409. Die Hölle und der Teufel.

1.

Die Hölle ist eine unterirdische Welt, mit Berg und Thal, Aeckern und Wiesen, Seen und Teichen, mit Häusern und Hausrat. Denn in der Hölle gibt es einen Backofen, eine Küche, Kessel und Häfen; der Teufel hat eine Stube, ja er muß sogar einen Stadel haben, wozu hätte er einen »Mähnebuben«? Ja, mit Gunst zu sagen, hat er sogar einen Abtritt, der ist vor dem Höllenthor, und man sagt etwas, das der Teufel hier mit losen Mäulern thue. Wie man's an der Stubenthür nicht selten bildlich dargestellt findet, führt eine breite Straße der Hölle zu, Fidler und Schwebelpfeifer voraus, hintendrein hüpft Paar und Paar nach dem Spruch des Kapuziners: »D' Schuh rab, der Höll' zu!« Denn barfuß tanzt man dem Teufel zu, nach dem Liedlein: »Zum Zipfel, zum Zapfel, zum Hennenloch nein, Alles muß versoffen sein, Strümpf und Schuh, lauft dem Teufel barfuß zu!« Es gibt aber auch noch Nebenwege in die Hölle. Zum Exempel bei Altshausen, wo ein Schütze in die Erde versunken, in den tiefen »Gumpern« der Donau, in allerlei Weihern und[262] Brunnen, wie im Mummelsee. Tractirt der Teufel seine Unterthanen auch mit der »Schürgabel«, so ist es doch zu Zeiten gar lustig in der Hölle, denn nach dem Volkswitz »kommen alle schönen Mädchen in die Hölle« und laufen ihnen die Buben halt nach. Der Teufel ist gewissermaßen ein Gentleman, denn es gibt Kerls, die er um keinen Preis in seine Sippe aufnimmt – die dem Teufel zu schlecht sind. Man hält den Teufel für dumm, ja man sagt sogar, der und der ist dummer als des Teufels Ranzen am letzen Theil! Nicht minder ist er sehr unfläthig, und es soll von vielen garstigen Verrichtungen, die ihm zugeschrieben werden, gesagt sein, daß er die verdammten Seelen da hineinfahren lasse, wo dieneunmalneunundneunzig Schneiderlein dem Bock entfahren. Der Teufel hat bloßMutter und Nahne, denn er gehört einem »ledigen Pack«. Die Alte muß keine Schönheit sein, weil man beim Anblicke eines häßlichen Weibes zu sagen pflegt: »Die ist wüster als des Teufels sein' Nahne!« Weiters möge vermeldet werden, daß der Satan ein guter Läufer ist, wenigstens sagt man wohl nicht umsonst von einem ausgezeichneten Läufer: »Der lauft dem Teufel ein Ohr weg.« Der Beine halber hält man ihn nicht für so geschickt, dem menschlichen Fuß Aehnliches zu leisten, weßhalb man von sehr unwahrscheinlichen Ereignissen sagt: »Und wenn der Teufel auf Stelzen käm!«

2.

Der Teufel, als Affe Gottes, läßt sich wie die hl. Dreifaltigkeit anrufen: In's drei Teufels Namen. Sonst ist er in irdischen Dingen ein Factotum, wie weiland sein Schattengänger Eulenspiegel, ein Meister von allen Handwerkern, mit Gesellen und Lehrbuben, und, wie schon gesagt, auch Bauer mit einem Mähnebuben. Als Jäger scheint er [263] sich am besten zu gefallen, ein Buschklopfer und Schnapphahn mit dem höllischen Jagdnetz. Dann läuft er einem über den Weg mit grünem Hut und grauem Rock, erkennbar an seinen rothen Haaren, an seinem Pferde- oder Bocksfuß. Nur selten bedient er sich einer Bocks- oder Kuhhaut als Gewand. Die Augen sind klein, wie Sauäugle, grün leuchtend. Nase und Maul sind über Gebühr groß, und die Zunge vermag er bis an den Bauchnabel herauszustrecken, wie seine Opfer, die Gehenkten. Den Kopf dreht er hurtig wie ein Vogel um, und er versteht sich auf's Krähen, wie jene Hennen, mit denen es nicht recht sauber ist. Kommt er in ein Wirthshaus, so sezt er sich gewöhnlich hinter den Ofen, vermuthlich weil ihm unsere Temperatur zu nieder, wird er warm, dann rückt er immer näher zu den Gästen, bis er mit ihnen zu discuriren anhebt und spielt. Würfel und Karten mag er am liebsten. Jezt stiftet er in kurzer Zeit Händel an, bis ein Spieler sein Messer zieht. Bei Tänzen stellt er sich in die Mitte und schnalzt mit den Fingern, weßwegen man dies als teuflische Sitte nicht nachmachen soll (Ertingen), und nicht selten tanzt er selber mit. Er hat einen großen Gefallen daran, seinen Namen aussprechen zu hören, und jedesmal macht er einen Bockssprung dabei. Man sucht ihn darum mit allerlei Ausreden zu bezeichnen, als: Möckeler (Bock), Maunkeler (Heimlichthuer), Butzenmäckeler, Hollenmäckeler, Butzenmaũke, Butzennähne, Guckigau, Deixel, Hollenmann u. dgl. Der Teufel verspricht den Leuten Geld und die Leute wollen auch immer von ihm haben, obgleich sie täglich zu sagen pflegen: Mein Gott! ist das ein armer Teufel, der hat ja nicht einmal eine eigene Höll! (Wohnung.) Der Teufel beliebt auch von Zeit zu Zeit Mückengestalt anzunehmen, [264] um den Leuten in's Maul zu fahren, wenn sie gähnen, weßwegen man dabei immer ein Kreuz schlagen soll, oder er hängt sich unsichtbar an die Schmellen am Weg, damit er bei der Gelegenheit, wo Jemand eine solche Schmelle als Zahnstocher benüzt, in den Menschen gelangen könne. Nicht minder oft lauert er an Hecken und im Laub am Fußweg, weil viele Leute ein Blättlein im Mund zu tragen gewöhnt sind, und auf diese Weise sucht er drin hinein zu kommen. Ebenso eifrig sizt er an allerhand Wasser, und nach Betläuten hat er die Macht, sich in den Menschen hinein mit dem Wasser trinken zu lassen, der es versäumt, das Kreuzeszeichen über den Trunk zu machen. In ein benedicirtes Haus darf der Teufel nicht hinein gehen, er paßt nur am Fenster ab, ob er nicht etwas erhaschen könne, denn was zum Fenster ein- und ausgeht, ist dem Teufel unterthan (Ertingen). Darum soll man kein Kind zum Fenster hinausgeben, nichts von Werth hinauswerfen, und absonderlich bei Nacht nie hinaussehen, ohne Weihwasser genommen zu haben. Auch hat der Teufel Gewalt über die Spiegel, sobald es dunkel geworden, denn wer hinein sieht, zu dem schaut der Leibhaftige heraus. Auch gehören ihm für den betreffenden Tag diejenigen an, welche mit ungewaschenen Händen umhergehen. Seine Knechte und Mägde, die Hexen und Teufelskünstler kennen derlei Leute wol und sagen auch bisweilen: »Ei! hör du, heute hast du deine Hände noch nicht gewaschen, weißt du, was das bedeutet?« Der Teufel ist der Ueberall. Selbst in der Kirche fehlt er nicht. Er sizt hinter dem Altar und notirt sich, wer unandächtig, item lächelt er den kleinen Buben ermunternd zu, wenn sie bei der Beicht etwas zu verschweigen gedenken, was sie um so eher thun, als es heißt, wenn »die Brocken«, welche sie dem »Hairle« in den Beichtstuhl bringen, [265] gar so groß seien, müßten sie »in eine glühende Kette beißen«, eine Redensart, mit der man andeuten will, daß etwas Schwieriges überwunden werden müsse. Um nun zu den einzelnen Thaten des Bösen überzugehen, mögen folgende im Volk umlaufenden Historien angeführt sein:


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TextGrid Repository (2012). Birlinger, Anton. 409. Die Hölle und der Teufel. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-071A-E