618. Die Reise in den Mond.

a.

Ein Mann hatte mit seiner Frau sehr glücklich gelebt und als sie starb, grämte er sich so, daß er seine Wirtschaft liegen ließ und sich um nichts bekümmerte. Er hatte sich eine Menge Rübsamen gekauft, um ihn in seinem Garten zu säen, aber nun hatte er keine Lust, den Garten zu bestellen, und warf den Rübsamen auf einen Haufen in eine Ecke des Gartens und ließ ihn liegen. Als er nach langer Zeit einmal wieder in den Garten kam, war aus dem Haufen Samen eine unermeßlich große Rübe geworden. Er holte seine Axt und schlug sich ein großes Stück herab, da sah er, daß die Rübe hohl war. Nun machte er die Öffnung größer und kroch hinein, um die Rübe einmal von innen zu besehen. Er kam immer weiter und weiter und zuletzt bis an die Himmelstür, und als er hineintrat, saßen dort viele Frauen und spannen Heede, und seine eigene Frau war unter ihnen. Der Abfall flog von den Spinnrädern nieder zur Erde, und hier nennt man ihn Schnee. Mann und Frau begrüßten sich freudig, aber bleiben durfte er noch nicht. Als er aber durch die Rübe wieder hinunter zur Erde wollte, war die Rübe umgefallen. [443] Da gaben ihm die Frauen Heede, daß er sich ein Seil spinne und an diesem hinunterlasse. Aber das Seil geriet zu kurz, und als er hinabkletterte, blieb er zwischen Himmel und Erde hängen. Weil er nun nicht wieder hinauf durfte, ließ er sich dreist fallen und fiel auf einen Baum. Der Kopf verfing sich in den Zweigen und blieb dort sitzen, der Rumpf aber kam zur Erde und drang bis unter die Arme hinein. Da kam zum Glück ein Pferd vorbeigelaufen. Er ergriff schnell den Schwanz und wurde so herausgezogen. Nun setzte er sich den Kopf wieder auf, und da er jetzt wußte, daß seine Frau es gut habe, ließ er den Gram fahren, vermietete sich bei einem Bauern als Knecht und lebte ganz vergnügt. (Hooksiel.)

b.

Es war einmal ein Bauer, der hatte einen Knecht, der ihm die Bienen hüten mußte. Nun trieb der Knecht täglich mit den Bienen aus, aber er mußte so weit weg, daß er einen Wagen mitnehmen mußte, da setzte er die Bienen hinauf, die nicht mehr gehen konnten; und täglich, wenn die Bienen gingen zu weiden, kam ein Bär und fraß ihm von den Bienen alle Tage einige auf, sodaß er oft Schelte darüber bekam. Darum ging er zu Werke und machte vorn in den Deichselbaum ein Loch und machte einen Keil, der grade in das Loch paßte. Nun fuhr er am Morgen wieder mit seinen Bienen weg und dachte: Jetzt will ich den Teufelsbären doch wohl anführen. Er beschmierte den Deichselbaum mit Honig und ging ein Endchen Weges beiseite, daß der Bär ihn nicht sehen konnte, wenn er kam. Der Bär kam, begann an dem Deichselbaum zu lecken, leckte sich ihn erst in die Kehle, dann in den Leib und zuletzt wieder hinten hinaus. Als der Knecht das sah, daß der Bär auf dem Deichselbaum saß, eins zwei drei! nahm er seinen Keil und sein Beil und schlug den Keil in das Loch und das so hitzig, daß das Beil von dem Stiele ab und in den Mond flog. Was nun für Rat? Nach Hause durfte er nicht, denn sein Beil war weg. Er besann sich ein wenig, was zu tun sei, und kam auf den Einfall, rasch etwas Dünger zusammen zu fahren und Kohl darauf zu säen. Das tat er, und in Zeit von drei Tagen war ein Kohlstengel so hoch gewachsen, daß er bis an den Mond reichte. An dem kletterte er in die Höhe, grade als der Mond darüber stand, und glücklich kam er auf diesem an. Gar lange hatte er noch nicht gesucht, als er sein Beil fand. Nun wollte er sofort zurück und an dem Kohlstengel wieder hinab, aber was war da [444] zu tun? Der Mond war unter der Weile von dem Kohlstrunk weit weggegangen, und er konnte diesen nur eben mehr sehen. Nun wird auf dem Monde viel Flachs gebaut, aber es werden dort keine Stricke gedreht. Mein Knecht kriegte darum alle alten Weiber ans Spinnen, die nur auf dem Monde waren, die hatten ihm im Augenblick so viel Garn gesponnen, daß er meinte, er könne ein Tau davon drehen, das vom Monde bis an den Erdboden reichen möchte. Als er das fertig hatte, schlug er auf dem Monde einen Pfahl in den Grund, daran band er das eine Ende, und das andere Ende ließ er nach dem Erdboden zu langsam wegsinken, und dann er daran hinab. Aber wie erschrak er, als das Tau eine ganze Strecke zu kurz war! Er wieder hinauf, schnitt oben ein Stück ab und knotete es unten wieder an. Aber es war noch zu kurz. Er schnitt oben ab und knotete unten wieder an, so oft und so lange, bis das ganze Tau lauter Knoten war. Nun wars mit dem Abschneiden und Anknoten getan, und noch war das Tau zu kurz, und er baumelte zwischen Himmel und Erde. Er mußte sich zuletzt entschließen und sich fallen lassen, aber als er zur Erde kam, traf er grade auf eine weiche Stelle im Moore, daß er bis unter die Arme hineinfiel, und es war da kein Mensch, der ihn wieder herausziehen konnte – er hörte und sah niemand. Zuletzt sah er doch in der Ferne ein Licht brennen, er rannte darauf zu, lieh sich von dem Bauern einen Spaten und grub sich damit wieder los. Dann brachte er dem Bauern seinen Spaten wieder und lief wieder zu seinen Bienen hin und trieb damit nach Hause. (Scharrel.)


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 618. Die Reise in den Mond. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-350B-0