162.

Bei allem Vorspuk ist es Regel, daß die abends gesehene Vorgeschichte früh in Erfüllung geht, um so früher, je näher die Mitternachtsstunde ist, die morgens gesehene spät und desto später, je später nach Mitternacht sie vorgeschieht. Andere sagen, es komme darauf an, ob sie früh oder spät in der Stunde geschehe; je später sie geschehe, desto früher gehe sie in Erfüllung, doch schwanken die Angaben. Seltener aber dann übereinstimmend hört man, daß eine kleine Erscheinung auf eine späte Erfüllung hindeutet; je weiter die Erfüllung noch entfernt ist, desto kleiner sieht man die Menschen, oder was sich sonst zeigt, und immer größer bis zur natürlichen Größe, je näher das Ereignis bevorsteht. Im allgemeinen kann aber der Spuk-Sehende die Zeit dadurch feststellen, daß er auf die begleitenden Nebenumstände merkt, z.B. das Dorf wird brennen, wenn der Roggen in Hocken steht, oder im schlimmeren Falle, wenn die Düngerhaufen auf dem Acker liegen, also das Getreide soeben eingeheimst ist.


Vgl. 158o.

a.

Zu einer Frau in Neuenkirchen kam einst die alte Anne Mette. »Wo geit et, Anne Mette?« O all god, ähr Vatter läwet düt Jahr noch. »Wo meenst du dat?« Ja, ick heww et woll sehen, de Lichter bi em weren noch gans kört. Das heißt vermutlich: auf dem Sarge, den sie spukweise gesehen hatte.

b.

In einem Hause zu Neuenkirchen war vor etwa 30 Jahren eine Frau, namens Anne Mette, zur Arbeit. Da sagt sie auf einmal: »Wat is dat? wat is dat? dat is ja kurios, ick seh wat!« »Wat süst du denn? dar is jo nicks!« »Ja, ick seh wat, man ick kannt hüte noch nich seggen.« Am andern Tage sagte sie, sie habe ein Leiche aus dem Hause tragen sehen, hinter der nur ein Mann, Meyer, gefolgt sei. Niemand wußte sich zu erklären, wessen Tod das bedeuten könne, da in Neuenkirchen allemal das ganze Dorf die Leichen zu Grabe geleitet. Anne Mette erklärte aber, es werde noch nicht so bald kommen, was sie vorhergesehen habe, da sie das [167] Gesicht erst am Nachmittage gehabt habe. Nach etwa 3 Jahren stirbt in jenem Hause ein fremder Kaufmann, und siehe da, es folgte der Leiche niemand als ein Handelsfreund, jener Meyer.

c.

Im Klosterhof Lindern diente vor etwa 100 Jahren ein Kuhhirt, namens Hinrich Carstens, welcher erzählte, daß er im Linderner Busche eine große Anzahl Menschen gesehen, welche erst einen Fuß groß waren, unter ihnen Frauen mit weißen Mützen. Der Kamp vor dem Hause habe voll Kanonen und Pulverwagen gestanden, und ins Haus sei eine Kutsche mit 4 Pferden gefahren. Man meint, daß nochmal in ferner Zeit bei schweren Kriegsläuften die Leute aus Grabstede in den Busch flüchten müssen, dann auch der Kamp voll Kanonen und Pulverwagen stehen und der Anführer in Lindern sein Quartier haben werde.


Lizenz
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link zur Lizenz

Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 162. [Bei allem Vorspuk ist es Regel, daß die abends gesehene Vorgeschichte]. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-34F6-6