314.

Zusammengestohlen, gebettelt und gekauft, wie in Delmenhorst, wird das Material zum Osterfeuer überall. Schon wochenlang vorher schleppen die Knaben allerlei Holzwerk zusammen, und Zäune und Stakette und die Gärten selbst werden nicht selten zu diesem Ende geplündert. Außerdem aber ziehen sie bei den Häusern herum und bitten singend um Holz, Teertonnen, Geld und Eier, letztere, um sie bei ihren Zusammenkünften zu verzehren. »In Oldenburg,« schreibt Strackerjan in der ersten Auflage, »hat man einen besonderen Aufzug, den Pipoß. Ein mit einem Stocke bewaffneter Knabe wird in einen Sack gesteckt und in die einzelnen Häuser geschickt, wo er durch possierliche Sprünge und die Bitte »Pipoß will Geld hebben« die Bewohner zur Freigebigkeit zu bewegen sucht. Andere Kinder gehen reihenweise, beschädigte Krüge und Töpfe auf Stangen tragend, hinterdrein und werfen den [74] Leuten, die nichts oder zu wenig geben, die Scherben vor die Tür. Schon eine Verordnung von 1721 klagt über »ein sehr wüstes unordentliches Wesen, so von der Jugend in dem hl. Osterfeste mit den sogenannten Piepochsen, auch Topf- und Scherbenspiel, getrieben wird.« In Brake sammeln die Kinder alte Körbe, Gestrüpp und Ranken aus den Gärten auf einem mit Flaggen geschmückten Wagen. In Ellwürden putzen (putzten?) sich die Knaben mit Papierschnitzeln, Papiermützen u. dgl. zu Soldaten heraus und ziehen, mit Flöten, Trommeln, Topfdeckeln u. dgl. Lärm machend, durch das Dorf. Ein wesentlicher Teil soldatischen Schmuckes ist ihnen der Bart, der manchmal durch ein ganzes vom Gesichte herabhängendes Hasenfell gebildet wird. – Das Fastnachtsbettellied 307e erhält den eben erwähnten Namen Pipos oder Pipas. Es stammt aus der Landgemeinde Oldenburg und stellt sich dar als ein Gemisch eines Fastnachts- und Osterbettelliedes. Überhaupt besteht zwischen den Bettelliedern zu Fastnacht und Ostern viel Verwandtes. – Es folgen einige Osterbettellieder.

a.

Wi sammelt wat to't Osterfür,
De olen Teertunnen sünd so dür;
Willt se us nich 'n Groten gäwen,
So schält se de Freude ok mit beläwen.

(Oldenburg.)

b.

Ostern, Ostern kummt heran;
Hett jo Dochter noch kin Mann,
So wünsch ick är 'n Timmermann,
De sin Brod verdeenen kann.

(Oldenburg.)

c.

Gon Dag, gon Dag, gon didelumdei,
Gäft mi een Paaskei,
Een is nicks, twee is wat,
Gäwt mi dree, so gahk min Padd;
Lat mi nich to lange stahn,
Ick mutt noch wat fudder gahn.

(Brake, vgl. 307c.)

d.

Es sangen drei Engel den süßen Gesang,
Sie sangen wohl, daß es zum Himmel erklang.
Da unser Herr Christus zu Tische saß,
Mit seinen zwölf Jüngern das Abendbrot aß,
Und Judas, der Verräter, stand neben dabei,
Er wollte des Herrn Verräter wohl sein.
Da ging unser Herr Christus den Ölberg hinauf
Und weckt' seine lieben zwölf Jüngelein auf:
[75]
»Wachet auf, wachet auf! gehet alle mit mir,
Meine Zeit und Stunde sind gekommen allhier.«
Es stand ein Sünder wohl vor der Tür,
Wie traurig, wie traurig stand er dafür!
»Ach Sünder, ach Sünder, warum trauerst du so?
Wenn ich dich ansehe, so weinest du!«
»Soll ich denn nicht weinen, mein Herr und mein Gott,
Ich habe zerbrochen die zehen Gebot!«
»Hast du sie zerbrochen, die zehen Gebot,
So fall auf dein Kniee und bete zu Gott,
Und bete nur immer und alle Zeit,
So wird dir Gott schenken das himmlische Reich.«
Im Himmel, im Himmel sind Freuden so viel,
Da tanzen Gottes Engel und haben ihr Spiel.

(Umgegend von Ovelgönne.)

e.

Wi kollektert to't Osterfür,
De leven Teertunnen sünt so dür.
Willt Se de Lust ok mit erlewen,
So möt Se us een poar Pennigs gewen,
Oder een Schoof Stroh, so hört Se der ok mit to.

(Jeverland.)

Wi sammelt wat to't Osterfür,
De ollen Teertunnen sünd so dür,
Willt ji dar wat to gäwen,
Schöl't ji de Freide ok mit erläwen.
He ji ok Heuner schwat un witt,
Eier näm ick ok woll mit.
Nach Empfang einer Gabe:
Ihr habt uns eine Bescherung gegeben,
Nun sollt ihr auch Ostern in Freuden leben.
Wir danken euch herzlich für eure liebreichen Gaben,
Und hoffen, daß wir das nächste Jahr wieder etwas zu sammeln haben.

(Jeverland.)

f.

Wi sammelt wat ton Osterfür,
De ollen Teertunnen sünt so dür,
Gewt us een Bund Holt und een Bund Stroh darto,
Dann könt ji ok komen un kiken to;
Een is nix, twee is wat, dree, dann gahn wi usen Padd.
Nu lat us nich so lange stahn,
Wi möt noch 'n paar Hus wieder gahn,
Un heft ji kin Holt un heft ji kin Stroh,
[76]
Dann gewt ji us Geld,
Dann sünt wi Kinner good gestellt.

(Elsfleth.)

g.

Wi sammelt wat to't Osterfür,
De ollen Teertunnen sünt so dür,
Willt ji dor ok tau gäwen,
Schölt ji de Freide mit beläwen.
Dat Osterfür, dat brennt so schön,
Dat könt ji ganz natürlik seien (sehn),
Ok wenn ji nich ganz nahe bi stahet,
Wenn ji ok man an'n Heckpoahl stahet.
Ostern, Ostern kummt heran,
Het jo Dochter noch kin Mann,
De sin Brot verdeinen kann,
Ick weit wol'n gauden Timmermann
Ho, ho, ho, ein Schoof Stroh.

(Butjadingen.)

h.

Wi sammelt wat to't Osterfür,
De ollen Teertunnen sünd so dür,
Willt ji us ein paar Grote darto gäwen,
Schölt ji mit Freiden in jau Hus läwen.
Riem, riem, riem, Speck unnern Wiem,
Eier in dat Nest, Nest, dat is use best, best.
Lat us nich so lange stoahn,
Denn wi möt noch wieder goahn.

(Alte Landgemeinde Oldenburg.)

i.

Wi sammelt to dat Osterfür,
Dat lewe Stroh, dat is so dür,
Hebt ji kin Stroh, dann gäwt us Teer,
Dann kommt wi morgen mit den Teerpott her,
Hebt ji kin Teer, dann gäwt us Struk,
Damit blivt ji ja uk noch riek.

(Schweiburg.)

k.

Wi sammelt wat to't Osterfür,
Törf un Schullen sünt tau dür,
Ein Schoof Stroh
För use kranke Koh,
Einen ollen Bessen
För usen ollen Hössen (Pferd oder Kuh),
Of einen ollen Groten
In use schwarten Poten (Pfoten).

(Vechta).


Zu dem Laufen mit brennenden Strohwischen durch die Felder vgl. Johannisfeier: 324. Die Sitte des Springens übers [77] Feuer herrschte auch bei dem Patilienfeuer in Rom, 21. April (Stiftungstag der Stadt). Im 5. Buch Moses wird der heidnische Gebrauch, Söhne und Töchter durchs Feuer gehen zu lassen, verboten.


Lizenz
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link zur Lizenz

Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 314. [Zusammengestohlen, gebettelt und gekauft, wie in Delmenhorst, wird]. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-37EC-8