[150] 152. Der Pfingstritt zu Bettringen.

Lange vor dem Pfingstritte versammelt sich die Jugend in einem gewissen Hause, wo alsdann ausgemacht wird, wer mitspielt; hernach werden die Rollen vertheilt und zugleich bestimmt, welches Mädchen jeder Einzelne nach dem vollendeten Umzuge in's Wirtshaus abholen muß. Der Pfingstritt selbst findet am Montag nach Pfingsten Nachmittags statt. Die Theilnehmer sind schon aus der Werktagsschule entlassene Knaben, die jedoch noch keine Gesellen sind, d.i. sie dürfen sich nach der Betglocke noch nicht auf der Gasse sehen lassen, auch noch nicht rauchen.

Die Pfingstreiter haben um ihren Kopf einen Kranz von Schmalzblumen; derselbe ist aber so mit gelben Blumen überfüllt, daß das Haupt beinahe ganz bedeckt ist. Jeder hat über seine Kleidung ein weißes Hemd geworfen und um die Lenden einen Gürtel.

Des Pfingstreiters Roß muß schön und wohl genährt sein; es ist aufgeschwänzt und der Kopf mit gelben Blumen verziert. Der Zaum etc. ist blank gepuzt. Ein Sattel zum Reiten wird nicht benüzt. Der des Reitens Unkundige macht sich lange Zeit vorher mit dem Pferde und mit dem Reiten bekannt, da er hierzu jeden Abend Gelegenheit hat.

Das Verzieren des Reiters und des Pferdes über nimmt das Mädchen, welches von ihm in's Wirtshaus abgeholt wird. Daß hier jedes die Erste sein will, versteht sich von selbst, und manchmal wurde bei dieser Gelegenheit nicht selten der Grund zu späteren Bekanntschaften gelegt.

Der Pfingstlümmel zeichnet sich vor allen Andern durch hervorragende Verzierung und Corpulenz aus.

[151] Der Fähndrich hat einen Maien in der Hand und einen Sabel an der Seite; er muß der beste Reiter sein.

Zur bestimmten Stunde versammeln sich Alle vor dem Wirtshause auf dem Hofraume. Alsdann sezt sich der Zug in Bewegung und stellt sich allererst vor dem Pfarrhause auf, hernach beim Schultheis und bei andern angesehenen Personen. Jedesmal werden alle hienach verzeichneten Sprüche gesprochen, wo Jeder den Andern durch lauten und deutlichen Vortrag zu übertreffen sucht. Ist man so im ganzen Dorfe herumgekommen, begleitet von der sämmtlichen Schuljugend, so geht's wieder vor's Wirtshaus, wo zulezt gesprochen wird. Die Gäule werden ihren betreffenden Eigenthümern zugeritten.

Drei oder vier der Pfingstbuben sind bestimmt, die Gaben bei den Einzelnen einzusammeln, welche in Geld, Mehl, Schmalz und geräuchertem Schweinefleisch bestehen. Solches geschieht stets zu Fuß nach dem Umritt. Nachher kommen nun Alle mit ihren Mädchen in dem bestimmten Wirtshause zusammen. Vor Allem wird das ersammelte Geld gezählt und das Uebrige gemustert. Die Viktualien wandern in die Küche der Wirtin, die sofort Alles umsonst kocht. Der bei Gmünd herum so übliche »Schollenbrei« darf nicht fehlen. Das Geld wird vertrunken. In der Regel gibt Alles zusammen eine recht ordentliche Mahlzeit und einen ganz lustigen Abend. Die Schuljugend macht den Zuschauer. Bisweilen stellt sich auch ein Musikant mit einem sog. »Schafsfuß«, einer Maultrommel etc. ein, und dann wird's für die Jugend erst lustig. Wer tanzen kann, ergibt sich diesem Vergnügen. Mit dem ersten Zuge der Betglocke muß Alles auseinander und heimgehen. – Hier folgen die verschiedenen Sprüche:

[152]

1.

Wir reiten daher und also fest,
Wir grüßen die Herrn und all ihre Gäst,
Grüßen wir Ein oder den Andern nicht,
So wären wir keine rechte Reiter nicht.

2.

Herr Fähndrich bin ich genannt,
Den Maien führ ich in meiner Hand,
Den Sabel an der Seite,
Mit dem Türken muß ich heut noch streiten.
Mein Vater hat einen eisernen Hut,
Der Hut war viel zu süß und gut,
Der Hut war viel zu schwer,
Der druckt mich durch ganz Leib und Seel.
Ich bin ein Läufling,
Ich lauf durch das ganze Land,
Ich lauf durch das ganze Reich,
Kaiser und König sind all zugleich.
Was ich gern wissen woll',
Ich bin noch klein und weiß nicht viel;
Aus der Schul laß ich mich nicht vertreiben,
Bis ich kann lesen, rechnen und schreiben.
Da gibt mir mein Vater sein bestes Gut,
Da lern' ich 's Lesen und Schreiben auch dazu.

3.

Kaiser Karolus bin ich, dein Sohn,
Ich hab' meinem Vater schon Alles verthon,
Ich bin Tag und Nacht in's Wirtshaus neingesessen,
Ich hab' gesoffen und gefressen.
[153]
Wie der Wirt hat mir denn Zech gemacht,
Hab' ich keinen Kreuzer Geld im Sack gehabt,
Da haben mich die Leute brav ausgelacht.

4.

Pfingstbuben sind hochgeboren!
Auf unsere Aecker da wächst Korn,
Auf unsere Wiesen auch kein Gras.
Ach liebe Kameraden was ist das!
Die Bauern die wollen das Tröglein verbieten,
Da wollen wir ihnen kein Füllen mehr hüten,
Kein Ochsen mehr treiben,
Da werden die Bauern das Trögle gewiß leiden.
Ich sitze auf mein höchstes Roß,
Und reit wol über das höchste Schloß.
Wir reiten wol unten, wol oben,
Wir reiten die Brücklein in Boden.
Mit was kann man es machen?
Mit lauter gut gebackenen Sachen.
Mit was kann man uns flicken?
Mit lauter gut gebachenen Schnitten.
Jezt thät mein Räpple nochmal ein Sprung,
Da leert mein Bäure den Mehlsack aus;
Thät die Bäure den Mehlsack ganz voll machen,
Dann thäten meine andern Mitkameraden alle lachen.
Dui Bäure laß die nit verdrießen,
Ein Brocke Speck in Hafa schießen,
Nicht zu klein und nicht zu groß,
Daß ich den Hafen nicht verstoß.

[154] 5.

Was Sutee, was Sutee hat er begangen,
Daß man ihn hat eingefangen?
Eine große Mühe hat er gebraucht,
Bis man ihn hat hereingebracht.
Ach Gott, was muß man mit diesem alten Mann anfangen?
Muß man ihm Tod oder Leben lassen?
Man muß ihn am Leben lassen,
Bis auf die österliche Zeit,
Bis man ihm das lezte Nachtmahl geit.

6.

Ach nein, ach nein, das kann nicht sein,
Das Urtheil ist übergeben,
Zum Tod oder zum Leben.
Keine Gnad' hat er mehr zu hoffen,
Er wird auch keine finden,
Er muß in das tiefe Wasser sinken.

7.

Metzgers Knecht bin ich genannt,
Im ganzen Land bin ich bekannt;
Kauf ich wohlfeil ein,
Trinke eine gute Maas Wein;
Kaufe ich theuer ein,
So steck ich mein Nas in's Wasser nein.

8.

Wo kommen Sie her?
Von Sichsen oder von Sachsen,
Wo die schönen Mädchen auf den Bäumen wachsen?
[155]
Hätte ich daran gedacht,
So hätte ich meinen Kameraden auch eine oder zwei mitgebracht.

9.

Stumpet's Nägele, stell dî net so hoch,
Oder ich gib dir in harte Stoß,
Weil du bist heut Nacht in's Bett nei g'legan,
Hast du g'meint, es thuan ein Pflatschregan;
Hätt' die liebe Sonne dich nicht erweckt,
So lägest du vielleicht noch im Bett.

10.

Buben, reitet g'schwind,
Sonst meinen die Leut', wir seien blind;
Sehet auf,
Schlaget alle tapfer d'rauf!

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Birlinger, Anton. 152. Der Pfingstritt zu Bettringen. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-0BE3-A