[148] §. 19. Frevel an den Toden.

Wer der Toden spottet, wird von ihnen zur gerechten Strafe gezogen. Man soll die Toden ruhen lassen, von ihnen nur Gutes reden.

1.

An einem Sonntage ging ein lustiger Geselle, ein Bauer, vor dem Gottesdienste in das Beinhaus, wo er einen Todenkopf sah, der noch alle seine Zähne hatte. In seinem Muthwillen gedachte er der Knödeln, welche auf Mittag seiner warteten, und auch dem Todenkopf mit seinen guten Zähnen nicht zu hart seyn würden. Er lud ihn also auf Mittag ein, und der Schädel nickte. Voll Entsetzen eilt der Frevler nach Hause und schloß sich ein. Aber der Knochenmann kam zur verschlossenen Thüre herein und setzte sich zu dem Bauer an den Tisch: er griff zu und auch der Bauer mußte essen, so wenig es ihm schmeckte. Nach der Mahlzeit lud der Knochenmann seinen Wirth zu Gast und ließ diesen halbtod vor Schrecken zurück.

In seiner Angst lief er zum Pfarrer, damit er ihm helfe. Aber dieser erklärte ihm, wie eine Weigerung nichts helfen würde: doch wolle er ihn auf dem Gange begleiten. Als sie in den Freidhof traten, sahen sie ein Grab offen; der Tode stieg heraus, umarmte seinen Gast und das Grab schloß sich über beyden. Hundert Jahre blieb der Bauer aus. Nach dieser langen Zeit, die ihm wie ein langer Morgen vorkam, erstand er aus dem Grabe und wollte zu Hause um sein Vieh [149] umschauen, aber Niemand kannte ihn, Alles floh vor ihm. Er erzählte sein Schicksal und ging nun die kurze Zeit, die er noch lebte, in der Umhut bey guten Leuten zur Mahlzeit herum. Falkenstein.

2.

Am Schwarzweiher steht eine Kapelle; die Gegend dort ist reich an Gespensterspuck. Da kam einmal ein Müller, etwas angetrunken, von Rötz her, und rief in die Kapelle hinein: »Kommt heraus, ihr Verdammten!« Sogleich vernahm er fürchterliches Getöse und die Geister eilten ihm nach, bis an sein Haus. Zum Glücke stand die Stadelthüre offen und er sprengte hinein. Wie er in die Stube trat, schauten die Geister zum Fenster herein und winkten ihm.

3.

Ein Geiger aus Tiefenbach ging von einer Hochzeit heim und kam von Schneeberg her an einen Kreuzweg, über den die Toden gefahren werden. Da sieht er zwey Geister tanzen. So dachte er: »Wart, denen will ich ein wenig dazu aufspielen, vielleicht leidet es ein Trinkgeld« – und begann ein munteres Tänzchen zu geigen. Kaum aber hatte er nur einige Striche gethan, so waren ihm die Tänzer schon auf dem Halse, und der eine davon entriß ihm die Geige und schlug sie ihm so um den Kopf, daß er vermeynte, sie müsse in tausend Trümmer gehen. Zuletzt sagte er ihm: »Die Nacht gehört mir, der Tag dir: wärst du nicht verkreuzt, gingst du nicht mehr fort.« Darauf verschwanden sie, und es ward ein solches Krachen im Walde, als wollte Alles zusammenbrechen. – Am andern Tage fand der Frevler seine Geige unverletzt zur Stelle.

[150] 4.

Von Strahlfeld ging Einer heim und mußte den Freidhof vorbey. Da höhnte er die Toden und sogleich sitzt ihm ein feuriger Pudel auf dem Nacken; er will die Pratzen wegschneiden, es war, als ob er in Stein schnitte. Da betete er und wurde frey.

5.

In Bruck auf der Regensburgerstrasse war ein rechter Frevler, der an Nichts glaubte. Zu ihm kam alle Tage eine Alte hutschen, und weil sie schon hundert Jahre auf dem Rücken hätte und daher bald abfahren müsse, forderte er sie auf, nach ihrem Tode zu kommen und ihm zu sagen, wie es denn in der anderen Welt ausschaue. Sie war kaum verstorben, so hörte man schon auf dem Boden des Frevlers Korn einfassen und den Metzen hin und wieder werfen. Dem Manne war dieses unangenehm und er ging mit Licht und Axt die Treppe hinauf, während er immer fassen hörte. Als er aber die Thüre öffnete, that er einen Schrey, fiel die Stiege herunter und brach den Arm. Auf dem Boden aber wurde Alles in Ordnung befunden. Von nun an trat die Alte als schneeweisser Geist und wie Papier rauschend drey Nächte vor das Bett des Kranken, und gab sich zu erkennen, mit den Worten, er möge ja nicht mehr freveln und die Menschen zum Versprechen verführen, daß sie nach dem Tode sich zeigen werden; sie habe ihre Zusage halten müssen und der Weg sey ihr härter angekommen, als wenn sie auf Disteln und Dornen gegangen wäre; es werde jenseits gar strenge genommen.

6.

Eine betrunkene Mette zu Unterviechtach wettete, [151] daß Niemand sich Nachts auf den Freidhof wagen und einen Todenkopf zum Lotterieorakel mitbringen würde. Zwey verwegene Bursche vollbrachten die That. Als sie aber den Schädel in die Todenkammer zurücktrugen, standen die Toden da, und Einer davon ohne Kopf, und liessen die Frevler nicht mehr durch. Der eine Bursche blieb tod, der andere behielt zeitlebens seinen Kopf nach hinten gedreht, geradeso, wie er sich umgesehen hatte.

7.

Ein Weber bey Waldkirch wollte die Krautwürmer von seinem Acker verthun, nahm ein Todenbrett vom Wege weg, umzog damit sein Feld und legte es dann mitten hinein. Nachts stand aber der Geist vor ihm, dem das Brett gehörte, und durch dessen Wegnahme das Gebet der Gläubigen für seine Ruhe entging: ebenso die zweyte und dritte Nacht. Da that der Weber wohl das Brett zur Stelle, die Würmer aber hatten in seinem Felde Alles zerfressen und was etwa noch stand, war faul.

8.

Ein anderer Weber von Neukirchen St. Christoph nahm einen Todenkopf vom Freidhof unter sein Kopfkissen, damit er ihm während des Schlafes Glücksnummern eingebe. Der Geist aber erschien und forderte seinen Kopf zurück.

9.

Ein Bauernmädchen hatte einen schönen jungen Burschen zum Schatze, der mit ihr fleissig in die Rockenstube ging. Er starb, und seitdem konnte sich das Mädchen nicht mehr trösten und wenn sie in die Rockenstube ging, weinte sie jedesmal in den Freidhof hinein, [152] an welchem sie vorüber mußte. Einmal sah sie länger als sonst auf das Grab und warf ihr Halstuch darauf. Da öffnete sich das Grab und der Tode kam heraus und sprang ihr auf den Nacken, voll Wuth darüber, daß sie ihn nicht ruhen liesse. Der Geistliche mußte die Leiche wieder aufsegnen, eher ging der Tode nicht herab. Neuenhammer.


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TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. 19. Frevel an den Toden. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-E4F0-B