3. Hochzeittag.
An demselben kommen vor der Kirche im Hause des Bräutigams oder der Braut, wo eben die zukünftige Heimat ist, zusammen:
Der Bräutigam; er ist bekleidet mit einem dreieckigen [344] schwarzen Hut, einer schwarzen Halsbinde, einem roten Westchen (Leible) mit großen metallenen Knöpfen, kurzen schwarzen ledernen Hosen, die bis zu den Knieen gehen, weißen Strümpfen und Stiefeln, die entweder bis an die Waden oder über die Knie hinaufgezogen sind, mit einem langen, blau tüchenen Rock mit gestelltem Kragen, wie an den Röcken der Landwehrmänner anno 1848 seligen Angedenkens, einem leinenen, weißen Hemd. Ganz früher hatte man statt der Stiefel Schnallenschuhe, und statt des Tuchrocks einen von Barchent. Die mit Silber beschlagene Pfeife fehlte selten, auch das große silberne »Uhrenb'hängt« nicht. Handwerksleute und sog. Herrenbauern haben städtische Kleider.
Die Braut, sie ist ganz schwarz gekleidet. Beide Brautleute haben »Roßmarinstengel« auf der Brust, und die Braut einen glitzernden Kranz auf dem Kopf.
Der Hauxetknecht kommt mit einem entblößten Degen, der am Griff mit Bändern und Sträußen geziert ist. In der Mitte des einen Armes sind ganze Maschen von Sträußen und »Bändel«, und ein großer Rosmarinstengel mit einem Strauß ist vor der Brust. Ist aber die Hochzeit eines reichen Bauers, an welcher viel Hochzeitsgäste zuversichtlich zu erwarten sind, so hat man zwei »Hauxetknechte«, einen großen und kleinen, und die Hochzeit dauert manchmal zwei Tage.
Die beiden »Hauxetmägde« haben Kränze auf dem Kopf, Roßmarinstengel auf der Brust und weiße Schürzen. Sie haben die Funktionen, die Sträuße auszutheilen, sowol im Hause des Bräutigams, als im Wirtshause nach dem Kirchgange. Jeder gewöhnliche »Hauxetgast«, so er verheiratet ist, bekommt einen Rosmarinstengel; ist er aber vornehmerer Art, so bekommt er noch eine Citrone dazu; die Ledigen erhalten Sträuße aus künstlichen Blumen. Daß man aber[345] hiebei ja keine Person vergesse! Die »Hauxetmägde«, zwei an der Zahl, bekommen aber hiefür ein gutes Trinkgeld.
Die beiden, in der Regel verheirateten Zeugen sind mit größeren Sträußen als Andere versehen. Dann kommen die Eltern Beider und die übrigen nächsten Verwandten und Bekannten, die alle mit Sträußen versehen werden. Nach eingenommenem Imbiß bewegt sich der ganze Zug der Kirche zu, die Spielleute voran. Am Schießen, Jauchzen, Schnalzen mit der Zunge etc. fehlt es niemals. Die Spielleute lassen auf dem Wege Märsche, Tänze etc. hören; vor der Kirchthüre machen dieselben rechtsum kehrt und begeben sich meistens – anstatt in die Kirche – in das Wirtshaus.
Früher war es Sitte, daß der ganze Zug sich zuerst in das Wirtshaus begab, dort Wein trank und tanzte, entsprechend der Morgensuppe in Oberschwaben.
Kommt der Hochzeitszug in die Kirche, so beginnt der Organist mit einem lustigen Marsch. Die Brautleute, der Hauxetknecht, die beiden Zeugen und die Hauxetmägde gehen vor zum Altare und stellen sich in die beiden sog. Meßnerbänke zur rechten und linken Seite des Hochaltars auf.
In der Regel ist Hochamt, hernach Kopulation, zulezt Opfer. Bei diesem eröffnet der Bräutigam den Zug von der Männerseite aus, und die Väter der Brautleute beschließen denselben. Bei den Weibsbildern geht die Braut voran und die Mütter beschließen wiederum den Zug. Beim Opfer wird oft gewechselt. Hat Einer ein zu großes Geldstück, z.B. einen Groschen, so nimmt er etwa 21/2 kr. heraus; das Opfergeld liegt auf einem Teller. Kommt es vor, daß der Eine oder Andere kein passendes Geldstück hat, so »dupft« er leer. Das Opfer gehört dem Pfarrer. Hernach geht der Bräutigam in die Sakristei, fragt den Pfarrer um [346] die Schuldigkeit und ladet denselben wiederholt zur Hochzeit ein. Die beiden Ministranten nehmen ein Cingulum, stehen unter die Thüre und halten dasselbe quer dem Bräutigam vor, auf daß er ihnen ein Trinkgeld entrichte, was auch gerne unter manchen Scherzen geschieht.
Wie sich der Zug in die Kirche bewegte, eben so geht er in das Wirtshaus zurück. Der Hauxetknecht muß sich in Acht nehmen, daß ihm die Braut auf dem Wege nicht gestohlen wird, sonst muß er zur Strafe eine Maas Wein bezahlen und wird obendrein von Jedermänniglich recht ausgelacht. – Die Musikanten stehen schon vor der Kirchthüre und spielen Märsche bis auf den Tanzboden. Diesmal begleitet aber den Zug Alt und Jung unter Jauchzen und Schießen, Hüteschwingen, Schnalzen mit der Zunge und den Fingern, halb tanzend etc., kurz, Alles ist voller Leben.
Auf dem Tanzboden im Wirtshause angekommen, bilden die Zuschauer einen Kreis, und alsbald herrscht lautlose Stille: Alle entblößen ihre Häupter. Der Hauxet- oder die Hauxetknechte (wenn zwei) stellen sich hinter der Hochzeiterin auf, und nun beginnt der Hauxetläder folgenden, schon vor vielen Jahren gebräuchlichen Spruch:
»Ehrenhafte, großgünstige, insonders vielgeliebte Freund, Verwandte und Bekannte! Es ist allhier der Hochzeiter sammt seiner vielgeliebten Hochzeiterin, wie auch bederseits Freundschaft. Sie thun sich gegen allen und jeden bedanken, daß ihr den christlichen Kirchgang habt helfen und führen und den Gottesdienst seind beigewohnt und um den himmlischen Segen habt helfen bitten.«
»Zum Vierten und zum Lezten
wollen wir dem Hochzeiter sammt seiner vielgeliebten Hochzeiterin, wie auch bederseits Freundschaft noch einmal alle miteinander Glück und Segen wünschen, damit sie Gott der heilige Geist möchte erleuchten, daß sie in ihrem ehelichen Stand glücklich im Frieden miteinander leben und hausen mögen. Darzu helf mir und uns Allen gesammtlich die heilige und unzertheilte Dreifaltigkeit: Gott Vater, Sohn und h. Geist. Amen.«
Kaum ist »Amen« gesagt, so thut der Hochzeitknecht einen »Juchzer«, und sind es deren zwei, so schießt der kleine einen Pistol ab. Nebenbei sei gesagt, daß diese Landsleute eine bedeutende Virtuosität im »Jauchzen« haben; manchen hört man eine halbe Stunde weit. Mit der Braut werden nun vom Hauxetknecht drei Schleifer und ein Hopser getanzt; ist sie des Tanzens nicht kundig, so versieht die erste Hochzeitmagd ihre Stelle. Der Hochzeitknecht behält während dieser Brauttänze den entblößten Degen in der rechten Hand. Nach beendigtem Tanze gibt der Tänzer seiner Tänzerin, der [348] Braut, einen Handschlag, sie ihm aber ein Nastuch, das sie in der Tasche bereit hatte. Hernach tanzen der Bräutigam und die Braut und die Zeugen, nach und nachge sellen sich auch andere Paare hinzu. Wer erst später zur »Hauxet« kommen will, der begibt sich einstweilen nach Hause. Die Bleibenden setzen sich an den sog. »Hauxettisch«; der Hauxetknecht steckt seinen Degen in die Decke des Zimmers über dem Hauxettisch. Die Hochzeitleute, die nächsten Anverwandten etc. »sitzen in's Mahl«, oft ein halbes Hundert und darüber. Die Speisen werden aufgetragen, wie sie der Hochzeitlader schon beim Einladen herzählte. Pausen werden stets gemacht, unter welchen getanzt wird. Der Hauxetknecht hat die Verpflichtung, jedes anwesende Weibsbild, sei es verheiratet oder ledig, alt oder jung, hübsch oder häßlich, zum Tanz »aufzuziehen« und, falls sie geht, mit ihr zu tanzen. Die Aufforderung folgt in der Regel so: Urschel u. dgl., wellen mer net au drei thũ? Oder: Marei, komm mer wennt au naus mit einander? Oder: Bärbele, ja wie moischt, wellet mers net au probieren? u. dgl. Verheiratete und ältere Weibsleute stellen sich oft so, als ob sie nicht tanzen wollen, obgleich sie es gerne würden. Endlich nach langem und vielem Zusprechen Anderer und nach manchem Hin- und Herzerren des Hauxetknechtes geben sie mit innerer Freude und Selbstzufriedenheit ihre Einwilligung dazu und tanzen oftmals wie die Jungen. Aus diesem Grunde sind bei einer großen Hochzeit zwei »Hauxetknechte« da. Die Hauxetmägde haben außer der Austeilung der Sträuße an die Gäste, die erst während des Nachmittags und später kommen, die gleiche Funktion bei den Mannsleuten zu verrichten, gleichviel, ob verheiratet oder ledig, jung oder alt. Bedeutende Verdrießlichkeiten und Unannehmlichkeiten sezt es [349] ab, wenn man den einen oder andern Hochzeitgast »übersehen« sollte. Natürlich erlustigen sich auch noch viele anwesende Gäste durch Tanz, ohne durch officielle Weise hiezu eingeladen zu werden. – Bei jeder Hochzeit werden nur ganz kurze Tänze aufgespielt, und nach einigen Tänzen geben die Spielleute durch Klopfen an eine Geige das Zeichen, daß es nunmehr am Platz sei, den »Spiellohn« zu bezahlen. Der Tänzer zahlt sechs bis zwölf Kreuzer. Auch Tafelmusik wird während des Essens gemacht. Dafür werden die Spielleute besonders belohnt. Nebenbei sei gesagt, daß die Spielleute den ganzen Tag im Essen und Trinken frei sind. Nach der Mahlzeit hält der Hochzeitläder den zweiten Spruch, der also lautet: