504. Rastede.
a.

Nachdem Graf Huno mit seiner Gemahlin Willa und seinem Sohne Friedrich zu Rastede, wo er 1059 eine Kirche gebaut hatte, lange Jahre ein gottseliges Leben geführt hatte, begab es sich, daß der Römische Kaiser in Goslar mit allen deutschen Fürsten, Grafen und Herren einen Reichstag zu halten beschloß. Das Gebot, dorthin zu kommen, erging an alle; aber Graf Huno, welcher Gott mehr als dem Kaiser diente, war durch Gebet und andere gute Werke verhindert, dem kaiserlichen Rate beizuwohnen. Als er aber am festgesetzten Tage nicht erschien, wurde sein Ausbleiben von einigen Feinden vor dem Kaiser als Aufruhr ausgelegt. Der Kaiser, darob erzürnt, ließ Huno abermals laden mit dem Befehle, einen starken Kämpfer mitzubringen, der nach Friesen Art mit des Kaisers Kämpen stritte. Es war aber des Kaisers Kämpe ein großer starker Löwe, dem nur wenig Atzung gereicht wurde, damit keiner lebend aus den Schranken entkomme, der eines solchen Todes würdig wäre. Graf Huno machte sich mit seinem Sohne und einem großen Gefolge freudig auf den Weg, denn er zweifelte nicht, daß Gott einen Gerechten wohl prüfen, aber nach der Prüfung auch belohnen werde in dieser oder jener Welt. Als der Kaiser den Grafen sah, befahl er seinem Sohne, gegen den Löwen zu streiten. Von Schmerz ergriffen wandte sich Huno im Gebet zu Gott und flehte: wie Gott Abraham in dem Opfer seines Sohnes geprüft und des Geprüften geschont, so möge er auch seines Sohnes schonen und ihn von dem Rachen des Löwen gnädig erretten. Auch gelobte er, zu Ehren der heiligen Jungfrau ein Kloster zu errichten, wenn sein Sohn im Kampfe mit dem wilden Tiere siege. Graf Friedrich aber ging mutvoll zum Kampfe. Sinnreich hatte er ein Strohgebinde in Gestalt eines bewaffneten Mannes mitgenommen. Der Löwe ließ sich täuschen und griff das Gebinde an, worauf er von dem Grafen Friedrich hingestreckt wurde. So ging der Jüngling siegreich und ohne jegliche Verletzung aus den Schranken hervor. Mit offenen Armen umfing ihn der Kaiser, umgürtete ihn mit dem Rittergürtel und beschenkte ihn mit einem Ringe und vielen bei der Stadt Soest belegenen Reichsgütern. Auch [253] befreite er seine Grafschaft, welche bisher vom Reiche zu Lehen gegangen war, auf ewig von aller Lehnspflicht. Der heiligen Jungfrau Maria aber stifteten die Grafen, wie sie gelobt hatten, das Kloster Rastede und begabten es reichlich mit Gütern. (Älteste Rasteder Chronik bei Ehrentraut, Fries. Archiv, II, S. 248). Als Friedrich den Löwen getötet hatte, tunkte der Kaiser seinen Finger in des Löwen Blut und strich damit durch das Wappen auf Friedrichs Schild. Daher stammen im Oldenburger Wappen die roten Balken auf gelbem Felde. (Hamelmann, Chronik, S. 35.) – Huno schwankte anfangs, wohin er das Kloster bauen sollte. Daher ließ er einen Schwan (nach anderen eine Taube) fliegen, wo der sich niederlassen werde, solle das Kloster stehen. Der Schwan flog nach dem Ammerlande und schwebte eine zeitlang über dem Platze des jetzigen Dorfes Wiefelstede, im Zweifel, wie es schien, ob er sich niederlassen solle oder nicht, deshalb nannte man den Ort Twifelstede, denn so sprach man lange den Namen. Der Schwan aber flog fort und setzte sich dort, wo jetzt das Schloß Rastede steht, und weil er dort rastete, nannte man den Ort Raststätte. Hier ließ Huno denn auch das Kloster bauen. Nach anderer Überlieferung kommt der Name Rastede von roden, plattd. raden. Das Dorf sei auf einer gerodeten Waldstätte angelegt und heiße eigentlich Radestede. Eine Fläche Bauland nördlich von Rastede heißt noch jetzt Rade.

b.

Zum Bau der großen Wassermühle in Oldenburg hatten die Hausleute aus Rastede und Umgegend Holz geschenkt, und als später an der Mühle eine große Reparatur nötig wurde, gab man jenen zu verstehen, daß eine zweite Holzlieferung sehr angenehm sein werde. Die Bauern waren auch bereit, und es wurde ein Tag festgesetzt, an welchem jeder einen Baum herfahren solle. Am Morgen des Tages setzte sich der ganze Zug gleichzeitig in Bewegung; nur ein Bauer, der alte Stratje, hatte noch nicht alles in Ordnung und mußte daher allein hinterher fahren. Als er bei Wetjen Hause zu Nadorst anlangte, kamen ihm die andern schon entgegen, lachten ihn aus und sprachen: »Du wullt god wat krigen, dat du so lat kummst.« »Hebbt se denn wat seggt?« fragte Stratje. »Nä, dat nich, man se hebbt et anschräwen.« »Jü, Witte!« kommandierte Stratje, ließ die Peitsche um den Kopf gehen, wandte um und nahm seinen Baum wieder mit nach Hause. Die Oldenburger machten später aus der freiwilligen Gabe [254] eine Abgabe, die in neuester Zeit von den Pflichtigen hat abgelöst werden müssen. Nur Stratjen Haus, das nicht mit angeschrieben war, ist allezeit von der Last freigeblieben. (Ähnliche Erzählungen über Freiwerden von Pröwen- oder Zehntenlieferungen usw. gehen mehrfach im Lande).

c.

Leuchtenburg soll früher am Meere gestanden und seinen Namen von einem Leuchtturm empfangen haben. Zur Bestätigung der ehemaligen Nähe des Meeres wird angeführt, daß in dem an Leuchtenburg und Rastede belegenen Stellmoor ein Schiffsanker gefunden ist.

d.

Graf Anton Günther war ein großer Freund der Jagd und hatte namentlich viel Liebhaberei für das Hochwild. Solches hatte unter anderen Holzungen auch in den damals noch nicht eingehegten Büschen Eichenbruch und Abtsbusch einen regelmäßigen Stand, und zum Aufseher darüber war der Hausmann Middendorp bestellt. Einst hatte Middendorp die Nacht durch im Kruge gesessen und war am Morgen noch da, als er erfuhr, daß der Graf angekommen sei. Eiligst lief er aus der Seitentür, nahm seinen Weg durch den Kohl und durch nasse Gesträucher, damit es aussehe, als ob er aus den nassen Holzungen komme, und meldete sich bei dem Grafen. Dieser ließ sich täuschen und fragte, wo das Wild stehe. Kühn erwiderte er: »Auf der Hüste,« und als der Graf ihn mit dorthin nahm, fand sich das Wild wirklich vor. Der Graf war sehr erfreut, daß Middendorp so gut aufpasse, lobte ihn und hieß ihn mit nach dem Jader Vorwerk fahren. Dort besah sich der Graf seine Fettweiden, und wie er auf der besten, dem Hohenhamm, angekommen war, sagte er zu Middendorp: weil er so gut auf sein Wild passe, wolle er ihm diesen Hohenhamm schenken. Middendorp, dem auf der Wanderung viel Klei an den Füßen hangen geblieben war, wischte an den Stiefeln herum und entgegnete: »Dat is hier 'n mallen Sand, dat kann man jo nich wedder van de Föte krigen; dat mag ick nich liden.« Da behielt der Graf den Hohenhamm und schenkte Middendorp eine Summe Geldes. Middendorp war darüber sehr erfreut, aber diesmal hatte er sich selbst betrogen, denn der verschmähte Hohenhamm hatte einen viel höheren Wert. – In der Marsch hat man ein Sprichwort: 'N raren Sand, sä de Fälinger (der Westfale), do keem he in den Klei.

e.

Im Hahnerbusche heißt eine Stelle Sternbusch, weil dort mehrere Wege sich kreuzen. Auf diesen Wegen sollen um [255] Mitternacht weißgekleidete Jungfrauen wandeln. – Eine Stelle im Busche, nahe der Chaussee, heißt der Rosenbusch. – Nahe beim Gutshause ist ein mit Buchen bepflanzter Hügel, Smäbarg. Geht man um Mitternacht vorbei, so hört man öfters in dem Hügel ein Klopfen und Hämmern; das soll ein Schmied tun, den man vor Zeiten dort lebendig begraben. – Im Busche spukt ein Flämmchen: 179e. Im Mühlenteiche, nahe dem Gutshause, wohnt eine Hexe: 259, i. Am Nordende des Gutes Hahn auf der Landstraße ein spukhafter Hase: 186o.

f.

Zu Bekhausen hat ehemals nahe an der Bäke eine Burg gestanden, von welcher jüngst noch einige Pfähle und eine verfallene Graft Zeugnis ablegten. In der Burgstelle liegt ein Schatz vergraben, über welchem in der Johannisnacht ein Licht brennt, das sich oben zu einem Streifen verbreitert. Einige sagen, es liege dort ein Beil vergraben, und wer es finde, der werde großes Glück haben. – In den Bekhauser Büschen hat sich früher ein klapperndes klagendes Gespenst hören lassen.

g.

Als Graf Otto von Oldenburg in den Osenbergen aus den Händen einer zauberischen Jungfrau das Wunderhorn empfangen hatte und von Grauen erfaßt sich zur Flucht wandte, (257e), reichte er dem Stallmeister, der sich allein von allen Begleitern zu ihm gefunden, das Horn hin mit den Worten: »Barg't Hoorn!« Der Stallmeister erhielt von diesen Worten den Namen Barghorn und übertrug denselben, als ihm der Graf ein Gut bei dem Dorfe Loy schenkte, auf das neue Besitztum, das noch Barghorn heißt bis auf den heutigen Tag.


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 504. Rastede. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-294F-A