[171] 403.

Die Schlangen, Slangen, Snaken, Addern, saterl. Näder. Wenn Schlangen und Eidechsen getötet werden, so sterben sie erst mit Sonnenuntergang; und würden sie auch in tausend Stücke zerschlagen, so lebt doch, bis die Sonne untergeht, ein jedes Stück. Wenn eine Schlange in Not ist, so pfeift sie, und alsbald kommen alle Schlangen der ganzen Umgegend zu Hilfe. Die Schlangen haben Könige, welche goldene Kronen tragen. Mitunter finden sich Schlangen in dem Leibe von Menschen und Tieren, einzeln von Hexen hineingezaubert: 220v. Wenn jemand große Angst und dabei Übelkeit hat, so sagt man im Saterlande, daß der Herzwurm ihn bepisse. Die Schlangen sind nützliche Tiere, denn sie verzehren alles Giftige (Saterld.) Der abgeschnittene Kopf einer Schlange, namentlich die Zunge (Angel, saterl. Ange), ist ein Schutzmittel gegen allerlei Unheil: 73. Eine Schlangenhaut legt man auf gichtkranke Glieder. Um gut zu treffen, schießt man eine Blindschleiche aus dem Gewehr: 135. Gegen Schlangen und Schlangenbiß wendet man Eschen und Eschenlaub an: 112. Einmal erscheint, vermutlich nach der Bibel, der Teufel als Schlange: 205g. Eine feurige Schlange als böses Vorzeichen: 508i. Die Schlange heißt in einem Rätsel Krup doern Tun: 371c.

a.

Eine Mitteilung aus dem Ammerlande sagt: Schlangen gibt es dreierlei, die schwarzgraue Schnake, die bunte Adder, die sich aufwindet und mehrere Schritte fortschnellt, und die Kreuzschlange. Der Biß der Adder ist immer schon gefährlich, der Biß der Kreuzschlange tötlich. Alle diese Schlangen sind nur klein. Es gibt aber auch große Schlangen, welche über die andern Schlangen herrschen und deshalb Schlangen-oder Schnakenkönige heißen. Ein solcher ist wohl 10-18 Fuß lang und hat die Dicke eines Beines. Auf dem Kopfe trägt er eine diamantene Krone. Seine Haut ist so dick, daß Flintenkugeln davon abprallen. Kommt der Schlangenkönig in Gefahr, so pfeift er, und augenblicklich kommen alle Schlangen herbei und verfolgen den Angreifer, der nicht immer und dann nur mit genauer Not entkommt. Auch zu andern Zwecken versammelt der Schlangenkönig zuweilen die Schlangen um sich. Solche Schlangenkönige hat man u.a. gesehen in einem Busche zur Helle, G. Zwischenahn, und im Schippsstroth bei Bokel, G. Wiefelstede.

b.

Jemand ritt durch einen Wald und sah ein schönes Kleid mit einer schönen kleinen Krone am Wege liegen. Er [172] nahm beides mit sich, aber kaum war er einige hundert Schritt weiter, da hörte er erst einen gellenden Pfiff, und dann kamen wohl tausend Schlangen hinter ihm her und sprangen sogar auf sein Pferd und ließen nicht ab, als bis er Kleid und Krone zurückgegeben. (Saterld.)

c.

Ein Mann fand einmal im Hasbruch einen Schlangenkönig, dem nahm er seine goldene Krone. Da pfiff der König, und es erschienen viele, viele Schlangen, welche den Räuber verfolgten. Der eilte nach Hause, die Schlangen immer hinterdrein, und als er angekommen, hieß er seine Frau den Kleiderschrank öffnen, damit er sich verberge, denn er habe Böses getan. Aber die Schlangen kamen nach, umkrochen den Schrank, und durch das Schlüsselloch, und wo sie sonst eine Ritze fanden, hauchten sie ihn mit ihrem Gifte an. Als der Schrank wieder geöffnet ward, lag der Mann da, tot und greulich entstellt. (Hude.)

d.

Ein Mann war immer kränklich, und kein Arzt wußte, was ihm fehlte; er konnte nicht leben noch sterben. Einst war er mit seinem Bruder auf dem Felde, und zu Mittag legten sie sich hin zu schlafen. Der Bruder konnte aber nicht schlafen, stand auf und wanderte herum, der Kranke aber schlief, daß er schnarchte, und hielt den Mund weit offen. Da sah der Bruder, wie eine Schlange hervorgekrochen kam und in den Hals des Schlafenden kroch, daß nur der Schwanz oben heraussah. Der Bruder war in tausend Ängsten und wußte nicht, was er machen sollte, aber wie er noch unschlüssig überlegte, kam die Schlange wieder aus dem Munde des Schlafenden heraus und kroch fort. Gleich darauf wachte auch der Kranke auf. »Ach!« sagte er, »was habe ich da einen süßen Schlaf getan, und es ist mir so leicht und so wohl, wie seit Jahren nicht mehr!« Und von Stund an war er gesund wie ein Fisch im Wasser. (Saterland.)

e.

Einer fand in einer Wiese einen großen Haufen aufgewühlter Erde, und als er ihn untersuchte, bemerkte er darin eine Menge von Schlangen, wohl tausend, die sich zum Winterschlafe dort zusammengefunden hatten. Er machte ein Feuer an, kochte einen großen Kessel voll Wasser und goß es siedendheiß auf die Schlangen, die alle starben. Im nächsten Sommer aber starben alle Kühe der Umgegend. Sie hatten jetzt das Gift mit aufgefressen, das sonst der Schlangen Nahrung ist. (Saterld.)

[173] f.

Arbeiter, die viel Moorwasser trinken, schlucken mit diesem manchmal Schlangeneier hinunter. Diese werden dann im Magen ausgebrütet, und die jungen Schlangen wachsen heran und quälen den Menschen gar sehr. Sie halten sich in der Herzgrube auf und kommen zuweilen so vor den Hals, als ob sie heraus wollten. Einer wurde auch von diesem Übel geplagt und ging zu einem Allerweltsdoktor, der sagte gleich, er habe eine Schlange im Leibe, und gab ihm eine halbe Kanne Branntwein zu trinken, daß er und auch die Schlange ganz betrunken wurden, und der Mann platt auf dem Boden lag, als ob er tot wäre. Dann stellte er vor den Mund des Mannes eine Schale mit Milch. Die Schlange, die von all dem Branntwein im Magen durstig geworden war, witterte die Milch und kroch zum Halse heraus, um zu trinken. Darauf hatte der Doktor grade gewartet; er stand mit einer Zange daneben, packte die Schlange und schlug sie tot. Als der Mann seinen Rausch ausgeschlafen hatte, stand er gesund und munter wieder auf als ob ihm nichts gefehlt habe. (Saterld.)

g.

Ein Landmann klagte seinem Freunde: »Dar sünd doch so väle ole Ützen un Slangen bi usen Huse un bi de Schüne un in de Schüne, dat ick nich weet, wo dat mit all dat ole Untüg henutwill.« Der Freund antwortete: »Wenn ick di wat ra'n schall, lettst du de Dinger still gewährn. Sla ken' darvan dod, denn je mehr du dod sleist, je mehr se sick vermehren werdt. Un disse Dinger kaent di wat andohn, war du Jahr un Dag an denken kannst.« (Schönemoor.)


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 403. [Die Schlangen, Slangen, Snaken, Addern, saterl. Näder. Wenn Schlangen]. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-2657-E