Zweiter Auftritt.
Zimmer der Dame. Toilette mit Zitronen und Kalifonium und dergleichen Attributen einer Fille de Joye bedekt. Auch ein Schächtelchen mit Merkur, falschen Zähnen und falschen Haaren.
DIE DAME
halbnakkend auf dem Bett liegen, auf Hanswurst wartend.
HANSWURST
tritt herrein.
Mit Freuden flog ich zu Dir hinauf,
O breite Göttin, Dein fleischichter Rükken
[107] Nicht zu umfassen von einem Männerarm
Macht alle meine Sinnen warm
Und wirft mich trunken von Entzükken
Zu Deinen Füssen – o sieh mich hier,
Und hab' Erbarmen mit mir armen Hunde.
Schon seit acht Tagen in meinen Munde
Kein Bissen kam, ach ich mus schier
Vor Hunger krepiren, wofern Deine Güte
Mir nicht ein Schnitchen Brod herreicht –
Bewegt' ich doch dein nobles Gemüte –
O schönste – hörst du mich, ach Gnade
Oder siehe, ich verschmachte schier
Vor Hunger und Durst zu Deinen Füssen hier.
DIE DAME
klingelt.
EIN ALT MÜTTERCHEN
kömt.
Was zu Befehl? Du Dikke.
DIE DAME.
Schoklate.
ALT MÜTTERCHEN.
Für den da! Da wird nichts passiren,
Der Kerl kan's nicht bezahlen –
DIE DAME.
Geh –
Genug ich bezahl sie Nikkel – He,
Was geht Dichs an, wenn ich ihn will traktiren?
[108]ALT MÜTTERCHEN.
Sie thut 'ne ganz neue Mode einfüren,
Ein' Hure mus sich lassen traktiren,
Und Sie traktirt die Kerls gar.
DIE DAME.
Genug Trampel, ich bezahl' Dir baar,
Also geh' Du und koch' Schokkolat.
Und fix!
ALT MÜTTERCHEN
im Abgehn.
Ist ein abscheulich Weibsstük
Sie hatt's zu thun mit der ganzen Stadt
Und krigt des Dings doch niemals satt,
Ist alles an ihr Bruchwerk und geflikt.
Der ganze Körper, Stük vor Stük,
Von falschem Stof – Der arme Lump da
Dau'rt mich von Herzen, ha, ha,
Der wird die Augen gewaltig aufreissen,
Wenn er sie erst in der Nähe besieht.
DIE DAME.
Nu, wird es bald? – Wie oft soll ich's sagen?
Geh't Sie nicht bald, so geht's an's Schlagen,
Da will ich Dir Luder ein jedes Glied
An Deinem Leibe in Stükken schmeissen.
ALT MÜTTERCHEN.
Wird sich das Zerschmeissen von selber geben,
Darfst ja, Du Hure Deinen Arm nicht viel heben
[109] So fält er auf die Erde – Dein ganzer Leib,
Du liederliche Meze, und verhurtes Weib,
Ist zusammengeflikt – vom Kopf bis zum Steis,
Und das Mensch thut so dik, und macht sich so weis!
DIE DAME.
Schokolate! Zum Henker wie lange wird's währen?
Mag Dein Schandmaul nicht länger mehr hören.
Siehst altes Thier denn nicht,
Daß hier dem Herrn das Herze schier bricht,
Er hat so lange nichts zu sich genommen,
Und wird noch gewis vor Hunger umkommen.
Drum geh' und mache, daß 's fertig wird.
ALT MÜTTERCHEN.
Nu meinetwegen, ich will schon gehen.
HANSWURST.
Bei Venus und Amor, das mus ich gestehen,
Mit so viel Anmut und Güte geziert,
Hab' ich mein Tag' noch kein Weibsen gesehen.
Es ist alles so lieblich zum Wolbehagen,
Das Herz thut einem wie ein Hammer schlagen.
Voll lauter Drang und Wonnegefühl
Ist einem bald warm, ist einem bald kühl.
Das Blut läuft nieder, läuft in die Höhe,
'S küzelt einem vom Kopf bis in die Zehe.
Ich bin ganz weg, ich bin ganz hin
Mir ist, als hätt' ich nur Einen Sinn.
[110]DIE DAME
auf dem Bett.
Läßt alles das recht lieblich sich hören,
Doch wenn Sie Sich wolten zu mir herscheren,
Und sich sezen neben mir aufs Bett,
Das wär' wol ein Bischen mehr Etikett.
Es läst sehr dumm, von Flammen zu schrein
Von Glut, die alle Adern durchfliesset
Aus jedem Sinn sich doppelt ergiesset,
Beständig mit dem Maule in Feu'r zu sein
Als thät's aus Augen und Nase sprizen,
Als könten sie nicht gehn, als könten sie nicht stehn
Als wenn's all ihre Nerven gewaltig durchlekte
Mit jedem Augenblik sie mehr thät erhizen,
Mit jeder Minute mehr Feuer erwekte
Als wolt um sie die Welt vergehn,
Und können doch bei 'nes Mädel Bett sizen,
Können ihren vollen Busen sehn.
Und sehn die schönsten lieblichsten Knie,
Und raten nicht, was wol sizt drüber,
Geh'n ihnen nicht die Sinne über
Sinken nicht hin in ihren Arm,
Und sprechen doch, sie wären warm,
Haben den Frost, als wie im Fieber,
Sind lauter Seele, und leben vom Anschaun.
HANSWURST.
Das sind wol Lumpenkerle, traun!
Sie haben recht, Madam, die Wichter!
[111] Doch bin ich nicht von dem Gelichter,
Bin nicht so ein Kerl mit Glut im Munde,
Und frage dem Henker nach Seelengenus,
Veracht' sie von Herzen die kalten Hunde.
Ein Händedruk, ein feuriger Kus,
Ein Umarmung und immer so weiter,
Und immer höher auf Cytherens Leiter:
Kömt bei der Seelenlieb nicht viel herraus,
Geb um den Quark nicht eine Laus.
Wofür sind uns denn die Sinne gegeben?
Sind wir doch alle sinnliche Geschöpfe,
Die ganz in Sinnlichkeit leben, und weben.
Laßt sie nur saalbadern die platonschen Tröpfe,
Sind gewis Kerls, die kastrirt sind worden,
Und gehör'n zu Kombabens Orden,
Sonst genössen sie wol, und schwazten nicht.
DIE DAME.
Wol wahr, doch bei dem zu vielen Geniessen
Man auch eben nicht viel Rosen bricht:
Folgt gar zu oft nach all den süssen
Entzükkungen, was eben nicht
Gar wol behagt; zum Exempel, die Gicht
Der Verlust aller Gliedmassen, der Augen, der Nasen,
Wie wir erst im Kandide es lasen,
Auch beweist es meine Geschicht –
Mißfält es Ihren Ohren nicht,
So will ich sie Ihnen jezt erzählen.
Erlauben Sie's?
[112]HANSWURST.
Sie dürfen befehlen
Wer läst sich von Schönheit nicht gern erzählen.
DIE DAME.
Mein wertester Herr, wie Sie mich hier sehn,
Mit all den Reizen, und Wesen schön,
Bin ich ein unglüklich Geschöpf, denn alles, Sir
Ist falsche Waar, und Geflik an mir.
Sehen Sie dies eine Auge, das
So leichtfertig lacht – es ist von Glas –
Sehn Sie der Zähne herliche Reih
Auch nicht Ein wahrer ist dabei;
Und dieser Busen voll und gros
Gemalte Pappe ist er blos;
Und dieser Arm, Sie werden ihn loben,
Mein Herr, er ist nur eingeschroben.
Und so, mein Herr, von unten bis oben
Ist alles, was Sie vorher erhoben,
Vom erst zum lezten, nicht eines mein,
Und ach! die Quelle davon allein,
Ist mein Liebe zu den bildenden Künsten.
Sie wissen wol in lieben Deutschland
Kömt eben keines zu Gewinsten,
Ist er von Lieb' zu den Künsten entbrant.
Ich bin gebor'n, mein Herr, in Schwaben,
Wo alles die Leute, Verstand nur nicht, haben;
Da war mein Vater ein Häscher, mein Herr,
Der immer die Leute im Vergnügen störte,
[113] Und jeder ihrer Freuden wehrte.
Gingen sie ein Bischen über die Regel hinaus,
Gleich mein Herr Vater den Prügel herraus
Und schlug ganz erbärmlich auf die junge Genien,
Wolt mit Gewalt nach der Regel sie ziehen
Fand alles falsch, was er nicht verstand.
Ich fand solche Leute, mein werter Herr,
Auch in Berlin hier, nach der Hand;
Doch heist man sie hier Kritiker.
Nun hör'n Sie weiter – mein Vater zog mich
Gar mächtig streng, das wolt nicht behagen.
Ihnen, mein Herr, brauch's nicht zu sagen,
Genie läßt nicht in Regeln sich schlagen.
Und ein Genie, mein Herr, war ich –
Das heist: ich fühlt' 'nen almächt'gen Drang,
Schönheit zu trinken durch alle Glieder,
Den ganzen Körper die Länge lang!
Besonders schlug mir unter dem Mieder
Die Brust gewaltig – Sie pochte und schlug
Daß ich oft ganz im Feuermeer schwizte,
Und mir es ward, als ob mir das Blut
Aus allen Adern und Nerven sprizte.
Mein Seel ganz Schwung und hoher Flug –
Erfüllet ganz vom höchsten Gut
Des Epikurs, gewönte sich bald
An dem Vergnügen, das schöne Gestalt
Und schönes Bild der Seele eingiest –
O Herr ganz über alles Beschreiben
Sind Euch die Freuden, wenn man zerfliest
[114] Im Anschau'n des Schönen – man kan nicht bleiben,
Will immer höher und tiefer; so ging's
Mir Armen auch – Des süssen Dings
Kont ich Euch leider genug nie krigen,
Bis dann zulezt sich mein Vergnügen
In bitre Galle hat gekehrt.
Doch, Herr, Ihr habt noch nicht gehört,
Wie ich zuerst der Schönheit genos!
Mein Vater hat einen Bruder, der auch Profos,
Also auch ein Kritikus war, der hat einen Sohn
Mein Herr, das war Euch ein wahrer Adon.
Denkt Euch, mein Herr 'nen runden Jungen
Mit schwarzen Augen, und blonden Lokken,
Die Bakken so weis, als wenn sie mit Schneeflokken
Übersät wären, und ganz von Rosenblüt durchdrungen,
Eine grosse Nase mit hohem Bug,
Und Lippen, so rot als wie die Korallen;
Alabaster die Zähne, der Nakken – Genug,
Mein Herr, er hätte der Venus selber gefallen.
Er kam zuweilen in unser Haus
Und lehrte mich den Geschmak am Schönen,
Und lehrte: die wahre Schönheit zu fühlen,
Mus man an ihrem Genus sich gewönen,
Das blosse Anschau'n mach' es nicht aus,
Und nur damit tändeln, nur damit spielen,
Verriete immer sehr wenig Geist.
Aber im Genusse, da könte man fühlen,
[115] Zu welchem Entzükken die Schönheit hinreist.
Wir nun, die wir einander gefielen,
Wir säumten nicht lange, mit dem Geniessen
Der Schönheit, in Wonne zu zerfliessen.
Weis noch den Abend, an dem es geschah'
Wo er die Rose zuerst sich pflükte,
Zum erstenmal das Blümchen zerknikte,
Das noch kein Männerauge sah'.
Es war ein schöner Abend, der Himmel
War heiter und blau, das liebe Gewimmel
Der Sterne rolte am Firmament
Die Weste hauchten im leisen Akzent
Uns Minnesang. Ein grüner Rasen
Auf dem wir beide voll Trunkenheit fassen,
War unsres Genusses Paradebett.
Wir hatten Langes und Breites geredt,
Von Liebe, und Schönheit, von Freuden und Küssen,
Von Händedruk, und süssem Geniessen
Als sich almälig die Sprache verlor,
Mein lieber Busen wärmer empor
Stieg, schwoll, und bebte, und glühte und pochte,
Und Feu'r, wie ich noch nie gefühlt,
Durch alle mein Adern kochte.
Mein guter Geliebter hatte schon lange
Mit meiner Brustschleif lüstern gespielt,
Als schnell durchbebt von innerm Drange
Die Schleife auseinandersprange,
Und ach! mein Busen, so gros und voll
Er damals war, in Händen ihm quoll.
[116] Da drükt er denn glühend seine Augen
An meine Augen, dann auf den Mund
Als wolt' er den Himmel von ihnen saugen;
Dann schlang er um meinen Nakken sich wieder
Und ach! ihm bebten alle Glieder,
Da lagen wir dann im Grase nieder,
Und ach! in jeder Nerve schlug Leben,
Und alle Sinne thäten sich heben,
Wir fühlten, empfanden – – –
HANSWURST.
Ist's möglich? Ach halten
Kan ich mich länger nicht – O Stanzel, wie
Kenst mich nicht mehr? Ach müssen wir
Uns wieder sehn in diesen Gestalten?
Find'st hie den alten Geliebten in mir.
Ich bin's der Deine Rose pflükte,
Bin's der Dein Blümchen Dir zerknikte.
Und weil mir Dein Vater, der Kritikus,
Vor den Hintern gegeben seinen Fus,
Aus meinem Lande wandern muste –
Ach! damals war es mir, ich wuste
Selber nicht wie? – Dich zu verlieren
War ein Schwernotsgedanken, und –
Ich glaubte auch schier dabei zu krepiren,
Und ach! nun find ich Dich, wie mich
Zertrümmert bist Du in tausend Stükken,
Ich selbst nun besteh' aus Lumpen und Flikken.
O Liebe – Liebe, wo führst Du hin!
[117] Wie wenig bringt Dein Geniessen Gewinn.
Man kömt durch Dich um Auge und Ohren,
Um Hintern und alles – Zum Seegen geboren
Hat Dich die gütige Natur,
Doch seit Rolumbus nach Amerika fuhr,
Ist alles Unheil losgebrochen!
O all' ihr Liebesgötter, wie viel
Sind seit der Zeit vom Liebesspiel
Zerfezt, zerlumpt mit Wunden viel
Bedekt, in Chariteen gekrochen!
Ach! theure Stanzel – Liebstes Kind,
Nach vielen Jahren Dich wiederfind.
Ach aber wie – und so auch ich.
DIE DAME.
Mag's sein, Du Holder, genug habe Dich,
Drük Dich wieder an meinen Busen.
Umarmt ihn, und der papne Busen fällt auf die Erde.
HANSWURST.
Ha seh' ich recht, o all ihr Musen,
Du wilst mich drükken an Deinen Busen,
Und sieh, da fällt er zur Erde hin!
DIE DAME.
Siehst nun, wie zu beklagen bin!
HANSWURST.
Du armes Ding, doch sage mir,
Wie kamst so herunter? Wie ging Dir's hier?
[118]DIE DAME.
Seit uns mein Vater in Liebe verschlungen,
Von Amors heissem Feuer durchdrungen,
Mit allen übergegangenen Sinnen,
Du weist es, liegen fand, seitdem hatt' ich
Keine ruh'ge Stunde; Du mustest von hinnen!
Ich verzweifelte schier und sehnte mich
Zurük nach jenen Freuden im Grase.
Ach! alles um sonst, denn Vater, und Mutter, und Base
Hatt'n beständig ihr Auge auf mich.
So lebt' ich traurig, da fügt' es sich
Daß meine Eltern zur Beichte gingen,
Ich mit – Ein Pfarrer den Tag zu uns kam,
Thät mit uns lesen, beten und singen,
Und predigte dann von vielerlei Dingen,
Besonders von Keuschheit und Zucht und Schaam.
Er hatte Gebetbücher die Menge geschrieben,
Und Predigten ganze Bände voll;
In den sehr viel wieder das Lieben
Und ihrem Genus geschrieben sein soll.
Seine Predigt war aus, nun kam's zur Beichte.
Da trat ich nun zu ihm, mein Auge war feuchte
Von Thränen. »Ist's Sündengefühl?
Das weinen Dich macht?« Ach! mein Herr Pater,
Ist nichts als Sehnsucht nach Amors Spiel!
»Verzeih' Dir's der liebe himlische Vater.
Du bist ein sündlich Wesen – Bete geschwind
Ein Duzend Ave Marias, mein Kind.«
[119] Ach mein Herr Pater, was hilft's mir
Was fromm't ein Ave Maria hier.
Ich sehn' mich nach Liebe, sehn' mich nach Genus,
Und all' das Beten bringt nicht 'nen Kus.
»O Sünderin, Sünderin mit Dir ist's weit
Gekommen – weh Dir Du bist in Ewigkeit
Verloren! wirst niemals aus dem Fegefeuer
Erlöst werden, und Deine Seele ist doch so theuer
Im Auge des Himmels – doch will ich Dir
Noch einen Weg zur Gnade verkünd'gen
Bist Du so klug und folgest mir.
Ich nemlich, Mädchen, mus Dich entsünd'gen,
Ich bin ein frommer, heil'ger Mann,
Thust Du mit mir, was andere gethan,
So bist Du Deiner Sünden quitt.«
So sprach der fromme Pfarrer, und schnitt
Um nicht so viel Obstakel zu finden,
Und leichter mich meiner schweren Sünden
Loszumachen, mit einer Scheer
Vom Nabel an mein Kleid die Quer
Entzwei – So warf er mich denn in'n Stuhl nieder
Und absolvirte mich christlich und treu.
Da ward ich meiner Sünden frei,
Und ach! befand mich wol dabei.
Ach! sprach ich, wenn der Herr Pfarrer erlauben,
So werd' ich öfter, um meinen Glauben
Zu stärken, und fängt die Sünde in mir an
Zu kämpfen, mich zu Ihnen begeben,
Und mich derselben losmachen lan.
[120] Der Pfarrer sprach »Dir ist beschieden
Die Vergebung, gehe nun hin in Frieden
Und sünd'ge fort nicht mehr!« Doch ach!
Auf allen diesen süssen Empfinden
Folgte bald bitre Reue nach.
Der Pfarrer thät in mir ein Feur entzünden,
Das alle meine Gebeine zerfras,
Es brante und tobte ohn' Unterlas,
In allen Adern, in allen Knochen,
Mir war's, als würd' ich mit Nadeln zerstochen.
Mit einem Wort, mein Lieber, der geistliche Herr,
Hatte Rolumbus neue Waare
Die er aus Amerika her
Brachte, mir angehängt – Was für Geplärr
Erhub ich! Doch ward in 'nem halben Jahre
Ich wieder kurirt. Mein Vater der nun
Nichts mehr von mir wissen wolte, sties mich
Aus seinem Hause, was solte ich
Entblöst, ohne Brod, ohne Kleider nun thun?
Ich bot mich den jungen Herren an,
Doch wolt' auch nicht einer dran.
Endlich erbarmte ein Ratsherr sich.
Ich muste ihm folgen. Er brauchte mich
Und zahlte mich gut, und weil ich troz meiner lezten Kur,
Noch ziemlich stark und robuster Natur
Um viele Kämpfe auszuhalten,
Beschlos er, mich noch ein'ge Zeit
Zu seinem Vergnügen bei sich zu behalten.
[121] So ging's ein paar Wochen, da kam ein Off'zier,
Ein hübscher Bursch, der sah mich im Bade,
Lud ohne Barmherzigkeit und ohne Gnade,
All' mein Schrei'n half nichts, mich auf sein Maulthier,
Und schlepte mich fort – Der Off'zier war von hier,
Und stand da auf Werbung. Er schlief bei mir,
Und schien mit meiner Unterhaltung sehr wol zufrieden,
Er führte mich mit sich, und sezte mich hier:
(Ach! so veränderlich ist alles hienieden!)
Wieder in Freiheit. Nun war ich für mich.
Was war zu thun? – Ein Genie war ich,
Und als ein Genie hatt' ich zu Geschäften
Keinen Trieb. Aber hatt' auch als Genie
Nichts zu leben. Doch scheut' ich alle Müh
Und alle Arbeit. 'S wird Dein Genie nur entkräften,
Dacht' ich. Und arbeiten mus kein Genie!
Faulenzen den ganzen Tag, und sich nie
Die geringste Mühe geben, alles auf's Ohngefähr
Lassen ankommen; wo's Brod kan her
Kommen, dafür mus ein Genie nicht sorgen.
Was kümmert Dich der künftige Morgen,
Genug, daß für sich schon jeder Tag
Hat seine Sorgen und seine Plag.
Die Herren Kunstrichter mit langen Stäben,
Die dem Bettelvolk immer, (gehn sie nach Brod,)
Ihren Stok fühlen lassen, hatten ihre Not
Mit mir. Thäten mir immer die Lehre geben,
[122] Ich solte mir was zu schaffen machen,
Doch thät ich ihren Rat verlachen:
Doch die Noth brach immer mehr herein,
Da must' es denn entschlossen sein,
Mit Einem Wort, ich muste mich fassen,
Und jedem, der wolte, mich überlassen.
Da hatt' ich denn vollauf zu thun,
Hatte kaum Zeit nur auszuruhn,
Als auf einmal ein Dichter vom ersten Range,
Ein grosser berühmter Platonikus,
Der immer von Ansehn nur lebte, im Kus
Alle sein' Bedürfnisse erfült, zum höchsten Genus
Gelangt zu sein glaubte. Er kam zu mir, und tändelte lange
Mit meinem Busen, und sas und fühlte
Bald dahin bald dorthin, seufzt' und spielte
Mit meinen Lokken, bis endlich er sich
Ganz in den Tempel der Liebe schlich.
Und mein Platoniker ganz Glut und Hize
Hob mich beinahe zum Göttersize.
Doch ach! kaum war das Werk vollbracht
So fühlt' ich schon mit aller Macht,
Daß er Verderben in mein Gebein
Gegossen – Vor Schmerzen kont' ich die ganze Nacht
Nicht schlafen, must laut jammern und schrein,
Kurz in den jezgen Zustand hinein
Hat mich der Dichter, mein Lieber, gebracht.
[123]HANSWURST.
Das ist zu toll – Ich wolt dem Poeten
Hätte der Teufel den Hals umgedreht.
Man solte all solche Hunde töten,
Die immer vom Geist in der Liebe reden,
Und wahre Epikuräer sind,
Und Schweine, wie man sie nirgends find't.
Doch nimm mir's nicht übel, mein liebes Kind,
Hab endlich mal Lust, was zu geniessen.
Die Schokolate bleibt lange aus.