[153] 5. Schäferlied

Auf des Schäfers Seladon Geburtstag.


Dies ist der schöne Tag, da Seladon gebohren;
Tag, der zu meiner Lust vor andern auserkohren;
Tag, der mir in der Welt der allerliebste bleibt;
Tag, den die Liebe selbst in mein Gedächtnis schreibt;
Tag, den ich nimmermehr kann hoch genug verehren;
Tag, der die reine Gluth kann in der Brust vermehren;
Tag, der den Geist besiegt, das Herz empfindlich macht;
Tag, der die Seele letzt, an dem mein Glücke lacht.
Du bleibst mein einig All, mein Paradies auf Erden!
Und sollst deswegen auch mit Lust besungen werden.
Auf Schäfer! kommt herbey, helft diesen Tag begehn!
Laßt Mopsen unterdeß auf Huth und Wache stehn;
Legt euren Schäferschurz um die so schlanken Lenden;
Ich will euch Huth und Strauß und allen Ausputz senden.
Kommt, weil der Morgenthau noch auf den Matten ist,
Weil sich das Flügelheer noch in den Nestern küßt.
Pflückt Blum und Kräuter ab, brecht Blätter von den Zweigen,
Denkt nur auf Scherz und Lust; kein einiges soll schweigen.
Die Stöcke müssen frisch und wohl bebändert seyn,
Die Becher ausgespühlt. Nun schenk sich jeder ein,
Weil ich den schönsten Kranz mit eignen Händen winde,
Vor meinen Seladon, zu seinem Angebinde.
So sprach jüngst Sylvia: bald kam der ganze Chor,
Und jeder pfiff ein Lied auf seinem Haberrohr;
[154]
Da nahten sich zugleich die holden Schäferinnen,
Es suchte jegliche was neues auszusinnen,
Damit die Lust vermehrt, das Fest vollkommner ward.
Nur fehlte Seladon mit seiner Gegenwart.
Kaum, daß die Schäferzunft die Cythern angerühret,
So ward schon ein Geräusch im nächsten Busch verspühret;
Die muntre Nachtigall fiel in den Ton mit ein,
Die wilde Wachtel kam, und wollte Zeuge seyn.
Der Kukuck lies sich auch mit seiner Stimme hören;
Er ließ sich weder Tanz, Gesang, noch Leyer stöhren;
Die Schwalbe zwitscherte; der Bienen schwärmend Heer
Verliessen ihr Gefach, und flogen hin und her;
Die Taube sehnte sich nach ihrem frommen Gatten,
Das Männchen kam zu ihr, sie setzten sich im Schatten;
Die Schaafe zäckten sich; dort sprangen Zieg und Bock
Den Hügel auf und ab, und über Berg und Stock;
Das Vieh, so kreissend noch war in dem Stall geblieben,
Das fühlte keinen Schmerz, es wuste nur vom Lieben;
Das Lamm vergnügte sich an seiner Mutter Brust;
Ja, Pan der Hirtengott empfande selbst die Lust,
Er rief den Schäfern zu: kommt schneidet in die Linden
Den Namen Seladons, desgleichen nicht zu finden
An Werth und Trefflichkeit. Wenn ihr die Reyhen schließt,
So wünschet, daß er uns bald in den Linden grüßt!
Die Schäfer säumten nicht, den Namen einzuritzen;
Nur Sylvia blieb itzt am Bach von weitem sitzen.
Ihr Herze ward bekämpft von Unruh, Furcht und Streit,
Doch endlich sang sie noch aus grosser Zärtlichkeit:
[155]
Saust ihr Winde! Spielt ihr Aeste!
Singt ihr Vögel auf das beste,
Meiner Regung beyzustehn!
Euch darf ich mein Herze zeigen,
Ihr könnt zwitschern, ihr könnt schweigen,
Nun so hört was mir geschehn!
Selbst die Vorsicht muß es fügen,
Seladon bleibt mein Vergnügen,
Und mein Alles auf der Welt.
Er ist bloß vor mich gebohren,
Und vor andern auserkohren,
Der den Augen wohlgefällt.
Wenn ich sehnlich nach ihm blicke,
Und ihm manchen Seufzer schicke,
So erfordert es die Pflicht.
Dies sind Zeugen wahrer Liebe,
Stumme Redner reiner Triebe,
Wenn der Mund kein Wörtchen spricht.
Echo! laß dich doch erbitten,
Eile in des Schäfers Hütten,
Mit dem holden Wiederschall;
Laß ihm mein Geständnis wissen,
Sag, ich kann ihn nicht mehr missen,
Sag, ich such ihn überall.
Melde, wie ich heute singe,
Was ich ihm für Wünsche bringe,
Wie der Tag unschätzbar bleibt.
Wie die Heerde hüpft und springet,
Wie es jeglichem gelinget,
Wenn er seinen Namen schreibt.
[156]
Meines Schäfers ganzes Leben
Sey mit tausend Lust umgeben,
Durch des Himmels holden Blick.
Dieser mehre seine Jahre,
Damit ich dereinst erfahre,
Nichts vergleicht sich seinem Glück.
Endlich soll das Schicksal fügen,
Alles das was sein Vergnügen
Tausendfach verdopplen kann.
Lebe Schäfer! ohne Sorgen,
Kommts nicht heute, kommts doch morgen;
Nimm indeß den Willen an.

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TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Gedichte. Schäferlieder und Scherzgedichte. 5. Schäferlied. 5. Schäferlied. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B364-0