande sei ihm zu helfen, er möge ihr nur sagen, was ihn drücke. Nun erzählte er ihr alles. Darauf ging die Alte in den Hof des Klosters, wo viele Hühner gehalten wurden, und klatschte dreimal mit aller Macht in die Hände. Alsbald erwachte ein Hahn und krähte mit lauter Stimme viermal. So hatte der Hahn gekräht, ehe der Teufel das Dach der Kapelle ganz zugemacht hatte, und der Zimmermeister war gerettet. Das Loch im Dache der Kapelle ist aber offen geblieben und so oft es auch die Menschen zugemacht haben, jedesmal ist es doch am andern Morgen wieder offen.


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TextGrid Repository (2012). Schambach, Georg. 167. Der Teufel als Baumeister. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-BE47-3