630. Die drei Hunde.

a.

Ein armer Bauer hatte zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Als er nun zum Sterben gekommen, hinterließ er ihnen nichts als sein kleines Haus und drei Schafe. Der Knabe sprach zu seiner Schwester: »Wähle dir!« und sie wählte das Haus. Da nahm der Knabe die drei Schafe, schnürte sein Bündel und zog über Land. Er kam in einen Wald, und da er hungrig war, machte er sich ein Mittagsessen, so gut er konnte, die Schafe aber ließ er unter einem Baume weiden. Als er nun da saß, kam ein Mann mit drei Hunden daher, der bot ihm einen Tausch an, er wolle ihm die drei Hunde für die drei Schafe geben. Johann, der Knabe, aber wollte nicht und sagte: »Die Hunde wollen gefüttert sein, und ich habe für mich schon zu wenig; die Schafe aber suchen ihr Futter selbst.« Sprach der Mann zu ihm: »Du irrst dich, die Hunde bringen vielmehr dir das Essen und können dir auch sonst noch sehr nützlich sein; die Hunde heißen: der kleine Hol-Speise, der mittlere Zerreiß-ihn und der größte [476] Brich-Eisen- und -Stahl, und wenn man sie ruft, so tun sie, was ihr Name sagt.« Johann besann sich nun nicht lange und nahm die drei Hunde. Als er eine zeitlang marschiert war, hungerte ihn abermals, denn seine Mittagsmahlzeit war nur knapp gewesen, und er sprach zu dem kleinen Hunde: »Hol Speise!« Da lief der Hund fort, was er laufen konnte, kam jedoch bald wieder mit allerhand schöner Speise, die verzehrte Johann mit seinen Hunden. Nach einiger Zeit begegnete ihnen ein schwarzer Trauerwagen, darin saß, ganz in schwarz gekleidet, eine schöne junge Dame. Johann fragte den Kutscher, was das bedeute, aber der Kutscher gab keine Antwort. Johann aber ließ nicht nach und fragte nochmals. Da antwortete der Kutscher: »Nicht weit von hier haust ein schreckliches Ungeheuer, das fordert jedes Jahr eine Jungfrau von vierzehn Jahren und dieses Jahr hat die junge Königstochter das Loos getroffen, die muß ich jetzt dem Ungeheuer überliefern.« Damit fuhr der Kutscher weiter, aber Johann folgte dem Wagen nach, bis sie an einen Berg kamen. Hier hielt der Wagen an, die junge Dame stieg aus und schritt mit dem Kutscher den Berg hinan. Johann begleitete sie, obwohl beide ihn warnten und ermahnten zurückzubleiben. Als sie ungefähr den Berg erstiegen hatten, kam ihnen ein großer feuriger Drache entgegen. Die Dame blieb weinend stehen, der Kutscher wandte sich um und ging zurück, Johann aber sprach zu seinem mittleren Hunde: »Zerreiß ihn!« und im Augenblick sprang der Hund auf das Ungetüm zu, zerriß es und fraß es mit Haut und Haaren. Nur einige Zähne ließ er liegen, die steckte Johann in die Tasche. Die Dame fiel vor Johann auf die Knie, dankte ihm und bat ihn, mit auf ihres Vaters Schloß zu kommen; aber Johann wollte erst die Welt besehen und versprach, nach drei Jahren wieder zu kommen; so lange solle sie auf ihn warten. Darauf zog Johann mit seinen drei Hunden weiter.

Die Prinzessin bestieg nun den Wagen, um zur Stadt zurück zu fahren. Der Kutscher aber war ein böser Mensch, und als sie an einen großen Bach gekommen waren, hielt er an und sagte zur Prinzessin, sie solle ihrem Vater sagen, daß er den Drachen erschlagen; und wenn sie das nicht verspreche, so wolle er sie mit Wagen und Pferden in das Wasser stürzen. Die Prinzessin weinte und flehte, aber es half alles nichts, und um ihr Leben zu retten, versprach sie zu tun, was der [477] Kutscher verlangt hatte. Nun fuhren sie zur Stadt. In der Stadt waren alle Häuser mit schwarzen Tüchern und Fahnen behangen und besteckt. Wie aber das Volk sah, daß die Königstochter lebendig und wohl zurückkehrte, nahm es die schwarzen Tücher und Fahnen weg und schmückte die ganze Stadt mit Rot. Und der König, als er seine schon verloren gegebene Tochter wieder hatte, freute sich über die Maßen, und als seine Tochter ihm erzählte, daß der Kutscher den Drachen erschlagen habe, machte er ihn zum Edelmann und versprach ihm seine Tochter zur Frau, und übers Jahr sollte die Hochzeit sein. Das Jahr verstrich der Prinzessin unter Weinen und Bekümmernis, denn sie hatte eine große Liebe zu Johann gefaßt, und als es verflossen war, ging sie zum König und bat ihn in Tränen, ihr noch ein Jahr Zeit zu lassen. Das tat der König. Aber auch das zweite Jahr verstrich, und Johann ließ sich nicht sehen, und die Prinzessin bat den König nochmals um ein Jahr Aufschub. Der König sprach: »Es sei, wie du willst, aber es ist die letzte Bitte, die ich dir gewähre; hernach gebe ich dir auch keinen Tag weiter.« Der Hochzeitstag kam heran. Die Stadt war mit Fahnen und Kränzen geschmückt, und die Glocken läuteten den ganzen Tag vom frühen Morgen an. Da kam ein Jüngling mit drei Hunden durch das Tor in die Stadt und fragte, was für ein Fest gefeiert werde. Sie antworteten ihm, heute sei der Tag, wo die Königstochter Hochzeit halte mit dem Edelmann, der vor drei Jahren den Drachen erschlagen habe. Da schickte der Jüngling seinen Hund Hol-Speise ab, der lief in des Königs Schloß und in den Speisesaal auf die Königstochter zu und leckte ihr die Hand. Die Königstochter erkannte den Hund, nahm eine Serviette, in die eine Königskrone gestickt war, legte von der besten Speise hinein und gab sie dem Hunde, der sie seinem Herren brachte. Aber der Bräutigam der Prinzessin hatte den Hund gesehen und ebenfalls wieder erkannt und schickte einige Leute von der Wache, die nahmen den Jüngling, grade wie er beim Essen war, gefangen, und setzten ihn in ein Gefängnis und banden ihn mit Ketten fest. Die Hunde folgten dem Gefangenen bis vor die Tür und legten sich dort hin und wimmerten nach ihrem Herren. Als der Jüngling das Wimmern vernahm, rief er, so laut er konnte: »Brich-Eisen- und- Stahl.« Ein Augenblick, und der Hund legte seine Vorderpfoten an das Gitter und zersprach es, sprang ins Zimmer,[478] biß Johann die Ketten ab und sprang wieder hinaus, und Johann ging frei und ledig ihm nach aus dem Gefängnisse. Unterdessen war die Königstochter weinend vor ihren Vater getreten und hatte ihm alles erzählt, wie Johann und nicht der Kutscher sie errettet habe vor dem Drachen, und wie Johann jetzt in der Stadt sein müsse, da sie seinen getreuen Hund gesehen habe. Der König sandte nach Johann aus, der alles so bestätigte, wie es die Königstochter gesagt hatte, und noch die Zähne aufweisen konnte, die von dem Drachen übrig geblieben waren. Auch der Kutscher wurde herbeigerufen und gestand seine Schlechtigkeiten ein, als er Johann mit den Hunden und den Drachenzähnen vor sich sah. Da wurde zwischen Johann und der Königstochter die Hochzeit vollzogen, der Kutscher aber kam in das Gefängnis, und wahrscheinlich sitzt er noch darin. Johann lebte überaus glücklich mit seiner Gemahlin, aber vergaß seiner armen Schwester nicht, sondern erzählte seiner Gemahlin seine Lebensgeschichte von Anfang an und bat, ihm zu gestatten, daß er seine Schwester aus ihrem Häuschen auf das Schloß hole, um dort mit ihnen zu leben. Seine Gemahlin war damit gern zufrieden, und er holte die Schwester herbei. Da fing Brich-Eisen-und-Stahl an zu sprechen und sagte: »Wir wollten nur sehen, ob du deiner armen Schwester auch vergäßest, denn da wäre es dir schlecht ergangen; nun aber ist es gut und du brauchst uns nicht mehr.« Und wie er das gesagt hatte, verwandelten sich die drei Hunde in drei Vögel und flogen davon. Johann aber mit Frau und Schwester führten ein Leben in Eintracht und Freude, und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch.

b.

Es war einmal ein Jüngling, der diente in einem anderen Dorfe, als wo er geboren war, als Knecht. Da hörte er, daß seine Eltern gestorben seien, und machte sich auf die Reise, um sein Erbteil zu holen. Nun bekam er nicht mehr auf seinen Kopf als eine Kuh, mit der zog er fort, um sie zu Gelde zu machen. Unterwegs begegnete ihm ein Mann, der drei Hunde bei sich hatte, der fragte ihn woher, wohin? Er gab ihm Bescheid. Da sprach der Mann mit den Hunden: »Die Kuh gib mir, ich will dir meine Hunde dafür geben.« »Was soll ich mit den Hunden?« antwortete der Jüngling, »wie soll ich dafür Geld bekommen?« »Tausche nur mit mir«, sagte der Mann, »du hast keinen Schaden dabei, denn es sind seltene Hunde; sie zerreißen dir alles, was du willst, und wo [479] sie hinlaufen, dahin mußt du auch gehen, und wo sie des Abends ankommen, da bleibst du die Nacht, und dann steht alles auf dem Tische, was dein Herz gelüstet, dann kannst du immer essen und trinken, was du am liebsten magst, und bei den Bauern brauchst du nicht länger den Sklaven zu spielen.« »Je nun«, sagte der Knecht, »wenn das so ist, so will ichs wagen, dann mach nur, daß du mit der Kuh fortkommst.«

Nun war der Jüngling gar froh, daß er die drei Hunde hatte, und die Hunde waren noch froher, daß sie einen neuen Herren hatten, tanzten und sprangen um ihn herum und an ihm hinauf wie närrisch, leckten ihm die Hände, wedelten mit den Schwänzen und wälzten sich vor Freude. Endlich rannten sie vorauf und er hintendrein, und wenn sie einmal zu weit vorauf kamen, so pfiff er nur auf den Fingern, und in einem Augenblicke waren sie wieder bei ihm.

Als es Abend wurde, rannten sie mit ihm vor einen Berg, der öffnete sich von selbst; sie rannten hinein, und er ging ihnen nach. Drinnen brannten so viel Lampen wie Tage im Jahr, und ein Tisch stand da mit allerlei Speise, es war nichts zu bedenken, was nicht darauf war. »Aha«, dachte er, »das soll wohl gut gehen; nun bist du doch einmal aus dem Sklavenleben heraus«, und aß nach Herzenslust. Auch war da ein schönes, fertig gemachtes Bett, in das legte er sich und schlief bis an den Morgen. Als er sich wieder satt gegessen hatte, nahm er auch noch Speise mit und steckte sich alle Taschen voll, und dann gings weiter; die Hunde rannten voran, und er mußte hintennach, und sie liefen den ganzen Tag bis an den Abend, und er wußte so wenig wo er war, wie die Krähe vom Sonntag. Endlich am Abend kamen sie in einem großen Walde an ein Haus. Erst rannten die Hunde um das Haus herum, als ob sie sich nicht hineinwagten, endlich liefen sie aber doch hinein und er mit. Kein Mensch war dort zu hören oder zu sehen. Die Hunde legten sich ans Feuer, und er setzte sich auf einen Stuhl. Um zehn Uhr kamen sieben große, starke Männer ins Haus und fragten: »Was, Teufel! machst du hier?« »Ich habe mich verirrt«, antwortete der Jüngling. »Dann habt ihr auch wohl Hunger, du und deine Hunde?« »Das könnt ihr denken; wer den ganzen Tag wandert, ohne zu essen, der muß wohl Hunger haben; ich und meine Hunde, wir müssen was zu essen haben, und dann werden wir hier auch wohl bleiben müssen.« »Das versteht sich« [480] sagte der eine von den Männern, der vielleicht der oberste war, »weg kommst du heute ohnehin nicht«, und gaben ihm zu essen und gaben auch den Hunden zu fressen. Als das getan war, sagte der eine wieder zu ihm: »Es ist wohl gut, wenn wir die Hunde auf die Seite bringen; ich mag es nicht haben, daß sie beim Feuer liegen.« Das taten sie, sperrten die Hunde in einen dunkeln Verschlag und schlossen die Tür zu.

Als die Hunde abgesperrt waren, fing der eine von den Männern an und sprach: »Weißt du nun wohl, wo du bist?« »Nein, wie sollte ich das wissen können, ich bin hier mein Lebtag noch nicht gewesen«, antwortete Heberg, so hieß der Jüngling. »Du bist in einem Mörderhause«, sagte der oberste von ihnen, »und mußt sterben; aber ehe wir dich tot machen, will ich dir noch zeigen, was alles in diesem Hause ist, komm nur mit mir.«

Nun gingen sie zuerst in ein Zimmer, das war voll von lauter Mannskleidern; da sprach der Mörder: »Die Männer zu diesen Kleidern sind schon alle tot gemacht.« Dann kamen sie in ein Zimmer voll von lauter Frauenkleidern. »Sieh«, sagte der Mörder: »Die Frauen sind schon alle tot, denen diese Kleider gehört haben.« Dann gingen sie wieder in ein anderes Zimmer, das voll Geld lag. »Siehst du wohl?« sprach der Mörder, »das Geld haben wir all den Leuten abgenommen, die wir tot gemacht haben, aber nun kommt das Rechte noch.« Sie kamen nun in ein anderes Zimmer, und der Mörder sprach: »In jener Flasche dort ist eine Salbe, die so kräftig heilt, wenn man auch jemanden den Kopf abschneidet und schmiert nur von der Salbe zwischen und setzt den Kopf wieder auf den Rumpf, sofort sitzt auch der Kopf wieder fest, und der Mensch ist wieder lebendig. Hier in dieser Flasche ist ein Salbe, wenn man damit einen Kreis um das Haus schmiert, so kann nicht Teufel noch Satan hinein. Und endlich in dieser Flasche ist eine Salbe, schmiert man davon an eine Stelle und jemand setzt sich darauf, so klebt er fest daran und kann nicht wieder fort, so gern er auch möchte.« Heberg hatte zu alle dem kein Wort gesagt. Da fragte ihn der Mörder, ob er auch alles wohl gesehen und verstanden habe. Heberg sagte ja. »Nun denn, so mache dich bereit, so sollst duster ben.« Als Heberg das hörte, dachte er: »Warte, da bist auch noch mit dabei«, pfiff nur einmal auf den Fingern, und wie der Blitz so schnell standen die Hunde bei ihm. [481] »Packt an!« rief er, und nicht so bald hatte er das Wort heraus, als sie den Mann auch schon zerrissen hatten; dann auf die andern Männer an und die zerrissen, und es blieb in dem Hause keine Mutterseele lebendig als Heberg und seine Hunde.

Am andern Morgen fingen die Hunde wieder an zu laufen, aber Heberg nahm die drei Flaschen zu sich, ehe er ihnen folgte. Gegen Mittag kamen die Hunde zu einer Kapelle, die ganz allein in der Heide stand. Sie rannten darum herum, bis er kam. Als er kam und in die Kapelle sah, saß dort ein Mädchen auf einem Stuhle und schien tot zu sein. Er ging hinein, betrachtete sie, fühlte ihr den Puls und merkte, daß sie noch nicht tot, sondern nur ohnmächtig war. Er nahm sie auf den Schoß, schüttelte sie bald so, bald so, blies ihr Luft ein, und richtig, sie kam nach einiger Zeit wieder zu sich. Da fragte er, was das bedeute, daß sie dort so allein sitze und in Ohnmacht gefallen sei. Da fing sie an zu erzählen und sagte: »Mein Vater ist König hier im Lande und hatte vor achtzehn Jahren einen Prozeß mit einem andern König; wenn er den verlor, dann kostete es ihn sein ganzes Königreich, und er war arm und bloß; gewann er ihn, so blieb er König. Nun stand die Sache so, daß mein Vater verlieren mußte. Er ging voll Kummer einher und gelangte an diese Kapelle. Da kam ein alter Mann zu ihm und sagte, wenn er ihm das über achtzehn Jahr liefern wolle, was er nun im Hause habe und nicht wisse, dann wolle er machen, daß er den Prozeß gewinne, und das war der Teufel. Mein Vater wußte nicht, daß es der Teufel war, und dachte: Was ich im Hause habe und weiß es nicht, das ist gewiß nicht viel wert. Da ging mein Vater den Handel mit dem Teufel ein. Als er nach Hause kam, war ich inzwischen geboren, und jetzt sind grade die achtzehn Jahre um, da mein Vater mich hier abliefern muß, und als ich euch mit den Hunden ankommen sah, meinte ich nicht anders, als ihr wäret der Teufel schon, darum fiel ich in Ohnmacht.« »Wenns weiter nichts ist«, sprach Heberg, »dann sei nur ruhig, dann will ich dich wohl retten.« Er nahm die eine Flasche und machte von der Salbe einen Kreis um die Kapelle, und aus der andern schmierte er etwas auf die kleinen Heidhügel, die vor der Tür waren. Es dauerte nicht lange, so kam der Teufel, konnte aber wegen des Kreises nicht hinein kommen, und rief: »Das Mädchen, [482] das du da auf dem Schoße hast, gehört mir!« »Sogleich!« sagte Heberg, »dann kannst du sie bekommen, ich habe noch ein bißchen mit ihr zu reden; du bist wohl schon müde, geh nur einen Augenblick sitzen.« Gleich darauf kam auch der zweite Teufel, dem sagte er dasselbe, und so kamen alle sieben Teufel und ließen sich bereden, daß sie sich auf die Heidhügel setzten. Als sie alle saßen, wollte er einmal sehen, ob sie auch fest genug säßen, und sprach: »Nun kommt nur auf, nun könnt ihr sie bekommen.« Aber als sie aufstehn wollten, da saßen sie fest. Nun gings an ein Rücken und Zappeln einer gegen den andern an, aber sie saßen fest und konnten nicht in die Höhe. Da sprach er zu seinen Hunden: »Packet an!« Die Hunde sprangen zu und rissen die sieben Teufel so kurz und klein wie Häcksel und Staub, daß die Funken und Flammen wohl ein Haus hoch flogen. Das sahen sie in der Stadt und sagten: »Nun fährt er mit ihr ab.« Da sandte der König den Fuhrmann, der sie hingebracht hatte, wieder fort, den Leichnam seiner Tochter zu holen, denn sie dachten nicht anders, als er wäre mit der Seele allein davongegangen. Aber wie schaute der Fuhrmann auf, als er die Teufel da zerrissen liegen und das Mädchen auf eines schönen Jünglings Schoß sitzen sah. Als der Fuhrmann nachfragte, wie das zugegangen sei, sprach sie: »Siehe, dieser mit seinen Hunden hat mich von den Teufeln erlöset, darum soll er nun mitfahren und mich dann heiraten.« Denn sie war ganz in ihn verliebt, weil er ein so schöner Jüngling war. Sie stiegen nun in den Wagen, sahen sich um und riefen: »Adieu, ihr Herren Teufel, habt ihr euren Willen jetzt bekommen?« und dann ging es fort. Unterwegs herzten und küßten sie sich, denn es war eine solche Liebe unter ihnen beiden, daß es nicht zu beschreiben ist. Den Fuhrmann, der das ansah, verdroß es, und als die beiden von dem Herzen und Küssen auf dem Wagen in Schlaf fielen, benutzte er das, nahm sein Messer, schnitt Heberg den Kopf ab und warf ihn, Rumpf und Kopf, vom Wagen ab in einen Graben. Die Hunde, die vorauf gelaufen waren, erwarteten den Wagen und sahen gleich, daß ihr Herr nicht darauf war. Sie suchten und fanden ihn endlich, wie er und sein abgeschnittener Kopf im Graben lagen. Als sie ihn herausgezogen hatten, nahmen sie die Salbe aus seiner Tasche, schmierten davon auf Kopf und Rumpf, setzten den Kopf auf den Rumpf – und heil und lebendig war er [483] wieder. Nun liefen die Hunde noch erst drei vier Tage mit ihm herum, ehe sie mit ihm in die Stadt kamen, wo die Königstochter zu Hause war. Als er in der Stadt war, ohne zu wissen, in welcher Stadt er war, gingen die Hunde mit ihm in ein Wirtshaus. Da fragte er den Wirt, was die große rote Flagge bedeute, die auf dem großen Hause wehe. »Weißt du das nicht?« sagte der Wirt, »die Königstochter ist dem Teufel gelobt gewesen, und des Königs Fuhrmann hat alle Teufel tot geschlagen, dafür soll er die Königstochter heiraten, und heute ist die Hochzeit. Ja, da gehts hoch her mit Essen und Trinken, hätten wir nur eine Flasche von denen, die schon umgegossen sind.« »Was gilt die Wette?« sagte Heberg, »wir wollen eine von denen haben, die noch nicht umgegossen sind.« »Ach, du armer Teufel, wie willst du was bekommen?« »Das soll nicht lange dauern!« Eins, zwei, drei, schrieb er einen Brief mit der Aufschrift: »An die Königstochter«, gab ihn einem der Hunde und sprach: »Den bringe der Königstochter.« Der Hund damit auf den Lauf, daß die Haare ihm um den Kopf sausten, und das nach dem Königsschlosse. Die Schildwache, die ihn anhielt, sah, daß er einen Brief im Maule hatte, nahm ihm den Brief ab, und da er sah, daß derselbe an die Königstochter laute, brachte er ihn dieser hin und sagte, ein Hund habe denselben ihm gegeben. »Der Hund muß hierher kommen.« Als die Schildwache mit dem Hunde kam, sprang er der Königstochter auf den Schoß und leckte ihr die Hände, da sank sie um und wurde ohnmächtig. Als sie wieder zu sich selbst kam und den Brief gelesen hatte, gab sie dem Hunde eine Flasche Wein mit und schrieb wieder um, Heberg müsse sogleich selbst kommen. Nun trank Heberg mit dem Wirte erst die Flasche Wein aus, und dann spazierte er mit seinen Hunden nach dem Schlosse, und die Schildwache hatte schon Befehl bekommen, ihn zu der Königstochter zu bringen. Wie sie nun beisammen waren, da hättet ihr das Küssen und Liebhaben sehen sollen; sie konnten ihre Freude gar nicht auslassen. Nun mußte der König her, zu dem sagte sie: »Nicht unser Fuhrmann ist mein Erlöser; der hat mich gezwungen, und mit einem Eide mußte ich es ihm versprechen, daß ich sagen wollte, niemand anders als er hätte mich vom Teufel errettet, und wenn ich das nicht wolle, drohte er mir, daß er mich tot machen wolle. Aus Not mußte ich es tun. Aber dieser hier mit seinen Hunden hat [484] mich errettet; dem hatte er den Kopf abgeschnitten und ihn in den Graben geworfen, und wie er wieder lebendig geworden ist, das weiß ich nicht. Und dem Fuhrmann mußte ich auch schwören, ihn zu heiraten. Weil aber dieser hier mein Erretter ist und ich ihn so lieb habe, so will ich ihn auch heiraten und nicht den Verräter, den Fuhrmann.«


Nun erzählte Heberg dem König seine ganze Geschichte, wie er die Salbe bekommen habe, wie er die Hunde bekommen, wie diese die Teufel zerrissen hätten, dann wie der Fuhrmann ihm den Kopf abgeschnitten habe, der ihm aber von seinen Hunden mit der Salbe wieder angesetzt sei, und so bis zum Ende. Da wurde doch der König so zornig über den Fuhrmann und ließ ihn zu jedermanns Augenspiegel von vier Ochsen auseinanderreißen, und Heberg mußte seine Tochter heiraten. Als die Hochzeit gegeben wurde, rannten die Hunde wieder weg, und so ungern Heberg es tat, mußte er doch mit ihnen nach der Kapelle, wo sie die Teufel zerrissen hatten. Dort fing der eine Hund an zu sprechen und sagte: »Wir haben dich vor den Mördern gerettet, zu der Königstochter haben wir dir verholfen, dafür mußt du mir den Kopf spalten.« »Mein lieber Hund, wie kann ich das tun, da ihr mir so viel Gutes erwiesen habt? Das geht nicht an!« »Jetzt nur zu, ohne viel Worte zu machen«, sagte der Hund und legte sich vor ihn hin, »und tust du's nicht, so zerreißen wir dich Glied für Glied!« »Nun denn«, antwortete Heberg, »wenn es denn nicht anders sein kann«, nahm seinen Säbel und schlug zu, daß der Kopf sogleich in zwei Teile fiel. Und als Heberg sich umsah, stand ein schöner junger Mann hinter ihm. Derweil hatte sich der zweite Hund schon an die Stelle des ersten gelegt. »Nun vorwärts«, sprach der junge Mann, »bis zum letzten!« Als er aber dem letzten den Kopf abhieb, war er schon so verwirrt in seinen Sinnen, daß er den Kopf nicht grade durchschlug, da hatte der letzte Jüngling nur ein Auge. »Nun«, sprach der älteste, »das muß so hin, wir sind nun doch erlöst; wir sind Prinzen und waren in Hunde verwünscht und konnten nicht anders als so erlöst werden.« Damit schieden sie von einander und gingen jeder seinen Weg, Heberg nach seiner Frau und wurde König, als der alte König tot war, und wenn er nicht gestorben ist, so lebt er noch. (Scharrel.)


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TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 630. Die drei Hunde. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-34A4-F