77.

Aus Golzwarden wird 1609 berichtet, »daß ein Segensprecher in der Gemeinde reise.« In Zetel befassen sich 1611 zwei Bademütter mit Segnen. In Bardenfleth sind 1655 und in Schwei 1655 und 1662 Segensprecher. (Schauenburg, Hundert Jahre Oldbg. Kirchengeschichte, IV., 123, 124). Aus Langförden berichtet 1669 der Pastor: »Es gibt manche, welche sich unterstehen, gewisse Gebrechen an Menschen und Vieh zu kurieren, indem sie über dieselben das Kreuzzeichen machen und dabei gewisse geheime mißvolle Worte aussprechen.« (Willoh, Gesch. der kath. Pfarreien Oldenburgs, II. 67). – Die Gesundbeter, welche man bislang im Münsterlande antraf, hatten ihre Kunst durchweg in Holland erlernt, waren also sogenannte Hollandsgänger. Das Segnen gilt vorzugsweise Krankheiten von Menschen und Vieh, aber auch den Feuersbrünsten.

a.

Ein Säugling, der anfänglich ganz wohl gewesen war, weigerte sich, die Brust anzunehmen. Nachdem alle Mittel vergeblich versucht waren, beredete man den Vater, für das Kind, dem es »angetan« sei, Hülfe in Bremen zu suchen. Nur [71] sehr ungern entschloß sich der Mann zu diesem Gange, da er durchaus an keine Hexerei glaubte. In Bremen angekommen, wanderte er mißmutig durch die Stadt. Unbekannt an dem Orte, kaum wissend, nach welcher Straße und nach welcher Person er fragen sollte, unzufrieden mit sich selbst, dachte er gerade, wenn es eine Sünde sei, an Hexen zu glauben, so möge der liebe Gott es ihm vergeben, daß er heute gegen sie Hülfe suche. Da öffnete sich ein Fenster, und eine Stimme rief: »He, hier mot he jo wäsen!« »Wat hett de dar to ropen?« dachte er und ging weiter. Aber die Stimme, die von einer Frau kam, rief dringender: »He! lütje Mann! he mot jo hüte bi mi wäsen, sine Fro hett jo'n Kind, dat de Brust nich anfaten will.« Da sah er denn wohl, daß er hier bei der rechten Person sei, ging hinein und fand auch Hülfe. (Stedgn.).

b.

Einem Mann zu Warfleth ward eine Kuh im Sommer auf der Weide krank; sie fraß seit einigen Tagen nicht mehr, verdrehte die Augen im Kopfe, streckte liegend die Klauen krampfhaft nach hinten und gab keine Milch. Der Mann suchte bei einem Wunderdoktor in Bremen Hülfe. Dieser sagte: »Nu steit se wedder up un fangt an to fräten.« »Dat iß gewiß nich wahr,« dachte der Eigentümer. »Nu gifft se all'n groten Ammer vull Melk.« Der Eigner zweifelte und merkte sich die Zeit, es war 11 Uhr. Nachdem er nun etwas zum Eingeben erhalten hatte, begab er sich heimwärts. Abends kamen ihm die Angehörigen entgegen: »Use Koh is wedder bäter, se hett ok all'n ganzen Ammer vull Melk gäben.« »Wennehr stund se denn up?« »Dissen Morgen bi ölm Uhr lang.«

c.

Mein Bruder wurde an einem Sonntag Abend mit einer Bouteille an den Kopf geworfen. Vielleicht war eine Ader abgeworfen, genug der Kopf blutete stark. Nachher hörte das Bluten auf. Als mein Bruder aber beim Zubettegehen sich bückt, geht die Wunde wieder auf, so daß das Blut bis an die Fensterbank spritzt. Alle möglichen Mittel wurden nun angewandt, um das Blut zum Stillstand zu bringen, Spinnweb, kalte Umschläge u.s.w. – alles vergeblich. Endlich ging ich nach einer alten Frau in Lintel, die Blut besprechen kann, und nahm die mit uns verwandte N.N. aus Wüsting mit. Als wir in Lintel ankamen, lag die Frau bereits im Bette, und in ihrer Stube war's dunkel. Ich erzählte ihr mein Anliegen und genau fragte sie dann noch, wo die offene Wunde sich befinde. [72] Darauf wurde sie still. Was sie nun machte, konnten wir weder sehen noch hören. – Licht zündete sie gar nicht darum an. Nach einer Weile sagte sie: »So nun ist's gut, ihr könnt nun wieder nach Hause gehn.« Auf dem Rückwege dachte ich, mein Bruder möchte nun wohl schon tot sein; als ich aber zu Hanse ankam, saß er gut und wohl hinterm Ofen. Grade um die Zeit als ich bei der alten Frau gewesen, hatte sich das Blut gesetzt. Der Frau durfte ich aber nicht danken, ihr auch kein Geld geben, sonst hätte es nichts geholfen. (Holle.)

d.

Mein Vater kam mit der Post von Oldenburg, hatte sich unterwegs tüchtig erkältet und mußte, als er um Mitternacht den Postwagen verließ, die kurze Strecke nach seinem Hause mehr kriechend als gehend zurücklegen. Heftige Schmerzen in den Beinen machten ihn fast rasend. Der Arzt wurde geholt, die Schmerzen nahmen aber von Woche zu Woche mehr zu als ab. Wir dachten schon an seine baldige Auflösung. Ein Bruder meines Vaters, der in einem andern Kirchspiele wohnte, machte sich deshalb eines Tages auf, um dem Kranken einen Abschiedsbesuch zu machen. Weil er gehört hatte, daß die ärztliche Kunst versagt habe, nahm er als letzten Nothelfer einen Gesundbeter mit. Dieser machte sich sofort ans Werk. Er betete, machte über den Kranken viele Kreuzzeichen in Form der Evangelienkreuze und fragte dann: Fühlst du dich besser? Als ein Nein aus dem Munde des Kranken kam, sagte er: Ich komme wieder. Nach ein paar Tagen stellte er sich wieder ein, wiederholte seine Manipulationen und konnte jetzt auf die Frage: Fühlst du dich besser? ein freudiges Ja vernehmen. So erschien er noch einigemale, tat immer dasselbe und nach einigen Wochen war mein Vater wieder der alte gesunde Mann. (Langförden.)

e.

Mein Nachbar litt an einem offenen Bein. Die herbeigezogenen Ärzte vermochten nicht zu helfen. Nun wurde ein Gesundbeter herangezogen, der dem Kranken einen Gebetszettel und eine Salbe überreichte, mit dem Bemerken, er solle ein paar mal am Tage die wunde Stelle mit der Salbe einreiben und dabei das auf dem Zettel stehende Gebet beten. Der Kranke tat es und nach einiger Zeit war er wieder gesund. Der Gesundbeter hatte seine Kunst von einem Bauern in Holland, bei dem er in Arbeit gestanden, erlernt. (Altenoythe.)

f.

Mein Vater bekam eine Geschwulst am Kopfe, die wie ein Sack oder Schwamm herunterhing. Der herbeigezogene [73] Arzt schüttelte den Kopf und verordnete Grütze als Auflage. Die Geschwulst blieb. Da holte ein Bekannter einen Mann aus der Gemeinde Üffeln herbei. Dieser trat ins Haus, ging direkt, ohne zu grüßen oder sonst ein Wort zu sagen, aber Kreuzzeichen machend, auf den Kranken zu, setzte, als er bei meinem Vater angekommen war, das Kreuzzeichenmachen fort und murmelte dabei Worte, die ich aber nicht verstand. Nach Beendigung seiner Kur fing er an zu reden. Er entschuldigte sich, daß er ohne Gruß hereingekommen sei, er habe beim Kommen nicht reden dürfen, sei aber jetzt bereit, Rede und Antwort zu stehen. Auf Befragen äußerte er sich dahin, er habe von einer Frau in Holland seine Wissenschaft gelernt und müsse diese demnächst auch wieder auf eine Frau übertragen. Denn nur von einer Frau auf Mann und von einem Mann auf Frau und so weiter könne diese Heilkunst fortgepflanzt werden. Darauf empfahl er sich und am andern Morgen war die Geschwulst verschwunden (Nellinghof).

g.

Unsere Nachbarin stand im Rufe, durch Beten und Besprechen Kranke gesund machen, insbesondere Blut stillen zu können. Unser damals lebender bewährter Arzt hatte an einer Frau, die an einem Brustübel litt, eine Operation vollzogen und konnte das Bluten nicht zum Stillstand bringen. Schließlich erklärte er in seiner Ratlosigkeit, man möge die erwähnte Frau, unsere Nachbarin, herbeiholen. Diese kam, bemühte sich um die Kranke, legte Tücher auf, verband alles ruhig und still, ohne daß man wahrnehmen konnte, ob sie betete oder Zauberworte sprach oder nicht, und die Blutung ging zurück und hörte schließlich ganz auf. Die Pflegerin kam noch einige Tage und setzte ihre alte Tätigkeit fort, und blieb erst weg, als alle Gefahr vorüber war. Die Wunde heilte gut ab, die Kranke kam wieder hoch, ist fortan stets gesund geblieben und alt geworden (Wildeshausen).


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TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 77. [Aus Golzwarden wird 1609 berichtet, »daß ein Segensprecher in der]. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-30F3-A