[1] I. Echte Märchen.

1. Die Goldtür und die Pechtür.

(Oberpfalz: Amberg.)


Es war einmal eine Frau. Die hatte eine rechte Tochter und eine Stieftochter. Jedesmal, wenn neues Brot gebacken wurde, buk sie für ihre Tochter einen Kuchen mit; das Stiefkind aber bekam nichts. Doch als es einmal recht fleißig gearbeitet hatte, bat es die Mutter, ihm auch einen Kuchen zu backen. Und weil gerade die Mutter gut gelaunt war, erfüllte sie die Bitte und buk einen kleinen Kuchen mit. Voll Freude stellte das Kind seinen Kuchen zum Fenster hinaus, damit er draußen sich abkühle. Da kam ein Wind daher gefahren und nahm den Kuchen mit. Voller Angst lief das Kind dem Kuchen nach, weiter und immer weiter hinaus und zuletzt auch in den Wald. Hier verlor es aber den Kuchen aus den Augen und nun wollte es wieder heimgehen. Doch fand es keinen Weg und keinen Pfad, kam immer tiefer in den Wald und stand zuletzt vor einem Schloß. Das hatte zwei Türen, eine goldene und eine pechene. Das Mädchen bat um Einlaß. Da wurde es gefragt, zu welcher Tür es herein wolle. Es sagte: »Zur pechenen.« Aber da wurde die goldene Tür aufgemacht und das Mädchen mußte zu ihr hereingehen. Im Schloß durfte es aus goldenen Schüsseln essen und Gold und Silber floß auf es herab. Dann ging es wieder heim, nachdem man ihm den Weg gezeigt hatte. Die Mutter war sehr erstaunt, als sie hörte, wie es der Stieftochter ergangen war. Schnell buk sie ihrem Töchterchen einen großen Kuchen und stellte ihn vor das Fenster. Ein Sturmwind nahm ihn mit und das Töchterchen lief dem Kuchen nach und kam auch zum Schloß im Wald. Dort bat sie um Einlaß und wurde gefragt, zu welcher Tür sie herein wolle. Sie antwortete: »Zur goldenen.« Da wurde die Pechtür geöffnet, und als sie eintrat, regnete es Pech auf sie herab. Drinnen mußte sie mit Hund und Katze essen und nie mehr konnte sie sich ganz vom Pech reinigen.


Aufgeschrieben durch Frau Anna Bauer, Kassierswitwe in Amberg, 1900. (Hochdeutsch aufgeschrieben; die Form wurde in einigen Sätzen stilisiert, ohne Sinnänderung.)

2. Der Daumesdick.

(Mittelfranken: Lammersdorf, B.-A. Feuchtwangen.)


* Die Aufschreibung in der Mundart.


Es is amoal ei' Mann gwest, der woar a Korbmacher. Und wie sei Weib ihn an Amds eigschürt hat, hat ihr Mann zu rer gsagt: Wenn [1] mir ner an Bum häten wiea unser Nachber und der wenn ner su groaß wär wia Dauma, noa wär mer a zfrieden. Richti, etz hems an Bum gkriagt und is halt nit größer worn wie a Dauma, is ober arg fleißig gwest. In an Tog hatt etz der Vatter ins Holz gmüßt und der Bua, der hatt Daumesdick ghassen, hat mitn Wagn noachfahrn solln. Sei Mutter hatn helfen eigspannt und der Daumesdick hatt si in Sattelgaul sei Ohr neighockt und unter »hot, wist, wia« gings fort. Etz stets net lang und kumma a poar Frema deher. Dia hem den a wel schreia härn, hemen oder nit gsehng. Sennts halt den Fuhrwerk a wel noachgloffn, bis er in Wald din ghalten hat. Der Daumesdick hat na etz halt su arg gfalln, daß sie den Vatter alles botn, ihn an sie zu verkafn. Des is in Daumesdick sein Vatter bloaß zon Lachen gwest. Der Daumesdick obber is su hell gwest und is in a Mausluch neigschlupft und hat si nemmer blicken lassen. Die senn noa widder fortganga und der Daumesdick hat sein Vatter gholfen.


Aufgeschrieben durch Ackerbauschüler Gg. Hörauf aus Lammersdorf; dem Verein übergeben durch Herrn Landw.-Lehrer Behr in Triesdorf im April 1906.


** Die wörtliche Uebertragung ins Schriftdeutsche.


Es ist einmal ein Mann gewesen, der war ein Korbmacher. Und wie (als) sein Weib ihm eines Abends eingeschürt hat, hat ihr Mann zu ihr gesagt: »Wenn wir nur einen Buben hätten wie unser Nachbar und der wenn nur so groß wäre wie ein Daumen, nachher wären wir auch zufrieden.« Richtig, jetzt haben sie einen Buben gekriegt (bekommen) und ist halt nicht größer geworden wie ein Daumen, ist aber arg fleißig gewesen. In (an) einem Tag hat jetzt der Vater ins Holz (in den Wald) gemüßt und der Bub, der hat Daumesdick geheißen, hat mit dem Wagen nachfahren sollen. Seine Mutter hat ihm einspannen helfen und der Daumesdick hat sich in [den] Sattelgaul sein Ohr (in das Ohr des Sattelpferdes) hineingehockt und unter »hott, wist, wia« gings fort. Jetzt steht es nicht lang [an] und [es] kommen ein paar Fremde daher. Diese haben den [im Ohr] eine Weile schreien hören, haben ihn aber nicht gesehen. Sind sie halt dem Fuhrwerk eine Weile nachgelaufen, bis er (Daumesdick) im Wald drinnen gehalten hat. Der Daumesdick hat ihnen jetzt halt so arg gefallen, daß sie dem Vater alles boten, ihn an sie zu verkaufen. Das ist dem Daumesdick seinem Vater bloß zum Lachen gewesen. Der Daumesdick aber ist so hell gewesen und ist in ein Mausloch hineingeschlüpft und hat sich nicht mehr (nimmer) blicken lassen. Die [Fremden] sind nachher wieder fortgegangen und der Daumesdick hat seinem Vater geholfen.

3. Die Stiefmutter und der Seelenvogel.

(Oberpfalz: Amberg.)


Einmal war eine böse Stiefmutter. Die hatte drei Stiefkinder. Das größere Kind hungerte arg und bat die Mutter um Brot. Die Mutter sagte: »Geh dort an die Truhe und nimm einen Apfel!« Das Kind ging an[2] die Truhe, neigte sich hinein und da schlug die Mutter den Deckel zu und schlug dem Knaben den Kopf ab. Dann kochte sie denselben den Schweinen. Das Schwesterchen sammelte die übrig gebliebenen Gebeine und grub sie unter einen Lindenbaum. Da flog ein Waldvögelein hervor, setzte sich auf den Baum und sang: »Meine Schwester, die Kleine, hat all' die Gebeine unter a Linderl grobn, is a recht schöns Waldvogerl draus worn«. Es warf dann dem Kind ein goldgesticktes Mieder herab. Dann rief es dem Brüderchen, sang das Gleiche und warf ein Paar Stiefel herab. Dann rief es der Mutter und warf nach dem Gesang einen Mühlstein herab auf die böse Mutter, der sie drei Klafter tief in die Erde schlug.


Frau Anna Bauer, Kassierswitwe in Amberg, 1900. (Urschrift.)

4. Der Grindhansel.

(Unterfranken: Untersambach, B.-A. Gerolzhofen.)


In einem Dorfe wohnte einmal eine Familie, gering und mit vielen Schulden. Sie brauchten wieder Geld und wandten sich an den Teufel. Der kam und brachte es ihnen; aber sie mußten ihm dafür verschreiben, daß das, was die Frau nach einer gewissen Zeit bekäme, ihm gehöre. Sie unterschrieben, weil sie noch nicht wußten, was der Teufel meine. Die Zeit ging um und die Frau bekam einen Buben. Als er etwas herangewachsen war, holte sich der Teufel den Buben und brachte ihn in ein verwünschtes Schloß oder an einen ähnlichen Platz. Da mußte der Knabe etwas lernen. (Wohin er kam und was er dort treiben mußte – hat der Erzähler vergessen.) Alle Jahre einmal aber durfte der Knabe seine Eltern besuchen. Als er wieder einmal daheim war, und gerade ein Vögelchen auf einem Baum am Hause pfiff, fragte er seinen Vater: »Wißt Ihr, was das Vögelchen pfeift?« Der antwortete natürlich: »Nein«, dachte aber bei sich, du mußt doch schon viel gelernt haben, wenn du das weißt. Der Sohn sagte jetzt: »Das Vögelchen pfeift: Ihr müßt mich noch einmal mit eigener Hand bedienen«.

Der Sohn kam in dem Schloß, wo er war, auch in den Stall. Da standen drei Esel. Der eine von ihnen stand jederzeit verkehrt, mit dem Hinterteil am Barren. Drehte er den Esel herum, so stand der am andern Tag doch wieder so. Und als er ihn so dreimal herumgedreht hatte, fing der Esel an zu plaudern und sagte, der Bursche solle in den Hof gehen und dort seinen Kopf in den Brunnen eintunken, seine Haare würden davon goldig; er solle das aber nicht sehen lassen und seinen Kopf verbinden. Nachher gab ihm der Esel auch den Ort an, wo sieben Kugel lägen, und trug ihm auf, diese zu holen und zu sich zu stecken; denn, wenn er die habe, könne sie der Teufel auf ihrer Flucht nicht einholen. Als der Bursche die Kugeln hatte, setzte er sich auf den Esel, und der sprengte davon. Aber der Teufel eilte nach. Die Flüchtlinge kamen an einen See und der Bursche warf auf das Geheiß des Esels eine Kugel hinein. Der Teufel mußte erst die Kugel suchen und verweilte sich dabei. Die Flüchtlinge erreichten einen zweiten See und die zweite Kugel hielt den Teufel [3] wieder auf. So warfen sie die sieben Kugeln aus und erreichten die Grenze, wo ihnen der Teufel nichts mehr anhaben konnte. Nun sagte der Esel zum Burschen: er solle ihm den Kopf abhacken; ein Ring falle dann heraus; drehe er den Ring, so erscheine ein schöner Jüngling, der ihm gäbe, was er verlange. Der Bursche machte es so, wie ihm geheißen war und hob den Ring auf.

Jetzt zog der Bursche weiter, kam zu einem Königsschloß und verdingte sich da. Weil er den Kopf immer zugebunden trug und sich ausredete, er habe einen Grindkopf, so wurde er nur der Grindhansel geheißen.

Auf einmal bekam des Königs Tochter ein Kind und wußte niemand, wer Vater dazu sei. Es wurden nun viele vorgeladen, auf die ein Verdacht fiel, und das Kind bekam einen Strauß in die Hand; den würde es dem geben, so glaubte man, der sein Vater sei. Aber keiner erhielt den Strauß. Die ganze Dienerschaft war schon abgefertigt, aber ohne Erfolg. Der König fragte jetzt, ob niemand mehr im Schlosse sei, und als man ihm sagte, nur Grindhansel fehle noch, ließ er auch diesen holen. Als Grindhansel zur Stube hineinging, schnalzte und lachte schon das Kind und gab ihm den Strauß. Grindhansel aber drehte seinen Ring und wünschte sich alles, was er wollte. Es wurde nun Hochzeit gehalten und auch der Vater des Grindhansel dazu geladen. Und als er kam, fragte ihn Grindhansel: »Wißt Ihr noch, was das Vögelchen jenesmal gepfiffen hat?« Es wurde auch wahr; denn der Vater trug dann bei der Tafel auf.

Mitgeteilt von Mich. Mey (* 3. 11. 1848) zu Untersambach am 28. 10. 1903. Er erhielt das Märchen von seiner Mutter oder Großmutter aus Ilmbach bei Untersambach erzählt; es ist aber teilweise aus der Erinnerung entschwunden. Während seiner Militärzeit (1869/71) hätte er das Märchen noch geläufig erzählen können und es auch öfter den Soldaten erzählen müssen. – Aufgezeichnet durch K. Spiegel, damals Lehrer in Untersambach. (Hochdeutsche Form der mundartlichen Erzählung.) Vgl. Zeitschr. f. österr. Volksk. (Haberlandt) 5, 65; das. 7, 96 (Bemerkg. z. Nr. 40 der Galizischen Volksmärchen). – Simrock, Deutsche Märchen Nr. 24. – Zeitschr. d. Ver. f. Volksk. 20, 76: Der Knabe mit dem goldenen Haar, ein armen. Märchen, dazu die Anmerkung daselbst. – Jegerlehner, Am Herdfeuer der Sennen, neue Märchen u. Sagen a.d. Wallis; Bern 1908; Nr. 156. – Jegerlehner, Sagen a.d. Unterwallis; Basel 1909; Nr. 138.

5. Der Zauberring.

(Unterfranken: Birkenfeld b. Marktheidenfeld.)


Es war einmal ein Schneider. Der hatte hundert Kaufläden. Neunundneunzig davon vertrank er und den hundertsten verkaufte er. Für den Erlös kaufte er sich ein Schiff und Getreide. Weil sein Vater gestorben war, nahm er seine Mutter mit auf die Handelsfahrt. Sie fuhren mit dem Schiff voll Getreide den Fluß hinab und kamen so neben einem Gebüsch-Holz vorbei, und weil die Sonne so schön schien, landeten sie an und stiegen heraus. Als sie am Lande waren, kam ein Sturmwind und jagte das Schiff mitsamt dem Getreide in den Grund. [4] Der Schneider wollte nun den Platz etwas ansehen, ging in den Busch und fand darinnen einen Ring. Auf dem Ringe stand: Wer den Ring an den rechten Arm macht, kann alles heben. Den Ring steckte der Schneider an, ohne seiner Mutter etwas davon zu sagen. Von dem Platze führte ein Pfad bergan, den wollten sie gehen und sehen, wohin sie kämen. Der Schneider verlangte jetzt auch zu wissen, ob der Ring Kraft habe und sagte zu seiner Mutter, er wolle sie das Berglein hinauftragen. Sie sagte, sie könne auch gehen, aber er trug sie doch hinauf. Das kam ihm so leicht an, gerade, als wenn er eine Feder auf dem Arme hätte. Oben gingen sie den Pfad fort und kamen an eine Riesenburg. Darin waren zweihundert Riesen. Als sie in die Burg traten, hing ein Säbel da, auf dem stand: Wer diesen Säbel heben kann, kann alles tot schlagen. Der Schneider holte den Säbel herunter und schlug alle Riesen tot bis auf einen einzigen, den alten.

Der Schneider und seine Mutter blieben in der Riesenburg. Der Schneider ging ständig auf die Jagd und während dem wurde der Riese und seine Mutter miteinander bekannt. Darum hätten sie den Schneider gern weg haben mögen. Als der Schneider wieder einmal von der Jagd heimkam, stellte sich seine Mutter krank. Er fragte sie: »Mutter, was fehlt denn Euch?« Die Mutter sagte: »Ich bin krank«. Jetzt fragte er den Riesen: »Ries, hast du meiner Mutter was getan?« Dieser antwortete: »Nein«. Jetzt sprach die Mutter: »Wenn ich halt Aepfel hätte, würde ich vielleicht wieder gesund«. Der Schneider fragte den Riesen, wo es Aepfel gäbe. Da sagte dieser: »Zwei Stunden von hier sind vierhundert Riesen; die sind aber nocheinmal so stark als wir waren; die haben auch Aepfel«. Der Riese mußte ihm den Weg zeigen, der hinführte. Der Schneider nahm seinen Säbel mit und ging gegen die Riesenburg zu. Als er hinein kam, hieb er die Riesen zusammen. In der Burg stand ein Baum voller Aepfel. Auch eine Königstochter war da, die von den Riesen gefangen genommen worden war. Der Schneider riß den Baum aus, legte ihn auf die Achsel und setzte das Mädchen oben darauf.

Daheim gab der alte Riese acht, ob der Schneider komme oder nicht. Er sah zum Fenster hinaus, und als er den Schneider erblickte, sagte er zu dessen Mutter: »Er kommt wahrhaftig, hat den Baum auf der Achsel und noch oben darauf ein Mädchen sitzen.« Als der Schneider hinein kam, sagte er zu seiner Mutter: »Da, Mutter, habe ich Aepfel, eßt Euch gesund daran!« Er sagte auch, daß sie dem Mädchen ja nichts zu leid tun dürften, das er mitgebracht habe. Als er das Mädchen eine Zeit lang bei sich hatte, bis es wieder bei Kräften und gesund war, nahm er es mit hinaus auf die Jagd und führte es auf seinen Heimweg, den es einst hergekommen war. Die Königstochter gab ihm die besten Worte, er solle mit ihr gehen, sie wolle ihn heiraten, weil er ihr Retter gewesen sei und sie befreit habe. Er sagte aber bloß: »Einmal später«. Als der Schneider heimkam, stellte sich seine Mutter wieder krank. Er fragte, was ihr fehle. Sie antwortete, wenn sie Milch hätte, würde sie wieder gesund. Er fragte nun den Riesen, wo es Milch gäbe. Der sagte: [5] »Vier Stunden von da sind achthundert Riesen; das sind die allerstärksten, die es gibt. Die haben Milch«. – Der Schneider befahl, der Riese solle ein Geschirr holen. Der Riese ging hinaus und brachte einen Hafen. Der Schneider fragte, ob kein größeres Geschirr da sei. Der Riese antwortete: »Drunten im Stall ist eine Krippe.« Der Riese mußte ihm die Krippe aufheben helfen, dann ging der Schneider mit der auf die Riesenburg zu. Als er hinkam, hatten die Riesen eine Schildwache dastehen. Diese fragte: »Was wollen Sie, gnädiger Herr Teufel?« Da sagte der Schneider: »Ach was, auch noch ein Teufel, ich bin kein Teufel. Im Augenblicke muß die Krippe voll Milch sein!« Da halfen sie geschwind zusammen und machten die Krippe voll Milch. Er trug sie heim und sagte: »Da, Mutter, eßt Euch gesund daran.«

Nach einiger Zeit ging seine Mutter einmal mit auf die Jagd. Draußen gab sie ihm sehr gute Worte, er solle ihr doch sagen, woher er so stark geworden sei. Da sagte er: »Mutter, wenn man neunundneunzig Kaufläden vertrinkt, ist man gewiß stark.« Als beide heimkamen, fragte der Riese die Mutter, was er gesagt habe. Sie sprach, er habe gesagt: Wenn man neunundneunzig Kaufläden vertrinke, sei man gewiß stark. Der Riese aber meinte, davon sei er nicht so stark geworden. Nach etlicher Zeit ging die Mutter wieder mit ihrem Sohne auf die Jagd. Da gab sie ihm recht gute Worte – und er sagte es ihr: »Mutter, als unser Schiff unterging, fand ich da drinnen im Gebüsche den Ring, der macht mich so stark.« Die Mutter ging heim und sagte zum Riesen: »Jetzt weiß ich's.«

Als der Schneider von der Jagd heimgekehrt war, sich ins Bett legte und schlief, ging seine Mutter leis hinein und nahm den Ring, den er auf den Tisch gelegt hatte. Am anderen Tag sagte sie zum Schneider: »So, Hund, jetzt gehst mit mir!« An der Straße, wo er die Königstochter nach ihrer Heimat zurecht wies, stach sie ihm die Augen aus und riß ihm die Fußsohlen auf.

Es kam aber ein Fuhrmann vorbei und nahm den Schneider mit in die Stadt, wo die Königstochter wohnte. Diese hatte ein Spital bauen lassen, wohin die einheimischen und fremden Kranken gebracht wurden. Alle Tage ging sie in das Spital und sah nach, was für Patienten da waren. Als der Schneider eingeliefert war, kam sie auch und fragte ihn, wie er denn so verunglückt sei. Er antwortete, sie solle acht Tage warten, bis die größten Schmerzen vorbei seien, dann wolle er es ihr sagen, wie es sich zugetragen habe. Nach acht Tagen kam die Königstochter wieder und nun erzählte der Schneider sein Schicksal. Die Königstochter teilte nun ihrem Vater mit, daß ihr Retter im Spitale liege, sagte, wie es ihm ergangen und daß sie ihn dennoch heiraten wolle. »Aber einen blinden Mann zum Regenten, das ist nichts!« sagte der Vater. Er machte ein Schiff voll Geld, setzte seine Tochter und den Schneider darauf und jagte sie das Wasser hinein. Als sie an den Platz kamen, wo das Schiff des Schneiders unterging, landeten sie auch an, und als sie aus dem Schiffe waren, kam ein Sturmwind und jagte das Schiff in den Grund. Jetzt [6] standen sie im größten Jammer da. Auf einmal kam ein Hase daher gewackelt, als sei er auch blind. An dem Orte war aber ein Brünnlein, dahin ging der Hase, nahm seine Pfoten und wusch mit dem Wasser seine Augen. Darnach riß der Hase aus, so daß man daran merkte, daß er wieder sehen könne. Die Königstochter sagte darum zum Schneider, er solle auch zum Brünnlein und mit dem Wasser seine Augen auswaschen. Der Schneider aber traute ihr nicht ganz und meinte: »Ja, gelt du willst mich weg haben und hineinwerfen?« »Nein, durchaus nicht! Gehe nur mit!« sagte sie. Jetzt ging der Schneider mit, nahm seine Finger, tauchte sie in das Wasser, wusch seine Augen damit und sah dann wieder.

Sie gingen nun miteinander den Berg hinauf. Da kam ein Gewitter, das recht herabwarf, so daß ihre Kleider durch und durch weichten. Als sie beinahe den Berg droben waren, war da eine Felsenhöhle. Sie traten hinein. Innen brannte ein Feuer, daran trockneten sie sich. Es kam aber einer und fragte: »Schneider, wo meinst du, daß du bist?« Der Schneider: »Ich bin halt in so einer Felsenhöhle«. Der andere: »Nein, du bist in der Hell. Warum bist du so dumm gewesen und hast deiner Mutter gesagt, wodurch du so stark geworden bist! Ich will dir dazu helfen, daß du deinen Ring wieder bekommst. Jetzt gehe hinaus; draußen steht ein Gaul. Du reitest hin an die Riesenburg und stellst dort den Gaul in den Stall. Deine Frau bleibt da, bis du wieder kommst. Du gehst in die Riesenburg und legst dich unter die Bettlade. Auf die Nacht werden deine Mutter und der Riese miteinander von der Jagd kommen, dann noch ein wenig Salat essen und sich hernach legen. Deine Mutter legt dabei den Ring auf den Tisch. Wenn sie beide schlafen, gehst du vor und holst ihn. Morgen früh kannst du dann sehen, wie sie zum Fenster hinausfliegen ohne Flügel«. – Der Schneider tat so, wie es ihm geheißen war. Früh vor Tags ging das Fenster auf, der Teufel kam und holte sie alle beide.

Dann setzte sich der Schneider wieder auf seinen Gaul und ritt zurück an die Felsenhöhle. Als er ankam, sagte der (Mann) dort: »Jetzt gehst du hinab, drunten stehen deine zwei Schiffe, das eine mit Geld, das andere mit Getreide, und fährst wieder gegen deine Heimat. Sei aber nicht mehr so dumm, daß du den Leuten sagst, durch was du stark bist.« Der Schneider nahm seine Frau, seinen Ring und seinen Säbel mit und ging den Berg hinein. Als sie an das Wasser kamen, standen ihre zwei Schiffe wieder da. Sie fuhren dann gegen die Heimat zu. Der König aber wollte sie nicht mehr annehmen. Der Schneider aber fürchtete sich nicht und hieb des Königs Soldaten miteinander zusammen. Da hatte der König keine andere Wahl, er mußte sie annehmen.

Im Januar 1898 erzählt von Johann Lang, einem siebzigjährigen Greis zu Birkenfeld b.M. Er hörte das Märchen in seiner Jugend erzählen. Aufgeschrieben durch K. Spiegel, damals 2. Lehrer in Birkenfeld b.M. (Die hochdeutsche Übertragung der Erzählung schließt sich möglichst genau der Ausdrucksweise des Erzählers an.)

[7] 6. Die Königstochter zum goldenen Berge.

(Unterfranken: Birkenfeld b. Marktheidenfeld).


Drei desertierte Soldaten gingen in eine Wildnis hinein. In dieser Wildnis stand ein Schloß. Die Fallbrücke war aber aufgezogen. Als sie so beim Schlosse stehen blieben und es betrachteten, gab sich die Fallbrücke herunter. Sie gingen darüber und in das Schloß hinein und gelangten in die Stube. Hunger und Durst hatten sie auch, darum zogen sie den Tischkasten auf; es lag aber nur ein Kartenspiel darinnen und darauf stand geschrieben: Niklös. Da sagten sie zu einander: »Für unsern Hunger und Durst wollen wir einmal karten.« Als sie anfingen zu karten, kam so ein altes Männlein hinein und frug, was ihr Begehren sei? Sie antworteten ihm, sie hätten Hunger und Durst, und weil sonst nichts da sei, so wollten sie karten. Da sagte das Männlein, Essen könne er ihnen keines geben, aber Geld könnten sie haben, so viel sie wollten. Er führte sie darauf in die Silbergrube. Sie steckten ein, soviel sie konnten. Dann führte er sie in die Goldgrube. Da warfen sie das Silber weg und steckten dafür Gold ein. Zuletzt führte er sie zu den Edelsteinen. Nun warfen sie das Gold weg und packten Edelsteine ein. Als sie fertig waren, sprach das alte Männlein: »Jetzt habt ihr soviel als eine ganze Stadt Währschaft hat, kommt aber nicht mehr.«

Die Soldaten gingen nun wieder gegen ihre Heimat zu und hielten alle Tage Ball. Es ging aber ihr Geld doch zu Ende. Da hielten sie Rat und beschlossen, wieder zum Schlosse zu gehen und führten den Entschluß auch richtig aus. Als sie hinkamen, war die Fallbrücke wieder hinaufgezogen. Nachdem sie ein wenig dagestanden waren, ging der Verschlag, die Fallbrücke, herunter. Sie gingen hinein, zogen den Tischkasten auf und taten die Karten heraus. Als sie diese heraus getan hatten, kam das alte Männlein wieder und sagte: »Hab' ich es euch nicht gesagt, daß ihr nimmer kommen sollt? Jetzt muß einer da bleiben.« Die drei Soldaten losten untereinander und der, den das Los traf, blieb da. Die anderen steckten soviel Edelsteine ein, als sie konnten und gingen auf die Heimat zu. Zu dem, der dableiben mußte, sagte das Männlein, jetzt müsse er Jahr und Tag am Falltor Schildwache stehen. Die Zeit vergehe ihm aber schnell; sobald es ihn hungere, sei sie herum. Das war richtig so. Als ihm der Hunger kam, war die Zeit herum und er ging ins Schloß zurück. Das Männlein wies ihm ein Zimmer an und sagte, in dem Zimmer müßte er drei Nächte liegen. Dabei sah der Soldat unter der Bodenstiege drei Schwäne sitzen. Das Männlein sagte noch, in der ersten Nacht, die er in dem Zimmer zubringe, kämen Männer, die fragen würden, wie viel Schläge er haben wolle? Und da solle er sagen: einen Schlag. Sie würden ihm wohl mehr anbieten, er aber solle nicht mehr sagen als einen Schlag. Nachts um 11 Uhr kamen sie auch und frugen, wie viele Schläge er haben wolle? Da sagte er: »Einen Schlag.« Sie sprachen, er müßte mehr annehmen. Er aber blieb dabei, nicht mehr als einen Schlag nehmen zu wollen. Um 12 Uhr verließen ihn die Männer. Als [8] er früh herunterkam, waren die Schwäne (»Schwane«) unter der Bodenstiege schon etwas schöner. Vor der zweiten Nacht sagte das Männlein: »Heute antwortest du: zwei Schläge.« Um 11 Uhr nachts kamen sie wieder und fragten, wie viele Schläge er haben wolle. Er antwortete: »Zwei Schläge.« Sie boten ihm zwar mehr an, er aber blieb auf seiner Aussage stehen. Um 12 Uhr gingen sie wieder fort. Früh, als er herabkam, waren die drei Schwäne wieder schöner. Jetzt sagte das Männlein zu ihm: »Heut' ist die letzte Nacht, heute sagst Du drei Schläge, aber nur fest darauf geblieben! Sie werden dann Messer heraus tuen und sie wetzen, als wenn sie Dich umbringen wollten.« Um 11 Uhr kamen sie wieder miteinander und fragten, wieviel Schläge er wolle. Er sprach: »Drei Schläge.« Sie aber sagten, er müsse mehr haben. Sie taten ihre Messer heraus und machten sie scharf. Aber um 12 Uhr nachts gingen sie fort. Früh, als er erwachte, war das Zimmer an den Wänden golden. Er blieb noch etwas liegen und betrachtete das veränderte Zimmer.

Die drei Schwäne unter der Stiege aber waren drei verwünschte Königstöchter. Sie kamen jetzt, weil sie erlöst waren, in sein Zimmer und sagten zum Soldaten, er solle nun aufstehen. Als er aufgestanden war, sprachen sie zu ihm, er hätte jetzt die Wahl unter ihnen drei. Er nahm die vom goldenen Berg. Diese sagte: »Wir sind immer (›als‹) noch nicht fertig, wir müssen in drei Nächten zwischen 11 und 12 Uhr in jene Kirche gehen.«

Auf dem Wege zu dieser Kirche stand ein Wirtshaus, da hinein ging der Soldat und logierte sich ein. Auf die Nacht verlangte er zu trinken. Da sagte die Wirtin, das Wasser in dem Brunnen sei nicht gesund, sie wolle ihm Zitronenwasser geben. Sie aber gab ihm einen Schlaftrunk. Er ging zwar hinaus, setzte sich an den Weg, schlief aber ein. Um 11 Uhr kam die Königstochter gefahren mit vier Rappen und die Chaise war schwarz behangen.

Am zweiten Tag ging der Soldat wieder in das Wirtshaus. Die Wirtin machte es ihm gerade so wie das erstemal und gab ihm Schlaftrunk. Er setzte sich darauf an die Straße und schlief wieder ein. Um 11 Uhr kam die Königstochter gefahren. Die Chaise war mit vier Fuchsen bespannt und rot behangen. Der Soldat sah und hörte aber nichts. Am dritten Abend dachte er: heute Nacht komme ich doch mit. Er nahm den Knecht mit hinaus, daß dieser ihn wecke, wenn er wieder schlafe. Die Wirtin hatte ihn nocheinmal betrogen. Als die Prinzessin angefahren kam, hingen vier Schimmeln an der Chaise und diese war weiß behangen; er aber saß dort und schlief. Sie stieg aus, wollte ihn wach bringen, ebenso der Knecht. Doch sie konnten ihn nicht aufwecken. Als die Prinzessin von der Kirche zurückkam, stieg sie wieder aus und gab sich nocheinmal die Mühe, ihn aufzuwecken. Doch alles war vergeblich. Sie zog nun seinen Säbel aus der Scheide und schrieb mit goldenen Buchstaben darauf: hier hast du meinen goldenen Ring zum Andenken. Dann fuhr sie fort. Früh morgens rief der Soldat den Knecht und fragte, wo sein goldener Ring sei. Der Knecht mußte den goldenen [9] Ring hergeben, worauf der Soldat ihm den Kopf abhieb. Dann rief er der Wirtin, sagte zu ihr, sie sei eine Hexe, und habe gemacht, daß er nicht mit der Königstochter in die Kirche gekommen sei. Der Soldat nahm jetzt seinen Säbel wieder und hieb der Wirtin auch den Kopf ab. Dann rief er die Magd. Zu dieser sagte er, sie solle das Anwesen haben. Darauf machte er sich auf und ging fort.

Der Soldat hatte noch drei Brüder. Als er zum ersten kam, sagte er zu ihm: »Grüß Gott, Bruder, lebst du noch?« Der antwortete: »Ja.« Darauf fragte der Soldat, ob er nicht wüßte, wo der goldene Berg sei. Der Bruder antwortete, wo der goldene Berg sei, wüßte er nicht; er könne aber die Vögel zitieren; wenn die es nicht wüßten, er wüßte es nicht. Jetzt zitierte er die Vögel miteinander, aber keiner wußte etwas von dem goldenen Berg. Da nahm er den stärksten Vogel davon, setzte den Soldaten darauf und befahl dem Vogel, ihn so weit zu tragen, als er könne, und ihn dann abzusetzen. Dann reiste der Soldat weiter und kam zu seinem zweiten Bruder. Er sagte zu ihm: »Grüß Gott, Bruder, lebst du noch?« Der antwortete: »Ja.« Er fragte ihn nun, ob er nicht wüßte, wo der goldene Berg sei. Der antwortete, nein, aber das Wildbret (»Wilpert«) könne er miteinander zitieren, wenn das es nicht wüßte, er wüßte es nicht. Jetzt zitierte der Bruder das Wildbret, aber keines wußte etwas vom goldenen Berg. Da nahm er das stärkste Getier davon und setzte den Soldaten darauf. Das mußte diesen wieder so weit tragen, als es konnte. Hierauf reiste der Soldat weiter und kam zu seinem dritten Bruder. Den grüßte er auch wie die andern zwei. Dann fragte dieser ihn, wo er herkomme. Der Soldat legte ihm aus, wie es ihm seither erging; dann fragte er seinen Bruder auch, ob er nicht wisse, wo der goldene Berg sei. Dieser sagte, er wüßte nichts vom goldenen Berg, aber die Wolken könne er zitieren, wenn die es nicht wüßten, so sei er angeführt. Jetzt zitierte sein Bruder die Wolken. Es kam immer eine um die andere und keine wußte etwas vom goldenen Berg. Hintennach kam noch so ein schwarzes (»Pöpela«) Wölkchen. Sein Bruder fragte es, ob es nichts vom goldenen Berg wüßte. Das antwortete, ja, es wüßte, wo der goldene Berg sei, und morgen hätte die Königstochter Hochzeit. Da sagte des Soldaten Bruder, es solle den Soldaten aufpacken und solle mit ihm fort, so schnell es könne, damit es noch vor der Hochzeit ankäme. Und es kam auch richtig vor der Hochzeit mit dem Soldaten hin. Dieser ging gleich vor die Residenz und ließ drinnen sagen, die Königstochter solle einmal herausgehen. Als sie kam, zeigte er ihr den Säbel mit den goldenen Buchstaben und den goldenen Ring. Der andere Bräutigam mußte darauf fort und der Soldat bekam die Königstochter zur Frau.

Erzählt am 4. Februar 1898 von Johann Lang zu Birkenfeld b.M. Sonstige Bemerkungen wie bei Ziff. 5.

[10] 7. Der eiserne Mann.

(Unterfranken: Birkenfeld b. Marktheidenfeld.)


Es war einmal ein ausgedienter Soldat. Dem träumte es drei Nächte nacheinander, er würde König in Preußen. Er erzählte die Träume seinem Nachbar. Der sagte, manchmal würden die Träume wahr, er solle seine Sache verstreichen und fortziehen. Er verkaufte auch alles miteinander und zog fort. Da kam er in eine Wildnis. Darinnen stand so ein kleines Häuslein. Vor dem Häuslein saß ein altes Weiblein (»Fräla«) und fragte ihn, wo er hin wolle. Da sagte er, es hätte ihn schon drei Nächte nacheinander geträumt, er würde König im Preußischen und da wolle er einmal hinein und sehen, ob das Ding wahr werde. Sie sagte ihm darauf: »Zum König kann ich Euch machen.« Jetzt fragte er: »Wie kannst du mich zum König machen?« Sie antwortete: »Da ist eine Felsenkluft, da lasse dich hinein. Drinnen kannst du dir soviel Silber und Gold nehmen, als du nur willst. Es steht aber ein großer eiserner Mann darin mit großen eisernen Zöpfen; er tut dir jedoch nichts, du brauchst kein Leid zu haben. Es steht auch eine kleine Unschlittkerze (›ein Gollichtla‹) in der Kluft, diese nimmst du mir mit heraus.« Es war richtig so, wie sie sagte. Sie zog ihn aus der Höhle heraus, und als er gleich oben war, sagte sie, er solle ihr einmal das Lichtlein geben. Doch er antwortete: »Ziehe mich nur völlig heraus, ich habe es eingepackt und kann es nicht heraus tun.« Als er außen war, sagte er zu ihr: »Ich habe ein Lichtlein (›Gollichtla‹); wenn du auch eines willst, so kannst Du selbst hineingehen.« Alsdann ging er fort gegen die Residenzstadt im Preußischen zu. Er kehrte in dem Hotel ein, worin »auch der König seinen Aufenthalt nahm« (einkehrte). Es saßen Kaufleute da und karteten um große Haufen Geld. Er fragte, ob er auch mitkarten dürfe. Sie antworteten: »O ja.« Darauf kartete er mit ihnen, verspielte aber all sein Geld und noch 1000 Gulden, die er vom Wirte geborgt hatte. Zum Wirte sagte der Soldat, er habe einen Wechsel. Als er sich aber nachts legte, sprach er für sich: »Keinen Wechsel hinten und keinen vornen! Doch will ich mir's nocheinmal wohl sein lassen.« Er brannte sein Licht (»Gollichtla«) an. Als er ein wenig brannte, kam der eiserne Mann und fragte, was sein Begehren sei. Da sagte der Soldat: Ich kartete heute und verspielte mein Geld und lehnte noch 1000 Gulden vom Wirt und verspielte diese auch. Er solle einen halben Scheffelsack voll Gold bringen. – Früh vor tags kam der eiserne Mann und warf den halben Scheffelsack voll Gold in die Stube, daß das Haus zitterte. Hernach kam der Wirt und fragte, was denn das sei? Da sagte der Soldat: »Mein Wechsel ist angekommen.« Er gab dem Wirt die 1000 Gulden zurück. Bald kamen auch die Kaufleute und spielten wieder. Sie fragten ihn, ob er nicht mitspielen wolle. Er antwortete: »O ja, ich spiele mit.« Er hatte aber Glück und gewann, was er voraus verloren hatte und noch alles Geld, das die Kaufleute bei sich hatten. Von nun an karteten sie nicht mehr mit ihm.

[11] In dem Wirtshause blieb der Soldat eine Zeit lang wohnen. Einmal brannte er wieder sein Lichtlein an, da kam auch »der Alte« (= der Teufel, der eiserne Mann) und fragte, was sein Begehren sei. Der Soldat sagte: »Du hast in Deiner Höhle eine kleine Violine (›Fighline‹), hole mir die kleine Violine.« Morgens beizeit öffnete der Soldat das Fenster und machte auf der Violine Musik. Die Königstochter hörte die Musik und hätte gern die Violine gehabt. Sie schickte zu ihm und ließ fragen, ob er die Violine nicht verkaufe. Er aber antwortete: »Nein, verkaufen tue ich sie nicht, doch wenn die Königstochter zu mir hereingeht, so gebe ich ihr die Violine ohne Geld.« Da verkleidete sie die Kammerjungfer und schickte sie hinein zum Soldaten. Der gab ihr auch die Violine. Mit dem Wirt hatte er jedoch abgemacht gehabt, daß er, wenn es die Königstochter sei, ein Zeichen gebe; wenn sie es aber nicht sei, kein Zeichen mache. Eine Zeit lang darnach brannte der Soldat wieder sein Lichtlein an. Da kam der eiserne Mann und der Soldat befahl ihm, er solle die zweite Violine aus der Höhle bringen. Der Soldat öffnete früh das Fenster und machte wieder Musik und die zweite Violine lautete gar viel schöner als die erste. Die Königstochter hätte die nun auch gern gehabt. Sie schickte hinein zum Soldaten, ob die Violine nicht verkauft würde. Der Soldat sagte wie das erstemal, sie würde nicht verkauft, wenn aber die Königstochter hereingehe, so bekäme sie die Violine ohne Geld. Da verkleidete sie die Kammerjungfer wieder und schickte sie hinein. Und der Soldat gab auch die zweite Violine der Kammerjungfer.

Er wartete nun eine Zeit lang, dann brannte er sein Lichtlein wieder an. Der eiserne Mann kam und da sagte der Soldat, er solle ihm die dritte Violine bringen. Als es Tag geworden war, machte der Soldat die Fenster auf und spielte auf der Violine. Die aber lautete so schön, daß die zwei anderen nichts gegen sie waren. Die Königstochter hätte diese auch noch einmal gern gehabt und schickte die Kammerjungfer wieder hinein. Der Soldat aber sagte, sie sei die Kammerjungfer, die Königstochter solle kommen. Sie ging heim und richtete aus, er habe gesagt, sie sei die Kammerjungfer und bekomme die Violine nicht. Er sei aber ein sehr braver Mann, die Königstochter solle nur hineingehen und die Violine holen. Als die Königstochter kam, gab der Wirt ein Zeichen. Der Königstochter gab er die Violine, aber ein halbes Jahr darnach hieß es, sie bekäme ein Kind. Man fragte, von wem? Da sagte man: Von dem Passagier (»Padischär«), der da und da wohnt. Der Wirt teilt dem Soldaten mit, er solle sich vorsehen, er würde abgeholt und sagte ihm auch die Zeit, wann es geschehe. Da brannte der Soldat sein Lichtlein an. Als der eiserne Mann kam, sprach er zu ihm: »Du bleibst jetzt da und hilfst mir, sie wollen mich morgen holen.« Als die Gendarmen (»Standarmen«) kamen und ihn holen wollten, stand der eiserne Mann auf der Stiege und wackelte mit dem Kopfe. Da fielen sie die Stiege herunter und waren tot. Jetzt wurde Verstärkung (»Verstärkering«) geholt; es war aber gerade wieder so; als er droben wackelte, fielen sie herunter. Dasmal konnten sie dem Soldaten nichts anhaben. Nun [12] machte aber der Wirt nichts mehr aus, wann sie ihn holen wollten, und so kamen sie einmal unverhofft und nahmen ihn mit. Er wurde eingesetzt und sollte gerichtet werden. Als er auf dem Schaffot saß, bat er, daß er sein Lichtlein noch einmal bekäme und anbrennen dürfe. Die Bitte wurde ihm gewährt. Als das Lichtlein ein wenig brannte, kam der eiserne Mann. Jetzt sagte er: »Alter, hilf mir, sie wollen mich richten.« Da fing der eiserne Mann auf dem Schaffot an, mit dem Kopf zu wackeln, und alle fielen herab und waren tot. Nun schossen sie von der Residenz mit Kanonen auf das Schaffot. Der eiserne Mann aber fing die Kanonenkugeln, warf sie in die Residenz und warf darin die Leute tot. Jetzt war keine andere Wahl, der König mußte ihm die Tochter geben. Da kam der Staatswagen und brachte sie zur Residenz. Der eiserne Mann war auch dabei. Unterwegs, als sie über den größten Schmutz fuhren, brach der Wagen hinunter und sie fielen miteinander in den Schmutz. Hierauf wurde der große Staatswagen geholt. Mit dem wurden sie nun ganz hineingeführt. So wurde der Soldat König im Preußischen.

Erzählt im Februar 1898. Sonst wie bei Ziff. 5.

8. Der erlöste Schloßspuk.

(Oberpfalz: Amberg.)


Einmal kam ein armer Handwerksbursch recht müde spät abends zu einem Wirtshaus und bat um ein Nachtlager. Da aber gerade der König Hochzeit feierte, war schon alles voll und schickte der Wirt den Burschen fort. Der ging dann zum nächsten Wirtshaus; doch auch hier war schon alles besetzt. Da machte der Bursche ein recht betrübtes Gesicht und wollte traurig fortgehen. Das erbarmte den Wirt und er sagte: »Wenn Du Dich nicht fürchtest, könnte ich Dir schon ein Quartier geben. Ich habe draußen vor der Stadt im Walde ein Schloß, aber es getraut sich niemand, daß er dort nächtigt. Getraust du dich, so wirst du dort finden, was du brauchst.« Der arme Bursche war sehr froh, daß er endlich ruhen konnte. Als er an das Schloß kam, waren alle Türen offen und er fand alles, was er brauchte. Weil er hungrig war, ging er in die Küche; da fand er Eier, Mehl und Schmalz. Er schürte ein Feuer an, setzte den Dreifuß auf und kochte sich einen »Deutschen« (Schmarren) und sang lustig zu seiner Arbeit. Auf einmal fing es im Schlot zu schreien an: »I fall, i fall (im singenden Ton)!« Der Handwerksbursche sagte: »Fall' nur zu, nur nicht in meine Pfanne!« – Da fiel ein Arm und ein Fuß herab. Er nahm sie und legte sie zur Seite. Er sang und kochte weiter. Da schrie es wieder: »I fall, i fall!« und es kam wieder ein Arm und ein Fuß. Er legte diese wieder auf die Seite und sang und kochte weiter. Da schrie es zum drittenmal: »I fall, i fall!« – Nun aber sagte der Handwerksbursche: »Ich bin fertig, ich geh, sonst kommt noch der ganze Kerl und fällt mir in meinen Deutschen.« Es fing auch schon zu rumpeln an, es tat einen Pumps, der Körper kam auch noch nach und auf einmal stand ein graues Männlein vor dem Handwerksburschen. Er [13] fürchtete sich aber nicht, sondern lud das Männlein freundlich zum Mitessen ein. Als sie fertig waren, sagte das Männlein: »Weil du dich nicht gefürchtet und mich zum Essen eingeladen hast, will ich dich belohnen, denn du hast mich erlöst.« – Er führte nun den Burschen durch alle Zimmer; eins war schöner als das andere und zuletzt kamen sie in ein Gewölbe, da war es stockfinster. In der Mitte stand eine Truhe, darauf saß ein schwarzer Pudel, der hatte feurige Augen. Das Männlein winkte mit der Hand und der Pudel verschwand unter schrecklichem Gekrach; der Deckel sprang auf und darunter lag lauter Gold und Silber. Der Handwerksbursche durfte sich nehmen, soviel er mochte. Er füllte sein Ränzlein und sein Tüchlein. Dann war das Männlein verschwunden. Da klopfte es außen, und als er aufmachte, stand der Wirt vor ihm; der war sehr erfreut, daß er ihn noch lebendig traf. Er fragte, wie es ihm erging. Der Bursche erzählte alles und zeigte seine Schätze. Der Wirt sagte: »Du bist der erste, der sich nicht fürchtete, der nicht davonlief, und ich gönne dir dein Glück.« Der Handwerksbursche wanderte in seine Heimat und lebte froh und zufrieden, bis er starb.


Aufgeschrieben durch Frau Anna Bauer, Kassierswitwe in Amberg, 1900. (Urschrift bis auf einige geringfügige Stilisierungen.)

9. Der Zauberer und sein Lehrling.

(Unterfranken: Rhöngebirg) 1.


Es war einmal ein Vater, der hatte drei Söhne: Jörg, Michel und Hans. Der Jörg und Michel waren tüchtige, fleißige und vigilante [14] (flinke, rührige) Kerl'; aber mit dem Hans hatte der Vater sein Kreuz und Quästion, zu allen Arbeiten stellte er sich ungeschickt und es war gar nichts rechtes mit ihm anzufangen. Den ganzen Tag strabanzte er herum, gaukelte alleweil mit Hunden und Katzen, denen er allerlei Kunststücke lernte, oder er guckte den Himmel an, wobei er sich gern auf den Buckel legte. Deswegen wurde er auch nur der Himmelsgucker geheißen. Der Vater wäre froh gewesen, wenn er den Hans vom Brote gehabt hätte, aber kein Mensch wollte ihn in den Dienst nehmen. Eines Tages mußte Hans in den Wald hinaus, um Holz zu lesen. Da kam ein Mann zu ihm und fragte ihn nach seinem Aus und An (Verhältnissen). Hans erzählte treuherzig, wie es mit ihm stehe, daß man ihn nur den dummen Hans und den Himmelsgucker heiße. »Einen solchen Kerl kann ich brauchen,« sagte der Mann zu sich, »den ding' ich mir.« Der Mann ging mit Hans heim und sprach mit seinem Vater; der Alte war froh, den Hans los zu werden, und so war er bald mit dem fremden Mann überein gekommen und handeleins. Hans mußte nun seinen Bündel zusammenpacken und dahin ging er mit dem fremden Mann. Es tat ihm gar nicht leid, da er daheim nur gezankt worden war und auch oft Hiebe kriegt hatte. Lange waren Hans und der fremde Mann gegangen und Hans war schon ganz kaput, da kamen sie an einen Wald. Hier wollte sich Hans niedersetzen. »Gehts nicht noch e bißle,« sagte sein Herr zu Hans, »wir kommen bald zu einem Wirtshause, dort essen und trinken wir und bleiben auch übernacht.« Hans schleppte sich fort und war herzlich froh, als sie an das Wirtshaus kamen.

Als sie in die Wirtsstube kamen, saßen schon verschiedene Leute drin, und als die Wirtin kam, wäre Hans bald omicht (ohnmächtig) geworden, so toll sah sie aus. Das ist eine Hexe, dachte Hans bei sich. Sein Herr tat aber sehr gemeinschäftlich mit der Wirtin. Die kennen einander gut, dachte sich Hans, no, bas kann mir dro gelich (nun, was kann mir dran liegen). Er aß und trank, was heilges Zeug heißt; denn so gut hatte er in seinem Leben noch nie gegessen und getrunken. Bald darauf mußte er sich niederlegen, was ihm ganz recht war. In einem so schönen und weichen Bett hatte Hans auch in seinem Leben nie geschlafen; er war also recht zufrieden und dachte, es ist doch schöner als bei dir daheim. Früh beizeit kam sein Herr und weckte ihn auf. »Allo, Hans, raus!« sprach er, »jetzt gehts weiter.« Hans riebelte sich die Augen aus, stand auf und tat (zog) sich an. Und als sie gefrühstückt hatten, ging es weiter. Lange liefen sie im Wald fort und Hans kannte sie gar nicht mehr aus. Endlich kamen sie an ein Häuslein. »So jetzt sind wir daheim, das ist mein Haus,« sprach der Herr zu Hans. Dann schloß er die Tür auf und ging mit Hans ins Häuslein hinein. »Bei mir hast du es gut,« sprach der Herr zu Hans, »essen und trinken darfst du, was dir schmeckt, und die Arbeit ist auch nicht schwer; du mußt die Katz' füttern, aber lasse sie ja keinen Hunger leiden; Holz mußt du im Wald suchen und es [klein] machen. Und wenn ich fort bin, mußt du dir halt selber kochen. Wenn ich daheim bin, koche ich. Dazu mußt [15] du mir bloß Holz und Wasser beitragen, die Erdäpfel schälen und Feuer anmachen.« Hans tat alles, was ihm sein Herr hieß, und der Herr war zufrieden mit Hans. Eines Tages sprach der Herr zu Hans: »Höre, Hans, ich gehe fort und du mußt allein daheim bleiben; schließe abends immer gut zu und laß keinen Menschen ins Haus. Kochen kannst du dir, was du willst; Zeug ist da dazu.« Hans versprach, alles richtig zu tun; dann ging der Herr fort. »Ich werde lange ausbleiben,« sagte er noch zu Hans. Die erste Zeit krabbelte Hans so im Haus herum, aber allmählich wurde ihm doch die Zeit lang. Als er nun wieder einmal so alles im Hause herumstürte, fand er in einem Lädle (Trühlein) Bücher. Gott sei dank! sagte Hans, jetzt hab ich doch äbbes zum Lesen. Hans fing an, in den Büchern zu lesen, aber da ging es ihm nicht zum besten; vieles verstand er nicht und dann waren so viel Haken und Schnörkel drinnen, welche er auch nicht kannte. Dem Hans ging ein Licht auf: sein Herr war ein Hexenmeister (ein Zauberer). Sobald nun Hans allemal seine Arbeit getan hatte, setzte er sich über die Bücher, simulierte und grübelte drin rum. Ueber dem Grübeln verging dem Hans die Zeit und er wurde es so gar nicht weiß, daß er allein war. Nach einem halben Jahre konnte Hans die ganzen Bücher auswendig und konnte auch das Hexen perfekt. Eines Tages ging er ein Stück in den Wald hinein, um Holz zu lesen und als er wieder heimkehrte, wunderte er sich, daß die Tür auf war; er wußte doch, daß er zugeschlossen hatte. Als er in die Stube kam, stand sein Herr darin, hatte ein Buch in der Hand und bitzelte vor Zorn. »Du Schlingel!« sprach er, »du hast in meinen Büchern gelesen, ich habe es daran gesehen, wahrscheinlich hast du auch das Hexen gelernt.« Hans spannte, daß die Geschichte dreckig werden könnte und schlitzte aus. Er dachte: das Ausreißen hat kein Dummer erdacht. Aber hier nützte es nichts. Denn Hans war noch nicht vor die Tür gekommen, so war der Hexenmeister hinter ihm. Hans besann sich nicht lange, machte sich zu einem Adler und flog auf und davon. Der Hexenmeister ging in die Stube, holte ein Gewehr und schoß auf Hans, aber Hans hatte sich kugelsicher gemacht, die Kugel tat ihm nichts und er flog ruhig weiter. Der Hexenmeister sprach: Der kanns besse bi (wie) ich, den muß ich mit List dro krieg, Gewalt hilft da nichts.

Als Hans über den Wald hinaus geflogen war, guckte er sich um, und als er nichts Verdächtiges mehr sah, flog er auf die Erde und machte sich wieder zu einem Menschen. Als er so dahinging, war ihm doch nicht recht wohl; denn er dachte sich, daß ihn der Hexenmeister auf Schritt und Tritt verfolgen werde. Auf einmal sah er über sich einen Geier fliegen und Hans erkannte seinen Herrn. Hans machte sich zu einem Gaul und fing an und jackte (galoppierte), was er konnte. Während er so dahinjackte, sah er einen Bauern gehen. Auf diesen hielt er zu, und da der Bauer dachte, es sei ein durchgegangener Gaul, so fing er ihn, was sich Hans ruhig gefallen ließ. Als der Bauer so mit Hans dahin ging, kam ein nobler Herr zu ihnen, der wollte den Gaul kaufen. Dem [16] Hans wurde angst und bang, er kannte den nobeln Herrn, es war der Hexenmeister. Hans sagte leis zum Bauern: »Verkaufe mich nicht!« Darüber wäre der Bauer bald omich worn; ein Gaul, der reden konnte, war ihm was Neues. Der Bauer verkaufte den Gaul nun erst recht nicht; denn einen Gaul, der reden konnte, hatte nicht jeder Mensch. Er führte also den Hans heim in seinen Stall. Im Stalle litt es Hans nicht lange, er machte sich zu einer Fliege und flog durch einen Fensterritz davon. Wie er so dahin flog, sah er unter sich den Hexenmeister gehen; aber auch dieser hatte den Hans bald bemerkt. Er machte sich zu einer Schwalbe und flog dem Hans nach. Bald hätte er den Hans erschnappt, aber Hans machte sich zu einem Fingerle (Fingerringlein) und fiel vor einem Mädchen nieder, das gerade daher ging. Das Mädchen sah das Fingerle, hob es auf und steckte es an seinen Finger, wohin es recht schön paßte. Alle Tage kam nun ein Mann, der dem Mädchen das Ringlein abkaufen wollte. Doch das Mädchen gab es nicht her. Eines Tages, als der Mann wieder lange umsonst gehandelt hatte, wollte er dem Mädchen das Ringlein mit Gewalt nehmen. Da fiel das Ringlein auf den Boden und wurde zu lauter Hirsekörnern. Der fremde Mann, es war der Hexenmeister, machte sich zu einem ›Göhger‹ (Hahn) und fraß die Hirsekörner auf; dann flog er davon. Die Sache hatte aber doch einen Haken gehabt; der Hexenmeister glaubte, er hätte den Hans vertilgt, aber der Hans lebte noch. Ein Hirsekörnlein, welches der Hans selbst war, hatte der Hexenmeister übersehen. Dies Hirsekörnlein war in des Mädchens Pantoffel gefallen und dort hatte es der Hexenmeister nicht gesehen. Hans verwandelte sich wieder in seine richtige Gestalt und freite um das Mädchen, das ihn schon als Ring an der Hand getragen hatte. Das Mädchen fand Gefallen an Hans und wurde seine Frau.

Sie lebten sehr lange und waren glücklich miteinander. Aber nie soll Hans seiner Frau etwas von seiner Hexenkunst erzählt haben und ihr auch nie gesagt haben, daß sie ihn schon als Ring an der Hand getragen habe. Gegen seine Frau war Hans sehr gut, da er sich immer dachte, hat sie mich als Ring schon so gern gehabt, so hat sie mich als Mensch noch viel lieber.

Seine Hexenkunst hat Hans nie mehr ausgeübt, da er bei seinem ersten Versuch so viel Angst hat ausstehen müssen, und wenn einmal die Rede aufs Hexen kam, soll Hans immer gesagt haben: Das ist nichts für rechtschaffene Leute.

Aufgeschrieben durch Herrn Adolf Schäfer, z.Z. Steuerrevisor in Fichtelberg, O.-Fr.; dem Verein übergeben am 3. 2. 1896. (Urschrift.)

Fußnoten

1 Vorbemerkung des Märchen-Aufschreibers: Die Märchen auf der Rhön sind noch zahlreich, mehr als die Sagen. In jedem Dorfe gibt es gewisse Personen, die besonders gut Märchen erzählen können und über eine große Anzahl solcher verfügen. Solche Personen haben immer ein gutes »Sprechwerk«, wie der Volksausdruck heißt, dazu ein beneidenswertes Gedächtnis, so daß sie ein einmal gehörtes Märchen meist sofort Wort für Wort nacherzählen können; dagegen sind sie nur mangelhaft lese- und schreibkundig, manche von ihnen sind es gar nicht. Natürlich war die Erzählweise sehr urwüchsig und durchaus nicht salonfähig. In der Spinnstube, beim Spielgehen, auf der Weide wurden »Märlich« und »Geschichtlich« erzählt, und wo ein Mann oder eine Frau im Hause war, die schön erzählen konnte, dahin ging man gern »spiel« und »spinn«. Ein Märchen, der goldene Johannes, der bei seiner Geburt schon ein goldenes Kreuz auf seiner Brust hatte, wurde besonders gern und oft verlangt und es durfte ein guter Erzähler sein, wollte er dieses Märchen an einem Abend erzählen. Die alten Märchen kommen »außer der Modi«, die Leute haben Lesen und Schreiben gelernt und lesen jetzt selbst Geschichten. Die alten Märchen- und Geschichtenerzähler sterben – kein Mensch will die alten Sachen mehr glauben.

Wie oft und oft saßen wir aufmerksam zuhorchend da und dort und hörten Märchen erzählen. Geschichten und Märchen, die wir lesen und lesen konnten, gaben uns lange nicht so viel ab; das gesprochene Wort wirkte viel mehr auf uns ein. Tief bedauerten wir jedesmal den Tod eines guten Erzählers oder einer Erzählerin und die Drohung, daß wir nicht mehr in das oder jenes Haus, in dem viel Märchen erzählt wurden, dürfen, wenn wir nicht folgen wollten, fruchtete mehr als Schläge. Das war noch so vor 20 Jahren. Heute kann man bei der Jugend nicht mehr ohne Stecken reden – versicherten mir viele Leute gelegentlich eines Urlaubes in der Rhön.

10. Das tränennasse Totenhemd.

(Mittelfranken: Oestheim b. Rothenburg a.T.)


Amol is era Frau ihr Kind gstorbn. Do hot s' so geweint und geweint und hot sie nimmer tröistn welln. Do is immer a schwarzer Krabb (Rabe) an ihr Fenschter hergflogn. Und amol is die Frau ins [17] Gros'n ganga. Da is ihr Kind zu era kumma in an weißn Kleid, des wor ganz naß und gelb bis auf a paar Fleckli, die worn no weiß. Do hot des Kind gsogt: »Mutter, siech! du hascht so arg gweint, daß mei Kleid ganz naß und gelb worn is. Wenn d' no mehr weinst, nacher wern die Fleckli aa no naß und gelb und nach bin i verdammt.« Do hot die Frau aufghert zun Weina und von der Zeit on is der Krabb nimmer an ihr Fenster hergflogn kumma.


Aufgeschrieben durch Frl. Anna Seiler aus Oppertshofen in Schwaben; dem Verein übergeben am 4. 7. 1898. (Urschrift.)

11. Der geprellte Teufel.

(Niederbayern: Ratiszell, B.-A. Bogen, im Bayerischen Wald.)

a) Der Schmied von Mitterbach.

Ein Schmied in Mitterbach versprach, sich dem Teufel zu ergeben, wenn er ihm drei Wünsche erfülle. (Der Teufel war nämlich auf den Schmied erbost, weil er den armen Leuten um ein »Vergelt's Gott« die Arbeit umsonst tat.) Die drei Wünsche waren: 1. Der Teufel dürfe den Schmied nur holen, wenn es dem Schmied recht sei; 2. der Teufel müsse dem Schmied einen Kirschbaum wachsen lassen, der Sommer und Winter Kirschen trage; 3. der Teufel müsse sich an einen Ort hinsetzen, wohin der Schmied es wolle.

Der Schmied spielte nun Karten mit dem Teufel.

Der Teufel mußte sich in den geöffneten Schraubstock setzen und der Schmied drehte den Schraubstock unbemerkt zusammen. – Daher noch heute das Sprichwort: »Der hat den Teufel prellt, wie der Schmied von Mitterbach.« (Vgl. Nr. 20.)

b) Der schlaue Bauer.

Ein Bauer versprach dem Teufel sein Weib, wenn ihm der Teufel den Hut mit lauter guten Talern (d.h. Kronen- und Frauenbildtalern) fülle. Der Teufel ging auf den Handel ein. Der Bauer setzte sich auf den Stadelfirst und machte in das Stadeldach ein Loch und setzte auf dieses Loch seinen Hut, der durchlöchert war.

Der Teufel brachte einen Hut voll Taler um den andern und schüttete das Geld in den Hut des Bauern. Die Taler fielen durch in den Stadel und der Hut war stets leer. So viele gute Taler gab es aber gar nicht, daß der ganze leere Stadel hätte damit angefüllt werden können. Der Bauer behielt das Geld und der Teufel war geprellt.

Die Märchen 11a) und b) wurden aufgeschrieben durch Herrn Pfarrer P. Poiger aus Ratiszell, z.Z. in Chamerau, Niederbayern. Dem Verein übergeben im Dezember 1906. (Urschrift.)

[18] 12. Die dankbaren Tiere.

Märchen-Bruchstück.


(Oberfranken: Schney, B.-A. Lichtenfels.)


Es war einmal eine Frau, die hatte drei Töchter; die hießen: Hulda, Maria und Venus. Da ging die erste, Hulda, nahm Abschied von der Mutter und zog in die Welt. Und die Mutter gab ihr mit ein Stück Brot, einen Hund und eine Katz'. Hulda wanderte weit, und als sie abends müde war, kam sie an eine Hütte und klopfte an. Eine alte Frau tat ihr auf und hieß sie eintreten und war gar sehr gut zu ihr. Sie durfte sich auf die warme Ofenbank legen und ausruhen. Hulda zog ihr Brot heraus und aß es ganz allein. Hund und Katz' bekamen nichts. Als sie eine Zeit lang geruht hatte, kam auf einmal ein winzig kleines Männlein mit langem Bart und Haar auf sie zu und sagte:


»Bin ein Männlein spannenlang (›Spanne lang‹),
Hab' nen Bart, drei Ellen lang.
Gib mir einen Kuß!«

Hulda fürchtete sich sehr und wußte nicht, was tun; da fragte sie ihre zwei Begleiter: »Hund und Katz', was fang' ich an?« Aber die sagten miteinander: »Hast du uns vorhin verlassen, tun wir dich auch verlassen.« Und Hilda gab dem Männchen keinen Kuß. Da zog es ein Haar aus seinem Bart und hieb damit auf die Jungfrau ein, bis sie tot war.

Die zweite der Töchter, die Maria, ging auch in die Welt und auch ihr gab die Mutter mit ein Stück Brot, einen Hund und eine Katz'. Der Maria ging es ebenso wie der Hulda. Auch sie kam an die Hütte und durfte auf der Ofenbank liegen und aß ihr Brot allein. Auch zu ihr rückte das kleine (»krause«) Männlein heran und sagte:


»Bin ein Männlein spannenlang,
Hab' nen Bart, drei Ellen lang.
Gib mir einen Kuß!«

Und Maria fragte: »Hund und Katz', was fang ich an?« Die sagten: »Hast du uns vorhin verlassen, tun wir dich auch verlassen.« Die Maria küßte das Männchen nicht und das schlug mit dem Barthaar Maria tot.

Die dritte der Töchter, die Venus, zog ebenfalls aus und bekam gleich ihren zwei Schwestern ein Stück Brot, einen Hund und eine Katz' mit. Es ging ihr gerade so wie den zwei Schwestern; aber als sie auf der Ofenbank saß, zog sie ihr Brot heraus und brach es in drei Stücke. Das eine aß sie selbst, das andere bekam der Hund und das dritte die Katze. Als nun das Männlein mit seiner Bitte kam, fragte Venus: »Hund und Katz', was fang ich an?« Und die beiden antworteten: »Hast du uns vorhin nicht verlassen, tun wir dich auch nicht verlassen; gib ihm einen Kuß!« Darauf gab Venus dem Männlein den Kuß. Da führte das Männlein die Venus in ein prächtiges Schloß ... (Schluß unbekannt!)

Aufgeschrieben durch Frau Pfarrer Schlier in Schney; dem Verein übergeben am 3. 3. 1899. (Urschrift.)

[19] 13. Das Märchen von der Geiß (Ziege) und ihren Zicklein.

a) Die Geiß und der Bär.

(Niederbayern: Hutthurm, B.-A. Passau.)


* Die Aufschreibung in der Mundart.


Amoi is a goas gwen und dö had dro kitzl ghad und da iß hoid oft füa d' kitzl ös lauwad ganga. amoi iß a wida fuat und had an kitzln recht aftragn. »manö hewein«, hads gsoad, »spiads enk guad zua und loßts neamt ei, und wann i kimm, afft klopf i und sag: manö hewein, mochts af, i han enk a lauwad und a dütei draf,« und aso iß fuat. dös ding is recht; dawei(l) is da beafoan feuschta auscht gschtandn und had glust und had oiß ghead. na an hübschn zeidl klopft ea in d' tüa. na, und wea auscht is, habmt d' kitzl gschrian. na, had da bea gsoad und had a raungatsadö stimm antnumma: »enka muada iß; mochts af, i han enk a lauwad und a dütei draf!« da habmt eam d' Kitzl volla freidn aftmocht, aba da bea hads ollö droi grad af da stöi gschlickt, aft had a sö nina gload und is schloffad woan. dawei is d' goas hoam kema und wia s n bean lign siagt und d' kitzl hand hi, denkts eam glei, das sö ebbs gschickt had, aba is deaf eam niks ankenna lossn. »o mei goas«, had da da bea gsoad, wiar as gsegn had, »miar is goa nöd guad und d' läus beißnt mö so vi(l), wennst ma na grad a weng suachatst!« da had eam d' goas läus gsuacht, und wia s a wei(l) suacht, is da bea wida schloffad woan. iatz had eam nacha d' goas n bau afgschnin und d' hewein hand ausa gesprunga. afft hads eam an bau voi stui anta(n) und had wida zuatnad, neta koan knopf hads nöd tmocht. wia da bea afkimmt, jammad a hoid na bössa. »o, mei goas,« soad a, »i ka s frei nima aushoin, so we tuad mia da bau!« »ge,« had d'goas gsoad, »wannst as probiaratst und kuglatst dö an öttlas moi übas bahafada aba, ebba wuas bössa«. da wi(ll) sö da bea übas bahafada abakugln, aba ön wearadn kugln is eam da bau afbrocha und d' stui hand eam ausa gfoi(ll)n und da bea is dond gwen.


Aufgeschrieben durch Herrn Gymnasiallehrer Gg. Maurer in Neustadt a.H., gestorben 1913 als Professor in Münnerstadt. Dem Verein übergeben 1898. (Urschrift.)


** Die wörtliche Übertragung ins Schriftdeutsche.


Einmal ist eine Geiß gewesen und die hat drei Kitzlein (Kitzel) gehabt und da ist sie halt oft für die Kitzlein ins Laub gegangen (ins Futterholen). Einmal ist sie auch wieder fort und hat ihren Kitzlein recht aufgetragen (gut anbefohlen): »Meine Heweln (Heppeln),« hat sie gesagt, »sperrt euch gut zu und laßt niemand ein, und wenn ich komme, dann klopfe ich und sage: meine Heweln, macht auf, ich hab [für] euch ein Laub und ein Euter voll Milch darauf« (darnach, hernach), und noch im Reden (»aso« = so sprechend) ist sie fort. Das Ding ist recht. Derweil ist der Bär vorm (vor dem) Fenster außen gestanden und hat gelust (gelauscht) und hat alles gehört. Nach einer hübschen Zeit klopft er in die Tür. Na (na nun), und wer außen ist! haben die Kitzlein geschrien. Na, hat der Bär gesagt und hat eine hohe krächzende Stimme[20] angenommen: »Eure Mutter ist es, macht auf, ich hab' [für] euch ein Laub und ein Dittel darauf!« Da haben ihm die Kitzlein voller Freuden aufgemacht, aber der Bär hat sie alle drei gerade auf der Stelle (gleich darauf) geschluckt. Dann hat er sich nieder gelegt und ist schlafend geworden. Derweil ist die Geiß heim gekommen, und wie sie den Bären liegen sieht und die Kitzlein sind hin (fort), denkt sie sich gleich, daß etwas vorgekommen ist (»daß sich etwas geschickt hat«), aber sie darf sich nichts ankennen (anmerken) lassen. »O, meine Geiß,« hat da der Bär gesagt, wie er sie gesehen hat, »mir ist gar nicht gut und die Läuse beißen mich so viel, wenn du mir nur grad ein wenig suchtest!« Da hat ihm die Geiß Läuse gesucht, und wie sie eine Weile sucht, ist der Bär wieder schlafend geworden. Jetzt hat ihm nachher die Geiß den Bauch aufgeschnitten und die Heweln sind außer gesprungen. Dann (daraufhin, hintennach) hat sie ihm den Bauch voll Steinen eingetan und hat wieder zugenäht, nur keinen Knopf hat sie nicht gemacht [an den Faden]. Wie der Bär aufkommt (aufsteht), jammert er halt noch besser: »O, meine Geiß«, sagt er, »ich kann es frei nimmer aushalten, so weh tut mir der Bauch!« »Geh'!« (fränkisch: ei! gelt!) hat die Geiß gesagt, »wenn du es probierest und kugelest dich etliche mal über das Backofendach hinunter, etwa (vielleicht) wird es besser.« Da will sich der Bär über das Backofendach hinabkugeln, aber im Kugln ist ihm der Bauch aufgebrochen und die Steine sind ihm herausgefallen und der Bär ist tot gewesen.

b) Die Geiß und der Wolf.

(Unterfranken: Schweinfurt.)


Vom Wolf und di siebn Geißli. Es war emal e alte Geiß, di hat 7 junge Geißli ghabt. Un da is se fort un hat gsagt: »Kinderli, ich geh jetz fort un bring euch grüns Gras un gelbs Gras un en dickn, dickn Milchsack; aber macht die Tür schön zu un laßt niemand rein.«

Un nach ere Weil is der Wolf komme un hat gsagt: »Kinderli, macht auf, euer Mutter is da und bringt euch grüns Gras un gelbs Gras un en dickn, dickn Milchsack!« Aber di Geißli habn gsagt: »Nee, du bist unser Mutter nit; unser Mutter hat kei so e grobe Stimm.«

Da is der Wolf widder in n Wald getrappt un hat Honig gfressn, damit sei Stimm sanfter worden is. Un danoch is er wieder zum Haus un hat wieder gerufen: »Kinderli, macht auf, euer Mutter is da und bringt euch grüns Gras un gelbs Gras un en dickn, dickn Milchsack!« Aber die Geißli habn gsagt: »Lang emal dei Pfoten rein!« Und wie se se gsehn habn, habn se gesagt: »Nee, du bist unser Mutter nit; unser Mutter hat kei so schwarze Pfotn.« Da is der Wolf zum Müller getrappt un hat sei Pfotn ins Mehl getaucht, damit se weiß worden is. Und danoch is er wieder zum Haus un hat wieder gerufn: »Kinderli, macht auf, euer Mutter is da un bringt euch grüns Gras un gelbs Gras un en dickn, dickn Milchsack!« Un da habn di Geißli sich die Pfotn zeich laß; un doch habn se gsagt: »Ach nee, ach nee, mer machn nit auf!« Aber s Kleine war es vorwitzige, das hat aufgemacht. Un da is auch [21] glei der Wolf rei un hats mit Haut un Haar verschlunge. Un di andre haba sich versteckelt: eins is ins Bett rei, s andere in offene Schrank, s dritte is ins Ofeloch, s vierte untern Kommod, s fünfte in n Tischkastn, s sechste, das war klein, des is neis Uhrkästle gekrochen. Un der Wolf is widder fortgetrappt. Un e Weil drauf is di Mutter komme. Di hat glei gemerkt, daß was los is, weil di Tür auf war un die Geißli nit zu sehn warn. Un da hat se geweint un hat gsagt: »Kinderli, wo seid er denn? euer Mutter is da un bringt euch grüns Gras un gelbs Gras un en dickn, dickn Milchsack.« Un erscht habn sich die Geißli nit raus gedraut; aber endlich sin se nachenander komme: eins ausm Bett raus, s andere ausm Schrank, s dritte ausm Ofeloch, s vierte unterm Kommod vor, s fünfte ausm Tischkasten, s sechste ausm Uhrkästle. Un nacher habn ses der Mutter erzehlt un habn alle recht geweint. Da is grad der Jäger am Haus vorbei un hats ghört un hat gfragt: »Was habt ihr denn, Frau Geiß?« Un da hat se ne ihr Leid geklagt. Un da is er in Wald gange; da hat er en Wolf scho von weitem schnarchen hörn. Da is er bei un hat sei groß Messer genomme un hat em den Bauch aufgschnittn. Da is es Geißle gsund un munter rausghüpft. Un danach is di Geiß heim un hat Nadel un Faden gholt un da habn se den Bauch widder zugflickt un Kieselstein un Strohwisch neigsteckt. Danach sin se widder fort.

Nach ere Weil is der Wolf aufgewacht un hat Duerst ghabt un wollt zum Brunne geh. Un beim Gehn sin di Stein aneinander gschlagn. Da hat er gsagt: »Was rumpelt un bumpelt in meinem Bauch, hab i doch e jungs Geißle verschluckt un jetz is mersch, als ob i lauter Kieselstein un Strohwisch drin hett.« Un da hat er si gebückt un wollt drink un er hats Gleichgewicht verlorn, weil di Stein nach vorn gekugelt sin, un is in Brunne gfalln un ertrunken.

Un der Jäger un di alte Geiß un di siebn junge Geißli habn von fern zugsehn un habe nacher am Brunne rumgetanzt.

Un wen se no net gstorbn sin, so lebn se heut no.

Aufgeschrieben durch Herrn F. Beyschlag aus Schweinfurt, (damals) stud. philol., nun Gymn.-Rektor in Kusel, Pf.; dem Verein übergeben am 23. 9. 1896. (Urschrift.)

14. Hühnchen und Hähnchen.

a) Dem Hähnchen droht der Tod durch einen verschluckten Kirschenkern.

(Unterfranken: Schweinfurt.)


Vom Hühnle un vom Gökerle. Emal is es Hühnle un es Gökerle in em goldne Kütschle über Land gefahrn un da sin se an en Kirschbaum komme, da warn reife Kirscheli dran. Un da is es Gökerle un es Hühnle naufgstiegn un habn si an di Kirscheli gütli getan. Un es Gökerle hat ze hasti gfressn un wollt erstick. Da is es Hühnle schnell runtergstiegn un voller Angst zum Brünnle gelaufn un hat gsagt: »Brünnle, mir e Wasserle geb, Wasserle ich mein Gökerle geb; s Gökerle sitzt drobn [22] Kirschbaum un will erstick.« Aber es Brünnle hat gsagt: »Hühnle, erst mir e Züberle hol!« Da is es Hühnle zum Büttner gsprunge un hat gsagt: »Büttner, mir e Züberle geb, Züberle ich em Brünnle geb, Brünnle mir e Wasserle geb, Wasserle ich em Gökerle geb; s Gökerle sitzt drobn Kirschbaum un will erstick.« Aber der Büttner hat gsagt: »Hühnle, erst mir mei Stiefeli hol.« Da is es Hühnle zum Schuster un hat gsagt: »Schuster, mir di Stiefeli geb, Stiefeli ich'm Büttner geb, Büttner mir e Züberle geb, Züberle ich'm Brünnle geb, Brünnle mir e Wasserle geb, Wasserle ich meim Gökerle geb; s Gökerle sitzt drobn Kirschbaum un will erstick.« Da hat der Schuster gsagt: »Hühnle, erst meiner Braut en Brautkranz hol.« Da is es Hühnle zum Gärtner gerennt un hat gsagt: »Gärtner, mir en Brautkranz geb, Brautkranz ich em Schuster geb, Schuster mir di Stiefeli geb, Stiefeli ich em Büttner geb, Büttner mir e Züberle geb, Züberle ich'm Brünnle geb, Brünnle mir e Wasserle geb, Wasserle ich meim Gökerle geb; s Gökerle sitzt drobn Kirschbaum un will erstick.« Un der Gärtner war e guter Mann un hat em Hühnle den Kranz glei gebn. Da is es Hühnle mit zum Schuster gsprunge un hat die Stiefeli dafür kriegt un mit di Stiefeli is zum Büttner; der hat em das Züberle dafür gebn un mit'm Züberle is zum Brünnle, das hat em Wasserle gebn un mit'm Wasserle is nauf'n Kirschbaum un wollts'm Gökerle geb: aber das war scho dod.

Da hats Hühnle gar arg geweint un nacher sin sechs weiße Mäusli komme, di habns Gökerle aufs Kütschle gelegt un sin davon gfahrn. Un wie se über e Bergle komme, da sin di Mäusli gstolpert un es Wägele is umgfaln un em Gökerle is auf di Art es Kernle, das in seim Hälsle gsteckt hat, loskomme un is widder lebendi worrn. Un drauf sin se lusti un fidel weiterkutschiert.

Un e Mäusle hat den Aufzug gsehn un hat so drüber lach müß, daß'm s Bäuchle geplatzt is. Un da is es zum Schuster gelaufn un hat zune gsagt: »Schuster mir mei arms Bäuchle flick!« Un der hat a glei sein Draht genomme un hats'm gflickt. Nacher hat er gsagt: »Ja, Mäusle, was haste denn gemacht?« Un es Mäusle hat em di ganze Gschicht verzehlt.


Jetz is es Gschichtle aus,
Drobn Kirschbaum läfft e Maus,
Hat e blau's Käpple auf
Un e rots Dölle drauf.

Aufgeschrieben durch Herrn Fr. Beyschlag aus Schweinfurt, (damals) stud. philol.; dem Verein übergeben am 23. 9. 1896. (Urschrift.)

b) Dem Hähnchen droht der Tod durch einen Nußkern.

(Oberpfalz: Amberg.)


A mal gingen a Hennerl und a Hannerl spazieren am Berg in Nußkern. Da hat s Hannerl z'erscht an Nußkern gfunden und hat n schnell verschluckt, damit s Hennerl nix kriegt davon. Derweil is ihm der Nußkern im Hals stecken blieben und er mußte zur Strafe ersticken. Da is [23] Hennerl in ihrer Angst zum Brunn gloffen und hat gsagt: »O, Brunn, gib ma a Wasserl, s Wasserl ghört n Hannerl, s Hannerl muß dastickn und dasterbn am Berg in Nußkern.« Der Brunn hat gsagt: »I gib dir koan Wasserl, s Hannerl soll dastickn und dasterbn am Berg in Nußkern.« Da kam s Hennerl zum Brünnerl und sagt: »O, Brünnerl, gib mir a Wasserl, s Wasserl ghört an Hannerl, s Hannerl muß dastickn und dasterbn am Berg in Nußkern.« S Brünnerl gab das Wasserl, s Hennerl bringts den Hannerl, s Hannerl trinkt das Wasserl und da ging der Nußkern hinunter und s Hannerl war wieder gesund. Und s Hennerl war so froh, daß s Hannerl wieder gesund war. Sie gingen dann miteinander heim und wenns net gstorbn san, lebens heut noch.


Aufgeschrieben durch Frau Anna Bauer, Kassierswitwe in Amberg, 1900. (Urschrift; die mundartliche Erzählung z. Tl. hochdeutsch wiedergegeben.)

c) Das ausgepickte Auge des Hühnchen.

(Unterfranken: Aschaffenburger Gegend.)


* Die Aufschreibung in der Mundart (Bruchstück.)


Hinkelchen und Gickelchen. Hinkelchen und Gickelchen waren zwä Gschwister. Die sin emol minanner in Streit kumme un's Gickelchen hot dobei em Hinkelche es Ag ausgekratzt. Do sogt des Hinkelche: »Du mir mei Ag auspickst, du mir mei Ag ach widder eiflickst.« Da ging es Gickelche zum Schuster und sagt: »Schuster, du mir Drohtspitze gibst, ich em Hinkelche sa Ag eiflick.« Do säigt der Schuster: »Wenn de mer Borschte gibst.« Do ging es zum Schwein ...


(Einsendung hier abgebrochen.)


** Schriftdeutsche Form.


Hühnchen und Hähnchen lebten lange friedlich beisammen. Es waren Geschwister. Einmal aber gerieten sie doch in Streit und dabei pickte Hähnchen dem Hühnchen ein Auge aus. Da sagte das Hühnchen: »Du mir mei Aug auspickst, du mir mei Aug wieder einflickst!« Da ging das Hähnchen zum Schuster und sagte: »Du mir Drahtspitze gib, daß ich dem Hühnchen sein Aug einflick.« Aber der Schuster antwortete: »Gib mir erst Borsten!« Da ging das Hähnchen betrübt zum Schwein und bat um einige Borsten. Das Schwein wollte sie nicht geradewegs hergeben und sagte: »Gib mir erst Kleie!« Das Hähnchen ging zum Müller und sagte: »Müller, du mir Kleie gib, Kleie ich Butzje geb, Butzje mir Borsten gibt, Borsten ich Schuster geb, Schuster mir Drahtspitze gibt, ich dem Hähnchen sein Aug einflick.« Der Müller sagte: »Ja, gib mir erst Korn!« Traurig ging das Hähnchen zum Acker und bat um Korn. Doch dieser verlangte zuvor Mist. Das Hähnchen lief zur Kuh und wollte Mist. Die Kuh antwortete, es solle ihr nur erst Futter geben. Schnell lief es zur Wiese und sprach: »Wiese, du mir Futter gib, Futter ich Kuh geb, Kuh mir Mist gibt, Mist ich Acker geb, Acker mir Korn gibt, Korn ich Müller geb, Müller mir Kleie gibt, Kleie ich Butzje geb, Butzje mir Borsten gibt, Borsten ich Schuster geb, Schuster [24] mir Drahtspitze gibt, ich dem Hühnchen sein Aug einflick.« Die Wiese verlangte Wasser. Da ging es zum Bach, holte Wasser, gab es der Wiese und diese gab ihm Futter. Für das Futter bekam es von der Kuh Mist, für den Mist bekam es Korn, fürs Korn Kleie, für die Kleie Borsten und für die Borsten Drahtspitzen. Mit denen ging es zum Hühnchen und nähte ihm das Auge wieder ein.


Dem Vereine durch einen Ungenannten (X.Y.) 1899 übersendet. Die mundartliche Ausdrucksweise gehört der Gegend um Aschaffenburg an. (* und ** Urschrift.)

15. Die Füchsin und ihre Freier.

(Unterfranken: Schweinfurt.)


»Gut'n Tag, Frau Katzenschmatz! Was macht Sie da?« »Da sitz' ich und wärm' meinen Platz!« »Was macht denn Ihr Fräulein?« »Ist droben in dem Kämmerlein, hat geweint die Aeuglein rot; unser Herr, der Fuchs, ist tot.« »So geh' Sie hinauf und frag Sie, ob sie mich haben will!« Die Katze ging die Tripp die Trapp die Trepp hinauf – diklipp diklapp. »Frau Füchsin, sind Sie da?« »Ach ja, mein Kätzchen, ja!« »Drunten ist ein Freier, ist gewachsen wie ein Bär und läßt fragen, ob Sie ihn haben will!« »Ach nein, ach nein, es muß ein Füchslein sein!«

(Wird wiederholt mit Einsetzung beliebiger Tiernamen – wie ein Rehlein usw. – bis zuletzt ein Fuchs kommt.)

»Drunten ist ein Freier, ist gewachsen wie ein Füchslein und läßt fragen, ob Sie ihn haben will.« »Ach ja, ach ja, laß ihn nur schnell rauf!« Und da ist er raufkommen und da haben sie Hochzeit g'halten und es hat Kuchen und Torten und Wein geben und da war ich drauf und du und wir alle waren drauf.

Und wenn sie nit g'storben sind, so leben sie heut noch.

Aufgeschrieben durch Herrn Fr. Beyschlag aus Schweinfurt, (damals) stud. phil.; dem Verein übergeben am 23. 9. 1896. (Urschrift.)

16. Der geschundene Geißbock.

(Oberpfalz: Amberg.)


A mal is a Schneida gewesen. Der hat an Geißbock ghabt und weil er gar bös geworden, hat ern abg'stochen. Da wollt er ihm die Haut abziehen. Als er die Haut halbet herunt hatte, wurde der Bock auf einmal wieder lebendig und lief davon, in Wald hinein und versteckte sich in einer Felsenhöhle. Da es Nacht wurde, kam ein Hase und wollte darin nächtigen. Da sagte der Bock: »Halbet gschunden, halbet gschobn, wennst ma hergehst, stich ich dich durchaus mit mein krumpen Horn.« Da getraute sich der Hase nicht hinein, er setzte sich außen hin und weinte. Da kam ein Fuchs und sagte: »Brüderl, warum weinst du?« Da sagte der Hase: »Ich wollte da nächtigen, getrau mich aber nimmer, weil etwas Schrecklichs drin is, das sagte: Halbet gschunden, [25] halbet gschoben, wennst ma hergehst, stich ich dich durchaus mit mein krumpen Horn.« Da sagte der Fuchs: »Laß nur mich hinein!« Es ging ihm aber wie dem Hasen und er setzte sich hin und weinte. Da kam ein Rabe und wollte auch nächtigen und er fragte: »Brüderl, warum weint ihr?« Und beide erzählten das Schreckliche. Der Rabe meinte: »Laßt nur mich hinein!« Aber es ging ihm wie den beiden andern. Auch er setzte sich hin und weinte. Da kam eine Hummel gesummt und fragte: »Brüderl, warum weinet ihr?« Und sie erzählten ihren Jammer. Da sagte die Hummel: »Laßt nur mich hinein!« Und die Hummel summte hinein und stach den Bock auf den Hintern; der fing das Laufen an und wenn er nicht aufgehört hat, so lauft er heute noch.


Aufgeschrieben durch Frau Anna Bauer, Kassierswitwe in Amberg, 1900. (Urschrift; teilweise mundartlich, teilweise hochdeutsch stilisiert.)

17. Maus, Wurst und Frosch.

(Unterfranken: Sommerach, B.-A. Gerolzhofen.)


Eine Maus, eine Wurst und ein Frosch hielten zusammen Haus. Die Wurst kochte täglich die Suppe, der Frosch sammelte im Walde Holz und die Maus sorgte für Brot. Einst fragte der Frosch die Wurst, wie sie so gute Suppe kochen könne. Die Wurst sagte: »Wenn das Wasser anfängt zu kochen, so steige ich hinein und davon wird die Suppe so fett.« Am folgenden Tage wollte der Frosch die Suppe kochen. Die Wurst ging in den Wald und das Mäuschen nahm sein Säckchen und ging in ein Hochzeitshaus, um Brotkrümchen zu sammeln. Als das Wasser anfing zu kochen, stieg der Frosch in den Hafen und kam darin jämmerlich um. Als die Wurst vom Walde zurückkam, fand sie den Frosch tot im Hafen liegen. Sie setzte sich unter die Haustür und weinte bitterlich. Da ging ein schwarz gekleideter Mann vorüber, den rief sie an: »Sage zum Mäuschen, es soll heim, der Frosch sei in der Suppe umgekommen.« Der Mann blickte sich um, sah aber niemand. Als er ins Hochzeitshaus kam, erzählte er, was er gehört hatte. Das Mäuschen saß gerade unterm Tisch. Es ließ sein Säckchen liegen und eilte heim. Inzwischen hatte ein Metzgershund die weinende Wurst gefressen. Das Mäuschen fand nun den Frosch tot im Hafen liegen, suchte aber die Wurst vergebens. Da bekam es Hunger und wollte sein Säckchen im Hochzeitshaus holen. Doch wie es zur Tür hinein wollte, kam eine Katze und fraß es auf.


Aufgeschrieben durch Schulseminarist Erhard in Würzburg, beheimatet zu Sommerach, im Auftrage des verstorbenen Seminarlehrers Th. Strohmenger. Dem Verein übergeben 1894. (Urschrift.)

[26] II. Legendäre Märchen.

18. Warum die Menschen nicht mehr wissen, wann sie sterben.

(Oberbayern: Aus der Gegend, die man Hollertau nennt, das ist die Landschaft zwischen der Ammer, Ilm und Abens, bei Gammelsdorf und Moosburg.)


Früher wußten die Menschen, wann sie sterben müssen und arbeiteten darum nur wenig und schlecht. Einmal machte ein Mann einen Zaun aus Binsen. Da ging gerade der liebe Gott vorüber und sah diese Arbeit. Er fragte den Mann: »Warum machst du einen so schlechten Zaun?« Der Mann antwortete: »Der hält, bis ich sterbe; denn morgen muß ich sterben.« Darauf sagte der liebe Gott: »So soll es von nun an niemand mehr wissen.«


Aufgeschrieben durch Frau Anna Bauer, Kassierswitwe in Amberg, 17. 4. 1901. (Urschrift.)

19. Jesus und Petrus dreschen.

(Oberpfalz: Amberg.)


Der liebe Jesus ging einmal mit Petrus überland. Und weil es Nacht wurde, so klopften sie bei einem Bauern an und baten um Nachtquartier. Der Bauer sagte: »Ihr könnt schon da bleiben, aber ich hab' nur mehr ein Bett, müßt zusammenliegen und in der Früh' müßt ihr mit dreschen helfen.« Jesus versprach das. Sie legten sich zu Bett, Jesus vornen, Petrus hinten. In der Früh' kam der Bauer zum Wecken. Petrus wollte aufstehen, aber Jesus sagte: »Es hat noch Zeit, lege dich aber jetzt gleich vornen hin.« Da kam der Bauer wieder zum Wecken und im Zorn prügelte er den ersten, weil er nicht aufstand. Jesus sagte wieder: »Es hat noch Zeit, lege dich aber jetzt hinter, Petrus, sonst bekommst du wieder Prügel, wenn der Bauer kommt.« Der kam auch bald wieder und weckte. »Warte«, sagte er, »dasmal kommt der hintere dran« und so bekam Petrus nocheinmal Prügel. Da sagte Jesus: »Jetzt ist es Zeit, unsere Arbeit zu tun« und gab dem Petrus ein Licht in die Hand, hielt selbst die Garben an das Licht und das Korn prasselte nur so heraus. Als sie einige Zeit so gearbeitet hatten, wanderten sie weiter. Nach einer Weile sagte Jesus: »Petrus, sieh dich um!« Und Petrus erschrak und sagte: »Herr, Herr, da steht ja das Haus in Flammen, das wir verließen!« »Ja«, sprach Jesus, »der Bauer wollte es mir nachmachen und siehe, das ist sein Lohn.«


Aufgeschrieben durch Frau Anna Bauer, Kassierswitwe in Amberg, 17. 4. 1901. (Urschrift.)

[27] 20. Der Schmied von Hakenbach.

(Niederbayern: Bayerischer Wald.)


* Die Aufschreibung in der Mundart.


Za dera Zeit, wia unsa Herrgott na af der Welt umagroast is und da heilö Peta mit öham, da is öa a moi da Schmied vo Hokaba[ch] göngt. Wia s'n aba va weita gsegn hamt, hot da hl. Peta gsagt: »Du, Moasta, mi hungat scha und ham oi zwä koa Geöd; wie wurs den[n] sa, wan ma den Handwerksburschn abetteln tadn?« »Na, zwöng meina, mir is oa Ding,« hat da Herrgott gsogt; »dös ka da i sogn, daß er seöt nöt vü hot, a Scherzl Broud und zwä Botzn hat a na ön Leiwötaschl.« Na dös Ding is recht gwön. Wias ganz zamkema hand, hot hoit da hl. Peta gsagt: »Mei, Landsma, mia zwä tadn recht schä bittn, host nöt a weng wos z'össn, oi zwä ham a scha Hunga, awa nix z'beißn und nix z'nagln und kinan fost nima gäh voa lauta Hunga.« »Na freilö«, hot da Schmied gsogt, »sitzn ma uns hoit nieda und öffn dös Scherzl Broud mitanand!« Und a so hamts sö s gmacht. Wias firtö gwön hand, hamts oi zwä Geöts Gott gsogt und hand öaran Wö wida fuat ganga und da Schmied a. Öna Zeit hot da Moasta gsogt: »Du, Peta, den Schmied miß ma moag wieda probian, wos a uns na a moi ebs gibt; er is a vadoams Früchtl, awa a guatherzöga Kund.« Und a so hamts ös gmocht. Dön anan Tag hamts wieda göngt ön ana und hamt wieda bettlt. »Na«, hat da Schmied gsogt, »i moa, i ha enk e göstan ebbs göm, hats heiöt scha wieda do. Is awa oa Ding, i ho no zwä Batzn, toin ma hoöt mitanana.« Und a so hamts ös gmocht, hamt toit und wieda vanana ganga. Dön drittn Tag hamtn dö zwä na moi probiat (browiat), wos da Schmied tuat, wei unsa Herrgott scha ebbs bsunas voa ghot hot. Do wa owa da Schmied denat scha boi hoas woan und hot gsogt: »Na, wos moats den, ös zwä Tauganix, hobts ebba gmoat, i geh extrat füa enk zwä fechtn? foit ma nöt eiö.« »Na«, hot a glei draf wieda gsogt, »heiöt wü i na a moi toön mit enk, awa aft is goa.« Und a so hamts hoit den lötztn Batzn a na toöt und wa da Schmied san Wö wieda fuatganga. Dawei hot sö unsa Herrgott z'kena göm und hot gsogt: »Weist so guatherzö gwön bist, kast da zwä Wünsch toa, wos da wünschn wüst.« »Na«, hot da Schmied ganz dafreut gsogt, »dös is recht, dös gfreut mi. Jatzt wünsch a ma glei an Ranzn, wann i sag: ö mei Ranzal, ö mei Ranzal! muaß ois drin sa, wos a ma denk, und a Geign, wan i geig draf, muaß oös tanzn, wos a ma denk.« »O, i woit, du hettst da ebbs bössas gwunschn!« hot da Moasta gsagt, »awa wei s das wünscht dos, sollst as kriagn.« Af oamoi hot da Schmied an Ranzn ön Bukl ghot und a funklnoglneiö Geign drin.

Draf is a wieda a Zeit umanana groast und is af a Gschloß kema, wo a um a Nochthirwa bitt hot. »Kast scha dobleim, awa ön a Zimma muaßt dö lögn, wo a Weihratz umgeht drin. Wansd awa dond bist ö da Friha, liegt ma a nix dra; wansd awa d' Weihratz vatreibn kast, kriagst mei Touchta zan Heiratn unds Gschloß dazu.« »Na, da mog i scho«, [28] hot a gsogt und is glei af dös Zimma ganga, hot sö awa voaher a Toschn voi wollösch Nuß und a Toschn voi Kislschtoa mit gnuma. An Schraufschtock und a Feiö hot a a nöt vagössn und a so hat a sö eigloschiat ö san Zimma. Wia's Zwöfö gschlogn hot, is Grumplat scho lousganga. »Na wansd a Schneid hast, aft geh aha, i füacht dö nöt, bist wer da wö.« Dawei is hoit da Schuwerltoni eiganga oda da Heerndlbua, wia ma sogt – oda kuaz gsogt, da Toifö. Da Hans, a so hot da Schmied ghoißn, hot grad fleißö Nuß afbissn. »Wos host denn da?« »Na, wos wirö denn ham, Nuß hoit.« »Geh, gib mia a a nötla!« »Da host a ni«, hot da Hans gsogt und hot eahm a Händ voi Kislstoa göm. »Malafiz! hant dö hiat!« »Na, du host hoit lauta stumpfat Zähnt, i seit as, daß wieda ogreifant; tua ön Kopf hea da!« Und wirklö hot a sö foppn lossn und hot ön Kopf ön Schraufstock einö ta. Und da Hans hot zam gschrauft und an Mängodern eita, wie wan ma an Roß s Übabluat nimmt. Aft hot a a Hoözroschbö gnuma und hat öham d Fotzn gherö heagreut und allö Zähnt ausgschtoßn. Nacha hot da Toifö s Jammern und s Bittn agfangt: »O mei, o mei, loß mö aus, i kim eh nima ö dös Zimma!« Da Schmiedhans hatn auslossn. Jatzt hat da ana aufdraht und hat gsogt: »Na, ö dös Zimma geh i nima hea, owa ön außtan Goan wannst ma eigehst, nocha gfreutö, Schmied! aft derfst ö mi denka!« Und damit is er aus und dava. Da Schmied hat glocht, daß a sö bogn hot und hot ön Schloßherrn sei Tochtal gheirat. A moi hotn hoit da Goiß gschtocha und is ön Toifi sein Goatn schbazian ganga, hot eham awa ön Schraufstock mitgnuma. Af oamoi kimt da Schuberltoni daheagsaust und wü'n paka. Dawei hat öham da Hans ön Schraufstock zoögt. Jatzt hot da oa s schrei angfangt und hot gsogt: »Jatzt lekst mö ön ... mit dein Schraufstock, i kim nima.« Und fuat is a. Na hot sö da Hans denkt, iatzt ghert a ma alloa, da ka i toa, wos i mog. Dön anan Tag is a glei wieda sbazian ganga ön Goatn. Dawei af oamoi steht da Toifö wieda da und ön Hansn pakt und fuat mit öham. Zum Glück hot da Hans d' Geign ba öham ghot. Ön an Hoitz afan Stok hot da Toifö grast't und is a weng ö d Brama ganga dawei. Da Hans hot d Geign gnuma unds Geign agfangt und da Toifö s Tanzn und hot sö sanö Klewö sauwa zkreit ön Doanan. Recht schä bitt hot a, daß da Hans s Geign ghengt hat und nacha is a dava und hat dö größta Plöara ta voa Zoan. Da Hans is hoamtrottlt und öma poa Tag wieda ön Goan spazian ganga und af oamoö steht da Klewöbna voa seina und hotn wieda pakt und fuat hett an gern ghott. Dawei hot da Schmiedhans aus Fiasoag san Ranzn mitgnuma und hat gsogt: »Ö ma Ranzerl!« und drin is a scha gwön a. Nacha is a fuat ön Hamma und hatn in dan groußn Hamma glegt und hotn gherö austreim lossn. Wian da Hans auslossn hot, is a fast fuat kuglt, wei d Boana nima ganz gwön haut und ist goa nimma kema a.

Wia da Schmiedhans gstoam is, is a ön Himmö afö ganga. »Na, na«, hamts gsogt, »du derfst nöt eina; hättst an eh wünschn kinna, wansd mögn hettst; du derfst nöt eina!« Ön Hansn is nix üwablibn, er muaß[29] zua da Hö[ll] gäh. Ö da Hö hamds a Glostüa ghot; do hamdsn scha va weitn gäh segn. »Habts zua, habts zua!« hamds allö gschrian, »iatzt kimmt da Schmiedhans!« Allö hamds zua ghabt; dawei hamds ö Glostüa brocha. Wög gäh hamds nöt derfa, wei s zuhabm nontwendiga gwön ist, und a so hot da Hans an jedn d Pratzn a gnoglt ö d Tüa. Nacha is a wieda fuat ön Himmö und hot recht schön bitt, sö sollna grad a wengl eischau lossn. Na, dös is öahm bawillint woan und dawei hat ea san Ranzn eigwoafa ba da Tüa und an Schprung gmocht – is a scha drin glössn a af san Ranzn. Ös hettna na gern außa gwoafa. »Ja mei«, hot a gsogt, »das geht nöt, i sitz af mein Ranzn« und dabei is blibn. – Seit dera Zeit sitzt da Schmied vo Hokaba ön Himmö af san Ranzn.


Aufgeschrieben: Wimperlstadl, am 8. April 1900 durchFried. Schrottenbaum, Zimmermann.

Bemerkung des Aufschreibers: »Dieses Märchen hört man im Bayrischen Walde sehr oft, aber in verschiedenen Fassungen, so z.B. hat der Schmied den Teufel auch noch unter einen Mühlstein gebracht. Doch habe ich diese Form als mir am besten gefallend gewählt. F. Sch.«

Mitgeteilt durch Gymn.-Professor Dr. Maurer in Münnerstadt: 7. 1. 1907. (Urschrift.)


** Wörtliche Übertragung ins Hochdeutsche.


Zu der Zeit, wie (als) unser Herrgott noch auf der Welt umgereist (umhergereist) ist und der heilige Peter mit ihm, da ist ihnen einmal der Schmied von Hakenbach (»Hokabach«) begegnet. Wie sie ihn aber von weitem gesehen haben, hat der heilige Peter gesagt: »Du, Meister, mich hungert schon und haben all' zwei kein Geld; wie würde es denn sein, wenn wir den Handwerksburschen anbetteln täten?« »Nun, zu wegen meiner, mir ist's ein Ding (einerlei)«, hat der Herrgott gesagt, »dieses kann dir ich sagen, daß er selbst nicht viel hat, ein Endstück (Sterzlein, Stützlein) Brot und zwei Batzen (Geldstücke zu je 11

Wert) hat er noch im Leinwandtäschchen!« – Nun, das Ding ist recht gewesen. Wie sie ganz zusammengekommen sind, hat halt der hl. Peter gesagt: »Mei (= bedeutungsloses Wort, ähnlich wie fränkisch, ›gelt‹), Landsmann, wir zwei täten recht schön bitten, hast du nicht ein wenig was zu essen, alle zwei haben auch schon Hunger, aber nichts zu beißen und nichts zu nagen und können fast nimmer gehen vor lauter Hunger.« »Nun freilich«, hat der Schmied gesagt, »setzen wir uns halt nieder und essen das Endlein Brot miteinander!« Und auch so haben sie es gemacht. Wie sie fertig gewesen sind, haben sie alle zwei »Gelts Gott« (vergelte es Gott!) gesagt und sind ihren Weg wieder fort gegangen und der Schmied auch. Nach einiger Zeit hat der Meister gesagt: »Du, Peter, den Schmied müssen wir, meine ich, wieder probieren, ob er uns noch einmal etwas gibt; er ist ein verdammtes Früchtlein, aber ein gutherziger Kunde.« Und auch so haben sie's gemacht. Den andern Tag haben's wieder begegnet einander und haben wieder gebettelt. »Nun«, hat der Schmied gesagt, »ich meine, ich habe euch erst gestern etwas gegeben, seid's [ihr] heute schon wieder da? Ist aber ein Ding, ich habe noch zwei Batzen, teilen wir halt miteinander.« [30] Und auch so haben es sie gemacht, haben geteilt und [sind] wieder voneinander gegangen. Den dritten Tag haben die zwei noch einmal probiert, was der Schmied tut, weil unser Herr gott schon etwas Besonderes vor gehabt hat. Da war aber der Schmied doch schon bald heiß geworden und hat gesagt: »Nun, was meint's (meint ihr) denn, ihr zwei Taugenichtsen, hat's (habt ihr) etwa gemeint, ich gehe extra für euch zwei fechten? fallt mir nicht ein.« »Nun,« hat er gleich darauf wieder gesagt, »heute will ich noch einmal teilen mit euch, aber dann (nachher) ist es gar.« Und auch so haben sie halt den letzten Batzen auch noch geteilt und war der Schmied seinen Weg wieder fortgegangen. Derweil hat sich unser Herrgott zu erkennen gegeben und hat gesagt: »Weil du so gutherzig gewesen bist, kannst dir zwei Wünsche tun, was du dir wünschen willst.« »Nun,« hat der Schmied ganz erfreut gesagt, »das ist recht, das freut mich. Jetzt wünsche ich mir gleich einen Ranzen, wenn ich sage: in mein Ränzel, in mein Ränzel! muß alles drinnen sein, was [ich] auch mag denken, und eine Geige, wenn ich geige darauf, muß alles tanzen, was [ich] mag denken.« »O, ich wollte, du hättest dir etwas Besseres gewünscht!« hat der Meister gesagt, »aber weil du es wünscht das, sollst du auch es kriegen.« Auf einmal hat der Schmied einen Ranzen am Buckel (Rücken) gehabt und eine funkelnagelneue Geige darin.

Darauf ist er wieder eine Zeit (zeitlang) umeinander gereist und ist auf ein Schloß gekommen, wo er um eine Nachtherberge gebeten hat. »Kannst schon da bleiben, aber in ein Zimmer mußt dich legen, wo ein Spuk umgeht darin. Wenn du aber tot bist in der Frühe, liegt mir auch nichts daran; wenn du aber den Spuk vertreiben kannst, kriegst du meine Tochter zum Heiraten und das Schloß dazu.« »Nun, da mag ich schon«, hat er gesagt und ist gleich auf das Zimmer gegangen, hat sich aber vorher eine Tasche voll welscher Nüsse und eine Tasche voller Kieselsteine mitgenommen. Einen Schraubstock und eine Feile hat er auch nicht vergessen und auch so hat er sich einlogiert in sein Zimmer. Wie es Zwölf geschlagen hat, ist das Gerumpel schon losgegangen. »Nun, wenn du eine Schneid hast, nachher gehe herein, ich fürchte dich nicht, bist du wer du willst.« Derweil ist halt der »Schuwerltoni« (= der haarige [schopfige] Toni?) hereingegangen oder der Hörnleinsbub, wie man sagt – oder kurz gesagt, der Teufel. Der Hans, auch (eben) so hat der Schmied geheißen, hat gerade fleißig Nüsse aufgebissen. »Was hast du denn da?« »Nun, was werde ich denn haben, Nüsse halt.« »Geh' [her], gib mir auch etliche!« »Da hast du auch eine«, hat der Hans gesagt und hat ihm eine Hand voll Kieselsteine gegeben. »Malefiz! sind die hart!« »Nun, du hast halt lauter stumpfe Zähne, ich feile dir sie, daß [sie] wieder angreifen; tue den Kopf her da (daher)!« Und wirklich hat er sich foppen lassen und hat den Kopf [in] den Schraubstock hinein getan. Und der Hans hat zusammengeschraubt und ein Maulgatter (Knebel, Maulsperre) hineingetan, wie [wenn] man einem Roß das Ueberblut nimmt (zu Ader läßt). Nachher hat er eine Holzraspel [31] genommen und hat ihm das Maul gehörig hergerieben (gegrendelt, rauh zugerichtet) und alle Zähne ausgestoßen. Nachher hat der Teufel das Jammern und das Bitten angefangen: »O mei, o mei, lasse mich aus (los), ich komme gewiß nimmer in dies Zimmer!« Der Schmieds-Hans hat ihn ausgelassen (losg.). Jetzt hat der andere aufgedreht (aufgesprochen, geprahlt) und hat gesagt: »Nun, in das Zimmer gehe ich nimmer her[ein], aber in den äußern Garten, wenn du mir hineingehst, nachher freue dich, Schmied! dann darfst an mich denken!« Und damit ist er hinaus und davon. Der Schmied hat gelacht, daß er sich gebogen hat und hat dem Schloßherrn sein Töchterlein geheiratet. Einmal hat ihn halt der Uebermut geplagt und ist im Teufel seinem Garten spazieren gegangen, hat vorsichtig [vorahnend?] aber den Schraubstock mitgenommen. Auf einmal kommt der »Schuwerltoni« dahergesaust und will ihn packen. Derweil hat ihm der Hans den Schraubstock gezeigt. Jetzt hat der das Schreien angefangen und hat gesagt: »Jetzt leckst mir den ... mit deinem Schraubstock, ich komme nimmer.« Und fort ist er. Nun hat sich der Hans gedacht, jetzt gehört er mir allein, da kann ich tun, was ich mag. Den andern Tag ist er gleich wieder spazieren gegangen im Garten. Derweil auf einmal steht der Teufel wieder da und den Hansen gepackt und – fort mit ihm. Zum Glück hat der Hans die Geige bei sich gehabt. In einem Holz auf einem Stock hat der Teufel gerastet und ist ein wenig in die Brombeeren gegangen dieweil. Der Hans hat die Geige genommen und das Geigen angefangen und der Teufel das Tanzen und hat sich seine Klauen (Finger?) sauber (gehörig) zerkratzt in den Dörnern. Recht schön gebittet hat er, daß der Hans das Geigen aufgehört (beendet) hat und nachher ist er davon und hat den größten Plärrer (Schrei) getan vor Zorn. Der Hans ist heimgetrottelt und [nach] ein (öma?) paar Tagen wieder im Garten spazieren gegangen und auf einmal steht der Klauenbub vor ihm und hat ihn wieder gepackt und fort hätte [er] ihn gern gehabt. Derweil hat der Schmiedshans aus Fürsorge seinen Ranzen mitgenommen [gehabt] und hat gesagt: »In mein Ränzel!« und drin ist er schon gewesen auch. Nachher ist er fort in den Hammer (Hammerwerk) und hat ihn in den großen Hammer gelegt und hat ihn gehörig austreiben (breitschlagen) lassen. Wie ihn der Hans ausgelassen hat, ist er fast fortgekugelt, weil die Beine nimmer ganz gewesen sind und ist gar nimmer gekommen auch.

Wie der Schmiedshans gestorben ist, ist er in den Himmel hinauf gegangen. »Nein, nein«, haben sie gesagt, »du darfst nicht hinein; hättest ihn ehemals wünschen können, wenn du gemocht hättest; du darfst nicht hinein!« Dem Hansen ist nichts übriggeblieben, er muß zu der Hölle gehen. An der Hölle haben sie eine Glastür gehabt; da haben sie ihn schon von weitem gehen sehen. »Hebts (haltet) zu, hebts zu!« haben alle geschrien, »jetzt kommt der Schmiedshans!« Alle haben sie zugehalten; derweil haben sie in die Glastür [ein Loch] gebrochen. Weg gehen haben sie nicht gedurft, weil das Zuhalten notwendiger gewesen ist, und ebenso (dabei, während dessen) hat der Hans einen jeden die Pratzen (die Hand) [32] angenagelt an die Tür. Nachher ist es wieder fort zum Himmel und hat recht schön gebeten, sie sollen ihn gerade [nur] ein wenig hineinschauen lassen. Nun, das ist ihm bewilligt worden und derweil hat er seinen Ranzen hineingeworfen bei der Tür und einen Sprung gemacht – ist er schon darin gesessen auch auf seinem Ranzen. Sie hätten ihn gern hinausgeworfen. »Ja mei«, hat er gesagt, »das geht nicht, ich sitze auf meinem Ranzen« und dabei ist es geblieben. – Seit dieser Zeit sitzt der Schmied von Hakenbach im Himmel auf seinem Ranzen.

III. Schwank- und Schreckmärchen.

21. Die passenden Antworten.

(Oberpfalz: Ort?)


Dem Hans war sei Mutta gstorbn und da Vata hat wieda gheirat; aber sei Stiefmutter hat'n Hans net mögn. Amal hats eahm a Nudl gebn und hat gsagt: »Hans, du schaugst, daß d'weiter kemmst, i kann di nimmer braucha; mir habm selber nix.« Na, da Hans is furt und wia er vors Dorf außikemma is, is af ein Eckstoa a alts Weiberl gsessn und hatn abettelt. »Mei«, sagt der Hans, »i hab selba nix als dö Nudl, aba wenn di hungert, na teilma halt.« Na, 's Weiberl hat dö halbet Nudl gnumma und hat gsagt: »Hans, weil du so a guts Herz hast, so will ich dir an guatn Rat gebn. All's was d auf der Straße findst, hebst af und schiabst ein.« Na is furt ganga. Na, hat si der Hans denkt, dös kannst tan. Wia er a Weil ganga is, hat a an Zapfn gfundn. Eingschobn. Nach'r a Weil find er a Vogelnest mit junge Vögel. Dös hat er a eingschobn. Wieda a Weil find't er an Haufen Dreck. Na – den hat er a eigschobn. Ötz is er in d'Stadt kemma. Da san d'Leut packlweis (gruppenweise) beinander gstandn und habn gred't. Der Hans hat gfragt, was da gibt. »Ja«, habens gsagt, »unsa Königstochter soll heiraten, aba sie nimmt nur den, der ihr drei passende Antworten geben kann. Un da san sehr viel dagwesen, aber koaner hats daratn.« Na, hat der Hans denkt, dös kannst a probien. Ötz is er ins Königsschloß ganga und hat nach da Prinzessin gfragt. Die Bedeanten habn ausglacht und habn gsagt, da san so viel Gscheiderne da gwesen als so a dumma Bauanbua wie er und habn nix deratn. Aba da Hans hat nit nachlassn und da habns n zur Prinzessin gführt. D'Prinzessin is aufn goldenen Thron gsessn. Der Hans hat sie oagschaut und sie hat eahm oagschaut, gsagt hats aba nix. Hat si der Hans denkt, da mußt dochs Dischgrirn oafanga und hat gsagt: »Aba die Jungfer hat rote Wangn.« »Ja«, sagts, »weil i Feuer im ... hab.« »Na«, sagt da Hans, »habn ma Vögel, dö könna ma drauf bratn« und hat sei Vogelnest außa. »Ja«, sagt d'Prinzessin, »hat d'Pfann a Loch.« »Habn mer an Zapfen zum Fürsteckn.«[33] »Warum nöt gar an Dreck?« sagt d'Prinzessin. »Den habn mer a«, sagt da Hans und hatn außazogn. Und weil a der Prinzessin dö drei passndn Antwortn gebn hat, hatsn gheirat und da Hans is nach a König worn und wenns net gstorbn san, na lebns heut no.


Aufgeschrieben durch Herrn F. Fronhofer in Regensburg, 1899 (nach der Erzählung seiner Großmutter aus der Oberpfalz.) (Urschrift.)

22. Der kluge Müller.

(Unterfranken: Rhöngebirg.)


Es war einst ein Müller, ein sehr gescheiter Mann, der stets lustig und fidel war, für jeden Menschen ein gutes Wort und einen guten Rat hatte und stets sagte: ich lebe ganz zufrieden und ohne Sorgen. Von diesem Müller wurde einst dem König erzählt. »Warte«, sagte der König, »ich will ihm schon Sorgen machen.« Er ließ den Müller zu sich rufen und sprach: »Ich habe davon gehört, daß du ein sehr gescheiter Mensch wärst und ohne Sorgen lebest. Wenn du ausführen kannst, was ich dir aufgebe, so sollst du meine Tochter zur Frau haben; du bist, wie ich gehört habe, noch ledig, kannst also leicht mein Schwiegersohn werden.« Der Müller antwortete: »Laß hören, was du verlangst, und wenn es menschenmöglich ist und man keine Hexerei dazu braucht, so werde ich es tun.« »Nun, so höre!« sprach der König, »du sollst zu mir kommen, nicht bei Tag und nicht bei Nacht, an keinem Wochentage, nicht bekleidet und nicht nackt, nicht gehend, reitend, fahrend oder kriechend. Bringst du das fertig, dann wirst du mein Schwiegersohn.« Der Müller lachte und sagte beim Fortgehen: »Das ist mir eine Kleinigkeit.«

An einem Mittwoch abends in der Dämmerung kam der Müller bekleidet bloß mit einem Fischnetze, mit einem Beine gehend, das andere auf einem Esel. »Ich habe deine Aufgabe gelöst«, sprach der Müller; »denn der Mittwoch ist kein Wochentag, da er keinen Namen hat wie die anderen Tage, es ist jetzt nicht Tag und auch nicht Nacht, ich bin nicht bekleidet, aber auch nicht nackt und ich bin nicht gegangen, aber auch nicht geritten.« »Du hast deine Aufgabe gut gelöst«, sprach der König, »du sollst meine Tochter haben und bei mir wohnen, dein Rat wird mir oft von Nutzen werden.« Der Müller heiratete aber die Königstochter nicht und sprach: »Lieber König, gib deine Tochter einem Manne, der für sie paßt, ich liebe ein Mädchen und werde es auch heiraten, aber wenn du mir etwas Gutes tun willst, so befreie mich von allen Abgaben und Lasten und hebe das Gesetz auf, welches uns Müllern vorschreibt, wieviel Metz 1 wir nemen dürfen.« Der König erfüllte den Wunsch des Müllers und seit dieser Zeit sagt man in der Rhön: »Mätz hoät koä Gesätz.«

Herkunft wie bei Ziff. 9.

Fußnoten

1 Die Metz ist der Mahllohn des Müllers. Von einer Metze Getreide nimmt er ein Köpfle Metz. Hat der Müller das Getreide aufgeschüttet, dann wird gemetzt. (Sonst in Franken: die Mitz, gemitzt).

[34] 23. Der schlaue Schäfer.

(Unterfranken: Rhöngebirg.)


Es war einmal ein König, der hatte eine Tochter, welche das schönste Mädchen im Lande war, aber sie war krank und noch niemand hatte ihr helfen können. Nicht weit weg von der Stadt, wo der König wohnte, war ein Schäfer, der war sehr geschickt und konnte überall helfen, so weit zu helfen war, und sein Sohn war noch weit gescheiter. Der junge Schäfer hatte auch von der Krankheit der Königstochter gehört und eines schönen Tages machte er sich auf den Weg zum Königsschlosse. »Ich habe gehört«, sprach er zum König, »du hättest eine kranke Tochter, welcher niemand helfen könne. Wenn es menschenmöglich ist, werde ich ihr helfen und sie gesund machen.« Der König schüttelte ungläubig mit dem Kopfe und sprach: »Es ist alles probiert worden und genützt hat alles nichts, doch kannst du es probieren.« Der junge Schäfer begann seine Kur und bald war die Königstochter gesund.

Der König ließ den Schäfer zu sich kommen und sagte zu ihm: »Deine Mühe wollte ich königlich belohnen, ich wollte dir meine Tochter zur Frau geben, aber meine Söhne sind dagegen und ein Prinz hat um sie gefreit. Ich will aber doch mein Wort halten, drum höre, was ich mir für einen Vorschlag ausgedacht habe. Heute Nacht muß meine Tochter, der Prinz und du in einem Zimmer beieinander schlafen, es werden drei Betten nebeneinander gestellt in der Mitte liegt meine Tochter rechts und links ihr beiden Männer. Wenn ihr alle drei im Zimmer seid und in den Betten liegt, schließe ich das Zimmer zu und morgen früh komme ich mit einigen Zeugen; auf welchen von euch beiden meine Tochter das Gesicht zuwendet, der kriegt sie zur Frau.« Dem Schäfer kroch das Ding in die Nase und alleweil schakerierte ihn die Geschichte; denn eine Königstochter kann man nicht alle Tage haben.

Er simelierte hin und her; doch kam ihm kein gescheiter Gedanke. Drum dachte er sich, a was, kriegst es niet, nach kriegstes halt niet, is a niet alles verlorn. Der Schäfer ging den ganzen Tag in der Stadt herum; endlich kam er an einen Konditorladen und, da er solches Zeug noch nie gesehen hatte, so kaufte er sich davon. Weil er aber solche Sachen nicht gewohnt war, hatte er bald satt daran und steckte das übrige in die Tasche. Abends stellte er sich zur rechten Zeit ein und als die Königstochter einige Zeit im Bette lag und schlief, mußten auch die beiden Nebenbuhler zubette gehen, worauf der König die Tür von außen zuschloß.

Der Prinz war bald eingeschlafen; dem Schäfer wollte aber lange kein Schlaf kommen, da ihm die Sache doch alleweil schakerierte (zu denken gab). Endlich war er doch eingeschlafen. Doch hatte er noch nicht lange geschlafen, als er ein Stöhnen und Jammern hörte. Das Jammern wurde immer kläglicher und auf einmal tat es einen Kracher (Kunstpause) und der Prinz hatte ins Bett ge ... Dem Schäfer wurde der Geruch lästig, er erinnerte sich wieder auf sein Zuckerzeug und fing davon zu essen. Ueber diese Gaudi war auch die Königstochter [35] wach geworden und, da von dem einen Bette her ein böser Geruch kam, so drehte sie sich auf die andere Seite, wo von dem Schäfer seinem Zuckerzeug ein besserer Geruch herkam. Endlich waren alle drei wieder eingeschlafen. Als der König von außen aufschloß und mit seinen Zeugen vor der Tür stand, ließ sich an der Sache nichts mehr ändern und der Schäfer bekam die Königstochter zur Frau. Er wurde ein angesehener Mann; aber das Kurieren hat er nicht aufgegeben und vielen Leuten, Reich und Arm, hat er geholfen. Seiner Frau hat er später gestanden, daß er dem Prinzen eine Laxier heimlich unter das Abendessen getan habe. Seine Frau soll aber nicht mehr böse darüber gewesen sein, da beide sehr glücklich miteinander lebten und sehr alt wurden. Der Prinz hat sich wenig gegrämt, da er eine reichere Frau bekam. Aber am königlichen Hofe, wo ihm das Malär passiert ist, hat er sich nie wieder sehen lassen.

Herkunft wie bei Ziff. 9.

24. Des Königs Schatzkammer.

(Unterfranken: Rhöngebirg.)


Es war einmal ein armer Vater, der hatte ein Häufle Kinder und dazu seine liebe Not, doch waren alle, Alt und Jung, stets lustig und fidel, wenn es ihnen auch manchesmal schlecht ging.

Eines Tages sagte der Vater zu seinem ältesten Sohne: »Hans, du bist jetzt alt genug, gesund und kräftig biste auch und einen hellen Kopf haste auch, also kann dirs nicht gefähl. Du mußt jetzt neus in die Welt, da kannste dein Glück gemach.« Hans besann sich nicht lange, packte sein Bündel, welches federleicht war, zusammen und ging fort in die Welt. Er sah selbst ein, daß er seinem Vater nicht länger mehr am Tischkasten hocken durfte. Dem Hans ging es nicht schlecht. Da er fleißig und tüchtig war, bekam er leicht überall einen Dienst. Aber nirgends hielt er es lange aus; hatte er etwas Geld beisammen, so war er allemal eines schönen Tages verschwunden, er wollte weit umeinanderkommen und die Welt sehen.

Einst war Hans wieder von einem Dienstherrn ausgeschlitzt und wanderte der Hauptstadt zu. Er wollte auch das Leben in einer großen Stadt kennen lernen; er hatte schon viel davon gehört und war in seinem Leben (»zelattig«) noch nie in eine große Stadt gekommen. Als nun Hans zur Stadt hineinging und ein lustiges Stücklein pfiff, schaute ein Mann zum Fenster heraus. Diesem gefiel der Hans und er rief vom Fenster aus dem Hans zu, er möge zu ihm ins Haus kommen. Hans ließ sich dies nicht zweimal sagen und ging in das Haus und fragte, was man von ihm wolle. »Du bist ein lustiger Patron«, sagte der Mann, »sag, wo kommst du her, wo willst du hin und was hast du vor?« Hans erzählte, wie es ihm seither ergangen, jetzt wolle er sich um einen Dienst in der Stadt umsehen. »Du bist mein Mann und der richtige Kerl, den ich brauche. Paß auf, was ich dir sage: ›Ich habe einen Sohn, einen [36] ganz blöden Kerl, der kein bißchen Leben hat, den richt mir her und mach einen lustigen Kerl daraus; geh fort mit ihm hinaus in die Welt, Geld brauchst du nicht zu sparen.‹« Hans hüpfte vor Freude wie ein Distelfink; so etwas hätte er sich nie träumen lassen.

Hans ging gleich ans Werk, kaufte sich neue Kleider und alles, was er noch zum Reisen nötig hatte, füllte seinen Ledergurt mit lauter Dukaten und hoppediheh dahin gings in die Welt hinaus. Nach einem halben Jahre kam Hans und sein Begleiter wieder in die Stadt zurück, sein Geld war all. Hans hatte als braver Junge natürlich auch an seine Eltern gedacht und denselben von dem Gelde zukommen lassen.

Nachdem Hans sich wieder eine Zeit lang in der Stadt aufgehalten hatte, füllte der Alte wieder den beiden ihre Geldgurte und wieder ging es in die Welt hinaus.

So ging das Ding einige Jahre fort. Hans war jetzt ein ganz ausgewichster Kerl geworden; denn er hatte viel gesehen und viel gelernt; auch sein Begleiter, der Sohn seines Herrn, war jetzt ein aufgeräumter und tüchtiger Bursche, woran der Alte seine Hexenfreude hatte.

Als die beiden wieder einmal heim kamen, fanden sie, daß der Alte recht schlecht (krank) war. Eines Tages ließ er Hans an sein Bett kommen und sprach zu ihm: »Hans ich habe dich gern, so gern wie meinen eigenen Sohn, und weil du ein heller Kopf bist, so will ich dir ein Geheimnis sagen. In der hintern Kammer sind zwei Stubendielen; wenn du drauf klopfst, so gibt es einen hohlen Ton. Diese Dielen hebe in die Höhe und du siehst eine Treppe, diese gehst du nunter und in dem Gang, wo du dann kommst, gehst du fort so lange, bis du wieder an eine Treppe kommst. Diese gehst du nauf und dort findest du einen kleinen, runden Knopf. Du mußt natürlich ein Licht haben, sonst findest du ihn nicht. Auf diesen Knopf drückst drauf und dann gehts ein paarmal mit dir rund herum und du stehst in König seiner Schatzkammer. Da hastn Schlüssel, der schließt das Wandschränklein in der hinteren Kammer, in dem sind die Schlüssel zu den Geldkästen. Geh' aber nicht so oft hintereinander hin und hole Geld, sonst spannt mans. Meim Lurz (Lorenz) habe ich die Geschichte nicht anvertrauen mögen, weil ich denke, daß er zu ungeschickt ist und derwischt wird.«

Der Alte wurde immer schlechter (kränker) und starb bald. Er war noch nicht lange in der Erde, als die beiden wieder Geld brauchten. Hans tat, was ihm der Alte gesagt hatte, und fand alles so, wie es ihm der Alte gesagt hatte. Nun ging es ihm in seinem Leben nicht mehr schlecht, dachte er; aber die Sache kriegte bald einen Haken. Hans hatte die Mahnung des Alten nicht befolgt und war zu gehändig hingegangen. Das hatte der Schatzmeister gemerkt und dem König erzählt, daß immer Geld wegkäme; er wüßte nicht, wie das Ding zugehe, die Schatzkammer würde doch alle Abend gut von ihm zugeschlossen.

Der König ließ alle gescheiten Leute an seinem Hof zu sich kommen und erzählte ihnen die Geschichte. Nun wurde ein langer Schwaz gehalten [37] und hin und her dischkeriert. Endlich sagte ein gescheiter Mann, es wär am gescheitsten, wenn man an jeden Geldkasten eine Falle hinmachte. Wenn der Dieb den Kasten aufgemacht hat, schnappt die Falle zu und er stecke mit seinen Händen in der Falle wie ein Marder. An die Falle macht man eine Schnur und die Schnur bindet man außen an eine Schelle. Sowie die Falle zuschnappt, zieht die Schnur an und die Schelle geht. Wenn man die Schelle hört, geht man in die Schatzkammer und hat dann den gefangenen Dieb. Alle fanden den Rat gut und der König ließ gleich die Fallen anbringen.

Hans und Lurz brauchten bald wieder Geld. Deshalb sprach Hans zum Lurz: »Mir brauche wieder Geld, heute abends mußt du mitgehen, daß mir uns eins holen.« Als es schon Nacht war, machten sich die beiden auf den Weg. »Heute abends mußt du in die Schatzkammer«, sagte Hans, »ich war schon einigemal dort, nun mußt du auch mal hin, damit du den Weg kennen lernst.« Dem Hans hatten schon lange die Hasen gedroschen und es war ihm gar nicht mehr recht extere, weil er doch immer fürchtete, einmal erwischt zu werden. Deshalb schickte er diesmal den Lurz voraus. Hans hatte seine feine Nase nicht umsonst gehabt; denn, sobald Lurz einen Geldkasten aufgeschossen hatte und Geld rausnehmen wollte, schnappte die Falle zu und seine Hand steckte drinnen. Hans hatte die Sache kaum erblickt, so sprang er herbei, hielt mit der einen Hand dem Lurz den Mund zu und mit der andern zog er ihm die Hand aus der Falle heraus, wobei die Hand bös verschammeriert wurde.

Als Hans die Hand heraus hatte, steckte er sie dem Lurz in die Tasche, daß es keine Blutspuren gab, und flugs gings auf die geheime Tür zu. Kaum hatte sie sich ein paarmal im kringelrum gedreht und die beiden gerade draußen auf der Treppe waren, hörte Hans die Schatzkammer aufsperren und Leute hineingehen. Hans hielt sich nicht lange auf, sondern ging so hurtig er konnte mit dem Lurz, den er aufgehokt hatte, heim.

Früh kamen in alle Häuser schon Soldaten und Gerichtsherrn und visitierten jedem seine Hände. Aber der Hans hatte den Lurz im geheimen Gang versteckelt und als die Gerichtsherrn nach ihm fragten, sagte Hans, er sei fort in die Welt. Mittags kam ein Reiter durch die Straßen der Stadt und machte bekannt, daß der König heute abends einen Ball gebe, wozu alle Leute erscheinen müßten. Hans ging natürlich auch hin und war lustig und fidel. Im Saale waren Dukaten auf den Boden gelegt worden und eine Menge heimlicher Aufpasser waren mitten unter den Leuten. Wer sich bückte und Geld aufhob, den sollten sie festnehmen, das war der Spitzbub. Die Leute hatten alle schon von dem Diebstahl in der Schatzkammer gehört; drum hütete sich jedes, Geld aufzuheben. Dem Hans aber stachen die schönen Geldstücke in die Augen und er simelierte, wie er sie kriegen könne, ohne sich bücken zu müssen; denn Hans hatte auch bald die Geschichte gespannt. Es dauerte nicht lange, so hatte Hans die Geschichte aussimeliert. Er verschaffte sich Schusterpech und schmierte es an seine Schuhsohlen, dann ging er wieder in den Saal. [38] Richtig merkte er, daß sich die Geldstücke anpappten, und als seine Schuhe voll waren, ging er hinaus und pflöckelte sie herunter und hob sie an einem sicheren Orte auf, wo er sie später holen wollte. So ging das Ding fort und auf einmal waren die Goldstücke hin, ohne daß die Aufpasser gesehen hätten, daß sich jemand gebückt hätte darum. Der König und seine Räte waren sprachlos vor Staunen. Nun hielt man wieder einen Schwaz, wie man den Spitzbuben fangen könnte. Es wurde beschlossen, daß alle Anwesende im Saale übernachten müssen. Heimlich und ohne, daß die Leute etwas davon merkten, mußte das schönste Mädchen im Saale bleiben. Ist der Spitzbube dabei, sagte ein gescheiter Mann, so hat er es bald heraus und das Mädchen muß schwarze Hände kriegen, damit sie den Spitzbuben zeichnen kann, wenn er zu ihr will. Dieser Rat wurde ausgeführt und richtig hatte Hans bald herausgespürt, daß ein Mädchen im Saal sei. Er wollte einmal sehen, wer das Mädchen sei, und als er sich bückte, um genau hinzusehen, war es ihm, als streiche sie leise über sein Gesicht. Hans ging zu einem im Saale hängenden Spiegel, auf welchen das Mondlicht fiel, und sah richtig, daß er schwarz im Gesichte war. Wart, dachte Hans, so leicht fängt man mich nicht; mit List fängt man Vögel, mit Speck Mäuse, aber beim Hans müßt ihr heller sein. Hans wischte von der Schwärze herunter und strich einige andere, welche gut schliefen, damit an und dann putzte er sich ab und legte sich wieder nieder. In der Frühe gabs einen Mordsspektakel. Man glaubte, man hätte den Spitzbub und nun war es wieder nichts. Der König sprach nun: »Wenn der Schlingel da ist, so melde er sich freiwillig, es soll ihm gar nichts geschehen, so wahr ich der König bin.« Dem Hans druschen doch die Hasen, doch meldete er sich. »Du bist ein geriebener und abgewichster Schlingel«, sprach der König; »wie ich es versprochen habe, so soll es sein. Ich will dich nicht strafen, nein, ich nehme dich in meinen Dienst, denn einen solchen durchtriebenen Kerl kann ich brauchen.« Hans kam zum König und wurde ein großer Herr und Spitzbuben hatte der König bald keine mehr in seinem Lande. Hans fing sie alle zusammen. Für seine Eltern, Geschwister und den Lurz sorgte Hans, daß es ihnen nicht schlecht ging.

Seit der Zeit aber, wo diese Geschichte passiert ist, sagt man in der Rhön: Wer Spitzbuben fangen will, muß selbst einer gewesen sein.

Herkunft wie Ziff. 9. (Ziff. 22, 23, 24 in der urschriftlichen Form.)

25. Der Schneider und der Jude.

(Mittelfranken: Rothenburg o. Tbr.)


Da 1 war amal a Schneider und der hat si an Stoff kafn wolln. Etz is er zu an Judn ganga und hat sei Geld untern Hut nunter tu. Etz wo er dann drin war, hat er sein Hut gschittelt und sei Geld runter tu. Etz hat der Jud gemeint, des wär a Zauberhut und hatn 100000 Mark geem. Etz is der Jud her und hat was kafn wolln. Dann hat er sein [39] Hut gschittelt und hats Geld runter to wolln. Etz war kans druntn. Etz is er zum Schneider ganga und hats gsocht und hat sei 100000 Mark verlangt. Etz hat sie (des Schneiders Frau) gsocht, er wär gstorm, er soll afs Bett haua. Etz is der aufgfahrn. Etz hat der (Jude) gmant, er wär tot gwesn, und war doch lebendi und hatn fürn Steckn a wieder 100000 Mark geem. Etz is in Land die Königin gstorm und, wer die aufgweckt hätt, der hätt recht viel Geld kriecht. Etz hat der (Jude) gsocht, er könnts aufweckn. Etz is er her und is zum König in des Zimmer, wo die gleng war, und hat die recht aufm Bauch naufghaut. Etz is die net aufgwacht. Etz is er eigsperrt worn. Etz, wo er widder raus derft hat, is er zum Schneider ganga und dann sie gsocht, er is dromma in am Faß und er soll nauf, dann lernt ers Singa. Dann is er naufganga und dann hat der Schneider gsocht, er soll sei Zunga reistreckn. Dann hat ers neigsteckt. Dann hats der Schneider abgschnittn. Na hat er gsunga: Gl, gl.


Erzählt von Maria Stolz in Rothenburg o. Tbr.; dieser nacherzählt von Gretl Großmüller; aufgezeichnet durch Fritz Hohmann, 1913. (Möglichst getreue ursprüngliche Erzählweise.)

Fußnoten

1 Dunkles a, dem o ähnlich.

26. Die Frau und der Mann vom Galgen 1.

(Mittelfranken: Rothenburg o. Tbr. und Ansbach.)


Es war amal a Frau, die war krank und etz hat dr Mo a greicherts Fleisch holn müssn. Etz hats kans gebn. Etz is er af an Berg nauf. Da war a aufghenkter Mo dran. Dem hat er die Rippen rausgschnittn. Dann is er hamganga, dann is kocht worn, dann hats seiner Frau recht gschmeckt. Etz nachts is der Aufghenkta kumma und der hat immer gsocht: »O weh, mei Rippm, o weh, mei Rippm.« Dann hom sie si recht gfürcht. Etz hat die Fra zum Mo gsocht: »Geh naus.« Etz hat si der nit traut. Etz hat dr Mo gsocht, die Fra soll naus. Etz is die Fra nausganga. Etz hat der Tot gsocht: »Du hast's gfressn!«


Aufgezeichnet von Fritz Hohmann; erzählt wie vorher.

Fußnoten

1 Vgl. Grimm (in Reklam) Bd. 3, S. 279, 1, in der großen Ausgabe Bd. 3, S. 267. (Fr. H.)

Fr. H. hörte dieses Schreckmärchen schon vor 12-13 Jahren in Ansbach in der Neustadt.

27. Das Mädchen und das Gespenst.

(Mittelfranken: Rothenburg o. Tbr.)


Da war amal a Mädla, dem sei Mudder war gstorm und die hat immer durchn Kirchhof gmußt, wenns von der Schul hamganga is. Dann is a widder amal durch. Etz is er a Gspenst dergengn ganga. Das hat zu era gsocht: »Wenns sies ihr m Vadder socht, daß er ihr begengnt is, dann erscheint er heit nacht.« (Bei dieser Stelle fragte des Kind den Aufschreiber: »Wie heißen denn Sie?« »Fritz«) »Fritz, i steh vor deiner Stubetür, Fritz, i hob di scho!«


Aufgezeichnet und erzählt wie vorher.

[40] 28. Der dumme Bauer 1.

(Mittelfranken: Rothenburg o. Tbr.)


Da war amal a Bauer. Der hat si an Gaul kaufn wolln. Etz hats kan mehr ge(b)m. Etz is er zu an Juda ganga. Der hatn an Kürbis gebm und hat gsocht, er soll nen afm Berg ausbrütn (ü wie i). Etz is sei ... kalt worn. Etz is er aufgstandn und hatn Kürbis nunterkollern lassn. Etz is er an an Baam higstoßn und da is der Kürbis ausenandergfalln. Und a Has war in den Eck drin bei dem Baam. Etz is der Has dervogsprunga. Etz hat der Bauer gmaant, es wär sei Gaul, und hat gschria: »Hi, Ha, Heingerla, da is dei Dadi!«


Aufgezeichnet und erzählt wie vorher.

Fußnoten

1 Vgl. dazu: Bolte und Bolioka, die Anmerkungen zu Grimms Kinder- und Hausmärchen Nr. 32. – Köhler, Kl. Schriften 1, 323. (Fr. H.)

29. Der Kraxelmann 1.

(Mittelfranken: Nürnberg.)


Wenn die Kinder sich zum Fenster hinausbeugen, trotz der Warnung der Mutter, kommt er (nämlich der Kraxelmann) mit einer langen Stange, die in jedes Stockwerk hinaufreicht, und im Nu hat er die ungezogenen Kinder heruntergeschlagen. Unten aber steht ein Korb, in den die Kinder hineinfallen. Dann läuft er mit den schreienden Kindern davon in einen finstern Wald. In dem hat er seine Hütte, dort wohnt auch seine Frau. Die Kinder werden nun geschlachtet und gegessen. Wenn dann der Kraxelmann an einem Tage recht viele erwischt, werden die übrigen in einen mit greulichem Getier gefüllten Sumpf geworfen.


Eingesandt durch A. Kreiselmeyer in Steinach, 1908. (Urschrift.)

Fußnoten

1 Kraxel, bei Würzburg die Kräze oder Kötze, ein Korb, der zum Tragen auf dem Rücken eingerichtet ist.

Das Schloß im Wald.

(Oberfranken: Ebersbach b. Neunkirchen a. Br., B.-A. Forchheim.)


Es war einmal ein Müller, der hatte drei Töchter, die mußten ihm die Kühe auf der Weide hüten der Reihe nach, am ersten Tag die älteste, dann die zweite, am dritten die jüngste. Es war aber gerade um die Zeit ein dürrer Sommer und die Tiere fanden kein Gras. Da trug sichs zu, daß plötzlich eine schwarze Kuh aus der Herde entwich. Die älteste Tochter aber merkte es und ging ihr nach, tief, tief in den Wald hinein. Der Weg wurde immer schmäler, bald umgab sie dichtes Gebüsch und so kam am Abend das Mädchen schließlich an ein Gartentor, hinter dem ein hellerleuchtetes Schlößchen hervorschimmerte. Draußen auf dem Rasen tat sich die Kuh gütlich, indes die Hirtin voll Neugierde eintrat und die Bodenstiege hinaufeilte. Es waren lauter feine Stuben. In einer derselben war ein Tisch gut gedeckt mit den allerfeinsten Speisen und Weinen. Das ließ sie aber alles stehen und sah sich noch weiter um. Schließlich fiel ihr auch im Zimmer auf, daß darinnen drei feine aufgerichtete Betten standen. Da mußte sie an ihr schlechtes eigenes Lager zuhaus denken und kurz entschlossen nahm sie das fremde auf ihre Schultern. Wie zufällig sah sie durchs Fenster, da merkte sie, daß es höchste Zeit sei, aus dem wunderbaren Hause zu gehen, denn eben marschierte die Kuh satt zum Tore hinaus. Sie lief ihr nach und gelangte, ihr immer folgend, wieder glücklich heim.

Das schöne Bett erregte den stillen Neid der anderen Schwestern, die des gleichen Glücks teilhaftig werden wollten. Als nun die zweite Tochter an die Reihe kam und die Kuh abermals entlief, ging auch diese dem Tiere nach und fand das gleiche vor. Wo das alte Bett gewesen, stand ein neues. Da eilte sie wieder mit der Kuh nachhause und kam glücklich mit ihrem Bett daheim an.

Nun ließ sich aber das jüngste Mädchen auch nicht mehr halten. Es war erst sechzehn Jahre alt, der Vater hatte es besonders lieb und wollte es nicht fortlassen. Der Müller fürchtete für seine Jüngste, nachdem die beiden anderen glücklich zurückgekehrt waren. Er versprach ein gleich schönes Bett zu kaufen und ihr zu schenken. Aber sie war nicht [42] zu überreden: »Ihr habt schon oft so gesagt«, sprach sie und entlief. Der Kuh nach, kam auch die dritte aus Schloß und ließ sich's drinnen gut schmecken. Lange saß sie am Tisch, dann suchte sie das neue Bett. Sie huckelte es auf und sah hinaus zum Fenster. Doch sie mußte sich wohl verspätet haben: die Kuh war weit und breit nicht mehr zu erblicken.

Was nun tun? Allein konnte sie den weiten Weg durch den finstern (finstern dunklen) Wald nicht finden. So trug sie denn gefaßt das Bett wieder an den alten Ort und legte sich in Gottes Namen in dasselbe hinein. Als sie hörte, daß es zum Gebet läute, sprach sie andächtig ihr Gebet dazu. Dann lag sie lange ohne einschlafen zu können.

Mit einem Male öffnete sich die Tür. Ein Totenkopf sprang herein, der aß und trank von den Speisen und hüpfte zum Schlusse zum Mädchen ins Bett. Voller Schreck drückte es sich an die Wände. (»Da täten wir uns auch fürchten und so a jungs Madla – ka ma sich denken!«) Schließlich aber wandelte sich der garstige Schädel bei ihr in einen jungen Menschen. Der war nicht übel anzusehen, sah ganz gesund aus und hatte frische, rote Wangen. Er erzählte ihr, er sei ein Räuberhauptmann und mit ihm wohnten noch vierzig Gesellen in dem Schlosse, das seien seine Leute.

Bald war das Mädchen eingesperrt und lag gefangen hinter sieben verschlossenen Türen, an deren jede ein Schloß vorgehängt wurde. Da weinte das arme Ding in seinem Elend den ganzen Tag vor sich hin. Doch die alte Frau, die der Gefangenen immer die Suppe zu bringen hatte, faßte Mitleid mit ihr und versprach ihr, sie fortzulassen; aber nicht auf dem gewöhnlichen Wege solle sie gehen, sonst sei es um sie beide geschehen.

Schleunig entfloh das Mädchen und erreichte im Walde einen Heuwagen. Es bat inständig den Bauern, der den Wagen führte, es doch im Heu zu bergen. Aber der war nicht gewillt, sich der Gefahr auszusetzen: »Nein, wenn dann die Räuber kommen, laden sie mir mein ganzes Heu ab und dann wird's zu spät, um noch in die Stadt zu kommen!« Voller Angst lief die Entflohene tiefer in den Wald, wo sie einen Backtroghändler mit seinem Wagen traf. Der ließ sie nun unter den untersten Backtrog kriechen. Kaum war dies aber in Ordnung gebracht, da kamen auch schon die Räuber daher, die schon lange auf der Suche nach dem Flüchtling waren. Der Mann aber antwortete keck auf ihre Fragen. Er habe nichts gesehen, obgleich er schon so lange durch den Wald fahre. Da griffen die Gesellen zu und begannen Trog für Trog abzuladen. Wie sie nun halb fertig waren, rief einer, dem's zu lang dauerte, ungeduldig aus: »Laßt doch lieber den armen Mann weiterfahren, sonst hat er die viele Arbeit nur, bis er alles wieder hübsch oben hat!« Das ließen auch die anderen gelten und halfen sogar dem Mann beim Wiederaufladen. Der aber fuhr dann im Galopp davon und hielt erst bei jener Mühle, die dem Vater des Mädchens zu eigen war.

Er rief nun den Müller herbei und bot ihm seine Waren an. Die Müllersleute aber waren untröstlich über das Ausbleiben des Mädchens, darum auch wenig geneigt, ihm abzukaufen. Dann aber ließen sich jene [43] doch herbei, sich die Sachen anzusehen und der Händler setzte bedächtig einen Trog nach dem andern zu Boden und schmunzelnd auch noch den letzten. Schließlich stand das Mädchen da, frisch und gesund. Was das für eine große Freude auf beiden Seiten war, kann man sich denken. Auch der Händler fuhr vergnügt davon, der unterste Backtrog war ihm gar gut bezahlt worden.

Allein die Räuber gaben sich damit nicht zufrieden. An einem Sonntag Morgen, wo die anderen in die Kirche waren und die Jüngste allein zuhause war und die Suppe bereitete, kam der Hauptmann allein und suchte die verschlossene Türe zu erbrechen. Kurz entschlossen griff sie zu einer Hacke und hieb damit dem Andringenden so wuchtig über den Kopf, daß er in seinem Schmerz entfloh.

Nach einiger Zeit kam er aber wieder. Er war prächtig gekleidet als ein Fürst und hielt beim Müller um die Hand seiner schönen Tochter an. Den Vater, der ihn nicht kannte, bestach das schöne Gewand, so daß er zusagte, doch wolle er auch das Mädchen selbst noch fragen. Das war indes kaum zur Tür hereingetreten, als sie im Gesichte des jungen Mannes die Schramme erblickte, die der Hieb, den sie ihm neulich beigebracht, hinterlassen. So wiedererkannt, mußte er schnell wieder fort, daß ihn nicht die Rache des Müllers und seiner Leute ereilte.

Da er allein nichts ausrichtete, kam der Hauptmann mit den vierzig Räubern zugleich vor die Mühle. Es war wieder ein Sonntag früh und das Mädchen allein zuhause. Sie suchten nun alle Türen zu sprengen. Von der Küche führte aber ein gedeckter Gang zum Stall. Dorthin eilte das Mädchen, raffte schleunig Stroh zusammen, band es überm Knie, zündete es an und steckte den Stall in Brand. Noch ehe die Räuber hierher kamen, wurde die Flamme gesehen. Der Pfarrer machte die Kirche eher aus. Alles eilte herzu. Die Räuber wurden gefangen und dann hingerichtet.

Nun war alles froh, von den schlimmen Gesellen erlöst zu sein. Am meisten freuten sich aber doch die Müllersleute. Und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie heute noch!

Die Märchen-Erzählung erzählte ein Mann aus Ebersbach b. Neukirchen a. Br. in Erlangen 1898. Nach seiner Aussage stammt sie aus Muggendorf (O.-Fr.). Aufgeschrieben und mitgeteilt durch Herrn Dr. Heerwagen, Bibliothekar am Germanischen Museum in Nürnberg. Von der Erzählung wurde »nichts hinzugesetzt und nichts davon weggelassen;« gleichzeitige Aufschreibung. (Urschrift.)

Karl Spiegel
Märchen aus Bayern

[44] Nachwort.

Der Verein für bayerische Volkskunde und Mundartforschung übergibt hiermit die im Laufe der Jahre seinen Sammlungen zugegangenen Märchen der Oeffentlichkeit. Daß diese Herausgabe aber nicht für das Unterhaltungsbedürfnis berechnet und bestimmt ist, sondern ausschließlich für die Zwecke der Märchenforschung, braucht kaum begründet zu werden. Wir haben in diesen Beiträgen unserer Vereinsmitglieder echte Märchen vor uns, wie sie noch in den letzten Jahrzehnten im Volke erzählt wurden. Ableitung oder Herübernahme aus der Märchenliteratur ist kaum anzunehmen, höchstens besteht für Nr. 12 die Möglichkeit der Entlehnung. Unsere Einsender haben zum größten Teil die ursprüngliche Ausdrucksweise des Erzählers auch im hochdeutschen Sprachgewande beizubehalten gesucht, wenn auch die Erzählung aus der zusammengesetzten Vergangenheitsform in die einfache übertragen wurde. Die vom Verein vorgenommenen Stilisierungen beschränken sich bei den hochdeutsch geschriebenen Einsendungen auf die Richtigstellung von Wortfolgen, auf den Ersatz mancher Fürwörter durch Namen oder durch einfache Formen. Hinsichtlich des Aufschreibens der Märchen nach der mundartlichen Erzählung wäre zu sagen, daß nur jemand das tadellos besorgen kann, für den die betreffende Mundart die Muttersprache ist. Nicht in zwei, nicht in drei Jahren, auch noch nicht in zehn, lernt man eine Mundart so beherrschen, daß Aufschreibungen von größeren Erzählungen in ihr zugleich sicher führende Zeugnisse für diese Mundart sind. Ich habe darum für meinen Teil beim Mitschreiben der Erzählung die Mundart gleich ins Schriftdeutsche übertragen und zwar ohne Aenderung der Zeitform, die erst später vorgenommen wurde. Die Beibehaltung der ursprünglichen Darstellung nach Satzsinn und Wortdeutung ist mithin durchweg gewahrt worden.

Möge unsere bescheidene Vereinsgabe für das Gebäude der Märchenforschung wenigstens einige brauchbare Bausteine herbeigeschafft haben.


Würzburg, 30. November 1914.


K. Spiegel. [45]


Notizen
Erstdruck: Würzburg (Selbstverlag des Vereins für bayerische Volkskunde und Mundartforschung) 1914.
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Spiegel, Karl. Märchen aus Bayern. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-13CB-C